TE Vwgh Beschluss 2021/11/25 Ra 2018/06/0005

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.11.2021
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2018/06/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache 1. der M W und 2. des T W, beide in S, beide vertreten durch Mag. Günter Novak-Kaiser, Rechtsanwalt in 8850 Murau, Raffaltplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 24. Oktober 2017, LVwG 50.17-903/2017-12, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde St. Peter am Kammersberg; mitbeteiligte Partei: R GmbH in G, vertreten durch die Hofer Rechtsanwalt GmbH in 9360 Friesach, Wiener Straße 2; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die mitbeteiligte Partei ist grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ A, KG F., bestehend aus den Grundstücken Nr. B und Nr. C. Über diese Grundstücke verläuft eine Straße, die seit ihrem Bestehen von sämtlichen Grundeigentümern und Pächtern der angrenzenden und weiter südlich und südöstlich liegenden Grundstücke ungehindert befahren wird bzw. es wurde diese Straße bis zu ihrer Verlegung im Jahr 1994 von den genannten Personen über mehrere Jahrzehnte mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen und landwirtschaftlichen Geräten befahren.

2        Die Straße stellt die einzige mit straßentauglichen Kraftfahrzeugen befahrbare wegmäßige Erschließung für mehrere Liegenschaften dar. Auch mehrere weiter östlich liegende Liegenschaften, die nicht unmittelbar an die gegenständliche Straße grenzen, sind nur unter Verwendung dieser sowie einer anschließenden Schotterstraße mit Kraftfahrzeugen erreichbar, darunter auch die im Eigentum von A.W. und W.W. stehenden Grundstücke Nr. D und Nr. E. Diese Grundstücke wurden bis vor kurzem als landwirtschaftliches Grünland genutzt; zu diesen Grundstücken wird seit dem Jahr 1962 mit Traktoren und Lkw zugefahren.

3        Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde St. Peter am Kammersberg vom 10. Juni 2016 wurde die Baubewilligung für die Errichtung eines Bio-Masthühnerstalles auf den genannten Grundstücken Nr. E und Nr. D erteilt. Der Bio-Masthühnerstall ist bereits errichtet, er wird von den revisionswerbenden Parteien betrieben.

4        Die Eigentümer der Grundstücke Nr. D und Nr. E, A.W. und W.W., stellten am 18. Dezember 2015 den Antrag auf „Feststellung der Öffentlichkeit der Servitutenstraße entlang der Westseite der Grundstücke Nr. C und B“.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) wurde in Stattgabe einer in diesem Verfahren von der mitbeteiligten Partei gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde St. Peter am Kammersberg vom 19. Jänner 2017 erhobenen Beschwerde und in Abänderung des genannten Bescheides gemäß §§ 3 und 4 Steiermärkisches Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964 (LStVG) festgestellt, dass die über die Grundstücke Nr. C und Nr. B verlaufende Straße (deren Verlauf in dem einen integrierenden Bestandteil des Bescheides der Bürgermeisterin der Marktgemeinde St. Peter am Kammersberg vom 4. Oktober 2016 bildenden und diesem Bescheid als Beilage ./A angeschlossenen Katasterplan schematisch gelb dargestellt sei) allein für Zwecke des Gehens und Fahrens mit Fahrrädern der allgemeinen Benützung freistehe. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

6        In seinen Erwägungen führte das LVwG unter anderem aus, bei Bestehen eines besonderen Benutzungsrechts impliziere etwa die Funktion des Wohnens, dass damit im Zusammenhang stehende Benutzungen auch durch andere Personen als die Liegenschaftseigentümer eingeschlossen seien. Auch bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen sei die Benutzung für Tätigkeiten im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft durch Pächter und Gehilfen umfasst.

7        Nach ausführlichen Darlegungen zu Bestimmungen des LStVG und zivilrechtlichen Normen sowie nach Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes (OGH) hielt das LVwG in seinen rechtlichen Erwägungen fest, dass - außer für den Eigentümer eines näher genannten Grundstücks, dem eine ausdrückliche Zustimmung erteilt worden sei - für sämtliche Anrainer der gegenständlichen Straße stillschweigend geduldete Wegedienstbarkeiten zum Erreichen der angrenzenden Liegenschaften bestünden und dass die bei einer Vollauslastung des neu errichteten Bio-Masthühnerstalles von dem (in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht Murau beauftragten landwirtschaftlichen) Sachverständigen berechneten zusätzlichen 426 Fahrten pro Jahr keine erhebliche Mehrbelastung der Grundstücke der mitbeteiligten Partei und folglich keine unzulässige Ausweitung der Dienstbarkeit bewirkten. Demzufolge sei es den Eigentümern der Grundstücke Nr. D und E erlaubt, hinkünftig weiterhin über die Liegenschaft der mitbeteiligten Partei uneingeschränkt zu ihren Grundstücken zuzufahren, weil es dadurch zu keiner unzumutbaren Beeinträchtigung der Eigentümer des dienenden Gutes komme.

8        Ein dringendes Verkehrsbedürfnis der Anrainer im Sinne der Bestimmung des § 2 Abs. 1 LStVG sei demzufolge zu verneinen, weil immer dann, wenn eine Dienstbarkeit für sämtliche Straßenbenützer bestehe, dies nicht nur zur Verneinung der Unabhängigkeit vom Willen, sondern auch zur Verneinung eines dringenden Verkehrsbedürfnisses für „jedermann“ führe, welches die Feststellung der Öffentlichkeit der gegenständlichen Straße rechtfertigen würde. Das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „zur Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses“ vermöge das LVwG bezüglich des KFZ-Verkehrs nicht zu erkennen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird als die zu lösende Rechtsfrage jene bezeichnet, dass aufgrund des Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen die (hier gegenständliche) Straße, die über die Grundstücke Nr. C und Nr. B verlaufe, für Zwecke des Gehens, des Fahrens mit Fahrrädern und mit Kraftfahrzeugen der allgemeinen Benützung freistehe.

14       Abgesehen davon, dass mit dieser Formulierung keine zu lösende Rechtsfrage dargelegt wird (ob die Voraussetzungen für die Öffentlichkeitserklärung für Zwecke des Gehens, des Fahrens mit Fahrrädern und mit Kraftfahrzeugen vorlägen, war Gegenstand des Antrags im Verwaltungsverfahren, welche Frage grundsätzlicher Bedeutung bei ihrer Beantwortung zu entscheiden wäre, ergibt sich aus der Wiederholung des Antrags nicht), treten die revisionswerbenden Parteien der Argumentation des LVwG, es läge eine Dienstbarkeit zu ihren Gunsten vor, nicht entgegen. Sie verweisen im Gegenteil darauf, dass in einem zivilgerichtlichen Verfahren betreffend den Umfang der Dienstbarkeit Ruhen vereinbart worden sei, weil die Verpflichtete der Ausweitung auf die Zufahrt zum neu zu errichtenden Betrieb zugestimmt habe.

15       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. November 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2021:RA2018060005.L00

Im RIS seit

24.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten