TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/23 96/03/0183

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Veröffentlicht am 23.10.1996
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

FG 1993 §16 Abs1;
FG 1993 §16 Abs2 Z2;
FG 1993 §43 Abs1 Z3;
StGB §32 Abs2;
StGB §34 Z10;
StGB §34 Z3;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §45 Abs1 Z2;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;
VStG §6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des E in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 16. April 1996, Zl. 19/9-4/1996, betreffend Übertretung des Fernmeldegesetzes 1993, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 Z. 3 iVm § 16 Abs. 2 (Z. 2) Fernmeldegesetz 1993, BGBl. Nr. 908, mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- bestraft, weil er in Innsbruck eine Fernmeldeanlage mit der Rufnummer 0512/5809nn mißbräuchlich verwendet habe, indem er am 4. August 1995 um 14.30 Uhr, am 5. August 1995 um 11.23 Uhr,

11.42 Uhr, 14.56 Uhr und 14.58 Uhr, am 7. August 1995 um

12.21 Uhr, am 8. August 1995 um 9.37 Uhr, am 9. August 1995 um

9.55 Uhr, 11.31 Uhr, 12.15 Uhr, 14.17 Uhr, 14.18 Uhr,

16.44 Uhr, 16.45 Uhr, 16.46 Uhr und 18.40 Uhr und am 10. August 1995 um 9.11 Uhr, 9.18 Uhr, 10.01 Uhr, 10.02 Uhr, 10.04 Uhr und 10.11 Uhr den Teilnehmer mit der Rufnummer 0512/5839nn annonym angerufen und dadurch grob belästigt habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten anonymen Anrufe getätigt zu haben. Er macht vielmehr geltend, daß diese Anrufe keine "grobe Belästigung" des angerufenen Teilnehmers darstellen könnten, weil er - der Beschwerdeführer - sich in einer wirtschaftlichen Zwangslage befunden und mit den Anrufen bezweckt habe, den Angerufenen dazu zu veranlassen, ihm die aus einem Kaufvertrag geschuldeten monatlichen Leibrentenzahlungen zu überweisen. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, daß die innerhalb weniger Tage getätigten insgesamt 22 anonymen Anrufe im Hinblick auf ihre Vielzahl und auf ihre rasche Aufeinanderfolge als grobe Belästigung des Angerufenen anzusehen sind. Auf den mit diesen Anrufen beabsichtigten Zweck kommt es dabei nicht an. Daß das inkriminierte Verhalten des Beschwerdeführers nicht das von der Rechtsordnung vorgesehene Mittel zur Durchsetzung des von ihm behaupteten Anspruches ist, liegt auf der Hand und mußte - worauf im folgenden noch zurückzukommen sein wird - auch dem Beschwerdeführer klar gewesen sein. Vom Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des tatbestandsmäßigen Verhaltens ausschließenden Rechtfertigungsgrundes (vgl. dazu Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3, 65 ff) kann somit keine Rede sein.

Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er versucht, sich auf einen Notstand zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 789, zitierte Judiktur) gehört es zum Wesen des Notstandes, daß die Gefahr zumutbarerweise nicht in anderer Art als durch die Begehung der objektiv strafbaren Handlung zu beheben ist. Dies trifft im Beschwerdefall keinesfalls zu.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt auch kein anderer Schuldausschließungsgrund vor. Der Beschwerdeführer macht einen unverschuldeten Rechtsirrtum geltend, weil ihm nicht bekannt gewesen sei, daß ein unerbetender Anruf selbst dann unerlaubt sei und bestraft werde, wenn mit diesem Anruf nicht eine Belästigung, sondern vielmehr eine nach Auffassung des Beschuldigten ordnungsgemäße Bezahlung einer Schuld bezweckt werde. Der Beschwerdeführer sei der Meinung gewesen, damit ein gerechtfertigtes Interesse zu verfolgen und somit rechtmäßig zu handeln. Ein derartiger Rechtsirrtum sei deswegen unverschuldet, weil das allgemeine Rechtsempfinden in einer solchen Vorgangsweise jedenfalls keine grobe Belästigung erblicke. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, gemäß § 5 Abs. 2 VStG nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat die belangte Behörde mit Recht verneint. Nach den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides habe es auch für den Beschwerdeführer in seiner bedrängten wirtschaftlichen Situation einsichtig sein müssen, daß 22 Anrufe innerhalb weniger Tage kaum den gewünschten Erfolg - nämlich die Leistung des Leistungspflichtigen - hätten bewirken können, zumal dieser bereits früher den persönlichen Kontakt in dieser Angelegenheit mit dem Beschwerdeführer abgelehnt habe. Darüber hinaus hätte es dem Beschwerdeführer aber auch klar sein müssen, daß die Vielzahl dieser Anrufe als grobe Belästigung beim Angerufenen hätten empfunden werden müssen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei auch der Eindruck entstanden, der Beschwerdeführer habe gegenüber dem Leistungspflichtigen Druck erzeugen wollen. Dem Beschwerdeführer habe klar sein müssen, daß ein derartiges Verhalten zur Rechtsdurchsetzung nicht erlaubt sein könne. Diese Ausführungen begegnen beim Verwaltungsgerichtshof keinen Bedenken und können vom Beschwerdeführer auch mit seinem Hinweis auf das "allgemeine Rechtsempfinden" nicht entkräftet werden. Ein allfälliger Irrtum des Beschwerdeführers über die Strafbarkeit seines Verhaltens ist rechtlich unbeachtlich (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., 779, angeführte Rechtsprechung).

Der belangten Behörde kann auch nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie vom § 21 Abs. 1 VStG nicht Gebrauch gemacht hat. Die Anwendung dieser Bestimmung kommt nur dann in Frage, wenn die Schuld des Täters geringfügig ist. Davon kann nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0482) nur dann die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Ein solches "erhebliches" Zurückbleiben des Unrechts- und Schuldgehaltes vermag der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht zu erkennen.

Auch die gegen die Strafbemessung vorgebrachten Einwände des Beschwerdeführers sind nicht stichhältig. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer nicht bekämpfte Feststellung im erstinstanzlichen Straferkenntnis, daß die inkriminierten Anrufe eine Wiederholung der von der Post- und Telegraphenverwaltung im Jahr 1992 mittels Fangschaltung festgestellten Belästigungen darstellten, kann nicht davon gesprochen werden, daß die Tat mit dem sonstigen Verhalten des Beschwerdeführers in auffallendem Widerspruch stehe. Ebensowenig kann dem Beschwerdeführer der Milderungsgrund nach § 34 Z. 3 StGB zugute kommen. Achtenswerte Beweggründe im Sinne dieser Bestimmung sind nämlich solche, die auch einem rechtstreuen Menschen die Verübung einer strafbaren Handlung nahelegen (vgl. Leukauf-Steininger, a.a.O., 301). Davon kann im Beschwerdefall keine Rede sein. Der Milderungsgrund nach § 34 Z. 10 StGB liegt schon deshalb nicht vor, weil es dem Beschwerdeführer, der nach seinen Behauptungen das "Existenzminimum" bezieht, jedenfalls nicht am "notwendigen Lebensunterhalt" mangelt (vgl. dazu Leukauf-Steininger, a.a.O., 303). Dazu kommt, daß dem Verhalten des Beschwerdeführers von vornherein die Eignung zur Behebung einer Notlage fehlte. Daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen, findet in dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG der verwaltungsgerichtlichen Prüfung zugrundezulegenden, von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt ebensowenig Deckung wie das Vorliegen eines Rechtsirrtums. Der Milderungsgrund nach § 34 Z. 13 StGB hat für die vorliegende Verwaltungsübertretung keine Bedeutung. Daß der Beschwerdeführer ein reumütiges Geständnis abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte, trifft nicht zu, zeigte der Beschwerdeführer doch keine Schuldeinsicht und wurden seine Anrufe im Wege einer Fangschaltung festgestellt. Berücksichtigt man, daß der Strafrahmen des zur Anwendung kommenden § 43 Abs. 1 Fernmeldegesetz 1993 bis zu einer Geldstrafe von S 30.000,-- reicht, so kann auch in Anbetracht der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers in der Verhängung einer Geldstrafe von S 1.000,-- keine Überschreitung des der Behörde gemäß § 19 VStG eingeräumten Ermessensspielraumes erblickt werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Diverses Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996030183.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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