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L69304 Wasserversorgung OberösterreichNorm
AVG §37Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der A K in H, vertreten durch die K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. April 2019, Zl. LVwG-151693/19/RK/FE, betreffend eine Angelegenheit nach dem Oö. Wasserversorgungsgesetz 2015 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde H), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde H vom 19. Juli 2017 wurde der Revisionswerberin gemäß § 5 Abs. 5 Oberösterreichisches Wasserversorgungsgesetz 2015 (Oö. WVG 2015) aufgetragen, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides ihre näher bezeichnete Liegenschaft an die öffentliche Wasserversorgungsanlage der Gemeinde anzuschließen und die dazu erforderlichen Einrichtungen unter näher genannten Bedingungen und Auflagen herzustellen.
2 Die Berufung der Revisionswerberin gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 2018 - mit für das Revisionsverfahren nicht weiter relevanten Maßgaben - als unbegründet abgewiesen.
3 2. Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Dieses wies die Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte eine Revision gegen seine Entscheidung für nicht zulässig.
4 Dazu stellte es zusammengefasst fest, dass ein bestimmter Leitungsstrang der öffentlichen Wasserversorgungsanlage im geringsten Abstand ca. 4 m am anzuschließenden Objekt vorbeiführe. Diese Leitung habe ursprünglich als Verbindung zwischen einem Brunnen und dem ringförmigen Versorgungsnetz der Gemeinde gedient und sei mit Bescheid (des Landeshauptmannes von Oberösterreich) vom 25. Oktober 1971 „als Hauptleitung“ bewilligt worden. Mit Bescheid vom 12. Mai 1989 sei die Änderung des Benutzungsrechtes der Brunnenanlage zu Notversorgungszwecken und zur Nutzwasserentnahme sowie die Aufschließung von Objekten einer nordöstlich der Brunnenanlage liegenden Siedlung (im Wege der ursprünglich als Brunnenableitung dienenden Leitung) nachträglich bewilligt worden. Mit Bescheid vom 12. Juni 1997 schließlich sei das Brunnenbenutzungsrecht auf eine nur mehr verbleibende Nutzwasserversorgung abgeändert worden.
5 Mit der hier betroffenen Leitung werde nun die nordöstlich der Brunnenanlage liegende Siedlung versorgt, die Fließrichtung habe sich damit aber (im Vergleich zur Situation, die der ursprünglichen Bewilligung zu Grunde lag) umgedreht, weil nicht mehr der Brunnen die Versorgungswurzel sei. So erfolge die Wasserversorgung nunmehr ausgehend von einer Übernahmestelle mit einer Leitung bis zu einer Ortschaft der Gemeinde, in der die Leitung erstmals in ein weit verästeltes Versorgungsnetz an Versorgungsleitungen anschließe. Im weiteren Verlauf befinde sich schließlich ein Leitungsknoten, der die Verbindung zum verfahrensgegenständlichen Leitungsstrang (mit Durchmesser 150 mm) bilde. Dieser Leitungsstrang führe ausgehend vom Leitungsknoten zunächst am Objekt der Revisionswerberin und der Siedlung vorbei und ende schließlich im Bereich der (nur mehr zur Nutzwasserversorgung dienenden) Brunnenanlage.
6 Im Abschnitt Beweiswürdigung erwog das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung -, dass insbesondere der Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung dezidiert auf die fachmännisch untermauerte Rechtsmeinung der Revisionswerberin eingegangen sei und sich auch mit der entgegenstehenden Äußerung des von der belangten Behörde angebotenen Zeugen auseinandergesetzt habe. Somit hätten dessen instruktive Ausführungen in der mündlichen Fortsetzungsverhandlung Antwortcharakter in Bezug auf die divergierenden Fachmeinungen angenommen, die in der ersten mündlichen Verhandlung (von Zeugen, die seitens der Revisionswerberin und der belangten Behörde beantragt worden waren) geäußert worden seien. Damit hätten die wesentlichen Argumente der Revisionswerberin, wonach die betreffende Leitung eine Transportleitung sei, weil sie auf einer längeren Strecke ohne Anschluss sei und an sie eine (geringer dimensionierte) Versorgungsleitung angeschlossen sei, entkräftet werden können. Der Amtssachverständige sei mehrfach auf die funktionalen Aspekte der Leitung eingegangen und habe nachvollziehbar das Vorliegen einer atypischen Situation ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Beweisergebnisse seien somit auch für das Verwaltungsgericht zweifelsfrei gewesen. Die rechtliche Beurteilung sei anhand der grundsatzgesetzlichen Bestimmung des § 36 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959) vorzunehmen gewesen, wonach ein Anschlusszwang zur Wahrung der Interessen eines gemeinnützigen öffentlichen Wasserversorgungsunternehmens vorgesehen werden könne.
7 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei im Verfahren wesentlich die Frage aufgeworfen worden, welcher Kategorie von Wasserleitung jene am Objekt der Revisionswerberin vorbeilaufende unterfalle. Nach Ansicht der Revisionswerberin handle es sich um eine Transportleitung, die belangte Behörde gehe von einer Änderung der ursprünglich als Transportleitung dienenden Leitung zu einer Versorgungsleitung spätestens mit 1997 (als die Trinkwasserversorgung von den Brunnen aus eingestellt worden sei) aus. Die von beiden Seiten benannten fachkundigen Personen hätten sich dabei auf die gleichen ÖNORMEN (ÖNORM B 2539 und ÖNORM EN 805) bezogen.
8 Sodann ging das Verwaltungsgericht auf die seiner Ansicht nach wesentlichen Rechtsfragen ein und kam dabei zusammengefasst zum Ergebnis, dass eine Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 nur an „Versorgungsleitungen“ bestehe. Es gab in der Folge Fachmeinungen und Argumentationen der von den Parteien benannten Zeugen sowie Auszüge aus den Gesetzesmaterialien wieder und schloss daraus, dass die fachliche Expertise des letztlich hinzugezogenen Amtssachverständigen für eine Einstufung unerlässlich gewesen sei.
9 Dieser habe für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt und erläutert, dass für die Frage, an welche Leitungen Anschlussleitungen angeschlossen werden könnten, Erwägungen des Betreibers der Wasserversorgungsanlage entscheidend wären. Dies sei mit Blick auf die Erläuterungen zur Begriffsbestimmung des § 3 Z 1 Oö. WVG 2015, die ebenso den technisch orientierten Versorgungsaspekten des Betreibers geschuldet seien, erhellend gewesen.
10 Unter Berufung auf die näher dargestellten („instruktiven“) Ausführungen des Amtssachverständigen, insbesondere die Betonung funktionaler Aspekte, verwarf das Verwaltungsgericht in der Folge das Argument der Revisionswerberin, die betroffene Leitung sei schon deshalb eine Transportleitung, weil an deren Ende eine (weitere, geringer dimensionierte) Anschlussleitung zur Versorgung der Siedlung abzweige oder weil an ihr im Bereich des Objektes der Revisionswerberin aktuell auf eine Strecke von 900 m (noch) keine Anschlüsse ausgeführt seien. Ebensowenig liege eine Hauptleitung zur Verbindung zweier Versorgungsgebiete vor, weil der Amtssachverständige durch Literatur belegt ausgeführt habe, dass solche - mit Hauptverteilfunktion und ohne direkte Verbindung zum Verbraucher - lediglich im Falle von großen Versorgungsgebieten, wie Großstädten, vorlägen. Die am Ende der Leitung versorgte Siedlung sei daher kein derartiges eigenes Versorgungsgebiet. Weiters habe der Amtssachverständige auch angegeben, dass aus dem Material der Leitung nicht (zwingend) auf eine bestimmte Leitungskategorie geschlossen werden könne.
11 Zusammengefasst handle es sich bei der betroffenen Leitung um einen Teil des Versorgungsgebietes der Wasserversorgungsanlage der Gemeinde, Druckzone 1, ohne besondere Stellung in technischer und rechtlicher Hinsicht. Sie werde - unter Beachtung der technisch-funktionalen Aspekte - auch nicht auf einem 900 m langen Leitungsstück, an dem (noch) keine Anschlüsse vorhanden seien, (wiederum) zu einer Transportleitung.
12 Zum Vorbringen, eine Anschlusspflicht bestehe gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 nicht, weil das Objekt bereits durch eine Wassergenossenschaft versorgt werde, führte das Verwaltungsgericht aus, dass die fragliche Wassergenossenschaft mit Bescheid der Wasserrechtsbehörde vom 21. Juli 2017 anerkannt worden sei. Sie sei damit zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Voraussetzungen für eine Anschlusspflicht - dies sei hier das Inkrafttreten des Oö. WVG 2015 am 1. April 2015 - noch nicht gegründet gewesen, sodass der herangezogene Ausnahmetatbestand nicht greife.
13 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen zunächst vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob eine Bindung an die Beurteilung einer Wasserleitung als „Hauptwasserleitung“ im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid bestehe. Unabhängig davon habe das Verwaltungsgericht die Kategorisierung des fraglichen Leitungsstranges grob fehlbeurteilt. Schließlich fehle es auch zur Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Versorgung durch eine Wassergenossenschaft vorliegen müsse, um den Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 zu erfüllen, an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
14 4. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete der Bürgermeister der Gemeinde Hartkirchen für die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung, in der er auf die Feststellungen in den Bescheiden des behördlichen Verfahrens sowie die bisherigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Äußerungen verwies und darüber hinaus vorbrachte, dass sich aus dem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom 25. Oktober 1971 keine Einschränkungen hinsichtlich der Herstellung von Anschlüssen an die Wasserversorgungsanlage, insbesondere die hier betroffene Wasserleitung ergäben.
15 5. Die Revision erweist sich als nicht zulässig.
16 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 24.10.2019, Ro 2019/07/0002, 0003, mwN).
20 5.2. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 knüpft die Anschlusspflicht an das Vorhandensein einer Versorgungsleitung innerhalb eines bestimmten Anschlussbereichs. Eine Anschlusspflicht an eine Transportleitung besteht nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn ausnahmsweise bereits einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an eine solche angeschlossen sind. Das Oö. WVG 2015 definiert die Begriffe „Versorgungsleitung“ und „Transportleitung“ nicht. Die Materialien des Gesetzes verweisen jedoch zur Abgrenzung der verschiedenen Kategorien von Wasserleitungen auf die Begriffsdefinitionen der durch die ÖNORM B 2538 ergänzten ÖNORM EN 805 (VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093).
21 Die Revisionswerberin verweist auf den Umstand, dass die hier relevante Wasserleitung im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Oktober 1971 als „Hauptleitung“ genehmigt worden sei. Sie begründet die Zulässigkeit ihrer Revision diesbezüglich damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob eine solche, in einem Bewilligungsbescheid vorgenommene Kategorisierung für die Beurteilung der Anschlusspflicht nach dem Oö. WVG 2015 bindend sei. Aus der bestehenden Judikatur, wonach eine Wasserversorgungsanlage im Sinne des (früheren) Oö. Gemeindeversorgungsgesetzes erst dann vorliege, wenn die konsensgemäße Herstellung einer solchen Anlage durch einen Überprüfungsbescheid nach § 121 WRG 1959 dargestellt wurde, leitet die Revisionswerberein ab, dass für die Beurteilung der Anschlussverpflichtung ausschließlich die wasserrechtliche Bewilligung maßgebend sei.
22 Diese Rechtsfrage wurde vom Verwaltungsgerichtshof mittlerweile geklärt: Es ist aus der von der Revisionswerberin herangezogenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ableitbar, dass ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid, in dem einzelne Wasserleitungen einer Gemeinde-Wasserversorgungsanlage kategorisiert wurden, Bindungswirkung für die Kategorisierung einer Wasserleitung in einem Anschlusspflichtverfahren nach dem Oö. WVG 2015 entfalte (VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093; 13.11.2020, Ra 2020/07/0101). Eine Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung liegt insofern nicht (mehr) vor.
23 5.3. Unabhängig von der Frage der Bindung an den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid begründet die Revision ihre Zulässigkeit auch damit, dass eine grobe Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts bei der Kategorisierung des fraglichen Leitungsstranges im Hinblick auf die dafür zwingend heranzuziehenden Definitionen der durch die ÖNORM B2538 ergänzten ÖNORM EN 805 vorliege. Diesbezüglich werden auch eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes und eine unschlüssige Beweiswürdigung als Verfahrensmangel geltend gemacht.
24 Die Frage der Qualifikation einer Leitung als Versorgungs- oder Transportleitung hat das Verwaltungsgericht im Streitfall unter Heranziehung der Beurteilung durch Sachverständige zu klären (vgl. in diesem Sinne VwGH 13.11.2020, Ra 2020/07/0101, unter Hinweis auf VwGH 23.1.2020, Ra 2019/07/0093).
25 Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als reine Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Der zur Rechtskontrolle berufene Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, die einer Überprüfung unter den Gesichtspunkten der Vollständigkeit und Schlüssigkeit standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. auch dazu VwGH 13.11.2020, Ra 2020/07/0101, je mwN).
26 Im Übrigen handelt es sich bei der Frage, ob es sich bei einem konkreten Leitungsstrang um eine die Anschlusspflicht auslösende Versorgungsleitung handelt, naturgemäß um eine Frage des Einzelfalls.
27 Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist daher nach dem Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0017, mwN, in diesem Sinne auch VwGH 2.4.2021, Ra 2018/07/0358, mwN).
28 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund (vgl. VwGH 17.2.2021, Ra 2019/17/0072, mwN).
29 Das vorliegende Erkenntnis weist in diesem Sinne deutliche Mängel im Aufbau auf, weil seine zentralen Feststellungen zur Qualifikation des fraglichen Leitungsstranges erst aus der rechtlichen Beurteilung erschlossen werden können, in der zudem in unstrukturierter Weise wesentliche beweiswürdigende Überlegungen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen, ins Verfahren eingeführten Fachmeinungen dargestellt werden. Entgegen dem Revisionsvorbringen ist dem Erkenntnis jedoch insgesamt deutlich genug zu entnehmen, auf Grund welcher Erwägungen das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen ist, dass der betroffenen Leitung Versorgungsfunktion zukommt und sie deshalb eine Anschlusspflicht begründen kann.
30 Es stützt sich dabei zentral auf die Ausführungen des Amtssachverständigen, dessen wesentliches Beurteilungskriterium - nämlich die Funktion, der eine Leitung im Konzept des Betreibers der Wasserversorgungsanlage zukommt - es anhand rechtlicher Überlegungen zum Zweck des Anschlusszwangs gebilligt hat. Dabei hat es sich - dem Amtssachverständigen folgend - auch mit den Argumenten, die die Revisionswerberin gegen die Annahme des Vorliegens einer Versorgungspflicht ins Treffen geführt hat, im Einzelnen ausführlich auseinandergesetzt. Dass diese Beurteilung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Unvertretbarkeit leiden würde, vermag die Revisionswerberin, die dazu die bereits behandelten Argumente - insbesondere die ursprüngliche Bewilligung als Hauptleitung, das Fehlen von Anschlüssen über eine Strecke von 900 m sowie die Abzweigung einer Versorgungsleitung mit geringerer Dimensionierung - aufgreift, nicht darzulegen.
31 Die Revision zeigt somit auch hinsichtlich der Beurteilung des betroffenen Leitungsstrangs im Einzelfall keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf.
32 5.4. Nach § 6 Abs. 1 Z 2 Oö. WVG 2015 besteht eine Anschlusspflicht nicht, „wenn Objekte (bereits) durch eine Wassergenossenschaft tatsächlich versorgt werden.“
33 Die im Zusammenhang mit dieser Bestimmung in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Frage, zu welchem Zeitpunkt eine solche tatsächliche Versorgung bestehen muss, damit eine Anschlusspflicht nach dem Oö. WVG 2015 entfällt, wurde vom Verwaltungsgerichtshof - ebenfalls betreffend eine erst während des Verfahrens nach § 5 Abs. 5 Oö. WVG 2015 bescheidmäßig anerkannte Wassergenossenschaft - mittlerweile geklärt. Demnach wird die Anschlusspflicht durch eine erst nach ihrem Entstehen errichtete Versorgung durch eine Wassergenossenschaft nicht mehr beseitigt (VwGH 21.10.2021, Ra 2019/07/0125, 0126; 21.10.2021, Ra 2019/07/0120).
34 Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes steht mit dieser Judikatur im Einklang, sodass die Revision auch damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung (mehr) aufzeigt.
35 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. Dezember 2021
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 freie Beweiswürdigung Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019070069.L00Im RIS seit
29.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022