Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag NiederösterreichNorm
BauO NÖ 2014 §35Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr.in Gröger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision 1. des C S und 2. der E L, beide in D, beide vertreten durch Mag. Rivo Killer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 26, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. September 2020, Zl. LVwG-AV-1075/004-2016, betreffend einen Bauauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Willendorf; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde W vom 12. April 2016 wurde gegenüber den Revisionswerbern gemäß § 35 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) angeordnet, die auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG W errichtete bauliche Anlage (Einrichtung für Pferde-Pferdeführanlage-Bewegungsturm) bis spätestens einen Monat nach Rechtskraft dieses Bescheides abzutragen.
2 Einer dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeindevorstand der Gemeinde W mit Bescheid vom 22. August 2016 nicht statt.
3 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 2. März 2018 wurde der dagegen von den Revisionswerbern erhobenen Beschwerde keine Folge gegeben und eine neue Frist zur Beseitigung der baulichen Anlage festgesetzt.
4 Jenes Erkenntnis wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2019, Ra 2018/05/0165 bis 0166, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. In diesem Erkenntnis vertrat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, es handle sich bei der gegenständlichen Pferdeführanlage oder Schrittmaschine, weil diese ausschließlich für Tiere, nicht jedoch für Menschen konzipiert sei und sie lediglich der körperlichen Ertüchtigung der Pferde, nicht jedoch des Reiters diene, um kein Spiel- oder Sportgerät im Sinne des § 17 Z 9 NÖ BO 2014. Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickte der Verwaltungsgerichtshof jedoch darin, dass das Verwaltungsgericht die Beurteilung des Erfordernisses eines wesentlichen Maßes an bautechnischen Kenntnissen zur werkgerechten Herstellung der baulichen Anlage nicht auf nachvollziehbare Feststellungen gestützt und nicht nachvollziehbar begründet habe, weil nicht offengelegt worden sei, auf Grund welcher konkreten Eigenschaften oder Umstände der Konstruktion der Anlage davon auszugehen sei, dass für deren Aufstellen ein höheres Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich sei. Mangels Feststellungen insbesondere zur Dimension und zum Gewicht der errichteten Anlage könne auch nicht zuverlässig und überprüfbar beurteilt werden, ob die Anlage auf Grund ihres Eigengewichtes mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sei.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 14. September 2020 wurde die Beschwerde der Revisionswerber gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde W vom 22. August 2016 abgewiesen und die Frist zur Beseitigung der baulichen Anlage mit 30. Oktober 2020 neu festgesetzt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zur Zulässigkeit der Revision bringen die Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht sei von der im Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2019 vertretenen Rechtsansicht abgewichen, wonach „nur mit der Feststellung, dass wesentliche bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes nicht frei von Rechtswidrigkeit begründet werden könne“. Auch im nunmehr angefochtenen Erkenntnis treffe das Verwaltungsgericht keine Aussagen darüber, welche bautechnischen Kenntnisse zur fachgerechten Aufstellung der verfahrensgegenständlichen Pferdeführanlage im Einzelnen erforderlich wären und warum es sich dabei um wesentliche bautechnische Kenntnisse handle. Weder erfordere die Herstellung einer zumindest 20 cm dicken und 1,6 x 1,6 m messenden Betonplatte über das übliche, bei nahezu jedermann vorhandene Maß hinausgehende bautechnische Kenntnisse, zumal der erforderliche Beton auch bereits fertig angemischt bezogen werden könne, noch bedürfe die Befestigung durch Schwerlastanker „M 12“ wesentlicher bautechnischer Kenntnisse.
10 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis vom 26. März 2019 ausgehend von § 4 Z 6 iVm Z 7 NÖ BO 2014, wonach das Vorliegen einer baulichen Anlage im Sinne dieses Gesetzes voraussetzt, dass die fachgerechte Herstellung des in Rede stehenden Objektes (Anlage) ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und dieses Objekt kraftschlüssig mit dem Boden verbunden ist, dem Verwaltungsgericht aufgetragen, näher festzustellen und zu begründen, warum für das Errichten der vorliegenden Anlage ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich und inwiefern dieses Objekt kraftschlüssig mit dem Boden verbunden sei (s. Näheres dazu in Rz 4).
12 Im Ersatzerkenntnis vom 14. September 2020 traf das Verwaltungsgericht - wesentlich gestützt auf den Befund und das Gutachten des bautechnischen Amtssachverständigen - ausführliche Feststellungen zur Beschaffenheit der Pferdeführanlage samt Gehbereich (Abmessungen, Durchmesser, Zaunhöhe, Sockelmaß des Grundgerüstes, Gewicht der Metallkonstruktion, Grundrissfläche der gesamten Führanlage usw.). Ebenso traf das Verwaltungsgericht detaillierte Feststellungen zur laut Vorgaben des Herstellers erforderlichen Beschaffenheit des Fundamentes im Hinblick auf dessen Abmessungen und Gewicht. Demnach sollte das Betonfundament zur Gewährleistung der Kippsicherheit ein Gewicht von ca. 900 bis 1.200 kg aufweisen. Auch die Empfehlungen des Herstellers zur Befestigung der Pferdeführanlage auf dem Betonfundament mittels Schwerlastankern wurden unter Berücksichtigung deren Zugkrafteignung festgehalten. Davon ausgehend gelangte das Verwaltungsgericht zu der Beurteilung, dass schon für die Herstellung eines entsprechenden Fundaments laut Herstellervorgaben unter Berücksichtigung des Untergrundes, der Abmessungen, der Masse sowie der Betongüte und der verwendeten Spezifikationen für den Beton für dessen Herstellung jedenfalls wesentliche bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Ebenso erfordere die Wahl eines entsprechenden Schraubankers zur Herstellung der kraftschlüssigen Verbindung mit dem Boden auf Grund einer erforderlichen Untergrunderkundung und einer statischen Berechnung für eventuell auftretende Windkräfte ebenfalls bautechnische Kenntnisse.
13 Indem die Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung pauschal bestreiten, dass für die Fundamentherstellung und die Befestigung mittels Schwerlastankers wesentliche bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, zeigen sie vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht ausführlich getroffenen Feststellungen und der darauf fußenden rechtlichen Beurteilung nicht auf, dass das Verwaltungsgericht unter Missachtung der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2019, Ra 2018/05/0165 bis 0166, dem dortigen Feststellungs- und Begründungsauftrag nicht nachgekommen wäre.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 25. November 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050022.L00Im RIS seit
24.12.2021Zuletzt aktualisiert am
03.01.2022