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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §57Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger sowie die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision des B M, vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Februar 2021, W123 2236618-1/4E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit der Ausspruch über die (amtswegige) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 2. Oktober 2020 wurde dem Revisionswerber, einem kosovarischen Staatsangehörigen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 52 Abs. 4 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) sowie § 11 Abs. 2 Z 1 und § 10 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei, eine dreißigtägige Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt sowie gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern statt, als es die Befristung des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabsetzte. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass dem Revisionswerber durch das BFA am 3. April 2014 eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 erteilt worden sei. Mit Bescheid der zuständigen Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörde vom 4. April 2015 sei ihm eine „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ erstmalig erteilt worden. Diese sei mit Gültigkeit bis zum 3. April 2019 verlängert worden. Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 20. Februar 2020 sei der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB als Beteiligter gemäß § 12 zweiter Fall StGB sowie wegen des Vergehens der Bestechung nach § 307 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Bei der Strafbemessung habe das Gericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Revisionswerbers und die teilweise Tatbegehung als Beteiligter als mildernd gewertet.
4 Der Revisionswerber sei im Kosovo geboren und dort aufgewachsen. Im Bundesgebiet sei er erstmals seit April 2014 gemeldet gewesen. Seinen Aufenthaltstitel habe er durch Bestechung eines Beamten erhalten. In seinem Herkunftsstaat, wo er in der Landwirtschaft gearbeitet habe, habe er keinen Beruf erlernt. Von März 2015 bis 25. Dezember 2020 sei er in diversen Beschäftigungsverhältnissen gestanden. Seit 26. Dezember 2020 beziehe er Arbeitslosengeld.
5 Der Revisionswerber sei verheiratet. Seine Ehegattin lebe in Österreich. Das Ehepaar habe zwei gemeinsame Kinder im Alter von ca. zwei Jahren und eineinhalb Monaten. Im Kosovo lebten die Mutter, die Schwester und ein Bruder des Revisionswerbers, wobei sein Bruder arbeite und seine Mutter eine Pension erhalte. Ein weiterer Bruder des Revisionswerbers lebe in Österreich.
6 Dass dem Revisionswerber im Kosovo eine reale Bedrohung für sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit drohe, sei nicht vorgebracht worden. Aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes sei er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts im Kosovo in der Lage. Er leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und beherrsche die Sprache seines Herkunftsstaates.
7 Im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe von (u.a.) § 52 Abs. 4 Z 4 FPG, aber ohne nähere Erörterung dazu - zur Interessenabwägung im Sinn von Art. 8 EMRK aus, der Revisionswerber sei im Jahr 2014 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe somit insbesondere gegen Bestimmungen des Fremden- und Einwanderungsrechts verstoßen. Zudem sei er wegen der Begehung von Verbrechen und Vergehen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten verurteilt worden, wobei ihm vorzuwerfen sei, dass er durch die Bestechung eines Beamten einen Aufenthaltstitel erlangt habe. Zu seinen in Österreich lebenden Familienangehörigen (Gattin und zwei Kinder im Kleinkindalter) sei auf die rechtlichen Ausführungen im Bescheid des BFA zu verweisen, wonach die Ehegattin ihren Aufenthaltstitel aufgrund eines Familiennachzugs erhalten habe, der sich jedoch auf den strafrechtswidrig erhaltenen Aufenthaltstitel des Revisionswerbers stütze. Abgesehen davon sei dem Revisionswerber die Aufrechterhaltung des Kontakts zu seiner in Österreich lebenden Ehegattin und seinen Kindern über elektronische oder sonstige Kommunikationsmittel bzw. Besuche im Herkunftsstaat oder allenfalls in Drittstaaten objektiv wie subjektiv möglich und angesichts der von ihm verübten Straftaten und der daraus resultierenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zumutbar. Ein Bruder des Revisionswerbers lebe zwar in Österreich. Der Revisionswerber verfüge jedoch in seinem Herkunftsstaat über Kernfamilienangehörige, nämlich seine Mutter, einen weiteren Bruder und eine Schwester. Es liege noch kein zehnjähriger Aufenthalt in Österreich vor. Der Revisionswerber verfüge zwar über mehrjährige Arbeitserfahrung, sei derzeit aber ohne Beschäftigung.
8 Den privaten Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet sei sein straffälliges Verhalten entgegenzuhalten. Zudem komme den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu. Die Behörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib in Österreich überwiege.
9 Es lägen auch keine Umstände vor, aufgrund derer von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen wäre.
10 Ferner seien keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo unzulässig wäre. Weshalb die Abschiebung einer Familie mit (nunmehr) zwei kleinen Kindern in einen sicheren Herkunftsstaat von vornherein unzulässig wäre, sei im Beschwerdeschriftsatz nicht dargetan worden. Ebenso wenig sei dargelegt worden, weshalb der Revisionswerber im Fall einer Rückkehr mit seiner Familie in den Kosovo dort nicht für seinen bzw. deren Unterhalt aufkommen könne, zumal ein Teil der Kernfamilie des Revisionswerbers im Kosovo lebe.
11 Die Behörde habe gegen den Revisionswerber ein auf § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gestütztes Einreiseverbot verhängt. Wenn der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt sei, sei das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert. Diesbezüglich habe die Behörde angesichts der vom Revisionswerber verübten Straftaten auch zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, 96/18/0273, und die dortigen Ausführungen verwiesen, die im Zusammenhang mit der Weitergabe von in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit anderen Mittätern gefälschten bzw. gesetzwidrig erwirkten Sichtvermerken und Arbeitsbewilligungen für Fremde getroffen worden und bei denen die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Taten ca. viereinhalb Jahre zurückgelegen seien. Der Verhängung eines Einreiseverbotes, das erforderlich sei, um der vom Revisionswerber ausgehenden Gefährlichkeit zu begegnen, stünden auch die durch Art. 8 EMRK geschützten privaten und familiären, durch die begangenen Straftaten stark abgeschwächten Interessen des Revisionswerbers nicht entgegen. Es werde dem Revisionswerber ungeachtet der räumlichen Trennung möglich sein, das Familienleben durch Besuche seiner Ehegattin und seiner Kinder im Kosovo sowie mittels moderner Kommunikationsmittel aufrechtzuerhalten.
12 Die von der Behörde vorgenommene Befristung des Einreiseverbots erweise sich jedoch nicht als angemessen. Die Ehefrau und die beiden minderjährigen Kinder des Revisionswerbers lebten in Österreich. Zudem habe sich der Revisionswerber seit der Begehung der Straftaten in Österreich [seit 2014] wohlverhalten und sei im Bundesgebiet in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Diese Umstände seien von der Behörde bei der Verhängung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Einreiseverbotes nicht berücksichtigt worden. Eine weitere Herabsetzung der Dauer des Einreiseverbotes sei jedoch auch unter Berücksichtigung der privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers nicht möglich gewesen. Die mit dem Einreiseverbot einhergehende, zeitweise Unmöglichkeit für den Revisionswerber, seine Familienangehörigen in Österreich und in den vom Einreiseverbot betroffenen Mitgliedstaaten zu besuchen, sei im öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Verbrechen und einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen.
13 Mit Beschluss vom 29. April 2021, E 1040/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
14 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird in der Zulässigkeitsbegründung u.a. eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend gemacht.
15 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
16 Im Hinblick auf das dargestellte Zulässigkeitsvorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
17 Folgendes ist vorauszuschicken: Nach der Aktenlage und den damit übereinstimmenden Feststellungen des BFA erfolgte die Verlängerung des Aufenthaltstitels des Revisionswerbers zuletzt im April 2019 (vor der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers) mit Gültigkeit bis zum 3. April 2022. Feststellungen dahingehend, dass das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend diesen Aufenthaltstitel wiederaufgenommen oder dieser Titel für nichtig erklärt worden wäre (vgl. § 69 Abs. 1 Z 1 AVG sowie § 3 Abs. 5 Z 3 NAG), enthalten weder der Bescheid des BFA noch das angefochtene Erkenntnis. Ausgehend davon verfügte der Revisionswerber zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen gültigen Aufenthaltstitel. Demnach war sein Aufenthalt zu diesem Zeitpunkt nicht rechtswidrig und wurde die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (in Anbetracht der vom Revisionswerber verübten Straftaten und des folglich im Raum stehenden Versagungsgrunds gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit Abs. 4 Z 1 NAG) auch zutreffend nach § 52 Abs. 4 FPG geprüft, wobei im Hinblick auf die aufrechte Gültigkeitsdauer des Titels richtigerweise die Z 1 (und nicht die Z 4) der zuletzt genannten Bestimmung in Betracht zu ziehen gewesen wäre (VwGH 19.8.2021, Ra 2021/21/0031, Rn. 19).
18 Daraus folgt aber auch, dass für den in den Bescheid des BFA aufgenommenen Spruchteil über die (amtswegige) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, der gemäß dem im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 nur dann vorzunehmen ist, wenn sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, keine Rechtsgrundlage bestand (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0091, Rn. 12, mwN).
19 Davon ausgehend wäre der amtswegige Ausspruch des BFA über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 mangels diesbezüglicher Zuständigkeit der Behörde vom Verwaltungsgericht ersatzlos zu beheben gewesen; daran ändert auch der (erstmals) in der Beschwerde formulierte (Eventual-)antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dieser Bestimmung nichts. Ein erst nach Erlassung des Bescheides gestellter Antrag ist nicht geeignet, die mangelnde Zuständigkeit der Behörde für einen amtswegigen Abspruch nachträglich zu sanieren.
20 Da das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage insofern verkannte, als es den amtswegigen Abspruch der Behörde über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 bestätigte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, Rn. 15.). In diesem Umfang war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
21 Im Übrigen lagen gegenständlich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts die Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht vor.
22 Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht (vgl. zu den Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018).
23 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt festgehalten, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Zwar kann nach § 21 Abs. 7 BFA-VG trotz Vorliegens eines darauf gerichteten Antrages von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung abgesehen werden, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Von einem geklärten Sachverhalt im Sinne der genannten Bestimmung kann allerdings bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis für ihn zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht einen (positiven) persönlichen Eindruck von ihm verschafft (vgl. etwa VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0371, Rn. 14, mwN).
24 Ein eindeutiger Fall lag gegenständlich indes zum einen schon deshalb nicht vor, weil die Erstellung einer aktualisierten (und unter Berücksichtigung des zwischenzeitigen Wohlverhaltens des Revisionswerbers vorgenommenen) Gefährdungsprognose angesichts des in Rede stehenden, mehrere Jahre zurückliegenden Fehlverhaltens die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung erforderte. Auf eine solche Gefährdungsprognose war in der gegenständlichen Konstellation auch grundsätzlich für die (wegen einer vom Revisionswerber ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erlassene) Rückkehrentscheidung (vgl. § 52 Abs. 4 Z 1 FPG in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 Z 1 NAG) abzustellen. Zum anderen halten sich die Ehegattin und die beiden minderjährigen Kinder des Revisionswerbers im Bundesgebiet rechtmäßig auf. Dass diese ebenfalls von der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen betroffen wären, wurde nicht festgestellt. Vor diesem Hintergrund erwies sich, auch wenn die Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet infolge der von ihm verübten Straftaten, aufgrund derer er in den Besitz von Aufenthaltstiteln gelangte, stark gemindert waren, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unerlässlich. Im Übrigen indiziert die vom Bundesverwaltungsgericht verfügte Herabsetzung der Dauer des behördlich verhängten Einreiseverbots, dass auch insofern kein eindeutiger Fall vorlag.
25 Das Verwaltungsgericht hätte daher nicht von einem geklärten Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG bzw. von einem eindeutigen Fall im Sinn der oben zitierten hg. Rechtsprechung ausgehen dürfen, der es dem Verwaltungsgericht ausnahmsweise erlaubt hätte, ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von der Durchführung der in der Beschwerde ausdrücklich beantragten mündlichen Verhandlung abzusehen.
26 Folglich war das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Rückkehrentscheidung (und die darauf aufbauenden Aussprüche) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
27 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 18. November 2021
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Verfahrensbestimmungen BerufungsbehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021220148.L01Im RIS seit
27.12.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2022