Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
BDG 1979 §43 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 7. März 1995, Zl. 6/8-DOK/95, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stand als Sicherheitswachebeamter (Revierinspektor) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. August 1994, AZ 8 b EVr 1551/94 (Hv 2307/94), wurde der Beschwerdeführer wie folgt strafgerichtlich schuldig erkannt und bestraft:
"S hat am 24. 1. 1994 in Wien mit dem Vorsatz sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Ersten Österreichischen Spar-Casse durch Nachmachen der Unterschriften der Mag. M und Mag. L auf je einem Überweisungsschein, mithin durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung falscher Urkunden, zur Überweisung von Geldbeträgen insgesamt in der Höhe von S 67.590,-- auf sein Sparbuch mit der Nr. nn der Ersten Österreichischen Spar-Casse, somit zu Handlungen verleitet, die Mag. M um S 33.750,-- und Mag. L um S 33.840,-- an Vermögen schädigten, wobei somit der Schaden S 25.000,-- überstieg.
Strafbare Handlung: Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 StGB
Strafe: nach § 147 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Monaten, Probezeit 3 (drei) Jahre bedingt.
Angerechnete Vorhaft: vom 17. 2. 1994, 13.20 Uhr bis 18. 2. 1994, 11.15 Uhr."
Bei der Bemessung der Strafe wertete das genannte Strafgericht (nach den im Protokolls- und Urteilsvermerk vom 17. August 1994 festgehaltenen Strafbemessungsgründen) das Geständnis, die Schadensgutmachung sowie den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd und den Umstand, daß "das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei erschüttert wurde" als erschwerend.
In dem dieselbe Vorgangsweise des Beschwerdeführers betreffenden, im Anschluß an das gerichtliche Strafverfahren durchgeführten Disziplinarverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 12. Dezember 1994 wie folgt schuldig erkannt und disziplinarrechtlich bestraft:
"Revierinspektor S ist schuldig, am 24. 1. 1994 vorsätzlich im Bereicherungsabsicht Angestellte der Ersten Österreichischen Spar-Casse nach Fälschung der Unterschriften vom Mag. M und Mag. L auf je einem Überweisungsschein, über Tatsachen getäuscht zu haben und unter Verwendung falscher Urkunden zwecks Überweisung von Geldbeträgen in der Gesamthöhe von S 67.590,-- auf sein Sparbuch mit der Nr. nn der Ersten Österreichischen Spar-Casse dadurch die Mag. M bzw. Mag. L um S 33.750,-- bzw. S 33.840,-- geschädigt zu haben.
Er hat dadurch gegen § 43/1, 2 BDG verstoßen und Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 i.d.g.F. begangen.
Über ihn wird gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG i.V.n. § 126 Abs. 2 BDG 1979 i.d.g.F. die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt."
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er (ausschließlich) eine unrichtige Anwendung des § 95 Abs. 3 BDG 1979 bzw. das Fehlen eines sogenannten "diziplinären Überhangs" geltend machte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 7. März 1995 wurde der Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 nicht Folge gegeben und die Entscheidung der Disziplinarkommission bestätigt." Zur Begründung führte die belangte Behörde - nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage - im wesentlichen aus, die Disziplinarbehörde sei an die dem Urteilspruch zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen des Strafgerichtes gebunden. Der Beschwerdeführer sei vom Strafgericht wegen des Vergehens des schweren Betruges rechtskräftig verurteilt worden. Bei der Verhängung der gerichtlichen Strafe sei der für die disziplinäre Verfolgung wesentliche Gesichtspunkt, das Funktionieren der Verwaltung zu gewährleisten, nicht zu berücksichtigen. Daher habe die gerichtliche Verurteilung den mit der Disziplinarstrafe verfolgten Zweck nicht miterfüllen können. Auch wenn das Strafgericht bei der Bemessung der gerichtlichen Strafe einen disziplinären Überhang als Erschwerungsgrund mitberücksichtigt hätte, sei damit die Ahndung von Dienstpflichtverletzungen nicht als vom Strafgericht miterledigt anzusehen.
Vorliegendenfalls bestehe der disziplinäre Überhang darin, daß die disziplinär relevanten Aspekte im Bereich des Vertrauensbruches vom Strafgericht nicht zu berücksichtigen gewesen seien. Ein Beamter, der unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten planmäßig und wohlbedacht "solche Verfehlungen" begehe, sei nicht weiter als Beamter tragbar. Der Beschwerdeführer habe das Vertrauensverhältnis zu seinen Kollegen, Vorgesetzten und zur rechts- und hilfesuchenden Allgemeinheit so schwer erschüttert, daß ein Weiterbestehen des Beamtenverhältnisses mit ihm weder dem Dienstgeber noch der Bevölkerung zugemutet werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf rechtskonforme Interpretation des § 95 BDG" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht er unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, nach dem Wortlaut des § 95 Abs. 1 BDG könne auch ein gerichtliches Urteil eine Dienstpflichtverletzung derart mitberücksichtigen, daß es in weiterer Folge zu keiner Disziplinarstrafe mehr komme. Dies werde aber von der belangten Behörde dahingehend verneint, daß es überhaupt nicht möglich sei, eine Dienstpflichtverletzung durch ein Gerichtsurteil ausreichend zu sühnen. Im Beschwerdefall habe der Strafrichter jedoch die Tatsache, daß er Polizeibeamter sei (richtig wohl: gewesen sei) als Erschwerungsgrund gewertet und daher auch die Elemente einer Dienstpflichtverletzung mitberücksichtigt. Die belangte Behörde habe durch die Verneinung dieses Umstandes § 95 BDG rechtswidrig angewendet bzw. das ihr eingeräumte Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Gemäß § 91 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979 in der Fassung vor dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995) ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem 9. Abschnitt dieses Gesetzes zur Verantwortung zu ziehen. § 92 Abs. 1 leg. cit. bestimmt als Disziplinarstrafen:
1. den Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezugen unter Ausschluß der Haushaltszulage, 4. die Entlassung.
Im 6. Abschnitt des BDG 1979 über die Dienstpflichten des Beamten wird hinsichtich der Allgemeinen Dienstpflichten in § 43 Abs. 2 leg. cit. festgelegt, daß der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Die Bestimmung des § 95 leg. cit. lautet wie folgt:
"(1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlichen strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
(3) Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten."
Das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung, die sich in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestands erschöpft (Fehlen des sogenannten "disziplinären Überhangs" (§ 95 Abs. 1 leg. cit.), kann (abgesehen von weiteren Strafbarkeitskriterien wie etwa Verschulden oder Rechtswidrigkeit) grundsätzlich nur dann in Frage kommen, wenn der Täter durch seine Handlung oder Unterlassung (§ 2 StGB) einen Sachverhalt verwirklicht hat, der gleichzeitig einem gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Tatbild (§§ 5, 6 StGB) und dem Tatbestand einer Dienstpflichtverletzung (§ 91 BDG 1979) entspricht (Idealkonkurrenz). Nur in diesem Fall kann sich die Frage im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 überhaupt stellen, ob ein sogenannter disziplinärer Überhang besteht oder ob die wertende Auslegung der maßgeblichen strafrechtlich und disziplinarrechtlich relevanten Tatbestände ergibt, daß bereits mit der strafrechtlichen Verurteilung (durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde) der Unrechtsgehalt der Dienstpflichtverletzung abgegolten wurde (vgl. G. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, zweite Auflage (1996), 45).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer einen disziplinären Überhang allein aufgrund der seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde gelegten Strafbemessungsgründe verneint. Auf den dabei vom Strafgericht herangezogenen Erschwerungsgrund kann es freilich nicht ankommen.
Der Beschwerdeführer wurde strafgerichtlich schuldig erkannt, daß er das Vergehen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 StGB begangen habe. Diese strafbare Handlung verwirklicht, wer mit Bereicherungsvorsatz jemanden durch Täuschung über Tatsachen, indem er eine falsche oder verfälschte Urkunde, ein anderes solches Beweismittel oder ein unrichtiges Meßgerät benützt (Qualifizierungstatbestand nach § 147 Abs. 1 Z.1 StGB), zu einem S 25.000,-- übersteigenden Vermögensschaden (Qualifizierungstatbestand nach § 147 Abs. 2 StGB) verleitet.
Die für die disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte, wie etwa das Funktionieren der Verwaltung zu gewährleisten, werden bei den genannten Tatbildmerkmalen jedoch in keiner Weise berücksichtigt, weil das Verhalten des Beschwerdeführers bei dem in Rede stehenden strafgerichtlichen Vergehen nur an Maßstäben zu messen war, die für alle Normunterworfenen zu gelten haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird bei der Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, die den Vorwurf der Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben betrifft, aufgrund dieses spezifisch dienstrechtlichen Tatbestandsmerkmals der sogenannte disziplinäre Überhang vorliegen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse Slg. NF. Nr. 12516/A und vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, sowie die bei G. Kucsko-Stadlmayer, a.a.O. wiedergegebene hg. Judikatur). Der Beschwerdeführer sieht gerade daran vorbei, daß ihm u.a. auch die genannte Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 leg. cit. angelastet wurde. Die Verwirklichung dieser Dienstpflichtverletzung hat die belangte Behörde auch zutreffend im Sinne des § 95 Abs. 3 BDG 1979 als so schwerwiegend betrachtet, daß sie den Beschwerdeführer als für den Exekutivdienst untragbar erachtet hat. Der Beschwerdeführer tritt dem weder entgegen noch vermag er darzulegen, inwieweit diese disziplinarrechtlichen Aspekte von einem anderen Strafrechtsbereich wahrgenommen worden sein sollten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1980, Slg. NF. Nr. 10008/A).
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995090134.X00Im RIS seit
20.11.2000