TE Lvwg Beschluss 2021/9/22 LVwG-AV-1486/001-2021

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Veröffentlicht am 22.09.2021
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Entscheidungsdatum

22.09.2021

Norm

VwGVG 2014 §28 Abs3
LDG 1984 §58 Abs1

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Kühnel als Einzelrichter über die Beschwerde der A gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 21.07.2021, Zl. ***, betreffend Karenzurlaub den

BESCHLUSS:

1.   Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Niederösterreich zurückverwiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 17 und 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung:

I.       Verfahrensgang und Sachverhalt:

A (in der Folge: Beschwerdeführerin) steht als Volksschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Ihre Dienststelle ist die Volksschule ***, ***.

Beginnend mit dem Schuljahr 2018/2019 wurde bisher der Beschwerdeführerin auf ihre wiederholt gestellten Anträge jeweils für ein Schuljahr ein Karenzurlaub gemäß

§ 58 Abs. 1 LDG 1984 gewährt.

Bereits anlässlich des nach dem gestellten Antrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes für das Schuljahr 2019/2020 erfolgte vorerst das als „Parteiengehör“ bezeichnete Schreiben der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 16.05.2019, in welchem der Beschwerdeführerin die Absicht mitgeteilt wurde, den Antrag wegen des vorhandenen Personalmangels und der dadurch entstandenen angespannten Stellenplansituation abzulehnen. Nach der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 27.05.2019, in der sie unter anderem ausführte, sie absolviere eine Fortbildung und sei im Rahmen des Schulversuches „Schule gemeinsamen Lernens“ an einer Grundschule in Deutschland im Bundesland *** im Führungsteam und zusätzlich in einer ersten Schulstufe als klassenführende Lehrerin eingesetzt, wurde mit dem Bescheid vom 18.06.2019, Zl. ***, der beantragte Karenzurlaub dennoch gewährt.

Mit ausgefülltem Formblatt vom 05.01.2021 beantragte die Beschwerdeführerin wiederum gemäß § 58 LDG 1984 unbezahlten Karenzurlaub für das Schuljahr 2021/2022. Als Begründung führte sie an: „Leitung, Durchführung und Evaluation des Schulprojekts Schule des gemeinsamen Lernens an der öffentlichen Grundschule in *** bei ***“

Mit Schreiben der Bildungsdirektion für Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) vom 09.06.2021 wurde der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mitgeteilt, der sukzessive Anstieg von Ruhestandsversetzungen im Bereich der Lehrkräfte an allgemein bildenden Pflichtschulen und die verlängerte Ausbildung dieser Lehrkräfte führe im Schuljahr 2021/2022 insoweit zu einem Personalengpass, als nur sehr wenige bis gar keine Bewerberinnen und Bewerber mit abgeschlossener Lehramtsausbildung zur Verfügung stünden. Dem privaten Interesse an der Gewährung des Karenzurlaubes stehe das dienstliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines aus pädagogischen Gründen erforderlichen ordnungsgemäß geregelten und kontinuierlichen Unterrichts gegenüber. Aus Gründen der Personalknappheit und der angespannten Stellenplansituation sei die Ablehnung des Antrages beabsichtigt.

In der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 05.07.2021 wurde im Wesentlichen angeführt, es lägen dem beantragten Karenzurlaub keine privaten Interessen zugrunde. Sie sehe die Projektleitung an der öffentlichen deutschen Grundschule als Bildungs-und Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen als Volksschuloberlehrerin sowie Mentorin, vormals Praxisbetreuerin, der beiden Pädagogischen Hochschulen von Niederösterreich und Burgenland. Um nach 25 Dienstjahren nicht einer angehenden Betriebsblindheit zu erliegen, habe sie das Angebot im benachbarten EU-Land angenommen. Das ihr anvertraute Aufgabenspektrum im Projektteam sei vielfältig und im Sinne des ganzheitlichen Lernens zu sehen. Die daraus zu ziehenden Erkenntnisse und Erfahrungen würden gänzlich nach ihrer Rückkehr im dienstlichen Interesse stehen und in ihre Arbeit einfließen können. Ein Projekt und dessen investierte Arbeit sei nichts wert, wenn es zu keinem qualitativen Abschluss komme. Im letzten Jahr sei es aufgrund der Pandemie zur Verschiebung der letzten Projektphase gekommen und habe sie deshalb den Entschluss gefasst, noch ein weiteres Jahr um Karenzurlaub anzusuchen.

Mit dem hier gegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 21.07.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Gewährung von Karenzurlaub gemäß § 58 LDG 1984 ab.

 

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes im Wesentlichen aus, gemäß § 58 LDG 1984 könne dem Landeslehrer ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden. Das Motiv für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes sei nachvollziehbar, wobei die Begründung für den Wunsch nach einem Karenzurlaub nicht verfahrensgegenständlich und somit aus rechtlicher Sicht nicht von Relevanz sei, da § 58 Abs. 1 LDG 1984 davon spreche, dass ein Karenzurlaub dann gewährt werden könne, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstünden. Dem privaten Interesse an der Gewährung des Karenzurlaubes stehe das dienstliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines aus pädagogischen Gründen erforderlichen ordnungsgemäß geregelten und kontinuierlichen Unterrichts gegenüber. In der Bildungsregion herrsche auf Grund des Personalmangels eine angespannte Stellenplansituation, sodass deswegen auf den Einsatz der Beschwerdeführerin im Unterricht nach derzeitiger Einschätzung nicht verzichtet werden könne. Zudem dürfe auch darauf hingewiesen werden, dass der Beschwerdeführerin bereits seit dem Schuljahr 2018/2019 wiederholt Karenzurlaube gewährt worden seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde in der sie ausführte, die Ablehnung sei völlig überraschend, löse eine große Enttäuschung aus und sei zu kurzfristig. Sie habe erwartet, dass ihr eine solche Entscheidung mit einer mindestens sechsmonatigen Frist mitgeteilt werde, um – besonders in der Zeit der Corona-Pandemie – entsprechend planen zu können.

Es habe diesbezüglich kein persönliches Gespräch oder Telefonat, welches in einer solchen Situation wünschenswert wäre, gegeben. Die Entscheidung sei für sie nicht transparent, wo die belangte Behörde auf diese Transparenz aus ihrer Erfahrung immer großen Wert und höchste Priorität gelegt habe. Es sei einfach über ihren Kopf hinweg entschieden worden und sei sie darüber äußerst erbost. Die Entscheidung sei für sie mit hohen finanziellen Einbußen verbunden. Sie habe in Deutschland eine Wohnung angemietet, die sie nur mit entsprechender Kündigungsfrist auflösen könne. Sie müsse genauso kurzfristig und aus dem Ausland handelnd, eine neue und vor allem leistbare Wohnung in Wiener Neustadt finden. Ferner wäre ein Umzug mit allen ihren Möbeln und persönlichen Sachen zu organisieren. Das Schuljahr in *** habe bereits am 03.08.2021 begonnen, und stehe sie Vollzeit im Dienst und habe keine Ferien wie in Österreich bis 31.08.2021. Aus internen Gepflogenheiten sei ihr bekannt, dass es vier Monate dauere, bis ein Lehrer wieder regelmäßig sein Gehalt auf seinem Konto habe. Sie frage sich, wie sie alle Kosten tragen, gleichzeitig ihren Dienst qualitativ hochwertig ausüben und ihre private Situation neu ordnen solle. Sie habe keinen Plan, und sie könne das mit allen coronabedingten Vorschriften nicht bewerkstelligen. An der Volksschule Baumkirchnerring sei nach telefonischer Nachfrage überhaupt keine Klassenführung für das kommende Schuljahr frei. Das neue Schuljahr sei ohne sie geplant worden.

Dazu komme, dass eine Kollegin, die mit dem Schuljahr 2020/2021 in Pension gehen wollte, auch noch im Schuljahr 2021/2022 am Schulstandort sein werde. Zum
25-jährigen Dienstjubiläum sei kein Dank des Landesschulrates erfolgt. Aus ihren Krankenstandzeiten sei zu erkennen, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Kollegen ein sehr gewissenhafter und loyaler Teil im System Schule gewesen sei und auch wieder sein werde.

Sie habe sich und ihre Familie immer nach den auch oft wechselnden Situationen in der Schule gerichtet und Privates hinten angereiht. Sie habe ihre beiden Töchter großgezogen, wovon eine fünf Jahre lang Krebs gehabt habe. Sie habe in 25 Jahren keine 25 Tage Pflegeurlaub genommen. Wenn die Kinder krank gewesen seien, habe sie das privat organisiert und sei weiterhin zum Dienst erschienen. Sie fühle sich mit Füßen getreten und sei zutiefst deprimiert. Dieses zusätzliche 4. Schuljahr [offenbar gemeint: in der Schule in *** bei ***] sei so nicht geplant und ergebe sich ausschließlich aufgrund der Pandemie. Der Personalmangel sei weder plötzlich noch aus ihrem Verschulden entstanden. Der Lehrermangel sei der belangten Behörde seit Jahren und auch bei Stellung ihres Antrages um Karenzverlängerung am 05.01.2021 bekannt gewesen. Darauf habe niemand entsprechend reagiert und seien unnötig sechs Monate verstrichen. Sie könne das Schulsystem, so wie es derzeit laufe, nicht retten. Sie sei keine Personalberaterin. Sie beabsichtige, ihren Dienst als klassenführende Lehrerin im September 2022 an der Volksschule *** in *** wieder aufzunehmen und ersuche, ihrer Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid stattzugeben. Es wäre ein kleines Entgegenkommen des Landes Niederösterreich und koste die belangte Behörde auch keinen einzigen Cent, wenn sie sie erst mit dem Schuljahr 2022/2023 wieder einplane.

Beantragt wurde, der Beschwerde stattzugeben und den beantragten Karenzurlaub zu gewähren.

Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 01.09.2021 die Beschwerde sowie den Personalakt der Beschwerdeführerin dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor.

Der dargestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten und die Beschwerdeführerin betreffenden Personalakt der belangten Behörde.

II. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde widerspricht. Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat und wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (LDG 1984) kann dem Landeslehrer auf Antrag ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung auch zur inhaltsgleichen Bestimmung des § 75 Abs. 1 BDG 1979 ausgesprochen hat, ist aus dem Wortlaut dieser Normen abzuleiten, dass das Gesetz die Gewährung eines Karenzurlaubes für den Fall ausdrücklich untersagt, dass ihr zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, sie in allen anderen Fällen jedoch dem freien Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Dienstbehörde anheimstellt. Ob der Karenzurlaubsgewährung zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen, ist von der Behörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 28.04.2008, 2005/12/0059; 26.05.1999, 99/12/0107; 12.12.1988, 87/12/0077).

 

Ob bestimmte tatsächliche Umstände „zwingende dienstliche Gründe“ darstellen, die gemäß § 58 Abs. 1 LDG 1984 einer Gewährung des Karenzurlaubes (ohne Interessensabwägung) von vornherein entgegenstehen, oder ob solche Umstände zwar keine „zwingende dienstliche Gründe“ im vorgenannten Sinne darstellen, aber im Rahmen einer Interessensabwägung dazu zu führen haben, dass der Karenzurlaub (dennoch) nicht zu gewähren ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (vgl. VwGH 26.05.1999, 99/12/0107).

 

Der Gewährung eines Karenzurlaubes stehen zwingende dienstliche Interessen entgegen, wenn für den Beamten (Landeslehrer) während seiner (beabsichtigten) längerfristigen Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden kann (VwGH 19.02.1992, 90/12/0156). Es ist beispielsweise nicht ausreichend, wenn sich die Behörde bloß allgemein abstrakt auf Personalkürzungen oder Personalknappheit beruft und darin einen zwingenden dienstlichen Grund erblickt, der der Gewährung des Karenzurlaubes entgegensteht. Vielmehr hat die Behörde konkrete Erhebungen in die Richtung, ob der/die Beamte/in (Landeslehrer/in) in dem konkreten in Frage stehenden Zeitraum auf seinem/ihrem Arbeitsplatz tatsächlich unverzichtbar ist, vorzunehmen (vgl. VwGH 18.09.1996, 96/12/0226).

Eine Ermessensentscheidung gemäß § 58 Abs. 1 LDG 1984 besteht in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen. Dabei sind im Bescheid die für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden Interessen darzustellen und sodann gegeneinander abzuwägen, wobei in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum der Behörde besteht (vgl. VwGH 02.07.2009, 2008/12/0171; 20.12.2004, Zl. 2004/12/0137).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage geht das erkennende Verwaltungsgericht davon aus, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung wegen zwingender dienstlicher Gründe getroffen hat.

Dass die belangte Behörde eine Interessensabwägung privater Gründe der Beschwerdeführerin einerseits und dienstlicher Gründe andererseits nicht für erforderlich hielt und deshalb auch nicht vornahm, ergibt sich aus folgender in der Begründung des bekämpften Bescheides enthaltenen Erwägung der belangten Behörde:

„Ihr Motiv für die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes ist nachvollziehbar, wobei festzuhalten ist, dass die Begründung für den Wunsch nach einem Karenzurlaub nicht verfahrensgegenständlich ist und somit aus rechtlicher Sicht nicht von Relevanz ist, da § 58 Abs. 1 LDG 1984 davon spricht, dass ein Karenzurlaub dann gewährt werden kann, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.“

Dass die belangte Behörde offensichtlich vom Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe ausgeht, ergibt sich sodann aus der folgenden Erwägung:

„In der Bildungsregion ist auf Grund des bereits vorhandenen Personalmangels eine angespannte Stellenplansituation gegen, sodass auf Ihren Einsatz im Unterricht nach derzeitiger Einschätzung nicht verzichtet werden kann.“

Die belangte Behörde traf somit keine Ermessensentscheidung sondern vielmehr eine Entscheidung im Bereich der rechtlichen Gebundenheit, indem sie das Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe annahm (Personalmangel, angespannte Stellenplansituation), die den Einsatz der Beschwerdeführerin im Unterricht unverzichtbar machen, was notwendig zur Abweisung des Antrages auf Erteilung bzw. Verlängerung des Karenzurlaubes führte.

Wenn die belangte Behörde die Abweisung des Antrages auf Karenzurlaub mit dem Vorliegen zwingender dienstlicher Gründe begründet, sind nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkrete Erhebungen in die Richtung, ob die Beschwerdeführerin in dem konkreten in Frage stehenden Zeitraum auf ihrem Arbeitsplatz tatsächlich unverzichtbar ist und warum im konkreten Fall für die Beschwerdeführerin während ihrer beabsichtigten längerfristigen Abwesenheit kein geeigneter Ersatz namhaft gemacht werden kann, erforderlich.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann beispielsweise Personalknappheit als zwingendes dienstliches Interesse angesehen werden, das die Gewährung eines Karenzurlaubes ausschließt bzw. im Rahmen der Ermessensübung gegen dessen Bewilligung ins Treffen geführt werden (VwGH 16.12.2009, 2008/12/0220; 26.05.1999, 99/12/0107).

Dazu ist es aber nicht ausreichend, wenn sich die Behörde bloß allgemein abstrakt auf Personalkürzungen oder Personalknappheit beruft und darin einen zwingenden dienstlichen Grund erblickt, der der Gewährung des Karenzurlaubes entgegensteht. Vielmehr hat die Behörde eine konkrete Darstellung des zwingenden dienstlichen Grundes darzulegen, indem sie etwa Personalzahlen und Personalreserven genau anführt (vgl. VwGH 28.04.2008, 2005/12/0059).

Aus der von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung erfolgten allgemeinen Feststellung einer Personalknappheit und der sich daraus ergebenden angespannten Stellenplansituation in der Bildungsregion allein können noch keine zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne des § 58 Abs. 1 LDG 1984 abgeleitet werden. Es mangelt an konkreten, auf den gegenständlichen Antrag bezogenen Erhebungen, warum der Einsatz der Beschwerdeführerin unverzichtbar ist und warum kein geeigneter Ersatz gefunden werden kann.

Die Behörde hat ihre Entscheidung diesbezüglich nicht näher begründet und insbesondere auch keine ausreichenden Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt.

 

Es ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen, ob bestimmte tatsächliche Umstände „zwingende dienstliche Gründe“ darstellen, oder ob solche im Rahmen einer Interessensabwägung dazu zu führen haben, dass der Karenzurlaub (dennoch) nicht zu gewähren ist, so die bereits zitierte Rechtsprechung des VwGH.

Aus den im Bescheid getätigten Feststellungen können daher keine zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne des § 58 Abs. 1 LDG 1984 abgeleitet werden.

 

Dass der Bewilligung des Karenzurlaubes solche zwingenden Gründe nicht entgegenstehen, bedeutet nicht, dass die Landeslehrerin einen Rechtsanspruch auf dessen Gewährung hätte, vielmehr liegt die Entscheidung dann im Ermessen der Behörde (VwGH 28.04.2008, 2005/12/0059). Die Ermessensentscheidung besteht in einer Abwägung der für bzw. gegen die Gewährung des Karenzurlaubes sprechenden dienstlichen bzw. privaten Interessen, wobei der Behörde jedoch gerade in Ansehung der Gewichtung dieser Interessen ein Ermessensspielraum zukommt (vgl. VwGH 20.12.2004, 2004/12/0137). Entscheidend ist, dass das Ergebnis dieser Abwägung gemäß Art. 133 Abs. 3 B-VG dem „Sinne des Gesetzes“ entspricht (VwGH 28.04.2008, 2005/12/0059).

 

Dabei hat die Behörde die im Antrag der Beschwerdeführerin angeführten Interessen zu gewichten und gegen die der Gewährung entgegenstehenden dienstlichen Interessen abzuwägen. Auch diesbezüglich mangelt es an wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen.

Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt der Sachentscheidung in den Fällen des § 28 Abs. 2 VwGVG Vorrang vor einer Aufhebung und Zurückverweisung zu
(vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005; 17.02.2015, Ra 2014/09/0027).

Soweit die belangte Behörde zwingende dienstliche Gründe für die Abweisung des Antrages herangezogen hat, fehlen jedoch diesbezüglich die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen und hat die Behörde wesentliche Sachverhaltselemente nicht ermittelt. Auch für eine etwaige Ermessensentscheidung mangelt es an der Feststellung wesentlicher Tatsachen. Eine Zurückverweisung der Sache an die belangte Behörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt im vorliegenden Fall deshalb in Betracht, weil die Behörde die erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat bzw. weil sie den maßgebenden Sachverhalt bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, 127 und 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, 65 und 73 f.).

 

Im Hinblick auf die Ermittlungs- und Begründungsmängel hat die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes unzureichende Ermittlungsschritte gesetzt. Im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind daher im Beschwerdefall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG erfüllt.

 

Im Übrigen steht der gegenständlichen Entscheidung auch § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG nicht entgegen, zumal die Behörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und nicht mit höheren Kosten als das Landesverwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Vielmehr ist angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht nicht anzunehmen, dass die Ermittlung des Sachverhalts unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Landesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.

 

Es war daher gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren in Bindung an die oben dargelegte Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichts vorzugehen haben.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der (angeführten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Dienstrecht; Landeslehrer; Lehrperson; Karenzurlaub; Interessenabwägung; Verfahrensrecht; Ermessen; Ermittlungspflicht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1486.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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