TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/4 G309 2238289-1

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Veröffentlicht am 04.11.2021
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Entscheidungsdatum

04.11.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


G309 2238289-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und den fachkundigen Laienrichter Gerald BRANDSTÄTTER als Beisitzer, über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch das Hilfswerk Steiermark, gegen den mit einem Grad der Behinderung von 60 % vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark am 10.11.2020, OB: XXXX , ausgestellten Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt ab Antragstellung (24.07.2020) 70 (siebzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses befristet bis zum 31.10.2024 liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte einlangend mit 24.07.2020 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel (Befunde) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden zur Überprüfung der im Antrag gemachten Angaben ein medizinisches Sachverständigengutachten beigeschafft.

3. Dem BF wurde am 10.11.2020 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung vom 60 (sechzig) v.H. ausgestellt. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte Sachverständigengutachten.

4. Gegen den festgestellten Grad der Behinderung erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

5. Der Beschwerdeakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 04.01.2021 beim erkennenden Gericht ein.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde dem Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Amtssachverständige XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, beigezogen und mit der Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 30.06.2021 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland. Er war vor der Antragstellung auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass, Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) von Hundert.

Der BF leidet an 1) einem muskelinvasiven Urothelkarzinom der Harnblase, Zustand nach transurethraler Blasentumorresektion XXXX , Neoblase XXXX , innerhalb der fünfjährigen Heilungsbewährung, Harninkontinenz mit notwendiger Einlagen-/Windelversorgung sowie Narbenbruch der Bauchdecke, 2) Morbus Bechterew, Morbus Forestier, 3) einer reaktiven Depression und 4) Bluthochdruck.

Der Grad der Behinderung beträgt mit Antragstellung 24.07.2020 70 (siebzig) von Hundert. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen befristet bis zum 31.10.2024 (Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährung) vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung zum Wohnsitz des BF gründet sich auf einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das im Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten von XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die vorliegenden Krankheitsbilder wurden gemäß der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung sowie auf Grund der vorgelegten Befunde ausführlich erhobenen Befund.

Das Gutachten von XXXX vom 26.06.2021 kommt hinsichtlich der führenden Gesundheitsstörung und die negative wechselseitige Beeinflussung durch die Gesundheitsstörungen 2 und 3 zu einem abweichenden Ergebnis wie das von der belangten Behörde beigeschaffte Gutachten. Begründet wurde die geänderte Einschätzung des führenden Leidens mit einem Grad der Behinderung von 60 v.H. damit, dass aufgrund der anhaltenden und belastenden Harninkontinenz, sowie eine weitere Operation, ein Grad der Behinderung von 60 v.H. gemäß der derzeit gültigen Einschätzungsverordnung einzuschätzen sei. Auf Grund der negativen wechselseitigen Beeinflussungen mit den Gesundheitsstörungen 2 und 3, ergibt sich ein Grad der Behinderung von 70 v.H.

Das Sachverständigengutachten von XXXX wurde den Verfahrensparteien im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Möglichkeit der Erstattung einer Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.

Das Sachverständigengutachten 26.06.2021 wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt. Es wurde ein Grad der Behinderung von nunmehr 70 von Hundert objektiviert.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine „technische“ Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zu Mal auch keine Verfahrenspartei eine Verhandlung beantragt hat.

3.2. Zu Spruchteil A):

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG). Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen – EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes)

- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Fallgegenständlich war wie folgt zu entscheiden:

Dem Sachverständigengutachten der XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 26.06.2021 folgend, ist die führende Gesundheitsschädigung nunmehr mit 60 v.H. einzuschätzen, aufgrund der negativen wechselseitigen Beeinflussung durch Leiden 2 und 3 ergibt sich eine Erhöhung um eine Stufe. Beim BF konnte auf Grund der diagnostizierten Gesundheitsschädigung ein Grad der Behinderung von 70 v. H. objektiviert werden.

Da ein Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert festgestellt wurde und dieser Grad der Behinderung laut Sachverständigengutachten ab dem Zeitpunkt der Antragstellung anzunehmen ist, war spruchgemäß zu entscheiden und der Grad der Behinderung ab Antragstellung (24.07.2020) zuzuerkennen. Zusätzlich war eine Befristung des Behindertenpasses auszusprechen, da Veränderungen in den Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses, vor allem im Hinblick auf den Grad der Behinderung nach Ablauf der fünfjährigen Heilungsbewährung, zu erwarten sind.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Befristung Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:G309.2238289.1.00

Im RIS seit

28.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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