TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/6 W222 2248813-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2021
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Entscheidungsdatum

06.12.2021

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55

Spruch


W222 2248813-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 46, 52, 53, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG auf 1 Jahr herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 10.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 12.10.2021 gab der BF zu seiner Person an, ledig und in XXXX , Indien, geboren zu sein. Seine Muttersprache sei Punjabi, welche er in Wort und Schrift beherrsche. Er bekenne sich zum Sikhismus und gehöre der Volksgruppe Jat an. Er habe 12 Jahre Grundschule besucht und zuletzt als XXXX gearbeitet. In Indien würden sein Vater, seine Mutter und sein Bruder leben. Zuletzt habe er in XXXX , Punjab, gelebt. Er verfüge über Barmittel in Höhe von EUR 70,00. Eine Verpflichtungserklärung sei für ihn nicht abgegeben worden. Des Weiteren führte er befragt aus, Österreich erreichen zu wollen, weil er gehört habe, dass dies ein sehr schönes Land sei. Er sei Ende September 2021 über Delhi mit dem Flugzeug legal nach Serbien ausgereist. Er sei mit einem Reisedokument ausgereist. Sein Reisepass sei beim Schlepper in Serbien.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF an: „In meiner Gegend sind die meisten Leute drogensüchtig. Dies ist ein großes Problem in Punjabi. Meine Familie hatte Angst, dass ich auch abhängig werde und hat mich deshalb ins Ausland geschickt. Dies ist mein einziger Fluchtgrund.“ Befragt, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab er an „Nichts.“ Befragt, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe oder er bei Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gab er an „keine“.

Mit Verfahrensanordnung vom 13.10.2021 wurde dem BF mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz vollinhaltlich abzuweisen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge BFA) am XXXX gab der BF an (allfällige Rechtschreibfehler teilweise korrigiert): „(…)

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstige Einwände gegen eine der anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Welche Sprache ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

VP: Meine Muttersprache ist Punjabi, ich spreche aber auch noch Hindi und Englisch.

LA: Wie ist die Verständigung mit dem hier anwesenden Dolmetscher?

VP: Gut.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht? Wurden Ihnen diese jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja.

LA: Möchten Sie Beweismittel oder Dokumente vorlegen, welche für Ihr Verfahren von Relevanz sind?

VP: Nein, ich kann nichts vorlegen.

LA: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

VP: Ja.

LA: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung bzw. nehmen Sie Medikamente?

VP: Nein, es geht mir gut und ich bin nicht in Behandlung.

LA: Werden Sie im gegenständlichen Verfahren anwaltlich vertreten?

VP: Nein.

LA: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben, insbesondere zu Ihrer Person oder vorgelegten Dokumenten etwas berichtigen?

VP: Das Geburtsdatum meiner Mutter ist falsch aufgenommen und mein Bruder ist verheiratet. Im Protokoll steht, dass meine Mutter 43 Jahre alt ist, sie ist aber etwas älter. Nachgefragt gebe ich an, 48 Jahre alt.

LA: Wann sind Sie erstmals in Österreich eingereist?

VP: Am XXXX .09.2021 bin ich nach Serbien gekommen und habe mir ca. zwei Wochen lang einen Schlepper gesucht. Ich bin am 10.10.2021 von Serbien ausgereist und glaublich am 12.10.2021 nach Österreich gekommen.

LA: Haben Sie seit Ihrer ersten Einreise Österreich verlassen, waren Sie seither jemals wieder in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

Auff.: Nennen Sie Ihren Familienamen, Ihren Vornamen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort, nennen Sie Ihre Daten so, wie Sie von Ihnen in Ihrem Herkunftsland im Rechtsverkehr, damit sind Behörden, öffentliche Ämter und auch Schulen gemeint, verwendet wurden!

VP: Ich heiße XXXX , geb. XXXX im Dorf XXXX im Distrikt XXXX , StA. Indien.

LA: Wo genau haben Sie bis zu Ihrer Ausreise aus Ihrem Herkunftsland gelebt?

VP: Ich lebte im Punjab, im Distrikt XXXX im Dorf XXXX in meinem Elternhaus. Ich habe immer nur an dieser Adresse gelebt.

LA: Mit wem haben Sie an der genannten Adresse im Heimatland gelebt?

VP: Mit meinen Eltern, meinem Bruder und seiner Frau.

LA: Wann genau haben Sie Ihren Heimatort verlassen und wann sind Sie aus Ihrem Herkunftsland ausgereist?

VP: XXXX habe ich im August verlassen, dann kam ich nach Delhi und von dort bin ich nach Serbien ausgereist und dann weiter nach Österreich.

LA: Wann sind Sie von Delhi weg ausgereist?

VP: Am XXXX .09.2021 glaube ich.

LA: Demnach waren Sie ein Monat lang in Delhi aufhältig?

VP: Ja. Nachgefragt, wo ich genau gewohnt habe, gebe ich an, im Hotel.

LA: Verfügen Sie derzeit über identitätsbezeugende Dokumente?

VP: Nein, derzeit nicht. Ich hatte einen indischen Reisepass, ausgestellt vom Passamt in XXXX vor zwei oder drei Jahren, doch habe ich diesen in Serbien an den Schlepper übergeben und nicht wieder zurückbekommen. Der Schlepper hat mich betrogen. Meine übrigen Dokumente befinden sich noch zu Hause in Indien. Nachgefragt gebe ich an, dass ich einen Personalausweis in Indien habe.

LA: Leben noch Angehörige im Herkunftsland? Nennen Sie mir bitte alle persönlichen Daten, Ihre Beziehung zu den Angehörigen und deren wohnhaft.

VP: Ja, mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und meine Schwägerin befinden sich nach wie vor an der oben genannten Adresse. Ich habe auch noch zwei Onkel väterlicherseits, die auch gleich in der Nachbarschaft wohnen.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Angehörigen in Ihrem Herkunftsland?

VP: Ich habe Kontakt mit meinem Vater, wir telefonieren täglich.

LA: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihren Angehörigen im Herkunftsland?

VP: Wir haben ein gutes Verhältnis zueinander.

LA: Womit bestreiten Ihre Angehörigen im Herkunftsland deren Lebensunterhalt?

VP: Sie leben von der Landwirtschaft. Meine Familie hat Grundstücke, die wir selbst bewirtschaften. Alles, was wir nicht selbst verbrauchen können, verkaufen wir.

LA: Wo haben Sie bis zu Ihrer Ausreise gewohnt?

VP: An der oben genannten Adresse im Elternhaus, bzw. das letzte Monat in Delhi im Hotel.

LA: Warum waren Sie ein Monat lang in Delhi im Hotel?

VP: Der Schlepper hat mich dort untergebracht. Nachgefragt gebe ich an, dass jemand aus dem Dorf mich an diesen Schlepper vermittelt hat.

LA: Welchen Beruf haben Sie erlernt?

VP: Ich habe in Indien als XXXX gearbeitet mit Stromanschlüssen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich diesen Beruf zuerst gelernt habe, dann habe ich auch als XXXX gearbeitet. Ich konnte diese Arbeit.

LA: Welche Ausbildung haben Sie?

VP: Ich habe 12 Jahre lang die Grundschule besucht und anschließend die Ausbildung zum XXXX gemacht.

LA: Wo waren Sie in der Schule? Können Sie die genaue Adresse nennen?

VP: Ich war im angrenzenden Dorf XXXX in der Schule. Die Ausbildung zum XXXX habe ich in der Stadt XXXX gemacht. Als ich dort arbeitete, lebte ich in XXXX . Nach einer Woche oder nach einem Monat kam ich nach Hause. Nachgefragt gebe ich an, dass ein Auftragnehmer mich zu sich geholt hatte.

LA: Welchen Beruf hat Ihr Vater und wo genau arbeitet er?

VP: Er ist Landwirt und arbeitet in seiner eigenen Landwirtschaft im Heimatdorf.

LA: Wann haben Sie wo in welcher Funktion gearbeitet?

VP: Ich habe in XXXX gearbeitet, ca. ein bis zwei Jahre, immer bei demselben Auftragnehmer. Das war ein Großauftrag, er hatte 10 bis 15 Mitarbeiter.

LA: Konnten Sie mit diesem Verdienst Ihren Lebensunterhalt bestreiten?

VP: Ja, konnte ich, das Gehalt belief sich auf 10.000,- bis 15.000,- indische Rupien.

LA: Sind Sie vorbestraft?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie jemals von Behörden in Ihrem Heimatland erkennungsdienstlich behandelt? VP: Ja, als ich mir den Reisepass ausstellen habe lassen.

LA: Waren Sie jemals im Gefängnis oder in Polizeihaft?

VP: Nein.

LA: Gehörten Sie jemals selbst einer politischen Partei an?

VP: Nein.

LA: Hatten Sie jemals persönlich Probleme mit heimatlichen Behörden bzw. werden Sie von heimatlichen Behörden – etwa Polizei, Militär oder sonstigen Behörden – offiziell in Ihrer Heimat gesucht, besteht ein Haftbefehl gegen Sie?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland jemals aus eigenem Antrieb, d. h. von sich aus eine Sicherheitsdienststelle, Polizeidienststelle oder Staatsanwaltschaft oder Gericht aufgesucht? Haben Sie jemals eine solche Einrichtung aufgesucht, weil Sie von diesen Behörden etwas benötigt haben?

VP: Zwecks Reisepasserstellung ist die Polizei zur Personenfeststellung einmal zu mir gekommen und nachdem ich einmal meinen Personalausweis verloren hatte, bin ich auch zur Polizeistation gegangen.

LA: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an? (bei pos. Antwort: Funktion, Dauer, Position, Tätigkeiten, Gründe des Beitritts, ideologischer Inhalt, Sitz der Gruppierung) VP: Nein, ich bin ganz normal.

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe!

VP: In unserem Dorf gab es viele Leute, die Suchtmittel einnahmen und ich habe ihnen gesagt, verrichtet gute Arbeit, und lebt gut. Wenn man zum Markt ging, hat man gesehen, dass diese Burschen Drogen nehmen. Bevor eine Anzeige gegen mich passieren konnte, habe ich mir gedacht, ich verlasse das Land.

LA: Weshalb sollte gegen Sie Anzeige erstattet werden?

VP: Wenn meine Freunde Drogen nehmen und ich zu dieser Gruppe dazugehöre, könnte man glauben, dass ich auch Drogen verkaufe und nehme.

LA: Wurden Ihre Freunde wegen Drogenbesitz oder Drogenkonsums angezeigt?

VP: Gegen den älteren Bruder meines Freundes ist Anzeige erstattet worden. Meine Angehörigen sagten, falls ich bei denen zu Hause bin, könnte es auch auf mich Einfluss haben, das Problem.

LA: Haben Sie sonst Probleme, außer den geschilderten, in Ihrem Heimatland?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie sich nicht dauerhaft in einem anderen Landesteil Ihres Heimatlandes niedergelassen, um diesem Problem zu entgehen?  In einer Gegend, die weniger Drogenumschlagplatz ist?

VP: Woanders in Indien geht es nicht, denn überall in Indien nimmt man Suchtmittel ein.

LA: Wie alt sind Sie?

VP: 22 Jahre.

LA: Haben Sie bisher jemals Suchtmittel eingenommen?

VP schüttelt den Kopf.

LA: Wieso sollten Sie nach 22 Jahren plötzlich Drogen einnehmen?

VP: Früher war es nur ein wenig, aber es wird immer mehr und mehr. Die Polizei nimmt Geld und lässt einen frei.

LA: Welche Probleme erwarten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat?

VP: Das ist kein Problem, ich werde zurückkehren, aber nicht in dieser Zeit.

LA: Welchen Zeitrahmen haben Sie sich so vorgestellt?

VP: So vier bis fünf Jahre werde ich nicht zurückgehen. Bis die Lage sich nicht bessert, kann ich nicht zurückkehren.

LA: Dem Bundesamt liegen schriftliche Feststellungen zur Lage in Indien vor. Wollen Sie in diese schriftlichen Feststellungen zu Indien samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht nehmen und eine Kopie davon ausgefolgt bekommen?

VP: Wenn ich Indien eh schon verlassen habe, was soll ich noch mit den Länderinformationen? Ich brauche sie nicht, danke.

Vorhalt: Sie haben am 14.10.2021 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. § 29/3/5 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt ist Ihren Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Stellung zu nehmen. Wollen Sie diesbezüglich etwas angeben?

VP: Meine Familienangehörigen würden Probleme bekommen und sie wären auch niedergeschlagen, wenn sie erfahren, dass ich nicht niedergelassen bin in Österreich

LA: Warum würden Ihre Familienangehörigen Probleme bekommen?

VP: Meine Eltern würden sich wieder Sorgen machen, ob ich eh nicht mit Drogen erwischt werde. Nachgefragt, warum ich, wenn ich keine Drogen nehme, mit Drogen erwischt werden sollte, gebe ich an, dass viele im Dorf Drogen nehmen und wenn ich mit so jemandem unterwegs bin, in die Stadt beispielsweise, würde es so aussehen, als wenn ich auch im Besitz von Drogen wäre.

LA: Wovon bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Ich bin hier im Lager in der Grundversorgung.

LA: Sind oder waren Sie in Österreich jemals berufstätig?

VP: Nein.

LA: Sind Sie in Österreich Mitglied in Vereinen oder Organisationen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie in Österreich Kurse oder Ausbildungen absolviert?

VP: Nein.

LA: Wie gut sprechen Sie Deutsch?

VP: Ich spreche noch gar kein Deutsch.

Anm.: Die Frage muss übersetzt werden und der AW antwortet auf Punjabi.

LA: Welche Sprache sprechen Sie am besten?

VP: Punjabi.

LA: Haben Sie in Österreich Verwandte?

VP: Nein.

LA: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft?

VP: Nein.

LA: Ich beende jetzt meine Befragung. Möchten Sie sonst noch irgendwelche Angaben machen?

VP: Nein, ich habe alles gesagt, danke.

LA: Haben Sie alles verstanden, konnten Sie sich konzentrieren und der Einvernahme folgen? VP: Ja.

(…)“

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt IV. und V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.) und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, der BF sei einer asylrelevanten Verfolgung in Indien nicht ausgesetzt gewesen und sei nicht feststellbar, dass er einer solchen im Fall einer Rückkehr ausgesetzt wäre. Eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung durch staatliche Stellen, heimatliche Behörden, Militär oder private Dritte habe er nicht einmal behauptet. Der BF verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Indien, sei arbeitsfähig, verfüge über eine durchschnittliche Ausbildung und habe auch vor der Ausreise in Indien für seinen Lebensunterhalt sorgen können. Es sei nicht auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in eine aussichtlose Situation geriete. Eine schwere psychische Störung und/oder schwere oder ansteckende Krankheit sei beim BF nicht gegeben. Familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte oder eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich seien nicht festzustellen. Der Antrag auf internationalen Schutz sei offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt worden. Der BF habe eine Gefährdung aus den Gründen der GFK nicht einmal behauptet, sondern habe er lediglich pauschal in den Raum gestellte Befürchtungen über eine potentielle Anzeige wegen Drogenmissbrauches als Grund für das Verlassen des Heimatlandes vorgebracht, obwohl er selbst niemals Drogen besessen oder konsumiert habe. Er habe keine Angaben über konkret gegen seine Person gerichtete Bedrohungen gemacht. Aus dem gesamten Vorbringen ergebe sich nicht der geringste Anhaltspunkt auf das Vorliegen einer Gefährdung seiner Person durch den indischen Staat bzw. einer Gefährdung, vor der ihn zu schützen, der indische Staat nicht fähig oder willens wäre. Eine Verfolgung im Sinne der GFK habe daher nicht glaubhaft gemacht werden können. Auch ergäben sich keine Anhaltpunkte, die eine Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden, zumal sich aus den Feststellungen in Zusammenschau mit den Länderberichten ergebe, dass es dem BF wieder möglich wäre, in Indien, wie vor der Ausreise, seine existentiellen Grundbedürfnisse zu sichern. Auch im Hinblick auf die Corona-Virus-Pandemie sei für den jungen, gesunden Mann ohne Vorerkrankungen, der einer Risikogruppe nicht angehöre, nichts zu gewinnen. Eine Verletzung von Artikel 8 EMRK ergebe sich gegenständlich schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer, der mangelnden Integration sowie des Nichtbestehens eines Familienlebens im Inland nicht, sodass eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zulässig sei. Das Einreiseverbot sei gegenständlich zu erlassen gewesen, da der BF einen offensichtlich missbräuchlichen Asylantrag gestellt habe, illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und sei er nicht in der Lage, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF im Wege seiner gewillkürten, im Spruch genannten Rechtsvertretung am 25.11.2021 fristgerecht Beschwerde, in welcher u.a. beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Am 30.11.2021 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Indien und wurde in Distrikt XXXX , Punjab, Indien geboren. Er ist Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat. Der BF ist ledig. In Indien leben noch sein Vater, seine Mutter sowie sein Bruder und seine Schwägerin. Er hat noch zwei Onkel väterlicherseits in Indien. Sein Vater ist Landwirt und arbeitet in seiner eigenen Landwirtschaft im Heimatdorf. Seine Muttersprache ist Punjabi, die er in Wort und Schrift mächtig ist. Weiters spricht der BF Hindi und Englisch. Er hat in Indien 12 Jahre lang die Grundschule besucht und anschließend in seinem Herkunftsstaat die Ausbildung zum XXXX gemacht. In Indien hat er Arbeitserfahrungen als XXXX gesammelt und mit dem Verdienst aus dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können.

Im Bundesgebiet verfügt der BF über keinerlei Familienangehörige, er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF die deutsche Sprache beherrscht, sich sozial engagiert, hier Freunde gefunden hat oder einer legalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgeht bzw. ihm eine solche erlaubt wäre.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer gab vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Oktober 2021 an, EUR 70,00 an Barmittel zu besitzen. Eine Verpflichtungserklärung wurde für ihn nicht abgegeben.

Der BF ist im September 2021 mit dem Flugzeug aus Indien ausgereist und hat am 10.10.2021 im Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Nicht festgestellt werden kann, dass der BF sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

COVID-19

Letzte Änderung: 21.05.2021

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verhängte die indische Regierung am 25. März 2020 eine Ausgangssperre über das gesamte Land, die nur in Einzelfällen (Herstellung lebensnotwendiger Produkte und Dienstleistungen, Einkaufen für den persönlichen Bedarf, Arztbesuche, usw.) durchbrochen werden durfte. Trotz der Ausgangssperre sanken die Infektionszahlen nicht. Seit der ersten Aufsperrphase, die am 8. Juni 2020 begann, schießt die Zahl der Infektionen noch steiler als bisher nach oben. Größte Herausforderung während der Krise waren die Millionen von Wanderarbeitern, die praktisch über Nacht arbeitslos wurden, jedoch auf Grund der Ausgangssperre nicht in ihre Dörfer zurückkehren konnten (ÖB 9.2020; vgl. HRW 13.1.2021). Viele von ihnen wurden mehrere Wochen in Lagern unter Quarantäne gestellt (also de facto eingesperrt), teilweise mit nur schlechter Versorgung (ÖB 9.2020). Menschen mit Beeinträchtigungen sind von coronabedingten Maßnahme wie Abriegelungen und sozialen Distanzierungen besonders betroffen. Der Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Gütern und der Ausübung sozialer Distanzierung, insbesondere für diejenigen, die persönliche Unterstützung für Aufgaben des täglichen Lebens erhalten (HRW 13.1.2021). Während der ersten Wochen der COVID-19 Pandemie, wurden Muslime für die Verbreitung des Coronavirus, auch von Vertretern der Regierungsparteien verantwortlich gemacht (FH 3.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums vom 11. Oktober 2020 wurden seit Beginn der Pandemie mehr als sieben Millionen Infektionen mit COVID registriert. Die täglichen offiziellen Fallzahlen stiegen zwar zuletzt weniger schnell als noch im September, die Neuinfektionen nehmen in absoluten Zahlen jedoch schneller zu als in jedem anderen Land der Welt. Medien berichten in einigen Teilen des Landes von einem Mangel an medizinischem Sauerstoff in Krankenhäusern (BAMF 12.10.2020).

Die Lage in Indien, dass mit Bezug auf das Infektionsgeschehen (neben den USA und Brasilien) zu den am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Ländern weltweit zählt, hat sich gegenüber dem Sommer 2020 mit damals fast 100.000 Neuinfektionen pro Tag inzwischen etwas entspannt. Es erkranken offiziellen Angaben zufolge nach wie vor etwa 40.000 Menschen täglich am Virus. In den Ballungszentren kann die medizinische Versorgung weitestgehend aufrecht erhalten werden (GTAI 3.12.2020). Indiens Wirtschaft wurde durch die COVID19-Pandemie stark beeinträchtigt (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Das Land rutschte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2020-21 erstmals in eine wirtschaftliche Rezession

(PRC 18.3.2021). Es wird allgemein erwartet, dass das Land ab 2021 zu einem nachhaltigen Wachstum zurückkehren wird (DFAT 10.12.2020; vgl. GTAI 3.12.2020). Nach dem zweimonatigen harten Lockdown im Frühjahr 2020 hat die indische Regierung das öffentliche Leben im Rahmen ihrer Unlock-Strategie schrittweise wieder hochgefahren. Die Bundesstaaten und Unionsterritorien haben dabei weitreichendere Entscheidungsbefugnisse, welche Lockerungen sie umsetzen und welche nicht. Mit den bestehenden Einschränkungen sollen vor allem Superspreader-Events wie religiöse Großveranstaltungen und Hochzeiten eingedämmt werden. Massentests, Kontaktnachverfolgung, Isolierung von Infizierten und die Abschottung von Gebieten mit hohen Fallzahlen (Containment Zones) sollen helfen, das Virus zurückzudrängen (GTAI 3.12.2020; vgl. WKO 13.1.2021). Es kann daher vereinzelt und regional sowie zeitlich begrenzt zu erneuten Lockdowns kommen. Eine Skizzierung in „Red Zone“, „Orange Zone“ und „Green Zone“ wird von der Regierung des Bundesstaates/Unionsterritoriums in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und der nationalen Regierung entschieden (WKO 13.1.2021).

Gegen regierungskritische Äußerungen, auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der Regierung im Umgang mit der COVID-19 Pandemie wurden mittels aus der Kolonialzeit stammenden Gesetzen zur Staatsverhetzung und dem im Jahr 2000 erlassenen IT-Gesetz vorgegangen (FH 3.3.2021). Medienvertreter sehen sich Drohungen, Verhaftungen, Strafverfahren oder körperlichen Angriffen durch Mobs oder der Polizei wegen der Berichterstattung über die Pandemie ausgesetzt (HRW 13.1.2021). Mehrere von der Regierung zur Eindämmung einer Verbreitung der Pandemie getroffenen Maßnahmen wurden von Menschenrechtsanwälten als invasiv angesehen (FH 3.3.2021).

Im ersten Quartal 2021 wird Indien mit einem Anstieg der Fallzahlen vor einer zweiten COVID-19

Welle erfasst (TOI 21.3.2021; vgl. TFE 20.3.2021) und verzeichnete im Zeitraum ab April/Mai 2021 die höchsten Zahlen an täglichen Todesfällen wegen des Coronavirus seit Beginn der Pandemie (BAMF 3.5.2021). Kritik äußert sich aus dem Umstand heraus, dass Indien, ob seiner

Pharmaindustrie, als „Apotheke der Welt“ durch die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen an viele Länder der Welt genießt (FE 20.3.2021; vgl. TOI 21.3.2021), gleichzeitig jedoch bei der Durchimpfung der eigenen Bevölkerung landesweit lediglich einen Wert von rund zwei Prozent erreicht (HO 28.4.2021).

Auch der Umstand, dass im Zuge der Regionalwahlen in einigen Bundesstaaten große Kundgebungen mit zum Teil Zehntausender Besucher abgehalten wurden, wie auch die Durchführung des hinduistischen Festes Kumbh-Mela in Haridwar im nördlichen Bundesstaat Uttarakhand, an dem im Zeitraum von Jänner 2021 bis zum 27. April knapp 25 Millionen Hindus vor Ort teilgenommen haben, attestieren der indischen Regierung eine „praktizierte Sorglosigkeit“. Die Aussage der BJP bei einer Wahlveranstaltung im Bundestaat Assam in der verkündet wurde, „Wahlveranstaltungen und religiöse Zusammenkünfte tragen nicht zur Verbreitung von Covid-19 bei“, wird kritisiert (BAMF 3.5.2021; vgl. HO 28.4.2021).

Seit Mai 2021 sind alle Erwachsenen impfberechtigt, davor nur über 45-Jährige. In mehreren

Bundesstaaten des Landes ist der Impfstoff ausgegangen, Hilfsgüter aus mehreren Ländern wie Beatmungsgeräte, Anlagen zur Sauerstofferzeugung, Medikamente und Impfstoff werden Indien von der internationalen Staatengemeinschaft zur Verfügung gestellt. Medienberichten zufolge will Indien die eigene Impfstoffproduktion bis Juni 2021 erhöhen, von der staatlichen indischen Eisenbahngesellschaft gab bekannt, 4.000 Waggons mit einer Kapazität von 64.000 Betten als provisorische Stationen für Corona-Patienten bereitzustellen (BAMF 3.5.2021).

Alle Experten davon aus, dass kurzfristig die Fallzahlen wie auch die Zahlen der Toten weiter ansteigen werden, da das staatliche Gesundheitssystem in vielen Landesteilen schon jetzt an seine Grenzen gestoßen ist. Eine mittelfristige Prognose ist noch unklar. Eine Hoffnung stellt, bedingt durch den bereits erfolgten sehr breiten Ansteckung der Bevölkerung das Erreichen einer Herdenimmunität dar (HO 25.4.2021).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (3.5.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw18-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 7.5.2021

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.10.2020): https://www.bamf.d e/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2020/briefingnotes-kw 42-2020.pdf;jsessionid=91E533F0FC7A0F35C0751A9F00F3D711.internet572?__blob=publicatio nFile&v=4 , Zugriff 12.10.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-infor mation-report-india.pdf, Zugriff 18.1.2021

FE – Financial Express (20.3.2021): Coronavirus Lockdown 2021 News Highlights: Only partial relaxation from lockdown in Nagpur from Monday, https://www.financialexpress.com/lifestyle/healt h/coronavirus-lockdown-2021-live-news-coronavirus-india-latest-march-20-updates-narendra-m odi-covid-lockdown-night-curfew-maharashtra-mumbai-pune-nagpur-uttar-pradesh-delhi-bengalu ru-hyderabad-punjab-gu/2216571/, Zugriff 22.3.2021

FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 22.3.2021

GTAI – German Trade & Invest [Deutschland] (3.12.2020): Indien sieht erste Anzeichen einer

Konjunkturbelebung, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/specials/special/indien/indien-sieht-erste-a nzeichen-einer-konjunkturbelebung-234424, Zugriff 18.1.2021

HO – Heise Online (25.4.2021): Telepolis: Corona in Indien: Sorglosigkeit, Mutanten und himmelschreiende Ungleichheit, https://www.heise.de/tp/features/Corona-in-Indien-Sorglosigkeit-Mutant en-und-himmelschreiende-Ungleichheit-6030218.html, Zugriff 7.5.2021

HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 18.1.2021

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

PRC – Pew Research Center (18.3.2021): In the pandemic, India’s middle class shrinks and poverty spreads while China sees smaller changes, https://www.pewresearch.org/fact-tank/2021/03/18/inthe-pandemic-indias-middle-class-shrinks-and-poverty-spreads-while-china-sees-smaller-change s/, Zugriff 22.3.2021

TOI – Times of India (21.3.2021): Government failed to control Covid spread, must vaccinate all within months: Congress,

http://timesofindia.indiatimes.com/articleshow/81618736.cms?utm_source=contentofinterest&utm

_medium=text&utm_campaign=cppst, Zugriff 22.3.2021

WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Indien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-indien.html, Zugriff 18.1.2021

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 28.05.2021

Indien hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt. Nachdem sich das Land während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profilierte, verfolgt es heute eine eindeutig pro-westliche Politik. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner der EU und der Vereinigten Staaten (BICC 1.2021).

Es gibt in Indien eine Vielzahl von Spannungen und Konflikten, Gewalt ist an der Tagesordnung (GIZ 1.2021a). Aufstände gibt es auch in den nordöstlichen Bundesstaaten Assam, Manipur, Nagaland sowie in Teilen Tripuras. In der Vergangenheit konnte eine Zunahme von Terroranschlägen in Indien, besonders in den großen Stadtzentren, verzeichnet werden. Mit Ausnahme der verheerenden Anschläge auf ein Hotel in Mumbai im November 2008, wird Indien bis heute zwar von vermehrten, jedoch kleineren Anschlägen heimgesucht (BICC 1.2021). Aber auch in den restlichen Landesteilen gab es in den letzten Jahren Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des „Islamischen Staates“ (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (bpb 12.12.2017). Das Land unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung verabschiedet, die Prevention of Terrorism Ordinance (POTO), von der Menschenrechtsgruppen fürchten, dass sie auch gegen legitime politische Gegner missbraucht werden könnte (BICC 1.2021).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021) und der von separatistischen Gruppen bedrohte Nordosten Indiens (ÖB 9.2020; vgl. BICC 1.2021, AA 23.9.2020). Der Punjab blieb im vergangenen Jahren von Terroranschlägen und Unruhen verschont (im Punjab wurden 2020 insgesamt 18 Vorfälle im Zusammenhang mit Terrorismus registriert (SATP 3.5.2021a). Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.9.2020). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 9.2020).

Gewalttätige Operationen maoistischer Gruppierungen in den ostzentralen Bergregionen Indiens dauern an (ÖB 9.2020; vgl. AA 23.7.2020, FH 3.3.2021). Rebellen heben illegale Steuern ein, beschlagnahmen Lebensmittel und Unterkünfte und beteiligen sich an Entführungen und Zwangsrekrutierungen von Kindern und Erwachsenen. Zehntausende Zivilisten wurden durch die Gewalt vertrieben und leben in von der Regierung geführten Lagern. Unabhängig davon greifen in den sieben nordöstlichen Bundesstaaten Indiens mehr als 40 aufständische Gruppierungen, welche entweder eine größere Autonomie oder die vollständige Unabhängigkeit ihrer ethnischen oder Stammesgruppen anstreben, weiterhin Sicherheitskräfte an. Auch kommt es

weiterhin zu Gewalttaten unter den Gruppierungen, welche sich in Bombenanschlägen, Morden, Entführungen, Vergewaltigungen von Zivilisten und in der Bildung von umfangreichen Erpressungsnetzwerken ausdrücken (FH 3.3.2021).

Das SouthAsia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 812

Todesopfer durch terroristische Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 940 Personen durch terroristische

Gewalt getötet und im Jahr 2019 kamen 621 Menschen durch Terrorakte. 2020 belief sich die Opferzahl terroristischer Gewalt landesweit auf insgesamt 591 Tote. 2021 wurden bis zum 3. Mai insgesamt 164 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 3.5.2021b).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen (z. B. Maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 23.9.2020).

Bauernproteste, die sich gegen die von der indischen Regierung verabschiedeten Gesetze zur Liberalisierung des Agrarsektors richten, dauern seit Monaten an. Widerstand hat sich vor allem bei Sikhs im Punjab – dem Brotkorb Indiens - formiert. Inzwischen protestieren aber auch Bauern in anderen Teilen des Landes. Als im Januar 2021 die Proteste in New Delhi gewalttätig wurden, antwortete die Regierung mit harten Maßnahmen. Da bei den Protesten viele Sikhs beteiligt sind und u.a. eine Sikh-Flagge im Roten Fort in Delhi gehisst wurde, unterstellt die indische Regierung eine Beteiligung der Khalistan-Bewegung an den Protesten (BAMF 22.3.2021).

Indien und Pakistan

Indien und Pakistan teilen sprachliche, kulturelle, geografische und wirtschaftliche Verbindungen, doch sind die Beziehungen der beiden Staaten aufgrund einer Reihe historischer und politischer Ereignisse in ihrer Komplexität verstrickt und werden durch die gewaltsame Teilung Britisch Indiens im Jahr 1947, dem Jammu & Kashmir-Konflikt und die zahlreichen militärischen Konflikte zwischen den beiden Nationen bestimmt (EFSAS o.D.).

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (Piazolo 2008). Die äußerst angespannte Lage zwischen Indien und Pakistan hat sich in der Vergangenheit immer wieder in Grenzgefechten entladen, welche oft zu einem größeren Krieg zu eskalieren drohten. Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BICC 1.2021; vgl. BBC 23.1.2018, DFAT 10.12.2020). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen indischen und pakistanischen Streitkräften entlang der sogenannten „Line of Control (LoC)“ haben sich in letzter Zeit verschärft und Opfer auf militärischer wie auch auf ziviler Seite gefordert. Seit Anfang 2020 wurden im von Indien verwalteten Kaschmir 14 Personen durch Artilleriebeschuss durch pakistanische Streitkräfte über die Grenz- und Kontrolllinie hinweg getötet und fünf Personen verletzt (FIDH 23.6.2020; vgl. KO 25.6.2020).

Indien wirft Pakistan dabei unter anderem vor, in Indien aktive terroristische Organisationen zu unterstützen. Pakistan hingegen fordert eine Volksabstimmung über die Zukunft der Region, da der Verlust des größtenteils muslimisch geprägten Gebiets als Bedrohung der islamischen Identität Pakistans wahrgenommen wird (BICC 1.2021). Es kommt immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir (BICC 1.2021). So drang die indische Luftwaffe am 26.2.2019 als Vergeltung für einen am 14. Februar 2019 verübten Selbstmordanschlag erstmals seit dem Krieg im Jahr 1971 in den pakistanischen Luftraum ein, um ein Trainingslager der islamistischen Gruppierung Jaish-e-Mohammad in der Region Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, zu bombardieren (SZ 26.2.2019; vgl. FAZ

26.2.2019, WP 26.2.2019).

Modi nutzte den Konflikt mit Pakistan zur politischen Mobilisierung im Wahlkampf 2019. Dadurch wurde die pakistanfeindliche Stimmung in Indien so stark angeheizt, dass eine erneute

Annäherung Indiens an Pakistan immer schwieriger wird. Seit der Veränderung des Status von

Jammu und Kaschmir haben die Verletzungen des Waffenstillstands am Grenzverlauf zwischen Indien und Pakistan („Line of Control“) deutlich zugenommen (bpb 29.4.2021).

In einer Vereinbarung zwischen Indien und Pakistan mit dem Ziel „einen gegenseitig vorteilhaften und nachhaltigen Frieden zu erreichen“, heißt es, dass nach längeren Verhandlungen die zuletzt bestehende Vereinbarung von 2003 über eine Waffenruhe „in Wort und Geist“ ab dem 25. Februar 2021 umsetzen ist (Gov. o. I. 25.2.2021; vgl. SZ 26.2.2021).

Indien und China

Indien und China teilt eine 4.056 km lange Grenze (DFAT 10.12.2020). Der chinesisch-indische Grenzverlauf im Himalaya ist weiterhin umstritten (FAZ 27.2.2020). Nach wie vor gibt es zwischen Indien und China eine Reihe ungelöster territorialer Streitigkeiten, die 1962 zu einem kurzen Krieg zwischen den beiden Nachbarstaaten und zu mehreren Unruhen führten, darunter 2013, 2017 und 2020. Zusammenstöße zwischen Grenzpatrouillen an der 1996 vereinbarten „Line of Actual Control“ (LAC), der De-facto-Grenze zwischen der von Indien verwalteten Region des Ladakh Union Territory und der von China verwalteten Region Aksai Chin sind häufig (DFAT

10.12.2020; vgl. FIDH 23.6.2020) und forderten am 15.6.2020 mindestens 20 Tote auf indischer Seite und eine unbekannte Anzahl von Opfern auf chinesischer Seite (FIDH 23.6.2020; vgl. BBC

3.7.2020, BAMF 8.6.2020). Dies waren die ersten Todesopfer an der LAC seit 1975. Von beiden Seiten wurden eine Reihe von Gesprächen auf politischer, diplomatischer und militärischer Ebene geführt. Die Situation bleibt jedoch festgefahren (DFAT 10.12.2020). Viele indische Experten sehen in der Entscheidung der Modi-Regierung vom August 2019, den Bundesstaat Jammu und Kaschmir aufzulösen, einen Auslöser für die gegenwärtige Krise (SWP 7.2020; vgl. Wagner

C. 2020). Die chinesischen Gebietsübertretungen können somit als Reaktion auf die indische Politik in Kaschmir in der letzten Zeit gesehen werden (SWP 7.2020). Weitere Eskalationen drohen auch durch Gebietsverletzungen an anderen Stellen der mehr Grenze (FAZ 27.2.2020; vgl. SWP 7.2020). Sowohl Indien als auch China haben Ambitionen, ihren Einflussbereich in Asien auszuweiten (BICC 1.2021).

Zwar hat der amerikanisch-chinesische Handelskrieg die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und China gestärkt und neue Möglichkeiten für indische Unternehmen auf dem chinesischen Markt geschaffen, dennoch fühlt sich Indien von Peking geopolitisch herausgefordert, da China innerhalb seiner „Neuen Seidenstraße“ Allianzen mit Indiens Nachbarländern Pakistan, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka geschmiedet hat. Besonders der Wirtschaftskorridor mit dem Erzfeind Pakistan ist den Indern ein Dorn im Auge (FAZ 27.2.2020).

Indien und Bangladesch

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze. Indien kontrolliert die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs und war historisch maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs während seines Unabhängigkeitskrieges beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert (GIZ 1.2021a). In Nordost-Indien leben etwa 100.000 illegal eingewanderte Personen aus Bangladesch. Diese Einwanderer werden als ein erhöhtes Konfliktpotential wahrgenommen (BICC 1.2021). Auch bestehen kleinere Konflikte zwischen den beiden Ländern (BICC 1.2021).

Indien und Nepal

Die Beziehungen zwischen Indiens zu Nepal haben sich im Laufe des vergangenen Jahres [2020] verschlechtert (HRW 13.1.2021), nachdem das nepalesische Parlament im Juni 2020 eine Aufnahme dreier umstrittener Grenzgebiete in das nepalesische geographische Kartenwerk abgesegnet hat. Die kratographische Erfassung der umstrittenen Gebiete ist eine Reaktion auf den Bau einer Straße durch eines der umstrittenen Gebiete durch Indien, von welchem in einer im November 2019 überarbeitete Karte als zu Indien gehörig ausgewiesen wurde (HRW 13.1.2021). Nepal ist für Indien von besonderer sicherheitspolitischer Bedeutung (GIZ 1.2021a). Indien unterstützt die nepalesische Regierung mit Waffen und Gerät in ihrem Kampf gegen die maoistischen Guerilla (BICC 1.2021).

Indien und Sri Lanka

Die beiden Staaten pflegen ein eher ambivalentes Verhältnis (GIZ 1.2021a). Indien belieferte in der Vergangenheit Waffen die LTTE („Tamil Tigers“) in Sri Lanka (BICC 1.2021). Die tamilische Bevölkerungsgruppe in Indien umfasst ca. 65 Millionen Menschen, woraus sich ein gewisser Einfluss auf die indische Außenpolitik ergibt (GIZ 1.2021a). Indiensetzt sich für einen Prozess der Versöhnung der ehemaligen Gegnerschaften des Bürgerkrieges in Sri Lanka ein (HRW

13.1.2021).

Quellen:

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BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.3.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw12-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 11.5.2021

BBC – British Broadcasting Corporation (3.7.2020): Locals remain anxious amid India-China border stand-off, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-53020382 , Zugriff 22.7.2020

BBC – British Broadcasting Corporation (23.1.2018): India country profile – Overview, http://www. bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384 , Zugriff 29.1.2019

BICC – Bonn International Centre for Conversion (1.2021): Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien, http: //www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/indien/2020_Indien.pdf , Zugriff 23.3.2021

bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (29.4.2021): Kaschmir,https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54616/kaschmir, Zugriff 7.5.2021

bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (Deutschland) (12.12.2017): Konfliktporträt: Indien, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/215390/indien , Zugriff 18.3.2020

DFAT – Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade (10.12.2020): DFAT Country Information Report India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043026/country-information-r eport-india.pdf, Zugriff 22.3.2021

EFSAS – European Foundatition for South Asia Studies, Topics Indo-Pak Relations, https://www. efsas.org/topics/indo-pak-relations.html, Zugriff 23.3.2021

FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.2.2019): Pakistan: Wir behalten uns vor, auf Indiens Angriffe zu reagieren, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/indische-luftwaffe-verletzt-den-pa kistanischen-luftraum-16061769.html, Zugriff 6.8.2019

FH – Freedom House (3.3.2021): Freedom in the World 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2046516.html, Zugriff 23.3.2021

FIDH – International Federation for Human Rights (23.6.2020): China/India/Pakistan: De-escalate tensions along border lines and seek peaceful resolution of disputes, 23.6.2020

https://www.fidh.org/en/region/asia/india/china-india-pakistan-de-escalate-tensions-along-border-l ines-and-seek , Zugriff 22.7.2020

GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (1.2021a): Indien, https: //www.liportal.de/indien/geschichte-staat/ , Zugriff 23.3.2021

Gov.o.I. PIB – Government of India, Press Information Bureau (25.2.2021): Joint Statement, https: //www.pib.gov.in/PressReleseDetail.aspx?PRID=1700682, Zugriff 7.5.2021

HRW – Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - India, https://www.ecoi.net/de/do kument/2043608.html, Zugriff 23.3.2021

KO – Kaschmir Observer (25.6.2020): Indian, Pakistani Troops Trade Fire In North Kashmir, https: //kashmirobserver.net/2020/06/25/indian-pakistani-troops-trade-fire-in-north-kashmir/ , Zugriff 22.7.2020

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

Piazolo, Michael (2008): Macht und Mächte in einer multipolaren Welt. Springer Verlag. Seite 201

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.2021a): Data Sheet - Punjab, Number of Terrorism Related Incidents Year Wise, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/india-punjab, Zugriff 6.5.2021

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.2021b): Data Sheet - India Yearly Fatalities: 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india, Zugriff 6.5.2021

SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik (7.2020): Indisch-chinesische Konfrontation im Himalaya. Eine Belastungsprobe für Indiens strategische Autonomie, Juli 2020

https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2020A63_IndienChina.pdf , Zugriff 22.7.2020

SZ – Süddeutsche Zeitung (26.2.2021): Wenn plötzlich Frieden ausbricht, https://www.sueddeut sche.de/politik/line-of-control-kaschmir-indien-waffenruhe-pakistan-1.5219103, Zugriff 7.5.2021

SZ – Süddeutsche Zeitung (26.2.2019): Indien bombardiert pakistanischen Teil Kaschmirs, https: //www.sueddeutsche.de/politik/indien-pakistan-luftangriff-1.4345509 , Zugriff 6.8.2019

Wagner, C. (2020). The Indian-Chinese confrontation in the Himalayas: a stress test for India’s strategic autonomy.

(SWP Comment, 39/2020). Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik -SWP- Deutsches Institut für

Internationale Politik

und Sicherheit. https://doi.org/10.18449/2020C39, Zugriff 22.10.2020

WP – The Washington Post (26.2.2019): India strikes Pakistan in severe escalation of tensions between nuclear rivals, https://www.washingtonpost.com/world/pakistan-says-indian-fighter-jets-c rossed-into-its-territory-and-carried-out-limited-airstrike/2019/02/25/901f3000-3979-11e9-a06c-3 ec8ed509d15_story.html?utm_term=.ee5f4df72709 , Zugriff 6.8.2019

Punjab

Letzte Änderung: 31.05.2021

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 9.2020).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Es gibt Anzeichen von konzertierten Versuchen militanter Sikh-Gruppierungen im Ausland gemeinsam mit dem pakistanischen Geheimdienst ISI, die aufständische Bewegung in Punjab wiederzubeleben. Indischen Geheimdienstinformationen zufolge werden Kämpfer der Babbar Khalsa International (BKI), einer militanten Sikh-Organisation in Pakistan von islamischen Terrorgruppen wie Lashkar-e-Toiba (LeT) trainiert, BKI hat angeblich ein gemeinsames Büro mit der LeT im pakistanischen West-Punjab errichtet. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der aufständischen Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 9.2020). Im Punjab (und anderen Konfliktzonen) haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 30.3.2021; vgl. BBC 20.10.2015). Die Menschenrechtslage im Punjab stellt sich nicht anders dar als im übrigen Indien (ÖB 9.2020).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in Punjab (sowie Uttar Pradesh und Haryana) weiterhin ein Problem dar (USDOS 30.3.2021).

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.). Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass Sikhs alleine auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei willkürlich verhaftet oder misshandelt würden. Auch stellen die Sikhs 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 9.2020).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 25 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt in Punjab. Im Jahr 2018 wurden drei Personen durch Terrorakte getötet, 2019 waren es zwei Todesopfer und im Jahr 2020 wurden durch terroristische Gewalt drei Todesopfer registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen]. Bis zum 3.5.2021 wurden für Beobachtungszeitraum 2020 keine Opfer von verübten Terrorakten aufgezeichnet (SATP 3.5.2021).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert. In manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben (ÖB 9.2020).

Im Zuge der Bauernproteste gegen die 2020 beschlossene Liberalisierung des Agrarsektors ist ein neues, gegen die religiöse Minderheit der Sikhs gerichtetes politisches Narrativ von der hindunationalistischen BJP instrumentalisiert worden, nachdem sich Widerstand gegen die Marktrefom auch bei den Sikhs aus dem Punjab formiert hatte. Politiker der Bharatiya Janata Party (BJP) unterstellten den protestierenden Sikhs vereinzelt, für ein unabhängiges Khalistan zu kämpfen und weckten damit in der Bevölkerung Erinnerungen an die Bewegung aus den 1980er und 1990er Jahren (BAMF 12.4.2021).

Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 9.2020).

Quellen:

BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (12.4.2021): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefi ngnotes-kw15-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 6.5.2021

BBC – British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?, http://www. bbc.com/news/world-asia-india-34578463 , Zugriff 18.10.2018

MoHA – Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India [Indien] (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusin dia.gov.in/2011census/C-01.html , Zugriff 18.10.2018

ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (9.2020): Asylländerbericht Indien

SATP – South Asia Terrorism Portal (3.5.20201c): Datasheet – Punjab, Data View, https://www.sa tp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/india-punjab, Zugriff 6.5.2021

USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights

Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048124.html, Zugriff 6.5.2021

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung: 31.05.2021

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 23.9.2020; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 23.9.2020). Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft, was dazu führt, dass Zeugen aufgrund von Bestechung und/oder Bedrohung, vor Gericht häufig nicht frei aussagen (AA 23.9.2020). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 23.9.2020; vgl. FH 3.3.2021).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 3.3.2021). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen.

Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 9.2020).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre. Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen erlaubt die Inhaftierung ohne Anklage oder aufgrund von vage definierten Vergehen (FH 3.3.2021). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei mit Todesstrafe bedrohten Delikten, soll

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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