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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §24 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des D in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat III, vom 30. November 1994, Zl. 6/183/3-BK/Hp-1994, betreffend Einkommensteuer 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.770 S binnen zwei Wochen bei sonstige Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb ab 1. Oktober 1981 ein Buffet in Linz. Zum 31. März 1985 erfolgte die Aufgabe des Gewerbebetriebes; dabei wurden u.a. Anlagegüter um 37.853 S verkauft und weiteres Anlagevermögen (bewertet mit 37.803 S) ins Privatvermögen übernommen.
Im Jahr 1992 erzielte der Beschwerdeführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und geringfügige Einkünfte aus selbständiger Arbeit. In der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1992 brachte er vor, er habe den Gastgewerbebetrieb im Jahr 1985 auf Grund des geringen Verdienstes und der hohen Schulden aufgegeben. Es seien ihm dabei Schulden in Höhe von ca. 400.000 S verblieben, die er nun mit seinen nichtselbständigen Einkünften zurückzahle. Die Rückzahlungen deckten aber gerade die Zinsen. Im Jahr 1992 seien Zinsen in Höhe von 47.878 S angefallen. Der Beschwerdeführer beantrage die Berücksichtigung dieses Betrages als nachträgliche Betriebsausgabe.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer vor, im Buffetbetrieb seien in den Jahren 1981 bis 1984 Gewinne und im Jahr 1985 ein geringer laufender Verlust sowie ein Aufgabegewinn erzielt worden. Es sei laufend ein positiver cash flow erwirtschaftet worden. Da trotzdem die Bankverbindlichkeiten angestiegen seien, müßten sie auf die Entnahmen zurückgeführt werden.
Der Beschwerdeführer erwiderte, er habe zwar höhere Privatentnahmen getätigt, diese aber stets aus den laufenden Betriebseinnahmen finanziert. Die laufenden Betriebsausgaben habe er hingegen (zum Teil) fremdfinanziert; darauf seien die Schulden zurückzuführen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie halte es für erwiesen, daß die Schulden für die Finanzierung von Betriebsmitteln aufgenommen worden seien. Betriebliche Verbindlichkeiten lägen während aufrechter Geschäftstätigkeit auch dann vor, wenn die Betriebseinnahmen für private Zwecke entnommen würden und die Betriebsmittel sohin durch Schuldaufnahme finanziert werden müßten. Mit Beendigung des Betriebes seien sodann Anlagegüter - deren Wert habe ca. 10% der offenen Bankverbindlichkeiten von ca. 380.000 S betragen - und auch die Bankverbindlichkeiten in das Privatvermögen übergegangen. Nach der Betriebsaufgabe seien weitere Erhöhungen des Standes der Bankverbindlichkeiten um 49.000 S (im Jahr 1986) und um 25.000 S (im Jahr 1992), die in keinem Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Betrieb gestanden seien, erfolgt. In Anbetracht des Umstandes, daß mit den im Betrieb in den Jahren 1981 bis 1985 erwirtschafteten Geldüberschüssen (cash flow) von insgesamt ca. 220.000 S nicht das Auslangen für private Zwecke gefunden worden sei, sondern Bankschulden von ca. 382.000 S aufgenommen worden seien, stellten indirekt die Entnahmen der betrieblichen Mittel den Grund für die Aufnahme der Bankschulden dar. Da es nach Betriebsaufgabe kein Betriebsvermögen mehr gebe, könnten die Bankschulden nicht mehr für betriebliche Zwecke verwendet werden. Weil die private Ursache für die Schuldaufnahme auch nach Betriebseinstellung gegeben sei, seien die strittigen Zinsen als Entgelt für die Gewährung von Fremdmitteln für private Zwecke anzusehen. Bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern aus einem Betrieb würden die Verbindlichkeiten, die zur Anschaffung der Wirtschaftsgüter gedient hätten, ebenfalls ins Privatvermögen übergehen und die Zinszahlungen nicht zu nachträglichen Betriebsausgaben führen. Da die strittigen Bankschulden indirekt die Lebenshaltung des Beschwerdeführers finanziert hätten, würden sie nach Betriebsaufgabe weiterhin mit den Aufwendungen für die Lebensführung zusammenhängen. Derartige Zinsaufwendungen seien in wirtschaftlicher Betrachtungsweise jenen Zinsaufwendungen gleichzustellen, die von vornherein ausschließlich für private Zwecke aufgenommen worden seien. Im übrigen würden die voraussichtlich über einen Zeitraum von 22 Jahren (bis zum Jahr 2007) erfolgenden Rückzahlungen zu einem nach Betriebsaufgabe anfallenden Zinsaufwand von insgesamt 745.081 S führen. Dieser Betrag sei doppelt so hoch (bzw bei Abzug der erst nach Betriebsaufgabe entstandenen Schuldteile ca. 1,6 mal so hoch) als der gesamte während des Betriebsbestehens erzielte Gewinn von ca. 350.000 S. Dieser Umstand bedinge eine Änderung der Verhältnisse in der Führung des seinerzeitigen Betriebes, welche die Erzielung eines positiven Gesamtüberschusses unmöglich gemacht habe und demnach zu einer Beurteilung als Liebhaberei geführt hätte.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 32 Z. 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften iSd § 2 Abs. 3 auch Einkünfte aus "einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 3 (z.B. Gewinne aus dem Eingang abgeschriebener Forderungen oder Verluste aus dem Ausfall von Forderungen)".
1.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des EStG 1988 führen zu dieser Bestimmung aus, die Einfügung des Klammerausdruckes stelle im Sinne der Rechtsprechung klar, daß sowohl nachträgliche Einnahmen (wie etwa der Eingang einer abgeschriebenen Forderung oder der Wegfall einer Verbindlichkeit) als auch Vermögensverluste (z.B. Verluste aus dem Ausfall von Forderungen) aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit steuerlich zu berücksichtigen sind. Da dieser Verlust auch ohne "formell ordnungsmäßiger Buchführung" dem Grund und der Höhe nach ermittelt werden könne, stehe gegebenenfalls ein Verlustvortrag gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 zu.
1.3 Bei Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebes ist auf den Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe ein Veräußerungsgewinn nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches zu ermitteln (§ 24 Abs. 2 EStG). Damit sind insbesondere auch Forderungen und Verbindlichkeiten (uU im Wege von Rückstellungen) erfaßt. Aufgrund der Bestimmung des § 32 Z. 2 EStG 1988 sind aber auch Vorgänge, die sich nach dem Zeitpunkt der Veräußerung bzw Aufgabe des Betriebes ereignen und im Vermögen des bisherigen Betriebsinhabers auswirken, von einkommensteuerlicher Relevanz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. März 1993, 91/13/0091). Wie sich bereits aus der Aufzählung im Klammerausdruck des § 32 Z. 2 (erster Teilstrich) ableiten läßt, erfaßt die Bestimmung Ansprüche und Verpflichtungen, die nach der Beendigung des Betriebes nicht eigenständig privat genutzt, sondern nur mehr abgewickelt werden (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 32 Tz 11.2.). Ausgehend von den Werten, mit denen diese Wirtschaftsgüter in der Bilanz auf den Zeitpunkt der Betriebsveräußerung- bzw Aufgabe anzusetzen sind, führen die späteren Veränderungen im Vermögen des bisherigen Betriebsinhabers zu positiven bzw. negativen nachträglichen betrieblichen Einkünften. Aus dieser Systematik der Anknüpfung an die Bilanz auf den Veräußerungs- bzw. Aufgabezeitpunkt ergibt sich, daß die nachträglichen betrieblichen Einkünfte für die genannten Ansprüche und Verbindlichkeiten mit Veranlassung durch den seinerzeitigen Betrieb nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleiches zu ermitteln sind. Die Anwendung der Grundsätze dieser Gewinnermittlungsart auf die nachträglichen betrieblichen Einkünfte folgt auch aus dem im Klammerausdruck des § 32 Z. 2 erwähnten Forderungsausfall und leuchtet weiters aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 32 EStG 1988 hervor, nach denen ein allfälliger (nachträglicher) Verlust aufgrund der Regelung des § 18 Abs. 6 EStG vortragsfähig sei.
1.4. Die obigen Ausführungen zu den nachträglichen Einkünften aus Ansprüchen und Verpflichtungen mit Veranlassung im seinerzeitigen Betrieb finden insoweit keine Anwendung, als Umstände vorliegen, auf Grund derer Ansprüche oder Verpflichtungen dem Privatvermögen zuzuordnen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß ein enger Zusammenhang zwischen den Verbindlichkeiten, die für die Anschaffung bzw Herstellung eines Wirtschaftsgutes aufgewendet worden sind, und eben diesen Wirtschaftsgütern besteht: Legt ein Steuerpflichtiger solche Wirtschaftsgüter in den Betrieb ein, so erfolgt auch eine Einlage der Verbindlichkeit; entnimmt er solche Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen, so erfolgt auch eine Entnahme der Verbindlichkeit (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. September 1989, 88/14/0188, vom 12. Mai 1981, 81/14/0008, 0014, und vom 30. Juni 1981, 81/14/0011, 0016). Wenn sohin ein Steuerpflichtiger im Zuge der Betriebsaufgabe Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen übernimmt, so gelangen auch die Verbindlichkeiten, die der Finanzierung dieses Vermögensgegenstandes gedient haben, in das Privatvermögen. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Steuerpflichtigen im Zuge einer Betriebsveräußerung zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter.
Darüber hinaus ist mit Beendigung des Betriebes der Veranlassungszusammenhang mit dem seinerzeitigen Betrieb hinsichtlich jenes Teiles der Schulden als unterbrochen anzusehen, der durch den Veräußerungserlös oder durch die Verwertung von zurückbehaltenem Aktivvermögen beglichen werden könnte. Ein betrieblich (und nicht privat) veranlaßtes Handeln eines Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Beendigung des betrieblichen Engagements besteht darin, daß der Steuerpflichtige den allfälligen Veräußerungserlös und die ihm (bei der Betriebsaufgabe oder bei der Zurückbehalten von Wirtschaftsgütern) verbliebenen Aktiva zur Abdeckung der Schulden einsetzt. Der Verwaltungsgerichtshof hält daher die Ansicht des deutschen Bundesfinanzhofes, ab Betriebsbeendung ende der wirtschaftliche Zusammenhang zum Betrieb hinsichtlich jener Schulden, die mit Mitteln des Betriebes hätten erfüllt werden können (vgl. etwa das Urteil des BFH vom 21. November 1989, BStBl. 1990 II 213; vgl in diesem Sinn auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 32 Tz 11.3) auch im Hinblick auf die österreichische Rechtslage für zutreffend.
1.5. Soweit nach den obenstehenden Ausführungen Verbindlichkeiten nicht zur Finanzierung von ins Privatvermögen überführten Vermögensgegenständen gedient haben und sie auch nicht mit Aktiva des Betriebes abgedeckt werden konnten, führen die nach Betriebsaufgabe aufgrund dieser Verbindlichkeiten anfallenden Zinsen zu nachträglichen (negativen) Einkünften iSd § 32 Z 2 EStG 1988. Über die genannten Erfordernisse hinaus hat allerdings der Steuerpflichtige auch nach Betriebsaufgabe alle ihm zumutbaren Schritte zur Tilgung der Verbindlichkeiten zu setzen. Bei Unterbleiben derartiger Maßnahmen würden die Zinsen nicht mehr Aufwendungen iSd § 32 Z 2 EStG 1988 darstellen.
2. Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, daß während des Bestandes des Gewerbebetriebes Betriebsschulden aufgenommen worden sind, mit denen nicht Entnahmen, sondern betriebliche Vorgänge finanziert worden sind. Die belangte Behörde hat richtig erkannt, daß insofern betriebliche Verbindlichkeiten vorliegen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 12. Mai 1981, 81/14/0008, 0014, und vom 30. Juni 1981, 81/14/0011 und 0016), und zwar auch dann, wenn in diesen Wirtschaftsjahren Betriebseinnahmen entnommen worden sind. Da die belangte Behörde aber nicht im Sinne der oben unter 1 angeführten Ausführungen geprüft hat, in welchem Ausmaß die Schulden auch nach Beendigung des Betriebes zu nachträglichen betrieblichen Einkünften führen können, sondern diese ab Betriebseinstellung als jedenfalls privat veranlaßte Schulden qualifiziert hat, hat sie die Rechtslage verkannt. Den angefochtenen Bescheid kann auch die Alternativbegründung, die ab der Betriebsaufgabe angefallenen Einkünfte seien aufgrund der Liebhabereibetrachtung vom Verlustausgleich ausgeschlossen, nicht stützen. Der Umstand, daß ab Betriebsaufgabe nur mehr Betriebsausgaben anfallen, rechtfertigt nicht die Annahme, es läge bereits Liebhaberei vor.
Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzugeben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995140018.X00Im RIS seit
07.06.2001