Entscheidungsdatum
14.12.2021Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ZustG §16Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Hofko über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 27.09.2021, Zl ***, mit dem der gegen eine Strafverfügung erhobene Einspruch als verspätet zurückgewiesen wurde,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 06.09.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 22.03.2021 um 09:15 Uhr die Betriebsstätte des Gastgewerbebetriebes „BB“ in **** Z, Adresse 2, betreten, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe gemäß § 7 Abs 1 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – 4. COVID-19-SchuMaV, BGBl II Nr 58/2021 idgF in Verbindung mit § 8 Abs 1 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl I Nr 12/2020 idgF untersagt gewesen sei. Deshalb wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von Euro 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) nach § 8 Abs 1 Z 1 COVID-19-Maßnahmengesetz verhängt. In der Rechtsmittelbelehrung der Strafverfügung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer dagegen innerhalb von 2 Wochen Einspruch erheben kann und dass dieser schriftlich oder mündlich bei der belangten Behörde einzubringen ist.
Diese Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am 08.09.2021 zugestellt, indem seine Mutter als Ersatzempfängerin das Schriftstück übernommen hat.
In seinem der Stadt Z per E-Mail am 24.09.2021 übermittelten Einspruch führte der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, er sei am 22.03.2021 nicht während der Betriebszeit und auch nicht für lange Zeit am Tatort gewesen. Daher beantrage er, den Bescheid vom 06.09.2021 aufzuheben.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 27.09.2021, Zl ***, wurde der Einspruch des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen und begründend ausgeführt, dass die Strafverfügung laut Zustellnachweis am 08.09.2021 von einem Ersatzempfänger übernommen und daher mit diesem Datum zugestellt worden sei. Die Übernahme des Dokuments sei auch durch die Unterschrift der Ersatzempfängerin bestätigt worden. Der am 27.09.2021 eingebrachte Einspruch sei daher verspätet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mail vom 04.10.2021 Beschwerde und führt darin begründend aus, dass der Brief zwar von einem Ersatzempfänger entgegengenommen worden sei, er habe jedoch aus privaten Gründen keinen Zugang zu diesem Brief gehabt. Die Beschwerde wurde vom Bürgermeister der Stadt Z mit Schreiben vom 04.10.2021, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 03.11.2021, vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.11.2021, Zl 2021/16/2873-2, aufgefordert, Fragen betreffend die Zustellung der Strafverfügung und die Umstände des Einspruchs zu beantworten. Mit E-Mail vom 07.12.2021 teilte der Beschwerdeführer mit, er habe sich zum Zeitpunkt der Zustellung regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten und er sei zum Zeitpunkt der Zustellung nicht vorübergehend kurz oder länger von der Abgabestelle abwesend gewesen, denn er sei täglich an die Abgabestelle wieder zurückgekehrt. Als private Gründe, weshalb er trotz Zustellung an seine ebenfalls an dieser Adresse gemeldete Mutter als Ersatzempfängerin keinen Zugang zu der Strafverfügung gehabt hätte, führt der Beschwerdeführer aus, seine Mutter sei aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes eines Familienmitgliedes mitgenommen gewesen. Deshalb habe sie den Brief zum Altpapier gelegt und dieser sei erst verspätet wieder aufgefunden worden.
II. Sachverhalt:
Die Strafverfügung des Bürgermeisters der Stadt Z vom 06.09.2021, Zl ***, wurde dem Beschwerdeführer nachweislich am 08.09.2021 zugestellt. Seine Mutter hat als Ersatzempfängerin die Strafverfügung übernommen und dies auf dem Rückschein mit ihrer Unterschrift bestätigt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist stand daher bis 22.09.2021 offen. Der gegen die Strafverfügung erhobene Einspruch wurde der belangten Behörde mit E-Mail vom 24.09.2021, 13:49 Uhr, übermittelt und ist daher am 27.09.2021 bei der belangten Behörde eingelangt. Diesen Einspruch hat der Bürgermeister der Stadt Z mit Bescheid vom 27.09.2021, Zl ***, als verspätet zurückgewiesen.
III. Beweiswürdigung:
Die Feststellung über den Zeitpunkt der Zustellung stützt sich auf den im verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Zustellnachweis. Der Zeitpunkt der Zustellung wurde vom Beschwerdeführer weder in seiner Beschwerde noch in seiner Äußerung vom 07.12.2021 bestritten. Die Feststellung, dass die Mutter des Beschwerdeführers die Strafverfügung als Ersatzempfängerin übernommen hat, ergibt sich ebenfalls aus dem Zustellnachweis. Die weiteren Feststellungen stützten sich auf den verwaltungsbehördlichen Akt bzw auf die schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 07.12.2021.
IV. Rechtslage:
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 5/2008 lautet samt Überschrift wie folgt:
„Ersatzzustellung§ 16
(1) Kann das Dokument nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die – außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt – zur Annahme bereit ist.
(3) Durch Organe eines Zustelldienstes darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich beim Zustelldienst verlangt hat.
(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf dem Dokument und dem Zustellnachweis von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.
(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.“
V. Erwägungen:
Nach § 16 Abs 1 ZuStG darf an einen an der Abgabestelle anwesenden Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Wie der Beschwerdeführer selbst in seiner Stellungnahme vom 07.12.2021 bestätigt hat, hat er sich regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten, war weder vorübergehend noch länger von der Abgabestelle abwesend und ist täglich an die Abgabestelle zurückgekehrt. Für die Mutter des Beschwerdeführers als Ersatzempfängerin liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 ZustG vor. Diese hat auch durch Unterfertigung des Zustellnachweises ihr Naheverhältnis zum Beschwerdeführer bestätigt.
Der Rückschein dient der Behörde als Beweis der ordnungsgemäßen Zustellung. Dabei handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG iVm § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat (VwGH 27.01.2005, Zl 2004/16/0197). Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (VwGH 13.11.1992, Zl 91/17/0047). Eine rechtswirksame Zustellung eines Schriftstückes setzt nicht notwendig voraus, dass es dem Empfänger auch tatsächlich zukommt; vielmehr gilt nach dem Gesetz eine Zustellung unter bestimmten Voraussetzungen (zB Ersatzzustellung, Hinterlegung, öffentliche Bekanntmachung), als vollzogen (das heißt rechtswirksam zu Stande gekommen), obwohl der Empfänger selbst das Schriftstück nicht erhalten haben muss (VwGH 18.04.1988, Zl 87/12/0043). Vor dem Hintergrund der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Mutter habe aufgrund einer für sie belastenden Situation den von ihr angenommenen Brief zum Altpapier gelegt und habe er diesen deshalb erst verspätet aufgefunden, nicht geeignet, die Wirksamkeit der Ersatzzustellung in Zweifel zu ziehen.
Der Beschwerdeführer hat den Einspruch gegen die Strafverfügung vom 06.09.2021, Zl ***, am 24.09.2021 per E-Mail an die belangte Behörde übermittelt. Aufgrund der nach § 13 Abs 5 AVG auf der Internetseite der Stadt Z kundgemachten Einschränkung gilt der Einspruch erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am 27.09.2021 als eingebracht und eingelangt. Der Einspruch wurde folglich nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 49 Abs 1 VStG und damit nicht rechtzeitig erhoben. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat dem Beschwerdeführer die Verspätung seines Einspruchs unter Hinweis auf die Möglichkeit, eine öffentliche mündliche Verhandlung zu beantragen, vorgehalten. Weder in seiner Beschwerde noch in seiner Stellungahme vom 07.12.2021 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Auch die belangte Behörde hat in ihrem Schreiben betreffend die Aktenvorlage eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht beantragt. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich gegen die Zurückweisung eines Einspruchs als verspätet und damit gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid. Nach § 44 Abs 3 Z 4 VwGVG konnte daher die öffentliche mündliche Verhandlung entfallen. Daher waren auch keine Kosten im Sinne des § 52 Abs 1 und 2 VwGVG vorzuschreiben.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Im gegenständlichen Verfahren war zu klären, ob der Einspruch des Beschwerdeführers gegen eine näher bezeichnete Strafverfügung als verspätet zu qualifizieren ist. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur geprüft, ob Zustellmängel vorliegen und dem Beschwerdeführer die Verspätung seines Einspruches vorgehalten. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG liegt daher nicht vor, die ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag.a Hofko
(Richterin)
Schlagworte
Zustellung an ErsatzempfängerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2021:LVwG.2021.16.2873.3Zuletzt aktualisiert am
23.12.2021