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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AuslBG §28a Abs3Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Finanzamts Waldviertel gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 19. August 2020, Zl. LVwG-S-58/003-2020, betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Horn; mitbeteiligte Partei: R M in Z (Deutschland), vertreten durch Kay Werner, Rechtsanwalt in 08523 Plauen (Deutschland), Gutenbergstraße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. November 2019 wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der W Spedition GmbH mit Sitz in Deutschland zu verantworten, dass hinsichtlich eines näher genannten Arbeitnehmers die Meldung der Entsendung unterblieben sei, die Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung sowie ein Dienstvertrag oder Dienstzettel im Zeitpunkt der Kontrolle durch die revisionswerbende Partei am 24. Jänner 2019 nicht bereitgehalten bzw. nicht unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich gemacht worden seien.
2 Wegen dieser Übertretungen wurden über den Mitbeteiligten gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 iVm. § 19 Abs. 1 und 2 LSD-BG, gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 iVm. § 21 Abs. 1 Z 1 LSD-BG und gemäß § 28 Z 1 iVm. § 22 Abs. 1 und 1a LSD-BG jeweils Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafen verhängt.
3 2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Erhebung einer ordentlichen Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 2.2. Dieser Entscheidung legte das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - folgende Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde:
5 Im Zuge einer Kontrolle seitens der revisionswerbenden Partei am 24. Jänner 2019 sei festgestellt worden, dass für einen näher genannten Arbeitnehmer der W Spedition GmbH keine Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle erfolgt und weder ein Sozialversicherungsdokument noch der betreffende Arbeitsvertrag bereitgehalten oder vor Ort und im Zeitpunkt der Kontrolle in elektronischer Form zugänglich gemacht worden sei. Zur angeführten Tatzeit sei der Mitbeteiligte Geschäftsführer der W Spedition GmbH gewesen. Dieser Sachverhalt sei nicht bestritten worden, jedoch habe der Mitbeteiligte bereits im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten verwiesen. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegte nämliche Bestellungsurkunde sei vom betreffenden Niederlassungsleiter am 25. Jänner 2018 unterzeichnet worden.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - aus, gemäß § 9 Abs. 2 VStG seien die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten zu bestellen, und zwar außerhalb des Kreises der zur Vertretung nach außen berufenen Personen. Die zur Vertretung von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte Bevollmächtigung des verantwortlichen Beauftragten habe im Tatzeitpunkt vorgelegen. Es hätten seitens des Gerichts ferner keine Bedenken bestanden, dass bei einem Niederlassungsleiter die gemäß § 9 Abs. 4 VStG erforderliche Anordnungsbefugnis bestanden habe und dieser im konkreten Fall für die Einhaltung der Bestimmungen des österreichischen LSD-BG zuständig gewesen sei. Der verantwortliche Beauftragte sei sohin für die ZKO-Meldung und Mitführverpflichtung des Sozialversicherungsdokuments sowie der Lohnunterlagen verantwortlich gewesen. Die rechtswirksame Bestellung des verantwortlichen Beauftragten habe die zur Vertretung nach außen berufene mitbeteiligte Partei von ihrer verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit.
7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Begehren, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
8 4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 4.1. Die revisionswerbende Partei bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe offensichtlich übersehen, dass nach dem LSD-BG - analog zur Bestimmung in § 28a Abs. 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) - und zwar gemäß § 24 Abs. 1 die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten erst rechtswirksam werde, nachdem bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem AuslBG und LSD-BG eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt sei. Eine solche Mitteilung fehle jedoch im vorliegenden Fall. Als rechtliche Folge sei die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung beim Mitbeteiligten verblieben. Ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes konkret zu § 24 Abs. 1 LSD-BG fehle zwar bislang, jedoch weiche die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum AuslBG (Verweis auf VwGH 26.7.2018, Ra 2018/11/0081) ab.
10 Die Revision ist zulässig und auch begründet.
11 4.2. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG idF BGBl. I Nr. 64/2017 lauteten:
„Verantwortliche Beauftragte
§ 24. (1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem
1. bei der Zentralen Koordinationsstelle durch Arbeitgeber im Sinne §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1, durch einen Beschäftiger im Sinne des § 19 Abs. 1 letzter Satz oder durch Überlasser mit Sitz im Ausland, oder
2. beim zuständigen Träger der Krankenversicherung durch Arbeitgeber oder Beschäftiger mit Sitz im Inland
eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG. Eingegangene Mitteilungen nach Z 1 sind an das Kompetenzzentrum LSDB, eingegangene Mitteilungen nach den Z 1 und 2 für den Baubereich (Abschnitt I oder § 33d BUAG) sind auch an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse weiterzuleiten.
(2) ...“
12 § 28 AuslBG idF BGBl. I Nr. 72/2013 lautete auszugsweise:
„Beteiligung am Verwaltungsstrafverfahren und Bestellung von verantwortlichen Beauftragten
§ 28a. (1) ...
(3) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung, für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem bei der zuständigen Abgabenbehörde eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangen der Behörde gemäß § 9 Abs. 2 VStG.
(4) ...“
13 § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008 lautet auszugsweise:
„Besondere Fälle der Verantwortlichkeit
§ 9. (1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
...“
14 4.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass § 24 Abs. 1 LSD-BG dahin auszulegen ist, dass das Wirksamwerden einer Bestellung eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG, also einer Bestellung aus dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen, nicht zusätzlich vom Einlangen einer Meldung bei der Zentralen Koordinationsstelle abhängt (VwGH 3.2.2020, Ra 2018/11/0237, 0238; zur Vorgängerbestimmung des § 7j Abs. 1 AVRAG vgl. VwGH 26.7.2018, Ra 2018/11/0081, mwN, in dem darauf abgestellt wird, dass die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 erster Satz nicht originär mit der Bestellung entsteht;). Wie die Revision zutreffend geltend macht, fehlt bislang jedoch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von § 24 Abs. 1 LSD-BG hinsichtlich des Wirksamwerdens der Bestellung eines Beauftragten nach § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG.
15 Die aufgeworfene Rechtsfrage findet ihre Antwort aber in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28a Abs. 3 AuslBG, derzufolge die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG erst mit seiner rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch ein Vertretungsorgan entsteht. Sie kann immer nur Teilbereiche des Unternehmens umfassen und setzt im Anwendungsbereich des § 28a Abs. 3 AuslBG überdies die vorangegangene schriftliche Mitteilung der Bestellung an die zuständige Abgabenbehörde unter Nachweis der Zustimmung des Bestellten voraus (VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0058). Die Bestimmung des § 28a Abs. 3 AuslBG ist in ihrem Regelungsgehalt gleichlautend mit jener des § 24 Abs. 1 LSD-BG. Die erwähnte Auslegung des § 28a Abs. 3 AuslBG trifft daher mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (insbesondere im Gesetzeswortlaut, aber auch in den Gesetzesmateralien) auch auf § 24 Abs. 1 LSD-BG zu.
16 Wie sich aus dem Verfahrensakt, insbesondere dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei im Beschwerdeverfahren ergibt, erfolgte die Bekanntgabe der von der mitbeteiligten Partei geltend gemachten Bestellung des Niederlassungsleiters der W Spedition GmbH zum verantwortlichen Beauftragten erst nach dem Zeitpunkt der Kontrolle am 24. Jänner 2019 im Zuge des verwaltungsbehördlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens.
17 Da das Verwaltungsgericht irrig davon ausgegangen ist, dass das Wirksamwerden der Bestellung des Niederlassungsleiters nach § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG von einer Meldung bei der Zentralen Koordinationsstelle nicht abhänge, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 25. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020110209.L00Im RIS seit
27.12.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2022