Entscheidungsdatum
01.12.2021Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
W228 2245134-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch die Rechtsanwälte Mag. XXXX , Dr. XXXX , Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse vom 22.06.2021,
GZ: XXXX , wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Die Österreichische Gesundheitskasse (im Folgenden: ÖGK) hat mit Bescheid vom 22.06.2021,
GZ: XXXX , festgestellt, dass XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) als ehemaliger Geschäftsführer der Beitragskontoinhaberin XXXX (im Folgenden: Beitragsschuldnerin) verpflichtet ist, der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge s.Nbg. aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Dezember 2018 bis Februar 2020 in der Höhe von € 60.943,84 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, das sind ab 23.06.2021 3,38% p.a. aus € 56.391,84 binnen 14 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Beitragsschuldnerin aus den Beiträgen Dezember 2018 bis Februar 2020 € 60.943,84 und weitere Verzugszinsen schulde. Sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben. Über das Vermögen der Beitragsschuldnerin sei am 30.09.2020 die Insolvenz eröffnet worden. Der Konkurs sei mangels kostendeckendem Vermögen am 06.05.2021 aufgehoben worden. Gemäß § 67 Abs. 10 und § 58 Abs. 5 ASVG hätten die Vertreter/innen juristischer Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter des Dienstgebers darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Behörde eine schuldhafte Verletzung anzunehmen habe.
Gegen diesen Bescheid hat die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 19.07.2021 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 03.04.2020 aus seiner Funktion als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ausgeschieden sei. Zum Zeitpunkt der Übergabe der Geschäftsführerfunktion hätten nach Kenntnis des Beschwerdeführers keine Beitragsrückstände bei der ÖGK bestanden. Die Beiträge 02/2020 seien infolge der Covid-19 Krise gestundet worden. Die nunmehr geltend gemachten Beitragsrückstände würden offensichtlich zum überwiegenden Teil auf einer Betriebsprüfung beruhen, deren Ergebnis dem Beschwerdeführer nicht bekannt sei. Der Beschwerdeführer habe sich laufend eines Steuerberaters bedient. Ein Verschulden des Beschwerdeführers an den angeführten Beitragsrückständen werde daher bestritten. Zudem werde für den Haftungszeitraum 10/2019 bis 02/2020 ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sämtliche Gläubiger gleich behandelt habe. Zudem hafte der Beschwerdeführer nur, insofern ihn ein Verschulden an der Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen treffe. Worauf sich dieses Verschulden gründe, bleibe im angefochtenen Bescheid gänzlich unbegründet.
Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2021 zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 13.08.2021 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers das Beschwerdevorlageschreiben der ÖGK übermittelt und wurde insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschwerdeführer dem Auftrag der ÖGK zur Vorlage von Nachweisen der Gläubigergleichbehandlung bis dato nicht nachgekommen sei.
Am 09.09.2021 langte eine mit 08.09.2021 datierte Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits einige Monate vor Insolvenzeröffnung mit Wirkung vom 03.04.2020 aus seiner Funktion als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ausgeschieden sei. Er habe daher keinen Zugriff auf die Buchhaltungsbelege, die er dem neuen Geschäftsführer übergeben habe. Der Beschwerdeführer sei bei Erstellung eines Gleichbehandlungsnachweises auf die Mitwirkung der ÖGK angewiesen und sei die ÖGK bereits ersucht worden, einen Kontoauszug zumindest ab 12/2018 vorzulegen, aus dem die laufenden Vorschreibungen und Zahlungen seitens der Beitragsschuldnerin ersichtlich seien. Die ÖGK sei diesem Ersuchen nicht nachgekommen. Ohne Kenntnis der Buchungen auf dem Konto der ÖGK könne der Beschwerdeführer den Gleichbehandlungsnachweis nicht fertigstellen. Der Beschwerdeführer stellte den Antrag, der ÖGK aufzutragen, das Beitragskonto der Beitragsschuldnerin ab 12/2018 vorzulegen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 17.09.2021 der ÖGK die Stellungnahme der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 08.09.2021 übermittelt.
Am 30.09.2021 langte eine mit 24.09.2021 datierte Stellungnahme der ÖGK beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurden Ausführungen zur Sach- und Rechtslage getätigt und wurde beantragt, den Antrag des Beschwerdeführers, das Beitragskonto der Beitragsschuldnerin vorzulegen, abzuweisen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 01.10.2021 der ÖGK aufgetragen, den Kontoauszug der Beitragsschuldnerin ab 12/2018 vorzulegen, da aufgrund der Insolvenz und des Unterganges der Beitragsschuldnerin keine Betriebsgeheimnisse oder datenschutzrechtliche Hindernisse einer Übermittlung entgegenstehen.
Mit Eingabe vom 11.10.2021 ist die ÖGK dem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2021 nachgekommen und hat den Kontoauszug der Beitragsschuldnerin ab 12/2018 übermittelt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 13.10.2021 der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers den Schriftverkehr des Bundesverwaltungsgerichts mit der ÖGK übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer hat in der Zeit von 15.02.2018 bis 03.04.2020 als handelsrechtlicher Geschäftsführer die Beitragsschuldnerin selbständig vertreten.
Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 30.09.2020 wurde über das Vermögen der Beitragsschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet. Die Gesellschaft wurde infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Der Konkurs wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20.04.2021 mangels Kostendeckung aufgehoben.
Die rückständigen Beiträge sind bei der Beitragsschuldnerin uneinbringlich.
Sämtliche verfahrensgegenständliche Beitragsrückstände sind in dem Zeitraum entstanden, in dem der Beschwerdeführer Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war. Im Zeitpunkt des Entstehens der Rückstände war sohin der Beschwerdeführer für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Entrichtung der Beiträge verantwortlich.
Es wird festgestellt, dass keine Gläubigergleichbehandlung erfolgte.
2. Beweiswürdigung:
Der Beginn und das Ende der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin ergibt sich aus dem Firmenbuch.
Die Höhe der aushaftenden Beiträge und Verzugszinsen ergibt sich aus den dem angefochtenen Bescheid vom 22.06.2021 angefügten Rückstandsausweisen vom 22.06.2021. Ebenso ergibt sich der Zeitpunkt der Entstehung der aushaftenden Beiträge aus den Rückstandsausweisen.
Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die geltend gemachten Beitragsrückstände offensichtlich zum überwiegenden Teil auf einer Betriebsprüfung beruhen würden, deren Ergebnis dem Beschwerdeführer nicht bekannt sei, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich aus den Rückstandsausweisen zweifelsfrei ergibt, dass die rückständigen Beiträge aufgrund der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldungen der Beitragsschuldnerin festgestellt wurden und diese nicht auf einer Beitragsprüfung beruhen.
Dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin gegeben ist, ergibt sich daraus, dass über das Vermögen der Beitragsschuldnerin am 30.09.2020 der Konkurs eröffnet wurde und der Konkurs mit Beschluss vom 20.04.2021 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.
Dem weiteren Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerdeführer seit 03.04.2020 nicht mehr Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war und ihn für die Beiträge 02/2020 daher keine Haftung treffen könne, da er bei deren Fälligkeit nicht mehr als Geschäftsführer tätig gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass die Beiträge 02/2020 zwar aufgrund der Covid19-Stundungen nicht unmittelbar am 28.02.2020 fällig wurden. Der Beschwerdeführer, der bis 03.04.2020 Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin war, hätte aber auch hier die Mittelverwendung nachvollziehbar und vollständig zu dokumentieren gehabt und die Gleichbehandlung der Beiträge sicherzustellen, um in allfälligen Haftungsprüfungsverfahren den Entlastungsnachweis ausführen zu können. Da dies nicht erfolgte, ist dieser daher sehr wohl zur Haftung für die Beiträge 02/2020 heranzuziehen (vgl. ARD 6699/20/2020, Preitler, Die Geschäftsführerhaftung für gestundete SV-Beiträge in der Corona-Krise, CuRe 2020/48).
Zur Feststellung, wonach keine Gläubigergleichbehandlung erfolgte, ist beweiswürdigend festzuhalten, dass der Beschwerdeführer - trotz mehrmaliger Aufforderung sowohl der ÖGK als auch des Bundesverwaltungsgerichts - keine Nachweise zur Gläubigergleichbehandlung erbracht hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG ist die Entscheidung über Beitragshaftungen gemäß § 67 ASVG nicht von einer Senatsentscheidung umfasst. Somit obliegt die Entscheidung der vorliegenden Beschwerdesache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnerin für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Voraussetzung für die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist neben der Uneinbringlichkeit der Beitragsschulden bei der Beitragsschuldnerin auch deren ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe nach, schuldhafte und rechtswidrige Verletzungen der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten durch den Vertreter und die Kausalität der schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters für die Uneinbringlichkeit.
Für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist also Voraussetzung, dass die rückständigen Beiträge beim Dienstgeber uneinbringlich und der Höhe nach bestimmt sind. Verfahrensgegenständlich kann die Beitragseinbringung als uneinbringlich qualifiziert werden, weil über das Vermögen der Beitragsschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet wurde, welches mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20.04.2021 mangels Kostendeckung aufgehoben wurde.
Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrages anbelangt, so legte die ÖGK ihrem Bescheid Rückstandsausweise zugrunde. Der Haftungsbetrag wurde im den Rückstandsausweisen näher aufgegliedert. Die Aufschlüsselung entsprach den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind. Der Rückstandsausweis ist eine öffentliche Urkunde und begründet nach § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld. Aufgrund des Vorliegens der Rückstandsausweise ist sohin hinreichend bestimmt, welche ziffernmäßige Höhe der Haftungsbetrag aufweist und wie sich die Forderung konkret zusammensetzt.
Der Beschwerdeführer war des Weiteren unstrittig von 15.02.2018 bis 03.04.2020 Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin und kann somit grundsätzlich zu einer Haftung wegen Ungleichbehandlung für die gegenständliche Beitragsschuld herangezogen werden. Somit ist zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Pflichtverletzung für die nicht einbringlichen Beitragsforderungen der ÖGK haftet.
Dass der Beschwerdeführer – wie in der Beschwerde vorgebracht - die Dienstleistungen eines Steuerberaters in Anspruch genommen hat, entbindet ihn nicht von seinen Pflichten als Geschäftsführer.
Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2010 – 2. SVÄG 2010, BGBl. I Nr. 102/2010, besteht neben den im § 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten aber auch eine allgemeine, die Vertreter der Beitragsschuldner gegenüber den Beitragsgläubigern treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen. Damit ist zur bisherigen Haftung für nicht abgeführte Dienstnehmerbeiträge und Meldeverstöße (gleichrangig) eine neue Haftung wegen Ungleichbehandlung (von Gläubigern) hinzugetreten (Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG6 (2015) § 67 Rz 77a).
Gemäß der auf die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG übertragbaren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG liegt Gläubigergleichbehandlung dann vor, wenn das Verhältnis aller im Beurteilungszeitraum erfolgten Zahlungen zu allen Verbindlichkeiten, die zu Beginn des Beurteilungszeitraumes bereits fällig waren oder bis zum Ende des Beurteilungszeitraumes fällig wurden, dem Verhältnis der in diesem Zeitraum erfolgten Beitragszahlungen zu den insgesamt fälligen Beitragsverbindlichkeiten entspricht. Unterschreitet die Beitragszahlungsquote die allgemeine Zahlungsquote, so liegt eine Ungleichbehandlung des Sozialversicherungsträgers vor (vgl. VwGH 29.01.2014, 2012/08/0227).
Unter Bedachtnahme auf die Grundsätze der Rechtsprechung zur abgabenrechtlichen Haftung (vgl. u.a. VwGH 19.06.1985, Slg. Nr. 6012/F, 17.09.1986, 84/13/0198, 16.12.1986, 86/14/0077, und 06.03.1989, 88/15/0063) ist es auch im sozialversicherungsrechtlichen Haftungsverfahren Sache des haftungspflichtigen Geschäftsführers dazulegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Beitragsschulden rechtzeitig (zur Gänze) entrichtet wurden, und dafür entsprechende Beweisanbote zu erstatten. Denn ungeachtet der grundsätzlich amtswegigen Ermittlungspflicht der Behörde trifft denjenigen, der eine ihm obliegende Pflicht nicht erfüllt – über die ihn stets allgemein treffende Behauptungslast im Verwaltungsverfahren hinaus – die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm deren Erfüllung unmöglich war, widrigenfalls angenommen werden darf, dass er seiner Pflicht schuldhafterweise nicht nachgekommen ist (VwGH 13.03.1990, 89/08/0217).
Gegen die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Beitragsverbindlichkeiten mit anderen Schulden verstößt ein Geschäftsführer auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, er aber (zumindest fahrlässig) diese Mittel auch nicht anteilig für die Behandlung aller Verbindlichkeiten verwendet und dadurch die Beitragsschulden im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten schlechter behandelt hat (VwGH 22.12.1998, 97/08/0117).
Für die Haftung nach § 67 Abs 10 ASVG genügt bereits leichte Fahrlässigkeit in Bezug auf das Verschulden für die Nichtleistung von Sozialversicherungsbeiträgen. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der belangen Behörde in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im gesamten Verfahren die Gläubigergleichbehandlung nicht nachgewiesen. Im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.10.2001, Zl. 98/08/0368 ist daher davon auszugehen, dass er seiner Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger schuldhaft nicht nachgekommen ist. Da im Falle der Nichterbringung eines Nachweises der Gläubigergleichbehandlung der Vertreter der Beitragsschuldnerin konsequenterweise auch für die von der Haftung betroffenen Beitragsschulden zur Gänze haftet (vgl. nochmals VwGH, 04.10.2001, Zl. 98/08/0368), besteht die Haftung des Beschwerdeführers für die zur Nachverrechnung gelangten Beiträge im vorliegenden Fall sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
Generell hat der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Verfahrensförderung gem. § 39 Abs. 2a AVG nicht entsprochen und hat nicht auf das Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.10.2021 reagiert. Somit war mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers von Zahlungen an andere Gläubiger als die ÖGK und somit von einer Gläubigerungleichbehandlung auszugehen.
Gemäß § 83 ASVG gelten die Bestimmungen über die Haftung auch für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze. Weil die Pflichtverletzung des Vertreters dafür ursächlich ist, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten hat, hat dieser Vertreter auch die (anteiligen) Verzugszinsen als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung - wie im vorliegenden Fall - zu tragen (vgl. Derntl a.a.O., § 67 Rz 104a).
Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die oben unter A) zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beitragsrückstand Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Nachweismangel Pflichtverletzung UneinbringlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W228.2245134.1.00Im RIS seit
29.12.2021Zuletzt aktualisiert am
29.12.2021