TE Bvwg Beschluss 2021/12/14 W132 2246095-1

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Veröffentlicht am 14.12.2021
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Entscheidungsdatum

14.12.2021

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch


W132 2246095-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 21.07.2021, OB 22511016000033, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2, § 14 Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:
1.         Der Beschwerdeführer hat am 17.05.2021 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) ohne Vorlage von Beweismitteln einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gestellt.
1.1.         Zur Überprüfung des Antrages hat die belangte Behörde Einsicht in das – im Rahmen eines Verfahrens betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz eingeholte – medizinische Sachverständigengutachten Dris. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 19.04.2021 genommen, in welchem im Wesentlichen Folgendes ausgeführt wird:

Lfd.Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Koronare Herzkrankheit

Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach Vorderwandinfarkt mit guter linksventrikulärer Funktion nach Stenting – inkludiert auch arteriellen Bluthochdruck

05.05.02

40 vH

02

Zustand nach erfolgreicher Basaliomentfernung rechtes Unterlid 2020

Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da kein weiterführendes Behandlungserfordernis.

13.01.01

10 vH

03

Hypothyreose

Heranziehung dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da durch Schilddrüsenmedikation substituiert.

09.01.01

10 vH

04

Zustand nach Keimzellentumor rechter Hoden 02/2014

Fixer Rahmensatz

08.02.03

10 vH

 

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 2 bis 4 erhöhen nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz.
1.2.         Im Rahmen des gemäß § 45 Abs. 3 AVG am 19.05.2021 erteilten Parteiengehörs wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers unter Vorlage medizinischer Beweismittel im Wesentlichen vorgebracht, dass er nur von einem Allgemeinmediziner untersucht worden sei, der nicht geeignet sei, die internistischen Probleme, sowie die mehrfache Karzinombelastung zu beurteilen. Die koronare Herzkrankheit sei zu gering beurteilt, da zwei Stents gesetzt worden seien und sei die Belastbarkeit seither eingeschränkt. Auch sei der klinisch-psychologische Entlassungsbericht nicht berücksichtigt worden. Durch die multiplen Beschwerden sei die Psyche stark belastet und der Beschwerdeführer stehe mittlerweile in Behandlung durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes müsse der Grad der Behinderung zumindest 50 vH betragen.

Nachstehend angeführte medizinische Beweismittel wurden in Vorlage gebracht:

XXXX
1.3.         Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde vom bereits befassten allgemeinmedizinischen Sachverständigen Dr. XXXX basierend auf der Aktenlage, eine mit 20.07.2021 datierte medizinischen Stellungnahme eingeholt, in welcher der Sachverständige im Wesentlichen Folgendes ausführt:

„Der Antragswerber - vertreten durch XXXX - gab im Rahmen des Parteiengehörs vom 9.6. bzw. 14.6.2021 an, daß er mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei, da seine Leiden zu gering eingeschätzt worden seien beziehungsweise nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Beigelegt wurde der bereits bei der Untersuchung vorliegende ärztliche Entlassungsbericht des Rehazentrum Bad Tatzmannsdorf vom 16-3-2021, inkludierend auch eine rezente transthorakale Echocardiographie, die grenzwertige Abweichungen dokumentiert. Sowie einen Patientenbrief der Klinik Ottakring, Kardiologie vom 7.12.2020, der einen akuten Vorderwand-STEMI mit PCI Versorgung der medialen LAD am 03.1 2.2020, einer leicht reduzierten Linksventrikelfunktion, Nikotinabusus, positive Familienanamnese, suspizierte arterielle Hypertonie, Z.n. Hoden-Ca 2014, Z.n. Basaliom des rechten Unterlids und eine substituierte Hypothyreose beschreibt. Ein weiterer Befund, insbesondere eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie betreffend eines einschätzungsrelevanten psychischen Leidens wurde bisher nicht vorgelegt. Die vom Antragsteller beim Antrag und bei der Untersuchung vorgebrachten Leiden wurden von allgemeinmedizinischer Seite unter Beachtung der vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Befunde zur Kenntnis genommen und insbesondere die koronare Herzkrankheit bei aktuell unauffälliger linksventrikulärer Funktion nach erfolgreichem Stentig wegen Herzinfarkt, der Zustand nach erfolgreicher Basaliomentfernung und rezidivfreier Tumorentfernung des rechten Hodens - einer Einschätzung gemäß der geltenden EVO unterzogen. Insgesamt beinhalten die nachgereichten Einwendungen daher keine ausreichend relevanten Sachverhalte, welche eine Änderung des Gutachtens bewirken würden, sodaß daran festgehalten wird.“
1.4.         Seitens der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit gegeben zur Überprüfung des Ergebnisses des erweiterten Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.
1.5.         Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde aufgrund des in Höhe von 40 vH festgestellten Grades der Behinderung, den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 sowie § 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen.

Dem Bescheid wurde der eingeholte Sachverständigenbeweis in Kopie beigelegt.
2.         Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage weiterer Beweismittel wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Ergänzungsgutachten dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht worden sei und er daher in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Auch decke sich der vom Allgemeinmediziner erhobene Status Psychicus nicht mit dem vorgelegten klinisch psychologischen Entlassungsbericht des Rehazentrums Bad Tatzmannsdorf. Dieser Bericht sei nicht berücksichtigt worden. Aufgrund der gesundheitlichen Probleme (Herzinfarkt, Hautkrebs, Hodenkrebs) sei die Psyche stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Es sei die Einholung von Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie/Psychiatrie, Innere Medizin und Onkologie erforderlich. Aufgrund des vorliegenden Leidenszustandes betrage der Grad der Behinderung jedenfalls 50 vH und sei die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten festzustellen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG sind die Erkenntnisse zu begründen. Für Beschlüsse ergibt sich aus § 31 Abs. 3 VwGVG eine sinngemäße Anwendung.

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1.       wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung vom prinzipiellen Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte aus.

Nach der Bestimmung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG kommt bereits nach ihrem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als grob mangelhaft:

Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 3 BEinstG)

Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. (§ 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010 auszugsweise)

Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten. (§ 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 261/2010)

Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt die letzte rechtskräftige Entscheidung über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a)       eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;

b)       eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c)       eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) oder des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d)       in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ( § 2 ) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Personen angehören zu wollen. (§ 14 Abs. 1 BEinstG)

Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird. (§ 14 Abs. 2 BEinstG)

Maßgebend für die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ist die Feststellung der Art und des Ausmaßes der beim Beschwerdeführer vorliegenden Gesundheitsschädigungen sowie in der Folge die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung.

Der Beschwerdeführer hat mit dem gegenständlichen Antrag zwar zunächst keine medizinischen Beweismittel vorgelegt, ihn aber damit begründet, an einer koronaren Herzerkrankung, einer Basaliomentfernung am rechten Unterlid, einer Schilddrüsenerkrankung, einem Zustand nach Hodenkrebs rechts, sowie einem Zustand nach Covid 19 Infektion zu leiden. Auch war der belangten Behörde bereits bei Antragstellung bekannt, dass der Beschwerdeführer an den von ihm im Antrag angeführten Gesundheitsschädigungen leidet, da das im Rahmen des Verfahrens zur Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz eingeholte Sachverständigengutachten von der belangten Behörde eingesehen und sodann der Beurteilung des Grades der Behinderung im gegenständlichen Verfahren zu Grunde gelegt wurde.

Zudem hat der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm erteilten Parteiengehörs mit seiner Stellungnahme vom 09.06.2021 medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht, welche die vorgebrachten Gesundheitsschädigungen des internistischen und neurologisch/psychiatrischen Formenkreises dokumentieren.

Es besteht zwar kein Anspruch auf die Zuziehung von Sachverständigen eines bestimmten medizinischen Teilgebietes. Es kommt jedoch auf die Schlüssigkeit der eingeholten Gutachten an. Gegenständlich ist die ausschließlich durch einen Arzt für Allgemeinmedizin vorgenommene Beurteilung angesichts des komplexen Krankheitsbildes des Beschwerdeführers offensichtlich sachwidrig erfolgt. Das Vorbringen und die vorgelegten Beweismittel enthalten konkrete Anhaltspunkte, dass die Einholung von Gutachten der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie/Psychiatrie erforderlich ist, um eine vollständige und ausreichend qualifizierte Prüfung zu gewährleisten.

Die Einschätzungsverordnung regelt unter Abschnitt 03 sehr differenziert die Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung für psychische Störungen.

Es wird jeweils das Krankheitsbild beschrieben und entsprechend der Schwere der Funktionsbeeinträchtigung eine Zuordnung zu Positionen festgelegt. Innerhalb der Positionen wird ausgeführt, welche Merkmale für die Wahl eines Rahmensatzes als maßgebend zu erachten sind.

Das eingeholte allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten ist im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer seine psychisch-neurologischen Leidenszustände durch Vorlage von Befunden untermauert hat, mangels Fachkenntnis nicht ausreichend zur qualifizierten Beurteilung des Gesamtleidenszustandes des Beschwerdeführers. Gleiches gilt für die beim Beschwerdeführer befunddokumentierten Leiden des internistischen Formenkreises.

Im durch die belangte Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten werden zwar die vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Beweismittel unter auszugsweiser Zitierung der Inhalte angeführt, der Sachverständige hat sich aber mit den Inhalten nicht weiter auseinandergesetzt. So ist dem Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme nicht zu entnehmen, in welcher Form bzw. welchem Ausmaß diese bei der Beurteilung des Grades der Behinderung konkret berücksichtigt wurden.

Die seitens des Entscheidungsorganes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Der eingeholte medizinische Sachverständigenbeweis vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.

Ein Gutachten bzw. eine medizinische Stellungnahme, welche Ausführungen darüber vermissen lässt, aus welchen Gründen der ärztliche Sachverständige zu einer Beurteilung gelangt ist, stellt keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde zu treffende Entscheidung dar (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321).

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde darauf verzichtet hat, das Ermittlungsverfahren dahingehend zu erweitern, auf persönlicher Untersuchung basierende Gutachten der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie/Psychiatrie einzuholen.

Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich erscheinen.

Das Verwaltungsgericht hat im Falle einer Zurückverweisung darzulegen, welche notwendigen Ermittlungen die Verwaltungsbehörde unterlassen hat. (Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015)

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Innere Medizin und Neurologie/Psychiatrie, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung des Beschwerdevorbringens bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.

Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann – im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG – nicht im Sinne des Gesetzes liegen.

Die unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht läge angesichts des gegenständlichen gravierend mangelhaft geführten verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens nicht im Interesse der Raschheit und wäre auch nicht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Zu berücksichtigen ist auch der mit dem verwaltungsgerichtlichen Mehrparteienverfahren verbundene erhöhte Aufwand.

Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG zweckmäßig.

Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.

Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rascher und kostengünstiger festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016, Ra 2014/20/0146 vom 20.05.2015, Ra 2015/08/0171 vom 27.01.2016, Ra 2015/10/0106 vom 24.02.2016) ausgeführt, warum die Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen geboten war.

Schlagworte

Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W132.2246095.1.00

Im RIS seit

28.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

28.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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