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27/01 Rechtsanwälte;Norm
AVG §21;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des T in O, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Juni 1996, Zl. 16/112-I/1996, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 23. Februar 1996, mit der der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 bestraft wurde, erhob der deutsche Rechtsanwalt W. als "Bevollmächtigter" des Beschwerdeführers Einspruch.
Mit Schreiben vom 3. April 1996 teilte die Bezirkshauptmannschaft Reutte Rechtsanwalt W. - unter anderem - mit, daß er gemäß § 5 EWR-RAG 1992 verpflichtet sei, für Zustellungen im behördlichen Verfahren einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Er werde daher in sinngemäßer Anwendung des § 10 Zustellgesetz aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, widrigenfalls alle weiteren Zustellungen ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen würden.
Daraufhin ersuchte Rechtsanwalt W. mit Schreiben vom 17. April 1996 um Aktenübersendung. Es werde - so heißt es in dem Schreiben weiter - davon ausgegangen,
"daß Zustellungen lediglich für den Fall des Fortgangs des Verfahrens erforderlich sind, so daß für diesen Fall die Angabe eines Zustellungsbevollmächtigten vorbehalten bleibt.
Es soll hier zunächst lediglich die Ordnungsgemäßheit der vorgenommenen Messung überprüft werden. Für den Fall, daß diese ordnungsgemäß ist, wird der Einspruch zurückgenommen werden."
Nachdem die fristgerechte Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten unterblieben war, erließ die Bezirkshauptmannschaft Reutte das Straferkenntnis vom 20. Mai 1996, mit dem gegen den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 eine Geldstrafe verhängt wurde. Dieses Straferkenntnis enthielt eine dem § 61 Abs. 5 AVG entsprechende Rechtsmittelbelehrung und wurde dem Beschwerdeführer am 21. Mai 1996 durch Hinterlegung bei der Behörde zugestellt. Davon wurde Rechtsanwalt W. mit Schreiben vom 21. Mai 1996 verständigt.
Mit dem an die Bezirkshauptmannschaft Reutte gerichteten Schriftsatz vom 23. Mai 1996 wies Rechtsanwalt W. darauf hin, daß "eine Hinterlegung der Behörde" nicht ordnungsgemäß sei, weil er bereits ausgeführt habe,
"daß, soweit Zustellung nicht an den Mandanten erbeten wird, ein Zustellungsbevollmächtigter benannt wird, ohne daß Sie dazu weitere Ausführungen machten.
Hilfsweise und vorsorglich wird für den Fall, daß eine rechtsmittelfähige Entscheidung zur Zustellung dort hinterlegt wurde und diese wirksam sein sollte, gegen diese Entscheidung
R e c h t s m i t t e l
hiermit eingelegt."
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das angeführte Straferkenntnis mangels eines begründeten Berufungsantrages als unzulässig zurückgewiesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerde dahin, daß die Bezirkshauptmannschaft Reutte anläßlich der Mitteilung vom 21. Mai 1996 Rechtsanwalt W. noch einmal ausdrücklich schriftlich hätte auffordern müssen, zum Zweck der Zustellung des Straferkenntnisses vom 20. Mai 1996 einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 3. April 1996 an Rechtsanwalt W. habe sich ausschließlich auf den Einspruch gegen die Strafverfügung vom 23. Februar 1996 bezogen. Darüber hinaus habe dieses Schreiben keine Begründung enthalten, weshalb ein Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen sei. Dieses Schreiben habe auch keine Rechtsmittelbelehrung dahingehend enthalten, welche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen die Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, ergriffen werden könnten. Das Schreiben vom 3. April 1996 könne daher keine Nachteile für den Beschwerdeführer nach sich ziehen. Die Hinterlegung des Straferkenntnisses vom 20. Mai 1996 bei der erstinstanzlichen Behörde sei daher zu Unrecht erfolgt und somit nicht wirksam. Die Zustellung hätte an einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten "nach dessen Namhaftmachung" erfolgen müssen. Zur Namhaftmachung eines in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten hätte die Erstbehörde Rechtsanwalt W. in Bescheidform auffordern müssen. Da bisher keine gesetzeskonforme Aufforderung in Bescheidform an den Beschwerdeführer ergangen sei, sei die Zustellung des Straferkenntnisses nicht wirksam und die Zurückweisung "des Berufungserkenntnisses" (gemeint: der Berufung) zu Unrecht erfolgt. Der Beschwerdeführer habe nach wie vor die Möglichkeit, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, sobald er eine entsprechende Aufforderung von der zuständigen Behörde erhalte.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Gemäß § 5 EWR-RAG 1992, BGBl. Nr. 21/1993, hat der ausländische Rechtsanwalt für Zustellungen in gerichtlichen und behördlichen Verfahren bei seiner ersten Verfahrenshandlung einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wurde kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt in den im § 4 Abs. 1 angeführten Verfahren der Einvernehmensrechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigter. In allen anderen Fällen ist in sinngemäßer Anwendung des § 10 Zustellgesetz vorzugehen und die Zustellung nach erfolgloser Aufforderung an den ausländischen Rechtsanwalt durch Hinterlegung beim Gericht oder bei der Behörde vorzunehmen.
§ 10 Zustellgesetz sieht vor, daß einer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhaltenden Partei oder einem solchen Beteiligten von der Behörde aufgetragen werden kann, innerhalb einer gleichzeitig zu bestimmenden mindestens zweiwöchigen Frist für ein bestimmtes oder für alle bei dieser Behörde anhängig werdenden, sie betreffenden Verfahren einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wird dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen, so wird die Zustellung ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen. Die Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen, muß einen Hinweis auf diese Rechtsfolge enthalten.
Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß nach herrschender Auffassung (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, 57; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1232; Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze12, 267) der Auftrag zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten als verfahrensrechtlicher Bescheid zu qualifizieren ist; damit ist für den Beschwerdeführer aber nichts gewonnen:
Das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 3. April 1996 ist zwar nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet, enthält jedoch einen eindeutigen normativen Abspruch in Form der Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten. In einem solchen Fall ist ungeachtet des Fehlens der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid vom Vorliegen eines solchen auszugehen (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung ist für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ebensowenig entscheidend wie eine Gliederung dieser Erledigung nach Spruch und Begründung (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a. a.O. 407, zitierte hg. Rechtsprechung); für letztere genügte im Beschwerdefall im übrigen die Anführung der genannten gesetzlichen Bestimmungen.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, die Bezirkshauptmannschaft Reutte hätte Rechtsanwalt W. anläßlich der Verständigung über die Hinterlegung des Straferkenntnisses neuerlich zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten auffordern müssen, ihr Schreiben vom 3. April 1996 habe sich nur auf den Einspruch gegen die Strafverfügung vom 23. Februar 1996 bezogen, ist verfehlt. Allein schon der Hinweis in dem - wie oben ausgeführt - als Bescheid zu qualifizierenden Schreiben vom 3. April 1996, daß bei Nichtbefolgung der Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten "alle weiteren Zustellungen ohne Zustellversuch durch Hinterlegung bei der Behörde vorgenommen werden", schließt eine Deutung der Erledigung in dem vom Beschwerdeführer gewünschten Sinn aus. Eine Verpflichtung zu einer neuerlichen Aufforderung zur Namhaftmachung eines Zustellungsbevollmächtigten findet im klaren Wortlaut des Gesetzes keine Deckung.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Einhaltung der FormvorschriftenBescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseSpruch und BegründungBescheidcharakter Bescheidbegriff Inhaltliche ErfordernisseBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter VerfahrensanordnungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996030257.X00Im RIS seit
25.01.2001Zuletzt aktualisiert am
25.08.2011