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62/01 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Inländerdiskriminierung nach einer Bestimmung des AuslBG betreffend die Strafhöhe für einen unberechtigt Beschäftigen im Inland; strenge Voraussetzungen für den innerstaatlichen Zugang Drittstaatsangehöriger zum österreichischen Arbeitsmarkt nicht vergleichbar mit grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung ohne derartigen Anforderungen; rein inländische Arbeitskräfteüberlassungen und jene aus dem Unionsgebiet betreffen unterschiedliche Personenkreise und Sachverhalte, für die unterschiedliche Regelungsregime – auch bei der Strafhöhe – geltenRechtssatz
Abweisung eines Antrags des VwGH auf Aufhebung der Wortfolge "für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer" in §28 Abs1 Z1 dritter Strafsatz AuslBG idF BGBl I 98/2020, in eventu die Wortfolge "von 2 000 Euro" in §28 Abs1 Z1 dritter Strafsatz leg cit, in eventu §28 Abs1 Z1 leg cit zur Gänze.
Bei der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung aus dem Unionsgebiet bzw dem EWR (vgl hiezu EuGH 12.09.2019, Rs C-64/18 ua Maksimovic sowie 19.12.2019, Rs C-645/18, NE) und einer rein innerstaatlichen Arbeitskräfteüberlassung liegen aus dem hier entscheidenden Blickwinkel der Arbeitsmarktpolitik keine gleichen Sachverhalte vor; vielmehr bestehen zwischen den beiden Konstellationen wesentliche Unterschiede, weshalb keine verfassungswidrige Inländerdiskriminierung vorliegt:
In Österreich darf ein Ausländer, der rein innerstaatlich überlassen wird, nur beschäftigt werden, wenn die in §28 Abs1 Z1 lita AuslBG taxativ aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind: Konkret muss für die betreffende Person eine Beschäftigungsbewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden sein oder sie muss eine für diese Beschäftigung gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte", "Blaue Karte EU", Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("ICT"), Aufenthaltsbewilligung als mobiler unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer ("mobile ICT"), Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft" mit Zugang zum Arbeitsmarkt oder "Niederlassungsbewilligung - Künstler" oder eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", eine "Aufenthaltsberechtigung plus", einen Befreiungsschein oder einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" oder "Daueraufenthalt - EU" besitzen.
Bei Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitskräfteüberlassung im Inland liegt also typischerweise ein dauerhafter Aufenthalt und eine Eingliederung von Drittstaatsangehörigen in den österreichischen Arbeitsmarkt vor. Dementsprechend sind ihr in aller Regel umfassende behördliche Prüfungen vorgeschaltet: Drittstaatsangehörige dürfen entweder nur nach Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung überlassen werden, im Rahmen derer insbesondere geprüft wird, ob Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zulassen (Arbeitsmarktprüfung) und ob wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen oder die Drittstaatsangehörigen verfügen über eines der genannten Aufenthaltsrechte, bei deren Erteilung das AMS regelmäßig eingebunden ist: so etwa bei den Aufenthaltstiteln "Rot-Weiß-Rot - Karte", "Blaue Karte EU", "Niederlassungsbewilligung - Künstler", "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" oder bei der Aufenthaltsbewilligung für (mobile) ICT samt Familienangehörige. Der Gesetzgeber hat sohin strenge Voraussetzungen für den innerstaatlichen Zugang Drittstaatsangehöriger zum österreichischen Arbeitsmarkt geschaffen.
Demgegenüber gelten für die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung keine derartigen Anforderungen: So ist nach den in §18 Abs12 AuslBG festgelegten Erfordernissen gerade keine Beschäftigungsbewilligung erforderlich. Vielmehr hat der Überlasser die Beschäftigung von nach Österreich überlassenen Arbeitnehmern zu melden, woraufhin das AMS bei Vorliegen aller Voraussetzungen eine EU-Überlassungsbestätigung ausstellt; liegen die Voraussetzungen nicht vor, wird die Überlassung untersagt. Die Regelung trägt der Rsp des EuGH Rechnung, wonach die Dienstleistungsfreiheit auch verlangt, dass Drittstaatsangehörige von einem Mitgliedstaat in einen anderen überlassen werden dürfen, ohne dass hiefür eine Beschäftigungsbewilligung eingeholt werden muss. Gleichwohl wird den Mitgliedstaaten eingeräumt, sich zu vergewissern, dass die Arbeitnehmer im Sitzstaat legal aufhältig, arbeitsberechtigt und sozial abgesichert sind. Österreich bleibt es daher verwehrt, eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung unter den Vorbehalt einer Arbeitsmarktprüfung zu stellen; es darf lediglich sicherstellen, dass die betreffenden drittstaatsangehörigen Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, von dem aus sie überlassen werden, über eine Arbeitserlaubnis verfügen. Demgemäß ist die EU-Überlassungsbestätigung nach §18 Abs12 AuslBG auszustellen, wenn die überlassenen Arbeitnehmer in dem jeweiligen Mitgliedstaat, von dem aus sie nach Österreich überlassen werden, über die Dauer der Überlassung hinaus zur Beschäftigung zugelassen sind, die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden und kein Untersagungsgrund gemäß §18 Abs1 AÜG vorliegt. Unbeschadet der Verpflichtung zur Meldung der Überlassung gemäß §19 LSD-BG sowie sonstiger Pflichten nach dem AÜG darf die Beschäftigung bei Vorliegen der Voraussetzungen auch ohne EU-Überlassungsbestätigung begonnen werden. Die EU-Überlassungsbestätigung hat daher im Gegensatz zur konstitutiven Beschäftigungsbewilligung gemäß §4 AuslBG eine rein deklarative Wirkung. Strafbar macht sich der inländische Beschäftiger nur, sofern keine EU-Überlassungsbestätigung für die überlassenen Arbeitnehmer ausgestellt wurde und die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Bestätigung auch nicht vorliegen.
Zwar gebietet die Dienstleistungsfreiheit, dass eine Prüfung der heimischen Arbeitsmarktlage bei grenzüberschreitend überlassenen Drittstaatsangehörigen zu unterbleiben hat, sofern diese im Mitgliedstaat, von dem aus sie nach Österreich überlassen werden, über einen legalen Arbeitsmarktzugang verfügen. Es bleibt dem Gesetzgeber jedoch unbenommen, die rein innerstaatliche Beschäftigung Drittstaatsangehöriger - gleichgültig, ob in direkter Anstellung oder im Wege der Arbeitskräfteüberlassung - unter strengere Voraussetzungen zu stellen, um einen funktionierenden Arbeitsmarkt und die dafür erforderliche Begrenzung der Beschäftigung Drittstaatsangehöriger zu gewährleisten. Rein inländische Arbeitskräfteüberlassungen und jene aus dem Unionsgebiet bzw dem EWR betreffen unterschiedliche Personenkreise und Sachverhalte, für die der Gesetzgeber unterschiedliche Regelungsregime geschaffen hat. Insofern bestehen auch keine gleichheitsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die unterschiedliche Bemessung der Strafhöhe, zumal die verschiedenen Verwaltungsübertretungen - den divergierenden Regelungsregimen entsprechend - einen unterschiedlichen Unrechtsgehalt aufweisen.
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung, Inländerdiskriminierung, Arbeitskräfteüberlassung, Strafe (Verwaltungsstrafrecht), Geldstrafe, Dienstleistungsfreiheit, EU-Recht, Rechtspolitik, VfGH / GerichtsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G123.2021Zuletzt aktualisiert am
23.12.2021