TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/29 G308 2246716-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2021
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Entscheidungsdatum

29.11.2021

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G308 2246716-1/3E
G308 2246717-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die mit Vorlageanträgen jeweils vom 30.07.2021 vorgelegten Beschwerden jeweils vom 22.04.2021 des XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch GREIML & HORWATH RechtsanwaltsPartnerschaft in 8010 Graz, gegen die Beschwerdevorentscheidungen der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark, vom 14.07.2021, Zahl: XXXX zur Beitragskontonummer 229.229-7, sowie vom 14.07.2021, Zahl: XXXX zur Beitragskontonummer XXXX, zu Recht:

A)       Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidungen bestätigt.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde) vom 23.03.2021, Zahl: XXXX, wurde ausgesprochen, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz: BF) als ehemaliger Geschäftsführer der „XXXX GmbH & Co KG“ (im Folgenden: GmbH & Co KG) der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG aushaftende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für den Zeitraum Juni 2018 bis August 2018 in Höhe von EUR 3.439,81 zuzüglich Verzugszinsen in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, daher ab 23.03.2021 3,38 % p.a. aus EUR 2.873,36 schulde, und verpflichtet sei, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die GmbH & Co KG, deren unbeschränkt haftende Gesellschafterin die „XXXX GmbH“ (im Folgenden: Komplementär-GmbH) sei, und deren Geschäftsführer wiederum der BF gewesen sei, schulde der belangten Behörde aus den Beiträgen Juni 2018 bis August 2018 EUR 3.439,81 und weitere Verzugszinsen. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der GmbH & Co KG sei am 17.09.2018 der Konkurs eröffnet und am 13.05.2020 gemäß § 139 IO aufgehoben worden. Die erlangte Quote sowie die Vergütung durch den IEF seien vom Haftungsbetrag bereits in Abzug gebracht worden. Der BF hafte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der GmbH & Co KG gewesen sei, für den gegenständlichen Rückstand. Trotz mehrerer Telefonate und einer schriftlichen Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung, in der mitgeteilt worden sei, dass im gegenständlichen Zeitraum überhaupt keine Zahlungen erfolgt seien, seien auch nach gewährter Fristverlängerung keine konkreten Unterlagen für eine Haftungsberechnung bei der belangten Behörde eingelangt. Der BF als Geschäftsführer sei somit seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen und könne daher angenommen werden, dass er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe. Es sei somit von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit Konsequenz der Haftung für sämtliche aushaftende Beiträge auszugehen.

Dem Bescheid war ein mit 23.03.2021 datierter Rückstandausweis des betreffenden Beitragskontos mit der Nummer XXXX beigefügt.

1.2. Mit einem weiteren Bescheid der belangten Behörde ebenfalls vom 23.03.2021, Zahl: XXXX, wurde zudem ausgesprochen, dass der BF als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der belangten Behörde gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG aushaftende Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren aus den Vorschreibungen für den Zeitraum Mai 2018 bis September 2018 in Höhe von EUR 3.157,88 zuzüglich Verzugszinsen in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, daher ab 23.03.2021 3,38 % p.a. aus EUR 2.511,91 schulde, und verpflichtet sei, diesen Betrag binnen 14 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen an die belangte Behörde zu bezahlen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Komplementär-GmbH der belangten Behörde aushaftende Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum von Mai 2018 bis September 2018 in Höhe von EUR 3.157,88 zuzüglich weiterer Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Komplementär-GmbH sei am 25.10.2018 der Konkurs eröffnet und am 29.06.2020 gemäß § 139 IO aufgehoben worden. Die erlangte Quote sowie die Vergütung durch den IEF seien vom Haftungsbetrag bereits in Abzug gebracht worden. Der BF hafte gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als ehemaliger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH für den gegenständlichen Rückstand. Trotz mehrerer Telefonate und einer schriftlichen Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung, in der mitgeteilt worden sei, dass im gegenständlichen Zeitraum überhaupt keine Zahlungen erfolgt seien, seien auch nach gewährter Fristverlängerung keine konkreten Unterlagen für eine Haftungsberechnung bei der belangten Behörde eingelangt. Der BF als Geschäftsführer sei somit seiner Darlegungspflicht nicht nachgekommen und könne daher angenommen werden, dass er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe. Es sei somit von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit Konsequenz der Haftung für sämtliche aushaftende Beiträge auszugehen.

Dem Bescheid war ein mit 23.03.2021 datierter Rückstandausweis des betreffenden Beitragskontos mit der Nummer XXXX beigefügt.

2. Mit Schriftsatz der bevollmächtigten Rechtsvertretung des BF vom 22.04.2021, am selben Tag bei der belangten Behörde einlangend, wurde gegen beide Bescheide der belangten Behörde vom 23.03.2021 zugleich und fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen und die angefochtenen Haftungsbescheide ersatzlos beheben.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass in beiden Fällen ein schuldhaftes Verhalten des BF nicht vorliege. Durch eine schwere Erkrankung und geschäftlichen Misserfolg habe sich eine Zahlungsstockung ergeben. Der BF habe bis zuletzt darum gekämpft, seinen Verpflichtungen nachzukommen. In der Komplementär-GmbH habe er keine Einnahmen gehabt und sei es daher gar nicht möglich gewesen, die belangte Behörde schlechter zu stellen als andere Gläubiger. Auch habe der BF die belangte Behörde bei der GmbH & Co KG nicht schlechter gestellt. Jedenfalls seien keine wie immer gearteten schuldhaften Handlungen des Beschwerdeführers gesetzt worden. In concreto würden solche von der belangten Behörde auch nicht behauptet werden. Nachvollziehbare Unterlagen seien seitens des BF bzw. seiner steuerlichen Vertretung an die belangte Behörde gesandt worden. Es werde die zeugenschaftliche Einvernahme des ehemaligen Steuerberaters sowie des Stellvertreters des inzwischen verstorbenen Masseverwalters in den Insolvenzverfahren der GmbH & Co KG sowie der Komplementär-GmbH beantragt.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 05.05.2021 wurde die Rechtsvertretung des BF in Bezug auf die beiden bekämpften Bescheide darauf hingewiesen, dass die in der Beschwerde angeführten „nachvollziehbaren Unterlagen“ bei der belangten Behörde nie eingelangt seien. In einem Telefonat am 30.09.2020 sei der ehemalige Steuerberater des BF darauf hingewiesen worden, dass seine Aussage in seinem E-Mail vom 01.09.2020 mit Unterlagen belegt werden müsse. Auch mit dem Rechtsvertreter sei am 15.09.2020 in einem Telefonat besprochen worden, dass die Vorlage von Unterlagen zur Verifizierung der Aussage, dass weder Einnahmen erzielt noch Zahlungen getätigt worden seien, notwendig wären. Es werde daher ein weiteres Mal um Zusendung nachvollziehbarer Unterlagen ersucht. Für deren Einlangen werde der 21.05.2021 vorgemerkt.

Auf dieses Schreiben der belangten Behörde erfolgte weder seitens des BF noch seiner Rechtsvertretung eine Reaktion. Auch wurden keine Unterlagen nachgereicht.

4. Mit den verfahrensgegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen jeweils vom 14.07.2021, Zahlen: XXXX zur Beitragskontonummer XXXX sowie XXXX zur Beitragskontonummer 229.430-5 wurden die Beschwerden jeweils als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der BF seit 04.03.1991 selbstständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen sei und diese wiederum seit 04.03.1991 bis zur Insolvenzeröffnung unbeschränkt haftende Gesellschafterin der GmbH & Co KG gewesen sei. Die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge für Juni und Juli 2018 sowie für eine GPLA im August 2018 betreffend die GmbH & Co KG sowie für den Zeitraum von Mai 2018 bis September 2018 betreffend die Komplementär-GmbH sei somit ein Bestandteil der dem BF als Geschäftsführer auferlegten Pflichten gewesen, die er offenkundig nicht erfüllt habe. Die Haftungsbeträge seien jeweils in den, den Bescheiden beigelegten, Rückstandsaufstellungen aufgegliedert worden und entspreche diese den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG.

Um über den Einsatz der den Gesellschaften allenfalls zur Verfügung stehenden Mittel und die Beurteilung der damit verbundenen Un- bzw. Gleichbehandlung der belangten Behörde mit anderen Gläubigern zu ermöglichen, sei der BF am 31.07.2020 über die Einleitung von Haftungsprüfungsverfahren informiert worden. Die Vorlage entsprechender Unterlagen, die eine Gleichbehandlungsprüfung ermöglichen würden, sei trotz Zusage durch den BF, seinen Steuerberater und dem Rechtsvertreter trotz mehrmaliger Fristverlängerungen und Hinweise seitens der belangten Behörde nicht erfolgt. Die behauptete Gleichbehandlung aller Gläubiger habe somit nicht schriftlich und rechnerisch nachgewiesen werden können. In diesem Zusammenhang sei auf die Darlegungspflicht des Geschäftsführers zu verweisen. Sollte er dieser nicht nachkommen, könne angenommen werden, dass er die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt habe, sodass von einer schuldhaften Pflichtverletzung mit der Konsequenz einer Haftung für die gesamten aushaftenden Beitragsverbindlichkeiten auszugehen sei. Weiters werde auch auf die besondere Sicherungspflicht verwiesen, wonach es dem Geschäftsführer zumutbar sei, jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle einer Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung seiner Darlegungspflichten ermöglichen würden. Nach der ständigen Rechtsprechung habe derjenige, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfülle, die Gründe darzutun, aus denen ihm die Erfüllung nicht möglich gewesen sei, widrigenfalls anzunehmen sei, dass er seiner Pflicht schuldhafter Weise nicht nachgekommen sei.

5. Mit Schriftsätzen der Rechtsvertretung jeweils vom 30.07.2021, bei der belangten Behörde jeweils am 03.08.2021 einlangend (Poststempel 30.07.2021), beantragte der BF ohne ergänzende Begründung die Vorlage seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und wiederholte seine Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6. Die gegenständlichen Vorlageanträge wurden samt Beschwerde und den maßgeblichen Verwaltungsakten von der belangten Behörde am 24.09.2021 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

In den jeweils mit 22.09.2021 datierten Vorlageberichten der belangten Behörde wurde zusammengefasst und gleichlautend ausgeführt, dass der BF in keinem der beiden Verfahren entsprechende rechnerische Gleichbehandlungsnachweise vorgelegt habe und seitens des Steuerberaters auch eingeräumt worden sei, dass solche nicht oder kaum vorhanden seien. Die Einvernahme des Steuerberaters oder des Stellvertreters des inzwischen verstorbenen Masseverwalters könne die Vorlage von Buchhaltungsunterlagen und die damit rechnerisch nachzuprüfende Gleichbehandlung der belangten Behörde nicht ersetzen.

Es wurde jeweils beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

7. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.09.2021 wurden die Vorlageberichte der Rechtsvertretung des BF jeweils zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs binnen drei Wochen übermittelt.

Eine Stellungnahme langte bis dato nicht beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die ehemals im Firmenbuch zur Zahl FN XXXX eingetragene Komplementär-GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 14.02.1991 gegründet und am 04.03.1991 in das Firmenbuch eingetragen. Von 04.03.1991 bis 25.10.2018 war der BF selbstständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Seit 26.10.2020 bis 14.07.2020 wurde die Gesellschaft durch zwei verschiedene Insolvenzverwalter vertreten (vgl. aktenkundiger Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 22.09.2021).

1.2. Die ehemals im Firmenbuch zur Zahl FN XXXX eingetragene GmbH & Co KG wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 07.03.1991 gegründet und am 04.03.1991 in das Firmenbuch eingetragen. Einzige unbeschränkt haftende und zur selbstständigen Vertretung befugte Gesellschafterin war seit 04.03.1991 bis zur Insolvenzeröffnung am 17.09.2018 die Komplementär-GmbH (vgl. aktenkundiger Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 22.09.2021; Schreiben belangte Behörde vom 31.07.2020).

1.3. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 17.09.2018, Zahl: XXXX, wurde über das Vermögen der GmbH & Co KG der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom 12.05.2020 nach Schlussverteilung und einer Quote von 27,095 % wieder aufgehoben. Die Firma wurde daraufhin mit Antrag vom 07.08.2020 am 11.08.2020 aus dem Firmenbuch gelöscht (vgl. aktenkundiger Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 22.09.2021).

1.4. Mit Beschluss des Landesgerichtes XXXX vom 25.10.2018, Zahl: XXXX, wurde auch über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Konkurs eröffnet und mit Beschluss vom 26.06.2020 nach Schlussverteilung und einer Quote von 17,475 % wieder aufgehoben. Die Firma wurde daraufhin gemäß § 40 FGB amtswegig am 16.09.2021 aus dem Firmenbuch gelöscht (vgl. aktenkundiger Firmenbuchauszug zur FN XXXX vom 22.09.2021; Schreiben belangte Behörde vom 31.07.2020).

1.5. Betreffend die GmbH & Co KG ergeben sich zum 23.03.2021 bezüglich des Beitragskontos Nr. XXXX, nachfolgende aushaftende Beitragsrückstände (vgl. entsprechende Rückstandsaufstellung vom 23.03.2021):

06/2018

Beitrag Rest

(01.06.2018-30.06.2018)

 

1.295,27

07/2018

Beitrag Rest

(01.07.2018-31.07.2018)

 

721,08

08/2018

Beitrag GPLA Rest

(01.08.2018-31.08.2018)

 

857,01

Summe der Beiträge

 

2.873,36

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 22.03.2021

 

566,45

Summe der Forderung

 

3.439,91

Ab 23.03.2021 entstehen täglich weitere Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus EUR 2.873,36.

1.6. Betreffend die Komplementär-GmbH ergeben sich zum 23.03.2021 bezüglich des Beitragskontos Nr. XXXX, nachfolgende aushaftende Beitragsrückstände (vgl. entsprechende Rückstandsaufstellung vom 23.03.2021):

05/2018

Beitrag Rest

(01.05.2018-31.05.2018)

 

0,02

06/2018

Beitrag Rest

(01.06.2018-30.06.2018)

 

1.016,34

07/2018

Beitrag Rest

(01.07.2018-31.07.2018)

 

518,69

08/2018

Beitrag Rest

(01.08.2018-31.08.2018)

 

518,69

09/2018

Beitrag Rest

(01.09.2018-30.09.2018)

 

 

458,17

Summe der Beiträge

 

2.511,91

Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG gerechnet bis 22.03.2021

 

368,64

Nebengebühren

 

277,33

Summe der Forderung

 

3.157,88

Ab 23.03.2021 entstehen täglich weitere Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus EUR 2.511,91.

1.7. Die Haftung des BF wird nur dem Grunde nach bestritten. Es folgte keinerlei Bestreitung der mit den Rückstandsausweisen festgestellten Höhe der jeweils aushaftenden Beitragsrückstände.

Der BF hat trotz der, im von der belangten Behörde jeweils geführten Ermittlungsverfahren mehrfach, zum Teil unter erheblichen Fristverlängerungen, ergangenen schriftlichen und telefonischen Aufforderungen keine Nachweise für die konkrete finanzielle Situation der jeweiligen Primärschuldnerinnen, daher der GmbH & Co KG sowie der Komplementär-GmbH während der haftungsrelevanten Zeiträume und damit der Gleichbehandlung der belangten Behörde mit anderen Gläubigern erbracht.

Es konnte somit nicht festgestellt werden, in welchem Verhältnis die auf die Gesamtforderung der Primärschuldnerinnen jeweils (wenn überhaupt) geleisteten Zahlungen zu den Forderungen der belangten Behörde und den (allenfalls) beglichenen Forderungen anderer Gläubiger stehen.

Der ehemalige Steuerberater des BF hat auf Anfrage der belangten Behörde deutlich gemacht, über keine oder kaum entsprechende Unterlagen zu verfügen. Weder der BF, der Steuerberater noch der Rechtsvertreter haben Buchhaltungsunterlagen vorgelegt, die zur Führung eines Entlastungsbeweises tauglich wären und sind sie dazu auch offenbar nicht in der Lage, diese zu beschaffen und vorzulegen (vgl. jeweils aktenkundige Korrespondenz mit der belangten Behörde).

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.1. Die Feststellungen in Bezug auf die GmbH & Co KG bzw. die Komplementär-GmbH ergeben sich einerseits aus den aktenkundigen Firmenbuchauszügen jeweils vom 22.09.2021 sowie der aktenkundigen Korrespondenz zwischen dem BF, dem Steuerberater und der Rechtsvertretung.

Die in den Bescheiden jeweils festgestellten Haftungsbeträge ergeben sich aus den jeweiligen Rückstandsausweisen vom 23.03.2021. Der BF hat zudem Einwendungen gegen die Berechnung oder die Höhe des Haftungsbetrages bzw. des aushaftenden Beitragsrückstandes erhoben.

Der BF konnte in beiden Verfahren vor der belangten Behörde keinerlei Buchhaltungsunterlagen oder Berechnungen zur Führung eines Entlastungsbeweises vorlegen und war trotz mehrmaliger Belehrung über die Rechtslage und Aufforderung zur Vorlage auch nicht in der Lage, solche zu beschaffen und vorzulegen.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den in den Verwaltungs- bzw. im Gerichtsakten einliegenden Beweismitteln und aus den von den Parteien im gesamten Verfahren gemachten Angaben, welche jeweils in Klammer zitiert und weder vom BF (substanziiert) noch der belangten Behörde bestritten wurden.

2.3. Strittig ist im gegenständlichen Fall überwiegend die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts, sodass im Übrigen darauf verwiesen wird.

Insgesamt ergeben die vorliegenden Tatsachen und Beweise sowie mangelnde gegenteilige Beweise ein Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse. Aus den angeführten Gründen konnte der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Anzuwendendes Recht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idFg. BGBl. I 109/2021, geregelt (§ 1 leg. cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 27 VwGVG legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Demzufolge hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid aufgrund der Beschwerde zu überprüfen. Verwiesen wird dabei auf die Bestimmung des § 9 VwGVG, der den Inhalt der Beschwerde beschreibt und hier insbesondere auf Abs. 1 Z 3 und Z 4 leg. cit. Dies betrifft die Angabe der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie das Begehren.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.2. Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung:

Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) geht davon aus, dass - aufgrund § 17 VwGVG 2014 - auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip maßgeblich ist (etwa VwGH vom 17.12.2014, Zl. Ro 2014/03/0066; VwGH vom 18.02.2015, Zl. Ra 2015/04/0007; VwGH vom 24.03.2015, Zl. Ra 2014/21/0058). Gleiches hat auch bezüglich der in § 39 Abs. 2 AVG für die Verwaltungsbehörden vorgesehene Möglichkeit zu gelten, den Gang des Verfahrens dahingehend zu bestimmen, mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden und sie wieder zu trennen. Bei der Entscheidung, die Verfahren zu verbinden oder zu trennen, hat sich das Verwaltungsgericht - wie auch die Verwaltungsbehörden - von den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 1).

Nach Ansicht des VwGH sind Verwaltungsgerichte unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AVG berechtigt und unter der Voraussetzung des § 39 Abs. 2a AVG auch verpflichtet, Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung zu verbinden (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 3 erster Satz).

Aufgrund des Umstandes, dass gegenständlich die Haftung des BF als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie der GmbH & Co KG, deren einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin die Komplementär-GmbH gewesen ist, zu beurteilen ist, sich die Haftungszeiträume überschneiden und den jeweiligen Bescheiden ein sich gegenseitig bedingender Sachverhalt zugrunde liegt, erachtet es das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis als gerechtfertigt, gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm.
§ 17 VwGVG die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

Über beide seitens des BF anhängigen Beschwerden wird somit mit der gegenständlichen Entscheidung gemeinsam abgesprochen.

Zu Spruchteil A):

3.3. Zur Haftung des Beschwerdeführers dem Grunde nach:

3.3.1. Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die Vertreter juristischer Personen, die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen und die Vermögensverwalter (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personengesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegen Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung.

Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei den „zur Vertretung berufenen“ um die gesetzlichen Vertreter, also um jene, ohne die das vertretene Rechtssubjekt nicht handeln kann, wie sich aus der insoweit ausdrücklichen Beschränkung bei den natürlichen Personen ergibt (VwGH 89/08/0223, ZfVB 1992/1033). Diese Ableitung scheint auch aus Gleichheitsgründen überzeugend (vgl dazu VwGH 94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = SVSlg 45.037). Daher haften grds nicht Prokuristen iSd § 53 UGB (VwGH 89/08/0223, ZfVB 1992/1033;94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = ARD 5134/35/2000 = SVSlg 45.037) und auch nicht Handlungsbevollmächtigte iSd § 54 UGB (vgl Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 94 (Stand 01.07.2014, rdb.at)).

Zu den im § 67 Abs. 10 ASVG genannten "zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen" gehören auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (vgl. z.B. VwGH vom 19.09.1989, Zl. 88/08/0283).

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH & Co KG ist die Komplementär-GmbH. Nach der älteren Rechtsprechung wurde eine Haftung „des Vertreters des Beitragsschuldners“ aus § 67 Abs. 10 ASVG verneint (vgl VwGH 89/08/0276 und 89/08/0243). Die neuere Rechtsprechung nimmt hingegen den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als den gesetzlichen Vertreter auch der KG unmittelbar in Haftung, ohne zuerst die Haftung der Komplementär-Gesellschaft feststellen zu müssen (vgl VwGH 95/08/0152 und 99/08/0075). Das Anliegen des § 67 Abs. 10 ASVG ist nicht, juristische Personen für andere juristische Personen oder Personengesellschaften haften zu lassen, weil deren Pflichten wieder nur durch natürliche Personen wahrgenommen werden können. Soweit daher in der GmbH & Co KG die GmbH zur Erfüllung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten für die KG als Dienstgeber (und nicht nur für allfällige eigene Beschäftigte der GmbH) verhalten ist, obliegen auch diese Pflichten gemäß § 58 Abs. 5 ASVG unmittelbar dem Geschäftsführer der GmbH, der daher auch zu Recht als Vertreter der GmbH & Co KG iSd § 67 Abs. 10 ASVG zu qualifizieren ist (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Kommentar § 67 ASVG Rz 95 (Stand 01.12.2020, rdb.at)).

3.3.2. Fallbezogen ergibt sich aus den Feststellungen, dass BF in den gegenständlichen Haftungszeiträumen selbstständig vertretungsbefugter, handelsrechtlicher Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen ist, die ihrerseits die einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin der GmbH & Co KG gewesen ist. Entsprechend der soeben dargelegten Judikatur hat die belangte Behörde somit bezogen auf die GmbH & Co KG richtigerweise direkt auf den BF als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH als natürliche Person zugegriffen.

Der BF war somit im jeweils festgestellten Zeitraum rechtlich verantwortliche Vertreter der Primärschuldnerinnen, daher der Komplementär-GmbH und der GmbH & Co KG iSd § 67 Abs. 10 ASVG.

Wesentliche (und primäre) sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive (gänzliche oder zumindest teilweise) Uneinbringlichkeit der betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH vom 29.03.2000, 95/08/0140 mit Hinweis auf E 09.02.1982, 81/14/0072, 0074-0077, VwSlg 5652 F/1982, E 16.09.1991, 91/15/0028).

Im konkreten Fall steht fest, dass über die Primärschuldnerinnen jeweils ein Konkursverfahren abgeführt wurde, diese mit rechtskräftigen Beschlüssen des Insolvenzgerichtes jeweils nach Schlussverteilung aufgehoben wurden und die GmbH & Co KG bereits auf Antrag vom 07.08.2020 mit 11.08.2020 aus dem Firmenbuch gelöscht wurde. Die Komplementär-GmbH wurde sodann gemäß § 40 FGB amtswegig am 16.09.2021 aus dem Firmenbuch gelöscht. Die objektive Uneinbringlichkeit der aushaftenden Beträge liegt somit sowohl bei der GmbH & Co KG als auch der Komplementär-GmbH vor.

Die Heranziehung des BF als Vertreter der Primärschuldnerinnen zur Haftung für deren Beitragsschulden im relevanten Zeitraum erfolgte daher dem Grunde nach zu Recht.

3.4. Zur schuldhaften Verletzung der Gleichbehandlungspflicht bzw. Haftung der Höhe nach:

3.4.1. Der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038) wurde durch das SRÄG 2010, BGBl. I Nr. 62, der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528A), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Dieses Benachteiligungsverbot bedeutet zunächst, dass immer dann, wenn andere Forderungen zumindest teilweise erfüllt werden, im entsprechenden Prozentsatz auch die Forderungen des Versicherungsträgers teilweise erfüllt werden müssen (Gleichbehandlung nach der Zahlungstheorie). Daneben wurde in der Rechtsprechung vielfach auch die Auffassung vertreten, dass eine solche anteilige Leistung (zumindest) an den Versicherungsträger stets nach Maßgabe vorhandener Mittel zu leisten ist, und zwar in einem solchen Prozentsatz, der dem Verhältnis der Summe aller Forderungen zur Forderung des Versicherungsträgers entspricht (Gleichbehandlung nach der Mitteltheorie). Der VwGH hat sich in einem Judikat zur Parallelbestimmung in § 25a BUAG zur Zahlungstheorie bekannt (VwGH 2002/08/0213, VwSlg 16.532 A = RdW 2005/491, 444 = ZfVB 2006/1287) und so dem Vertreter die Möglichkeit eröffnet, zur Vermeidung der Verletzung von Gläubigerinteressen entweder die Zahlungen vorübergehend einzustellen, bis der Liquiditätsengpass überwunden ist (sofern darauf ernstlich Aussicht besteht) oder die Zahlungen vor Insolvenzeröffnung dauernd einzustellen und die liquiden Mittel letztlich zur gleichmäßigen Verteilung in der Insolvenzmasse zu belassen, ohne eine Haftung für den Beitragsausfall zu riskieren. Daher muss der Vertreter bei gänzlichem Aushaften von Beiträgen nicht die Mittellosigkeit des Dienstgebers nachweisen (so aber noch VwGH 94/08/0105, ZfVB 2000/1561 = ARD 5134/35/2000 = SVSlg 45.037) (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 116 f (Stand 01.12.2020, rdb.at).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa VwGH vom 21.05.1996, 93/08/0221; vom 29.06.1999, 99/08/0075, uva.) ist die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat (VwGH vom 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Für die Haftung ist nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein Verschulden trifft und ob er auf Grund dieser Insolvenz selbst einen Schaden erlitt, weil nicht das Verschulden an und der Schaden aus der Insolvenz ins Gewicht fallen, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor Insolvenzeröffnung (VwGH vom 30.05.1989, Zl. 89/14/0043). Es ist somit nicht die Schuldlosigkeit des Vertreters an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft relevant, sondern die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 21.09.1999, 99/08/0065; vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

3.4.2. In beiden von der belangten Behörde durchgeführten Verwaltungsverfahren wurde der BF bereits lange vor Bescheiderlassung mit entsprechenden Schreiben der belangten Behörde auf seine mögliche Haftung hingewiesen und wurde ihm jeweils aufgetragen, schriftlich Gründe und Beweise vorzulegen, dass ein Verschulden seinerseits an den Pflichtverletzungen jeweils nicht vorlag. Der BF wurden weiters zur Erstellung eines rechnerischen Entlastungsbeweises mehrfach angeleitet und wurden ihm diesbezüglich mehrfach großzügige Fristverlängerungen seitens der belangten Behörde eingeräumt. Auch wurden mit dem ehemaligen Steuerberater des BF seitens der belangten Behörde Gespräche geführt, in deren Rahmen dieser einräumte über keine (geeigneten) Unterlagen zu verfügen. Die dem BF vorgelegten Rückstandsausweise wurden zu keiner Zeit bestritten.

Schlussendlich hat die belangte Behörde auch im Rahmen des von ihr durchgeführten ergänzenden Ermittlungsverfahrens vor Erlassung der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidungen noch einmal darauf hinzuwirken versucht, entsprechende Buchhaltungsunterlagen vorgelegt zu bekommen. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese ausführt, dass eine mündliche zeugenschaftliche Einvernahme des ehemaligen Steuerberaters bzw. des Stellvertreters des verstorbenen Masseverwalters einen rechnerischen Gleichbehandlungsnachweis über die Un-/Gleichbehandlung der belangten Behörde und/oder eine komplette Zahlungseinstellung basierend auf konkreten Buchhaltungsunterlagen nicht zu ersetzen vermag.

Angesichts der nicht weiter begründeten Vorlageanträge des BF sowie dem Umstand, dass er auch die ihm jeweils vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Vorlageberichten der belangten Behörde ungenützt hat verstreichen lassen, ist dem BF diesbezüglich entgegenzuhalten, dass ihn – wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung vertritt – ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht der belangten Behörde als Vertreter der Primärschuldnerinnen die besondere Verpflichtung trifft, darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen – nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens – die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde (und somit auch das Bundesverwaltungsgericht) zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat. Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038, mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hätte der BF jeweils nicht nur allgemein und ohne Nachweise dartun müssen, dass er dem Benachteiligungsverbot jeweils Rechnung getragen hat. Vielmehr hätte er im Hinblick darauf, dass er die Einstellung aller Zahlungen im haftungsrelevanten Zeitraum nur unsubstanziiert behauptet hat, insbesondere die im jeweiligen Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darlegen müssen (vgl. VwGH 2002/08/0213; Ra 2015/08/0040).

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer machten jedoch – obwohl er dazu im Verfahren vor der belangten Behörde (unter Anführung der Notwendigkeit eines solchen Vorbringens) wiederholt aufgefordert wurden, keinerlei diesbezügliche Angaben (vgl. VwGH vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038, mwN).

Jedem Vertreter, der fällige/rückständige Beiträge der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, ist schon in Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen. Diese Informationssicherung hat spätestens dann zu erfolgen, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretertätigkeit fällige/rückständige Beitragsschulden unberichtigt aushaften. Die Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Beiträge bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind (vgl Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG8, § 67 Rz 80k, mit Verweis auf VwGH 97/14/0160, betreffend ein Zurückbehaltungsrecht an Geschäftsunterlagen sowie Told, Zum Entlastungsbeweis bei der Managerhaftung, wbl 2012, 188 ff).

Davon ausgehend ist der Beschwerdeführer seiner besonderen Mitwirkungspflicht weder im Verfahren vor der belangten Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht trotz Aufforderung nachgekommen. Im Hinblick darauf kann nach der oben angeführten Rechtsprechung ohne weitere Ermittlungen eine schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzung angenommen werden.

Die Haftung des Beschwerdeführers erstreckt sich nach den obigen Ausführungen auf die zum Entscheidungszeitpunkt aushaftenden Beitragsschulden hinsichtlich der Komplementär-GmbH in Höhe von EUR 3.157,88 zuzüglich Verzugszinsen in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, daher ab 23.03.2021 3,38 % p.a. aus EUR 2.511,91, und der GmbH & Co KG in Höhe von EUR 3.439,81 zuzüglich Verzugszinsen in der sich aus § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, daher ab 23.03.2021 3,38 % p.a. aus EUR 2.873,36. Sie umfasst im Hinblick auf die §§ 58 Abs. 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG (vgl. VwGH vom 11.04.2018, Ra 2015/08/0038, mwN).

Der Vorschreibung der Haftungsbeträge mit den ursprünglich angefochtenen Bescheiden liegen Rückstandsausweise gemäß § 64 ASVG zugrunde.

Der Rückstandausweis bildet als öffentliche Urkunde gemäß § 292 ZPO vollen Beweis im Gerichtsverfahren (OGH 7 Ob 355/98a, RS0040507). Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Rückstandausweises ist zulässig (§ 292 Abs. 2 ZPO), wobei sich der Beklagte nicht nur auf die Behauptung der Unrichtigkeit beschränken darf, sondern konkret jene Tatsachen anführen und beweisen muss, aus denen sich diese Unrichtigkeit ergibt (vgl Derntl in Sonntag, ASVG8, § 64 Rz 6).

Den Haftungsbeträgen wurde nicht ziffernmäßig widersprochen. Es wurden zu keiner Zeit Gründe vorgebracht, die ein Verschulden an der Verkürzung der Sozialversicherungsbeiträge ausschließen oder entschuldigen würden und schon gar keine diesbezüglichen Bescheinigungsmittel vorgebracht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerden jeweils als unbegründet abzuweisen bzw. die Beschwerdevorentscheidungen jeweils zu bestätigen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist den angefochtenen Bescheiden ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Recherche nachgekommen und hat auch eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt.

Im gegenständlichen Fall wurde Durchführung einer mündlichen Verhandlung vom BF beantragt. Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In den Beschwerden bzw. Vorlageanträgen wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH vertritt eine eindeutige und einheitliche Rechtsprechung, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Beitragsrückstand Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung Rückstandsausweis Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G308.2246716.1.00

Im RIS seit

29.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

29.
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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