Entscheidungsdatum
02.12.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W203 2248534-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde der mj. XXXX als Erstbeschwerdeführerin, vertreten durch ihre erziehungsberechtigte Mutter XXXX als Zweitbeschwerdeführerin, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 21.10.2021, GZ. 9131.103/0178-Präs3a1/2021, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin absolvierte im Schuljahr 2020/21 die 8. Schulstufe am XXXX , einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht. Im Jahreszeugnis wurde sie in den Pflichtgegenständen „Latein“ und „Mathematik“ jeweils mit „Nicht genügend“ beurteilt, zu einer Wiederholungsprüfung in den beiden genannten Pflichtgegenständen trat die Erstbeschwerdeführerin nicht an.
Das Jahreszeugnis enthält den Hinweis, dass die Erstbeschwerdeführerin zum Aufsteigen in die fünfte Klasse (9. Schulstufe) nicht berechtigt und zur Wiederholung der vierten Klasse (8. Schulstufe) berechtigt sei.
2. Am 30.06.2021 zeigte die Zweitbeschwerdeführerin die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht auf der 8. Schulstufe im Schuljahr 2021/22 an.
3. Mit Bescheid der Bildungsdirektion für Wien (im Folgenden: belangten Behörde) vom 21.10.2021, GZ. 9131.103/0178-Präs3a1/2021 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde die Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht untersagt (Spruchpunkt I.), angeordnet, dass die Zweitbeschwerdeführerin verpflichtet sei, im Schuljahr 2021/22 für die Erfüllung der Schulpflicht der Erstbeschwerdeführerin an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu sorgen (Spruchpunkt II.) und einer rechtzeitig und zulässig eingebrachten Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/21 die 8. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe und der Antritt zu einer Externistenprüfung erst zwölf Monate nach dem Abschluss der 8. Schulstufe und somit erst nach Abschluss des folgenden Schuljahres 2021/22 möglich sei. Die Verpflichtungen iSd § 11 Abs. 4 SchPflG könnten daher von der Erstbeschwerdeführerin nicht rechtzeitig erfüllt werden. Der Gesetzgeber habe somit die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen des häuslichen Unterrichts ausgeschlossen.
Der Bescheid wurde am 27.10.2021 zugestellt.
4. Am 15.11.2021 brachte die Zweitbeschwerdeführerin Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ein und begründete diese auf das Wesentliche zusammengefasst wie folgt:
Die letzte Schulstufe sei die 7. Schulstufe gewesen, diese habe die Erstbeschwerdeführerin positiv abgeschlossen. Der Termin für die Wiederholungsprüfungen sei nur deswegen nicht in Anspruch genommen worden, weil ohnehin beabsichtigt gewesen sei, dass die Erstbeschwerdeführerin die 8. Schulstufe wiederholt. Wäre den Beschwerdeführern die nunmehr im angefochtenen Bescheid herangezogene Begründung bekannt gewesen, wäre die Erstbeschwerdeführerin zur Wiederholungsprüfung angetreten und hätte diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bestanden. In der Folge wäre diese auf der 9. Schulstufe häuslich unterrichtet worden.
Die Erstbeschwerdeführerin wolle „aus psychischen und gesundheitlichen Gründen“ keine Schule mehr besuchen.
5. Einlangend am 22.11.2021 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - samt zugehörigem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die am XXXX geborene Erstbeschwerdeführerin hat das Schuljahr 2020/21 auf der 8. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen. Sie unterliegt im Schuljahr 2021/22 der allgemeinen Schulpflicht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2. Zu Spruchpunkt A) (Abweisung der Beschwerde)
3.2.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.
Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.
Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.
Gemäß § 25 Abs. 1 zweiter Satz Schulunterrichtsgesetz (SchUG) ist eine Schulstufe erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.
Gemäß § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG darf der Prüfungskandidat zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten, wenn er vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen hat.
3.2.2. Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die Erstbeschwerdeführerin im Schuljahr 2020/21 die 8. Schulstufe absolviert und diese nicht erfolgreich abgeschlossen hat.
Dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat, ergibt sich – wie auch der Verwaltungsgerichtshof jüngste erkannt hat - aus folgenden Erwägungen:
Zum einen kommt schon gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG für den Fall, dass der zureichende Erfolg des Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht mehr in Betracht (vgl. VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).
Zum anderen unterliegt die in § 11 Abs. 4 SchPflG genannte Prüfung ohne Einschränkung dem Regelungsregime des § 42 SchUG („Externistenprüfungen“). Dessen Abs. 6 normiert, dass ein Prüfungskandidat, der vor dem Antritt zu einer Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen hat, zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten darf. Da diese Regelung auch für die im Falle des häuslichen Unterrichts angeordnete Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG anzuwenden ist, würde im Falle eines Schülers, der im Schuljahr 2020/21 eine bestimmte Schulstufe zum Ende des Unterrichtsjahres am 02.07.2021 nicht erfolgreich abgeschlossen hat, bei Wiederholung der selben Schulstufe im unmittelbar darauffolgenden Schuljahr 2021/22 in Form des häuslichen Unterrichts schon von vorneherein feststehen, dass eine rechtzeitige Ablegung der Prüfung vor Schulschuss am 01.07.2022 nicht möglich wäre (vgl. dazu abermals VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007).
Es ist somit keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, dass die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid bei der gegenständlichen Ausgangslage die angezeigte Teilnahme der Erstbeschwerdeführerin an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 von vornherein als unzulässig erachtet und daher untersagt hat.
3.2.3. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Im gegenständlichen Fall konnte das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, weil der Sachverhalt nach einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde festgestellt wurde. Dieser Sachverhaltsfeststellung wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Rechtlich relevante und zulässige Neuerungen wurden in der Beschwerde nicht vorgetragen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 20.6.2013, Appl. Nr. 24510/06, Abdulgadirov/AZE, Rz 34 ff).
3.2.4. Es war daher ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt B) (Unzulässigkeit der Revision)
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die gegenständlich anzuwendenden gesetzlichen Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.
3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.
Schlagworte
allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung häuslicher Unterricht negative Beurteilung öffentliche Schule Pflichtgegenstand Unterrichtserfolg Untersagung Wiederholen einer SchulstufeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2248534.1.00Im RIS seit
23.12.2021Zuletzt aktualisiert am
23.12.2021