Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §46 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über I. den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und II. die außerordentliche Revision jeweils des A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 14. Dezember 2020, 405-10/925/1/4-2020, betreffend eine Angelegenheit nach dem Bundes-Personalvertretungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung als Personalvertretungsaufsichtsbehörde), den Beschluss gefasst:
Spruch
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
II. Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Mitglied des Zentralausschusses der Personalvertretung Pflichtschullehrer/Innen S.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2020 wurde mit Spruchpunkt 1. die (Aufsichts-)Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Zentralausschuss zurückgewiesen. Mit Spruchpunkt 2. wurde festgestellt, dass der vom Zentralausschuss am 5. Dezember 2019 gefasste Beschluss über die Aufteilung der Freistellungen gemäß § 25 Abs. 4 PVG nicht gesetzwidrig ist.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (Spruchpunkt I.). Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
4 Dieses Erkenntnis wurde nach dem in den Verwaltungsakten enthaltenen Posturkunde am 16. Dezember 2020 von einem Mitarbeiter der gewerkschaftlichen Vertretung des Revisionswerbers übernommen.
5 Mit nach dem Kuvert am 28. Jänner 2021 zur Post gegebenem Schriftstück brachte der - nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene - Revisionswerber beim LVwG eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des LVwG ein. Als Tag der Zustellung des Erkenntnisses wurde der 17. Dezember 2020 angeführt.
6 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juni 2021 wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit eingeräumt, zu dem Umstand Stellung zu nehmen, dass nach den Verwaltungsakten das angefochtene Erkenntnis dem (damaligen) Vertreter des Revisionswerbers am 16. Dezember 2019 zugestellt worden sei und davon ausgehend die am 28. Jänner 2021 zur Post gegebene Revision verspätet erscheine.
7 Auf diesen Vorhalt hin brachte der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 17. Juni 2021 eine Stellungnahme sowie einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsfrist ein und erhob erneut eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des LVwG.
8 In seiner Stellungnahme gab der Revisionswerber an, dass das Dokument über die „Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments“ keine ausreichende Beweiskraft habe. Es weise zwei verschiedene Daten auf (7.1. und 10.1.) und keine ausreichenden Angaben zum Übernehmer sowie keine Stampiglie. Die Datumsangabe erscheine daher nicht ausreichend verlässlich. Sein damaliger Vertreter habe das Übernahmedatum richtig festgehalten und dem rechtsanwaltlichen Vertreter das Zustelldatum mit 17. Dezember 2020 angegeben.
9 Wäre hingegen davon auszugehen, dass die Abholung tatsächlich am 16. Dezember 2020 stattgefunden habe, würde dies bedeuten, dass im Rahmen der gewerkschaftlichen Vertretung ein Fehler unterlaufen sei, wie er sonst, soweit erinnerlich, überhaupt noch nicht vorgekommen sei. Es könne als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden, dass Fristen im Rahmen gewerkschaftlicher Rechtsvertretung mit größter Verlässlichkeit eingehalten würden. Es würde daher ein absolut unvorhersehbares - und damit auch unabwendbares - Ereignis ursächlich für die Fristversäumnis sein. Bei einem Ereignis mit derartigem Ausnahmecharakter wäre außerdem die Voraussetzung erfüllt, dass es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handle. Zur Bescheinigung berufe er sich auf seinen damaligen gewerkschaftlichen Vertreter.
10 Gemäß § 22 Abs. 1 Zustellgesetz ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Nach § 22 Abs. 2 leg. cit. hat der Übernehmer der Sendung die Übernahme durch Unterfertigung des Zustellnachweises unter Beifügung des Datums (und, wenn er nicht der Empfänger ist, seines Nahverhältnisses zu diesem) zu bestätigen.
11 Bei dem vorliegenden maßgeblichen Zustellnachweis handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen; als öffentliche Urkunde begründet aber nur ein „unbedenklicher“ - d.h. die gehörige äußere Form aufweisender - Zustellnachweis die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorganges (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 30.1.2014, 2012/03/0018, mwN).
12 Der vorliegende Zustellnachweis trägt als Empfängernamen den damaligen Vertreter des Revisionswerbers. Die Übernahmebestätigung ist mit „zugestellt Übernahmeverhältnis: Arbeitnehmer persönlich bekannt“ einer Unterschrift, dem fettgedruckten Übernahmedatum „16122020“ sowie dem Vermerk „Zustellung beurkundet gem. ZustellG § 22 Abs. 1 durch Zusteller mit der Personalnummer: (...)“ versehen.
13 Angesichts der eingehaltenen äußeren Form des Zustellnachweises liefert dieser den Beweis dafür, dass die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 16. Dezember 2020 erfolgt ist.
14 Die sechswöchige Revisionsfrist endete sohin mit 27. Jänner 2021 (vgl. § 26 VwGG).
15 Die postalische Einbringung der Revision am 28. Jänner 2021 erweist sich daher als verspätet.
16 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Ein minderer Grad des Versehens hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht.
17 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0199, mwN).
18 Der vorliegende Antrag auf Wiedereinsetzung erblickt das die Einhaltung der Revisionsfrist hindernde Ereignis darin, dass dem bislang zuverlässigen gewerkschaftlichen Vertreter des Revisionswerbers ein Fehler unterlaufen sei, der in der gewerkschaftlichen Vertretung bislang noch nie vorgekommen sei. Dieses Ereignis sei unabwendbar gewesen und liege nur ein minderer Grad des Versehens vor.
19 Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber schon deshalb nicht einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG darzulegen, weil die Frage, in welcher Form und binnen welcher Frist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof einzubringen ist, jedenfalls einer Beurteilung durch den einschreitenden Rechtsanwalt bedarf (vgl. VwGH 8.9.2021, Ra 2021/19/0158, mwN). Im Übrigen hat nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derjenige, der einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Hilfsperson stützt, schon im Wiedereinsetzungsantrag durch ein substantiiertes Vorbringen darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft, etwa dass und in welcher Weise er die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. erneut VwGH 8.9.2021, Ra 2021/19/0158, mwN).
20 Ein derartiges Vorbringen enthält der vorliegende Antrag nicht.
21 Dass den Revisionswerber an der Versäumung der Revisionsfrist kein Verschulden oder ein lediglich minderer Grad des Versehens anzulasten wäre, wurde mit dem Wiedereinsetzungsantrag folglich nicht dargetan.
22 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG abzuweisen und die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 1. Dezember 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021090084.L00Im RIS seit
29.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022