TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/18 94/09/0289

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Veröffentlicht am 18.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §4 Abs6;
AVG §58 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. September 1994, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 11. April 1994 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen P. für die berufliche Tätigkeit als "Verfugungsarbeiter Beruf: Maurer".

Das zuständige Arbeitsamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. April 1994 gemäß § 4 Abs. 6 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab. Nach Zitierung der Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG wird dazu ausgeführt, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufung rügte die beschwerdeführende Partei, das Arbeitsamt habe sich zwar mit der Bestimmung des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG beschäftigt, sich aber nicht damit auseinandergesetzt, daß P., der nicht nur gelernter Maurer sei, sondern insbesondere auch über sehr wichtige Kenntnisse in Verfugungsarbeiten verfüge, als Fachkraft für die Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer im Betrieb der beschwerdeführenden Partei unbedingt erforderlich sei und nicht durch andere Arbeitskräfte ersetzt werden könne. Trotz mehrerer Vermittlungsbemühungen sei der beschwerdeführenden Partei bisher keine geeignete Person zur Besetzung dieser Schlüsselfunktion zugewiesen worden. Auf welchen konkreten Ermittlungsergebnissen die Feststellungen der Erstbehörde (so auch, daß der Vermittlungsausschuß die Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet habe) beruhten, ergebe sich auch nicht ansatzweise aus dem Bescheid des Arbeitsamtes. Hätte die Behörde entsprechende Ermittlungen durchgeführt, hätte sie zur Ansicht gelangen müssen, daß P. wegen seiner Maurer- und Verfugerfachkenntnisse als Spezialkraft zur Erhaltung inländischer Arbeitskräfte unbedingt erforderlich ist und die beschwerdeführende Partei "angesichts unserer Auftragsstruktur gewerbespezifische, jedoch gesamtwirtschaftliche Interessen zu erfüllen" hat.

Aktenkundig ist eine "Urkundenvorlage" der beschwerdeführenden Partei vom 19. Juli 1994, mit der Korrespondenz mit dem Arbeitsamt zum Beweis dafür vorgelegt wurde, daß Personen, die die beschwerdeführende Partei mit dem angegebenen Beschäftigungsprofil als Verfuger in ihrem Unternehmen benötige, offenbar auf dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht vorhanden und daher auch nicht vermittelbar seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20. September 1994 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 6 sowie § 13a AuslBG keine Folge. In der Begründung des Bescheides wird die Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG (verbunden mit einer Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl u.a. für das Kalenderjahr 1994) wiedergegeben. Sodann wird - bezogen auf den konkreten Fall - ausgeführt, P. werde für die Beschäftigung als Maurer beantragt. Die mit "Schreiben vom 19. Juli 1994 vorgelegten Unterlagen waren abgesondert, bzw. in ihrer Gesamtheit nicht geeignet, eine gegenteilige Entscheidung zu bewirken". Der im Verfahren anzuhörende Ausländerausschuß des Landesdirektoriums des Arbeitsmarktservice Wien habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Außerdem seien weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt, noch in der Berufung vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsgeschehens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Bescheide sind nach § 58 Abs. 2 AVG zu begründen. In der Begründung sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG). Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 leg. cit. voranzugehen.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. § 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der ab 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 314/1994, die übrigen Bestimmungen i. d.F. der Novelle BGBl. Nr.450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Regionalbeirat einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder

2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere

a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer,

b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder

c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder

d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder

3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder

4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

Ungeachtet des Umstandes, daß die nunmehr erstmals in der Beschwerde enthaltene Bestreitung des Überschreitens der Landeshöchstzahl eine nach § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung darstellt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 1994, 93/09/0428, u. a.), wirft die beschwerdeführende Partei der belangten Behörde zu Recht vor, daß sich diese nicht mit ihrem Berufungsvorbringen, insbesondere zur Qualifikation von P. und seiner Schlüsselkraftfunktion im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG, auseinandergesetzt habe. Die belangte Behörde hat sich demgegenüber mit einem als Begründungselement zur Abweisung nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht weiter nachvollziehbaren Hinweis auf das Schreiben vom 19. Juli 1994, sowie auf die formelhafte - und auch aktenwidrige - Feststellung beschränkt, wonach Gründe im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG im Ermittlungsverfahren nicht festgestellt bzw. in der Berufung nicht vorgebracht worden seien. Da aber jedenfalls das zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a (Schlüsselkraft) erstattete Vorbringen geeignet ist, im Falle seines Zutreffens diese Voraussetzung zu erfüllen, hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Juni 1994, 93/09/0339, m.w.N.).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG sowie der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebühren waren nur für die in dreifacher Ausfertigung eingebrachte Beschwerde und den in Ablichtung vorgelegten angefochtenen Bescheid zuzuerkennen, nicht jedoch für die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendige Vorlage der Kopien über die Korrespondenz im Verwaltungsverfahren.

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994090289.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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