TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/14 W132 2246988-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2021
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Entscheidungsdatum

14.12.2021

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W132 2246988-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen, über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 21.07.2021, OB 97981088100019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), in Verbindung mit dem Vorlageantrag zur Beschwerdevorentscheidung vom 14.09.2021 zu Recht erkannt:


A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch entfällt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:
1.         Am 04.02.2021 hat die Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO 1960 (Parkausweis) gestellt, welcher auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Eintragung des Zusatzvermerkes „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ gilt, sofern der Antragsteller noch nicht im Besitz eines solchen ist.
1.1.         Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 12.04.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.
1.2.         Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden Einwendungen erhoben und weitere Beweismittel in Vorlage gebracht.
1.3.         Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigen von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.06.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung weiterhin in Höhe von 40 vH bewertet wurde.
1.4.         Mit dem Bescheid vom 21.06.2021 hat die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Als Beilage zum Bescheid wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis zur Kenntnis gebracht.

Ergänzend wurde angemerkt, dass die Eintragung der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht möglich sei, da die rechtliche Grundlage dafür, nämlich der Besitz des Behindertenpasses nicht gegeben sei. Über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gem. § 29b StVO könne nicht abgesprochen werden, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ nicht vorlägen.
2.         Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde unter Zitierung rechtlicher Bestimmungen im Wesentlichen vorgebracht, dass die Beurteilung der Multiplen Sklerose unter Position Nr. 04.08.01 beurteilt worden sei, welche bei Monoparese heranzuziehen sei. Da bei der Beschwerdeführerin eine spastische Tetraparese mit Ataxie und Blasenstörung vorliege, längen Funktionseinschränkungen mittleren Grades vor und habe die Beurteilung nach Position 04.08.02 mit zumindest einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH zu erfolgen. Aus dem urologischen Befund ergebe sich eine Blasenentleerungsstörung mit erschwerter Miktion, imperativem Harndrang und teilweiser Inkontinenz. Die Tetraparese und die intermittierende Inkontinenz seien unter Position 04.08.02 zu subsummieren und ergebe sich daraus eine Grad der Behinderung von 70 vH. Die diesbezüglichen Begründungen im eingeholten neurologischen Gutachten seien nicht nachvollziehbar und nicht schlüssig. Es werde die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens der Fachrichtung Neurologie/Psychiatrie als erforderlich erachtet. Die Beschwerdeführerin leide auch an depressiver Verstimmung - mit Schlafstörungen und Unruhezuständen - welche medikamentös mit Trittico behandelt werde. Diese affektive Störung sei unter Positionsnummer 03.06.01 zu beurteilen und sei der Gesamtgrad der Behinderung neu einzuschätzen. Leiden unter Nr. 1 werde durch die affektive Störung um eine Stufe erhöht und bestehe somit ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von mindestens 70 vH. Im Weiteren wurde ein Vorbringen betreffend die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erstattet.
3.         Die belangte Behörde hat in der Folge von der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , basierend auf der Aktenlage, ein mit 10.08.2021 datiertes Sachverständigengutachten mit dem Ergebnis eingeholt, dass zwar das Leiden „Depressive Verstimmung“ unter Richtsatzposition 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 20 vH neu in die Liste der Funktionseinschränkungen aufgenommen wurde, daraus aber keine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung resultiere.
3.1.         Im Rahmen des am 13.08.2021 gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurde von der bevollmächtigten Vertretung der Beschwerdeführerin unter Vorlage weiterer Beweismittel vorgebracht, dass durch nichts zu begründen sei, dass die nunmehr in die Diagnoseliste aufgenommene depressive Verstimmung nicht mit dem führenden Leiden „Multiple Sklerose“ zusammenwirken solle. Es liege sehr wohl eine negative Leidensbeeinflussung vor. Entgegen den Ausführungen im Gutachten seien im Patientenbrief der Klinik Ottakring vom 14.07.2021 sehr wohl eine Tetraparese und eine Ataxie erwähnt. Dieser Widerspruch sei nicht erklärbar. Insbesondere unter der vorliegenden Blasenproblematik sei das führende Leiden unter Position 04.08.02 zu beurteilen. Bei der Einschätzung unter dieser Position mit einem Grad der Behinderung von 50 vH werde explizit fallweise Inkontinenz erwähnt. Bei einer Einschätzung mit 70 vH würden eine mäßige Tetraparese sowie eine Ataxie angeführt. Auch werde ignoriert, dass die Therapie der Beschwerdeführerin mit Mayzent das Immunsystem supprimiere. Der aktuelle Blutbefund ergebe das Vorliegen von mangelnden Lymphozyten. Unter diesen Aspekten sei auch die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel neu zu bewerten.
3.2.         Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine medizinische Stellungnahme von der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die vorgebrachten Einwendungen und vorgelegten Beweismittel nicht geeignet seien eine Änderung der erfolgten Beurteilung zu begründen.
3.3.         Mit Bescheid vom 14.09.2021 hat die belangte Behörde im Rahmen der rechtzeitig ergangenen Beschwerdevorentscheidung, die fristgerecht eingelangte Beschwerde gegen den Bescheid vom 21.06.2021, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 46 BBG iVm § 14 VwGVG, abgewiesen.

Als Beilage zum Bescheid wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis zur Kenntnis gebracht.
4.         Mit Schriftsatz vom 28.09.2021 hat die bevollmächtigte Vertretung der Beschwerdeführerin ohne Vorlage weiterer Beweismittel rechtzeitig die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.

1.       Feststellungen:
1.1.         Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland.
1.2.         Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.
1.2.1.          Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut. Ernährungszustand adipös.

Kopf, Hals: Keine Stauungszeichen. Pupillen unauffällig, Lidschluss komplett, kein Nystagmus. Sprache gut verständlich, kein inspiratorischer oder exspiratorischer Stridor. Brillenträgerin.

Thorax, Lunge, Herz: Sonorer Klopfschall, freies Vesiculäratmen, normale Atemfrequenz, keine Dyspnoe, weder in Ruhe, noch bei Bewegung. Reine, rhythmische Herztöne, normofrequent. Abdomen: Weich, Peristaltik gut auskultierbar. Blande Narben.

Wirbelsäule: Endlagige Einschränkung mit Betonung der cervicalen Abschnitte, vor allem bei Drehen, ansonsten keine relevanten Funktionseinbußen.

Extremitäten: Kreuz-/Nacken-/Pinzetten-/Spitzgriff beidseits regelrecht und vollständig durchführbar, vollständiger Faustschluss beidseits, keine Muskelatrophien. Greiffunktion beidseits erhalten. Gegenstände werden zielgerichtet und sicher ergriffen. Hüftgelenke frei beweglich, Kniegelenk rechts aktiv im Sitzen 0-0-120°, links 0-0-120°, Sprunggelenke frei beweglich. Stehen und Gehen im Untersuchungszimmer ohne Hilfsmittel möglich, Einbeinstand wird durchgeführt. Zehen-/Fersengang beidseits möglich. Keine Varizen, keine Ödeme, periphere Fußpulse tastbar. Peronaeusschiene links, flüssiges Ab-/Anlegen im Sitzen.

Gesamtmobilität - Gangbild: Keine Hilfsmittel, ausreichend sicher und selbstständig, links angedeutet etwas spastisch-ataktisch, keine relevante Sturzneigung objektivierbar. Sicheres Setzen und Erheben.

Neurologischer Status: wach, voll orientiert, kein Meningismus. Caput: Visus korrigiert, übrige HN unauffällig. OE: Rechtshändigkeit, Trophik unauffällig, Tonus unauffällig, grobe Kraft proximal und distal 5/5 rechts, links KG 5-, Vorhalteversuch der Arme: Pronationstendenz links. Finger-Nase-Versuch: keine Ataxie, MER (RPR, BSR, TSR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Eudiadochokinese beidseits, Pyramidenzeichen negativ. Untere Extremitäten: Trophik unauffällig, Tonus links Spur erhöht, grobe Kraft proximal 4-5. Vorfußschwäche links KG 4. Positionsversuch der Beine: unauffällig. Knie-Hacke-Versuch: keine Ataxie, MER (PSR, ASR) seitengleich mittellebhaft auslösbar, Pyramidenzeichen negativ. Sensibilität: handschuhförmig links reduziert. Sprache: unauffällig. Romberg: ungerichtete Falltendenz. Unterberger: unauffällig. Fersengang: links Spur reduziert. Zehengang: unauffällig

Status Psychicus: wach, in allen Qualitäten orientiert, Duktus kohärent, Denkziel wird erreicht, Aufmerksamkeit unauffällig, keine kognitiven Defizite, Affekt unauffällig, Stimmungslage ausgeglichen, Antrieb unauffällig, Konzentration normal, keine produktive Symptomatik.
1.2.2. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Multiple Sklerose

Im oberen Rahmensatz bei EDSS 3,5-4,0 laut nachgereichtem neurologischen Befund 07/2021, Blasenschwäche im Rahmensatz inkludiert

04.08.01

40 vH

02

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

Oberer Rahmensatz, da nachgewiesene Abnützungen und endlagige funktionelle Einschränkungen.

02.01.01

20 vH

03

Depressive Verstimmung

Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Monotherapie (Beginn laut vorliegender Befunde 05/2021 mit 50 mg Trittico) – hier muss der Therapieeffekt noch abgewartet werden, Schlafstörungen und Unruhezustände im Rahmensatz inkludiert.

03.06.01

20 vH

04

Morbus Hashimoto

Im unteren Rahmensatz, da zufriedenstellend substituiert.

09.01.01

10 vH

05

Zustand nach Gallenblasenentfernung

Unterer Rahmensatz, da adipöser Ernährungszustand

gZ 07.06.01

10 vH

06

Fettleber

Unterer Rahmensatz, kein Hinweis auf relevante Einschränkung der Syntheseleistung.

07.05.03

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das führende Leiden Position 1 wird von Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da kein maßgebliches funktionelles Zusammenwirken besteht. Leiden 4, 5 und 6 erhöhen aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht.

Verglichen mit dem Vorgutachten von 06/2021: Leiden 1 und 2 unverändert. Neuaufnahme von Leiden 3, da nun erstmals laut vorgelegtem Befund von 07/2021 fachärztlich-diagnostisch festgehalten. Leiden 4 – 6 (vormals Leiden 3 - 5) unverändert.

2.       Beweiswürdigung:
Zu 1.1.)         Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2.)         Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:

Die von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX , sowie die ergänzende Stellungnahme, sind vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel stehen hinsichtlich des klinischen Befundes nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt.

Die Neuaufnahme des Leidens „Depressive Verstimmung“ im Gutachten Dris. XXXX gegenüber der Beurteilung Dris. XXXX resultiert einerseits aus der Begutachtung durch eine Fachärztin für Neurologie und andererseits aus der zwischenzeitlich erfolgten Befundvorlage, durch welche dieses Leiden erstmals dokumentiert wird.

Zur Beurteilung des Leiden „Multiple Sklerose erläutert die Sachverständige im Einklang mit dem Untersuchungsbefund und den vorliegenden Befunden fachärztlich überzeugend, dass der Schweregrad bei Multipler Sklerose durch die EDSS-Skala (Expanded Disability Status Scale) bestimmt und angegeben wird und es laut vorgelegtem fachärztlich-neurologischen Befund von 07/2021 zu einer geringen Besserung von vormals EDSS 4.5-5.0 (siehe Befund Klinik Ottakring 05/2021 des VGAs) auf nun EDSS 3.5-4.0 (Befund Klinik Ottakring 07/2021) gekommen ist, wobei passagere Verschlechterungen im Rahmen des undulierenden Verlaufs der Grunderkrankung aber bereits in der gewählten Position berücksichtigt wurden. Die Sachverständige stellt weiters schlüssig dar, dass bei der Beurteilung der Multiplen Sklerose durch die EDSS-Skala jegliche Funktionseinschränkungen die durch die Multiple Sklerose bedingt werden, enthalten sind, sohin auch die angeführte Tetraparese und die Ataxie (siehe Klinik Ottakring 07/2021), wobei sich allerdings zum Untersuchungszeitpunkt weder eine maßgebliche Tetraparese noch eine Ataxie fanden. Die Beurteilung der Kraftgrade erfolgte nach der international üblichen Klassifikation nach dem MRC (Medical Research Counsil). Die Beurteilung Dris. XXXX bestätigend konnte auch im Rahmen der persönlichen Untersuchung Dris. XXXX lediglich ein links angedeutet etwas spastisch-ataktisches Gangbild objektiviert werden.

Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Blasenproblematik erläutert Dr. XXXX nachvollziehbar, dass ein urologischer Befund vorgelegt wurde, welcher eine weitere Abklärung mittels Urodynamik empfahl. Eine Restharnkontrolle ergab 25 ml nach Miktion 30 Minuten zuvor, dieser Wert entspricht keinem pathologischen Befund. Auch von urologischer Seite ist nach derzeitigem Stand keine absolute Indikation einer Therapieeinleitung gegeben.

Zu der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Immuntherapie mit Mayzent erläutert die Sachverständige schlüssig, dass eine derartige Therapie Veränderungen der Immunzellen bedingt, bzw. bedingen kann, dass aber im gegenständlichen Fall auch nach Prüfung des zuletzt vorgelegten Blutbefundes vom 20.08.2021 keine relevante Immunsuppression vorliegt.

Maßgeblich für die Einstufung relevanter Leiden sind anhand der klinischen Untersuchung objektivierte Funktionseinschränkungen unter Beachtung sämtlicher vorgelegter Befunde. Die Beurteilung der Multiplen Sklerose steht somit im Einklang mit der Einschätzungsverordnung, welche Richtsatzposition 04.08.01 für demyelinisierende Erkrankungen mit Funktionseinschränkungen leichten Grades vorsieht. Der leichten Extremitätenataxie und der geringfügigen Blasenproblematik wurde durch die Heranziehung des oberen Rahmensatzes dieser Position ausreichend hoch Rechnung getragen.

Die Beurteilung dieser Gesundheitsschädigung unter Position 04.08.02 mit einem Grad der Behinderung von 50 vH wäre erst bei Vorliegen mittelgradiger Funktionseinschränkungen von Rumpf- und Extremitätenataxie, Augenmuskelparese, fallweiser Inkontinenz sowie mäßiger kognitiver Leistungseinschränkung möglich, welche nicht objektiviert werden konnten. Auf Funktionseinschränkungen mittleren Grades kann auch auf Grund des bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Allgemeinzustandes, des im Rahmen zweier persönlicher Untersuchungen objektivierten Gangbildes, sowie der bestehenden Gesamtmobilität nicht geschlossen werden.

Gegen die Zuordnung zur jeweiligen Position mit der entsprechenden Höhe des Grades der Behinderung der weiteren objektivierten Leiden „Degenerative Wirbelsäulenveränderungen“, „Depressive Verstimmung“, „Morbus Hasimoto“, „Zustand nach Gallenblasenentfernung“ und „Fettleber“, wurden keine Einwendungen erhoben.

Von maßgeblich ungünstigem wechselseitigen Zusammenwirken der „Depressiven Verstimmung“ - im Sinne einer besonders nachteiligen Auswirkung – auf das Grundleiden „Multiple Sklerose“ kann auf Grund des geringen Ausmaßes des depressiven Leidens nicht geschlossen werden. Insbesondere ist hierbei auch festzuhalten, dass die depressive Verstimmung mit Schlafstörungen und Unruhezuständen erst kürzlich diagnostiziert und Medikation etabliert wurde und somit einerseits der Therapieeffekt noch abgewartet werden muss und andererseits – bei aktueller Medikation Trittico – die Therapieoptionen noch unausgeschöpft sind. Hinweise auf eine Angststörung fanden sich weder im Rahmen der persönlichen Untersuchungen noch wurde eine solche im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befund der Klinik Ottakring vom 14.07.2021 – in welchem erstmals eine depressive Verstimmung beschrieben wird – dokumentiert.

Die bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Gesundheitsschädigungen wurden im eingeholten Sachverständigenbeweis dem Ausmaß der vorliegenden Funktionseinschränkungen entsprechend beurteilt, im Einklang mit den vorgelegten Befunden, und dem im Rahmen der persönlichen Untersuchungen erhobenen klinischen Befund, und unter der entsprechenden Positionsnummer der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt. Aufgrund des festgestellten Ausmaßes der Funktionseinschränkungen war einer höheren Einschätzung des Grades der Behinderung somit die Grundlage entzogen.

Die im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX und die ergänzende Stellungnahme stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Medizinische Beweismittel, durch die das Beschwerdevorbringen fundiert belegt, bzw. dem eingeholten Sachverständigengutachten überzeugend entgegengetreten wird, sind von der Beschwerdeführerin nicht vorgelegt worden.

Das Beschwerdevorbringen ist somit - wie bereits ausgeführt - nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Es ist von der Beschwerdeführerin somit kein Vorbringen erstattet worden, bzw. sind keine Beweismittel vorgelegt worden, durch welche eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens angezeigt gewesen wäre. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Funktionseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ siehe die rechtliche Beurteilung.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1.       ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3.       sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4.       für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5.       sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(§ 40 Abs. 1 BBG)

Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1.       in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2.       in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

–        Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

–        Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

–        In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1.       nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2.       zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3.       ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Gemäß § 3 Abs. 1 der Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 der Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH 01.06.1999, 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).

Die Anhebung des aus Leiden 1 resultierenden Grades der Behinderung ist nicht gerechtfertigt, weil Leiden 3 auch im Zusammenwirken mit den anderen Leiden keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht, und das Gesamtbild der Behinderung dadurch nicht maßgebend ungünstig beeinflusst wird (siehe diesbezüglich die Ausführungen unter Punkt II.2.). Von einer besonders nachteiligen Auswirkung - im Sinne des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung – der leichtgradigen depressiven Störung auf die Multiple Sklerose kann daher aufgrund vorliegenden Ausmaßes der festgestellten Gesundheitsschädigungen nicht ausgegangen werden.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind das Beschwerdevorbringen und die vorliegenden Beweismittel nicht geeignet darzutun, dass der in Höhe von 40 vH festgestellte Grad der Behinderung nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche.

Da ein Grad der Behinderung von vierzig (40) vH objektiviert wurde, und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Falls sich der Leidenszustand der Beschwerdeführerin maßgebend verschlechtert hat, bzw. sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen, und kommt eine neuerliche Prüfung des Grades der Behinderung in Betracht. (vgl. dazu etwa VwGH vom 20.11.2012, Zl. 2011/11/0118 zu § 14 BEinstG). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß § 41 Abs. 2 BBG, falls der nochmalige Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist, ansonsten der Antrag ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen ist.

Hinsichtlich des angefochtenen Spruchteiles, womit der Grad der Behinderung festgestellt wurde, wird angemerkt, dass § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde enthält, dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht. (vgl. Ra 2018/11/0204 vom 13.12.2018)

Daher wird der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die Zitierung des Grades der Behinderung im Spruch entfällt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat. (VwGH vom 11.11.1991, Zl. 90/19/0505)

Diese Judikatur ist auf die Begrenzung des Beschwerdegegenstandes der Verwaltungsgerichte übertragbar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; 17.02.2017, Ra 2017/11/0008)

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Ein im Beschwerdeverfahren vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreitet, kann den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht darüber hinaus erweitern.

Bezüglich der Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln wird daher festgehalten, dass die entsprechende Zusatzeintragung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides – welcher lediglich über den Grad der Behinderung abspricht – ist.
2.         Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Gesamtgrad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher der, der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte, Sachverständigenbeweis geprüft.

Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieser als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Die Beschwerdeführerin hat vom zugrunde gelegten Sachverständigenbeweis vollinhaltlich Kenntnis erlangt. Im Rahmen des Beschwerdevorbringens und des Vorlageantrages hatte die Beschwerdeführerin die Möglichkeit sich zu äußern, bzw. Beweismittel vorzulegen. Es wurden jedoch keine Beweismittel vorgelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II.2. bzw. II.3.1. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Die Beschwerdeführerin wurde im behördlichen Verfahren persönlich allgemeinmedizinisch und fachärztlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr sind diese nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen, bzw. einen höheren Gesamtgrad der Behinderung zu begründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den tragenden Erwägungen der belangten Behörde, dass die eingeholten Sachverständigengutachten schlüssig und frei von Widersprüchen sind, angeschlossen. Sohin ist der Sachverhalt geklärt. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass Grad der Behinderung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W132.2246988.1.00

Im RIS seit

28.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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