TE Bvwg Erkenntnis 2021/12/7 W269 2248573-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

07.12.2021

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W269 2248573-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Elisabeth MAYER-VIDOVIC als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Armin KLAUSER und Alexander WIRTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 19.10.2021, Zl. XXXX , betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde vom 11.02.2020 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden vom 28.01.2020 in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG iVm § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Baden (im Folgenden als AMS bezeichnet) vom 14.09.2021 wurde ausgesprochen, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 iVm § 10 AlVG für den Zeitraum vom 19.08.2021 bis 13.10.2021 verloren habe und dass keine Nachsicht erteilt werde. Begründend wurde ausgeführt, dass sich die Beschwerdeführerin nicht umgehend in der gewünschten Form (per Mail oder telefonisch) auf eine ihr zugewiesene, zumutbare Stelle als Backshop-Verkäuferin der Fa. XXXX beworben und dadurch eine mögliche Arbeitsaufnahme vereitelt habe. Gründe für eine Nachsicht würden nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht eine mit 03.10.2021 datierte, näher begründete Beschwerde.

2.1. Seitens der belangten Behörde wurde daraufhin mit Bescheid vom 19.10.2021 die aufschiebende Wirkung der Beschwerde vom 03.10.2021 gegen den Bescheid des AMS vom 14.09.2021 gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 56 Abs. 2 und § 58 AlVG ausgeschlossen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 14.11.2018 im Notstandshilfebezug stehe. Mit Bescheid des AMS vom 26.08.2020 sei bereits einmal eine Ausschlussfrist gemäß § 10 iVm § 38 AlVG für den Zeitraum vom 06.08.2020 bis 16.09.2020 ausgesprochen worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde sei mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.02.2021 als unbegründet abgewiesen worden. Es liege somit Langzeitarbeitslosigkeit verbunden mit Arbeitsunwilligkeit vor. Zudem erscheine die Einbringlichkeit der Forderung bei vorläufiger Anweisung der Leistung als gefährdet bzw. sogar aussichtslos. Eine Gewährung der aufschiebenden Wirkung würde das öffentliche Interesse an einer Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege hier das öffentliche Interesse gegenüber dem mit der Beschwerde verfolgten Einzelinteresse.

2.2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 12.11.2021 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in der sie ausführte, dass sie sich stets auf alle Stellenangebote des AMS beworben habe, so auch auf Stelle bei der Fa. XXXX . Ihrer Beschwerde legte sie einen Bewerbungsnachweis, einen Verssandnachweis der Post und ein Schreiben über die Meldung der erfolgten Bewerbung an das AMS bei.

3. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.11.2021 vorgelegt. In der Beschwerdevorlage gab die belangte Behörde bekannt, dass von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht abgesehen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

In der Beschwerde wird nicht dargelegt, dass für die Beschwerdeführerin mit dem sofortigen Vollzug des Bescheides betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Sie hat es unterlassen, die Unverhältnismäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde durch ziffernmäßige Angaben über ihre Wirtschaftsverhältnisse (Einkommens- und Vermögensverhältnisse) konkret darzulegen.

Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache betreffend den Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe nicht abgesehen.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und den nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.2. Das VwGVG sieht vor, dass eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung hat (§ 13 Abs. 1 VwGVG), solange diese Wirkung nicht mit Bescheid (§ 13 Abs. 2 VwGVG) oder mit Beschluss (§ 22 Abs. 2 VwGVG) ausgeschlossen worden ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Nach § 13 Abs. 4 VwGVG hat die Behörde die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 – sofern sie nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist – dem Verwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

3.3. Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung (VwGH 01.09.2014, Ra 2014/03/0028). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen.

Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ bringt zum Ausdruck, dass die Bestimmung (der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (vgl. Hengstschläger/Leeb, Rz 31 zu § 64 AVG; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 12).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 11.04.2018, Ro 2017/08/0033, Folgendes ausgeführt:

„Um die vom Gesetzgeber außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können (vgl. zur Interessenabwägung nach § 30 Abs. 2 VwGG VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053), hat ein Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat.“

Wie bereits ausgeführt, erlaubt aber erst eine entsprechende Konkretisierung, die vom Antragsteller bzw. Beschwerdeführer glaubhaft darzutun ist, eine solche Interessenabwägung (vgl. dazu etwa VwGH 14.02.2014, Ro 2014/02/0053, VwGH 18.11.2003, AW 2003/17/0058). Nur durch die glaubhafte Dartuung konkreter – tunlichst ziffernmäßiger – Angaben über die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers wird das erkennende Verwaltungsgericht überhaupt erst in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob der Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Antragsteller bzw. Beschwerdeführer einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich brächte (vgl. z.B. VwGH vom 11.03.1996, 96/17/0071; 27.06.1996, 96/17/0028; 10.08.2011, 2011/17/0028).

3.4. Die Beschwerdeführerin hat im vorliegenden Fall keinen sie besonders treffenden Nachteil durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dargetan. Sie führt in ihrer Beschwerde lediglich aus, dass sie sich stets auf die vom AMS übermittelten Stellenangebote beworben habe, so auch hinsichtlich der Stelle bei der Fa. XXXX . Damit wendet sich die Beschwerdeführerin aber lediglich gegen die Entscheidung über den Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe. Ein hinreichend konkretes bzw. substantiiertes Vorbringen dahingehend, dass sie der Vollzug des Bescheides über den Verlust der Notstandshilfe unverhältnismäßig hart treffen würde, hat die Beschwerdeführerin dadurch jedenfalls nicht erstattet. Sie legte diesbezüglich auch weder Bescheinigungsmittel vor noch tätigte sie konkrete Angaben zu ihren Wirtschaftsverhältnissen.

Dazu ist auch ins Treffen zu führen, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden hat. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht (gleichsam einem Eilverfahren) ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erkennen kann (vgl. Eder/Martschin/Schmid, K17 zu § 13). „Unverzüglich“ und „ohne weiteres Verfahren“ bedeutet wohl, ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Anm. 8 zu § 13).

Unter Berücksichtigung dessen vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen. So hatte sich das AMS insbesondere darauf berufen, dass die Beschwerdeführerin bereits seit 14.11.2018 im Bezug von Notstandshilfe steht und im August 2020 gemäß § 38 iVm § 10 AlVG mit einer Ausschlussfrist für die Zeit vom 06.08.2020 bis 16.09.2020 belegt wurde.

Dazu ist auszuführen, dass der disziplinierende Charakter einer Sperrfrist verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde (vgl. VwGH 11.04.2018, Ro 2017/08/0033). Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dient dem gerechtfertigten Ziel der Verhinderung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Auch ist prima facie nicht erkennbar, dass die Beschwerde gegen die Verhängung der Ausschlussfrist gemäß § 38 iVm § 10 AlVG wahrscheinlich Erfolg haben wird.

Aufgrund der festgestellten Umstände – nämlich insbesondere des bereits seit dem Jahr 2018 bestehenden Notstandshilfebezuges, des wiederholten Verlusts des Anspruchs auf Notstandshilfe infolge von Arbeitsunwilligkeit und des fehlenden substantiierten Vorbringens hinsichtlich eines unverhältnismäßigen Nachteils für die Beschwerdeführerin durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung – kann dem AMS nicht entgegengetreten werden, wenn es im vorliegenden Fall vom Überwiegen der öffentlichen Interessen ausgeht und das Vorliegen von Gefahr im Verzug annimmt.

3.5. Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung in der Hauptsache (Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe im Zeitraum vom 19.08.2021 bis 13.10.2021) nicht vorweggenommen wird.

3.6. Eine mündliche Verhandlung ist entfallen, da das Bundesverwaltungsgericht nach der Regelung des § 13 Abs. 4 VwGVG verpflichtet ist, über die Beschwerde „ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden“, was impliziert, dass grundsätzlich keine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Pkt. II.3.3. und II.3.4. wiedergegeben. Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Gefahr im Verzug Konkretisierung öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W269.2248573.1.00

Im RIS seit

23.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten