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31/05 Förderungen, Zuschüsse, FondsNorm
B-VG Art18Leitsatz
Abweisung eines Drittelantrags von Abgeordneten des Nationalrats auf Aufhebung von Bestimmungen des COVID-19-FörderungsprüfungsG, ABBAG-G, COVID-19-WohlverhaltungsG, BGG 2021, BilanzbuchhalterG und WirtschaftstreuhandberufsG betreffend die – nicht hoheitliche – Leistung und Überprüfung von COVID-19-Hilfen durch die COFAG; weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der – unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes und sachlicher Kriterien – Gewährung finanzieller Maßnahmen; Regelungsgegenstand der privatrechtsförmigen Förderungsgewährung durch klare Zielsetzungen – ua Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten, steuerliches Wohlverhalten, Unternehmenssitz in Österreich, Auskunfts- und Einsichtsrechte des Bundes – hinreichend determiniert; ausreichender Rechtsschutz der begünstigten Unternehmen durch Möglichkeit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Förderungsleistungen vor den ordentlichen Gerichten; keine "Rollenvermischung" im Hinblick auf die Tätigkeit des Finanzamts als Gutachter einer- und als Abgabenbehörde andererseitsRechtssatz
Keine Gesetzwidrigkeit des §1 Z1, §6, §7, §8 und §8b Abs1 dritter Satz COVID-19-FörderungsprüfungsG (CFPG) sowie des §2 Abs1 Z3, §2 Abs2 Z7, §2 Abs5, §2 Abs7, §3a, §3b, §6a Abs2, §6b und §6c ABBAG-Gesetz, des Bundesgesetzes, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden, BGBl I 11/2021 (COVID-19-WohlverhaltensG), des ArtVI Z5 BFG 2021, des §2 Abs1 Z4 BilanzbuchhaltungsG (BiBuG 2014) sowie des §2 Abs1 Z4 WirtschaftstreuhandberufsG (WTBG 2017).
Für den VfGH besteht kein Zweifel, dass §1 Z1, §7, §8 und §8b Abs1 dritter Satz CFPG in einem Zusammenhang mit §6 CFPG stehen. Zulässigkeit der Anfechtung des §3b Abs3 ABBAG-Gesetz betreffend die Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen zur Erlassung von (Richtlinien in Form von) Verordnungen. Im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung des Bestimmtheitsgebots gemäß Art18 Abs2 B-VG besteht ein Zusammenhang von §2 Abs1 Z3, §2 Abs2 Z7, §2 Abs5, §2 Abs7, §3a, §3b Abs1, 2 und 4, §6a Abs2, §6b und §6c ABBAG-Gesetz mit §3b Abs3 ABBAG-Gesetz. Dabei ist hinsichtlich §2 Abs5, §2 Abs7, §3a, §6b und §6c ABBAG-Gesetz der vom VfGH geforderte (bloße) Zusammenhang mit §3b Abs3 ABBAG-Gesetz darin zu sehen, dass diese Regelungen für die Handhabung der Kriterien des §3b Abs3 ABBAG-Gesetz im Rahmen der Verordnungserlassung möglicherweise mitheranzuziehen sind. Ein (offenkundiger) Zusammenhang besteht ferner zwischen §3b Abs3 ABBAG-Gesetz und dem COVID-19-WohlverhaltensG. Da sämtliche Bestimmungen dieses Gesetzes insoweit in einem untrennbaren Zusammenhang stehen, als sämtliche Bestimmungen des Gesetzes Grundlage für die zu erlassenden Verordnungen sein können, ist - ausnahmsweise - die (Mit-)Anfechtung des gesamten Gesetzes zulässig. Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des ArtVI Z5 BFG 2021: Obwohl diese Bestimmung eine haushaltsrechtliche Regelung enthält, der im Allgemeinen keine Außenwirkung zukommt, ist bei einem auf Art140 Abs1 Z2 B-VG gestützten Antrag und im Hinblick auf die von den Antragstellern dargelegten Bedenken nicht auszuschließen, dass diese (mit)angefochtene Bestimmung in einem Zusammenhang mit der Ermächtigung des Bundesministers für Finanzen zur Erlassung von Verordnungen gemäß §3b Abs3 ABBAG-Gesetz steht. Im Übrigen: Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des §124b Z438 litc EStG 1988 mangels Zusammenhangs mit §3b Abs3 ABBAG-Gesetz. Unzulässigkeit der Anfechtung des §2 Abs2 Z7a BiBuG 2014 (BGBl I 97/2020), weil diese Bestimmung gemäß §68 Abs3 BiBuG 2014 am 31.08.2021 außer Kraft getreten ist. Unzulässigkeit des Antrags auf Aufhebung des COVID-19-FörderungsprüfungsG zur Gänze mangels konkretem Vorbringen gegen die einzelnen (mit)angefochtenen Bestimmungen bzw Darlegung eines konkreten Regelungszusammenhangs. Keine Legitimation der Antragsteller zur Anfechtung der Verordnungen des Bundesministers für Finanzen auf Grundlage des Art140 Abs1 Z2 B-VG oder einer anderen Verfassungsbestimmung.
Kein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip durch §3b Abs3 ABBAG-Gesetz:
Für den VfGH besteht kein Zweifel, dass die Gewährung von Förderungen nach dem ABBAG-Gesetz nicht hoheitlich erfolgt. Das ABBAG-Gesetz sieht nicht vor, dass die Entscheidung über die Gewährung der einzelnen Förderungen mittels Bescheid zu treffen ist.
Dem Gesetzgeber ist bei staatlichen Beihilfen, selbst wenn sie hoheitlich gewährt werden, sowie bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und daran knüpfender, hoheitlich gewährter Maßnahmen generell ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet. Im Hinblick darauf und auf den Umstand, dass bei finanziellen Maßnahmen zur Abfederung negativer wirtschaftlicher Auswirkungen der COVID-19-Pandemie oftmals rasches Handeln und flexible Anpassungen erforderlich sein werden, ist es unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber der Vollziehung nach dem ABBAG-Gesetz entsprechende Spielräume bei der Gewährung der unterschiedlichen finanziellen Maßnahmen nach §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz einräumt.
Aus §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz folgt die klare Zielsetzung der Erbringung von Dienstleistungen und Ergreifung finanzieller Maßnahmen durch die COFAG, nämlich die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten im Zusammenhang mit den durch die COVID-19-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Auswirkungen für Unternehmen. Dienstleistungen und finanzielle Leistungen dürfen gemäß §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz nur erbracht werden, soweit sie zur Erhaltung der Zahlungsfähigkeit und Überbrückung von Liquiditätsschwierigkeiten von Unternehmen "geboten sind". Gemäß §3b Abs1 ABBAG-Gesetz sind finanzielle Maßnahmen zugunsten von Unternehmen begrenzt, die ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Österreich haben und ihre wesentliche operative Tätigkeit in Österreich ausüben. Das Bundesgesetz, mit dem Förderungen des Bundes aufgrund der COVID-19-Pandemie an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden, schränkt den Kreis der Begünstigten auf solche Unternehmen ein, die sich in den fünf Jahren vor der Antragstellung bis zum Abschluss der Förderungsgewährung (Endabrechnung) steuerlich wohlverhalten haben. In §3b Abs3 Z1 bis Z5 ABBAG-Gesetz sind weitere Determinanten für die vom Bundesminister für Finanzen mit Verordnung zu erlassenden Richtlinien festgelegt. Diese Richtlinien haben Regelungen zur Festlegung des Kreises der begünstigten Unternehmen, zur Ausgestaltung und zum Verwendungszweck der finanziellen Maßnahmen, zur Höhe und Laufzeit der finanziellen Maßnahmen sowie zu Auskunfts- und Einsichtsrechten des Bundes oder eines allenfalls seitens des Bundes Bevollmächtigten zu enthalten. Bei Anwendung all dieser gesetzlichen Determinanten ist der Verordnungsgeber überdies an den Gleichheitsgrundsatz gebunden, wonach Förderungen an Unternehmen unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes und nach sachlichen Kriterien zu gewähren sind.
Keine unzulässige Vermengung hoheitlicher und privatwirtschaftlicher Tätigkeit durch §6 CFPG:
Die Finanzämter werden bei der Erfüllung der ihnen nach dem COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz auferlegten Prüfungsaufgaben nach den Vorschriften des §2 Abs2 CFPG nicht im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung, sondern im Rahmen der Hoheitsverwaltung im Dienst der konkreten Förderungsverwaltung tätig. Gegen Rechtsakte, welche die Finanzämter auf der Grundlage des §2 Abs2 CFPG iVm den darin genannten Bestimmungen der Bundesabgabenordnung setzen, steht den betroffenen Unternehmen der Rechtsweg an das Verwaltungsgericht gemäß Art130 B-VG offen. Insbesondere im Hinblick auf die Befugnis des Finanzamtes zur Nachschau in Bücher und Aufzeichnungen des zu prüfenden Unternehmens sowie auf Betretungsrechte ist davon auszugehen, dass es sich um hoheitliche Amtshandlungen handelt.
Anderes gilt für die eigentliche Prüfungstätigkeit der Finanzämter als Gutachter gemäß §§6 ff CFPG. Wie nicht zuletzt aus §2 Abs1 CFPG hervorgeht, agieren die Finanzämter bei ihren Prüfungen nach dem COVID-19-Förderungsprüfungsgesetz als Gutachter nicht in behördlicher Funktion. So ist die Erstellung des Prüfberichtes durch das Finanzamt gemäß §8 CFPG nach Überprüfung eines Unternehmens nach §6 CFPG keine behördliche Tätigkeit. An den Prüfbericht selbst knüpfen keine Rechtswirkungen für das betreffende Unternehmen, der Prüfbericht dient der COFAG (bzw der jeweiligen Förderstelle) bei der Überprüfung allfälliger Rückforderungsansprüche wegen zu Unrecht bezogener finanzieller Maßnahmen nach §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz.
Dem Staat steht es unter den ausschließlich zu Art18 B-VG geltend gemachten Bedenken dem Grundsatz nach frei, ob er sich bei der Gewährung von Förderungen hoheitlicher oder privatrechtsförmiger Mittel bedient. Art18 Abs1 B-VG verlangt nach Rsp des VfGH eine nachvollziehbare Festlegung dahingehend, ob es sich bei einem Verfahren um ein hoheitliches oder ein privatrechtliches Rechtsverhältnis handelt. Im Sinne des Art18 Abs1 B-VG bedarf es der Vorherbestimmung konkreter Rechtswirkungen sowohl, wenn der Gesetzgeber hoheitliches Verwaltungshandeln vorsehen will, als auch dann, wenn er zur Durchsetzung öffentlicher Interessen einer Einrichtung besondere privatrechtliche Befugnisse verleiht.
Den Anforderungen an einem ausreichend gesicherten Rechtsschutz gemäß dem rechtsstaatlichen Prinzip wird das Verfahren zur Überprüfung finanzieller Maßnahmen nach §§6 ff CFPG gerecht. §3b Abs2 ABBAG-Gesetz ist mit der gemäß Art18 Abs1 B-VG gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Gewährung und allfällige Rückforderung finanzieller Maßnahmen nach §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz durch die COFAG privatrechtlicher Natur ist. Den begünstigten Unternehmen ist somit Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen auf Förderungsleistungen oder mit der Rückforderung gewährter Förderungsleistungen vor den ordentlichen Gerichten eingeräumt. Soweit das Finanzamt im Rahmen der Ausübung der hoheitlichen Befugnisse nach §2 Abs2 CFPG (unter Anwendung der hoheitlichen Befugnisse nach der Bundesabgabenordnung) allenfalls Rechte verletzt, steht dem betroffenen Unternehmen - worauf auch die Bundesregierung in ihrer Äußerung zutreffend hinweist - die Möglichkeit der Maßnahmenbeschwerde nach Art130 Abs1 Z2 B-VG offen.
Die Einräumung eines eigenständigen Rechtsbehelfs gegen den Prüfbericht des Finanzamtes nach §8 CFPG ist aus rechtsstaatlichen Überlegungen nach Auffassung des VfGH nicht geboten, zumal - wie bereits ausgeführt - an den Prüfbericht als solchen keine Rechtswirkungen für das betroffene Unternehmen geknüpft werden. Eine allenfalls unzutreffende Feststellung im Prüfbericht kann das Unternehmen gegenüber der COFAG vor den ordentlichen Gerichten relevieren. Das von den Antragstellern behauptete Rechtsschutzdefizit liegt somit nicht vor.
Keine unzulässige "Rollenvermischung" im Hinblick auf die Tätigkeit des Finanzamtes als Gutachter und Abgabenbehörde:
Aus §6 Abs2 CFPG folgt, dass das Finanzamt eine Prüfung von Leistungen nach §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz "anlässlich" der Durchführung (bestimmter) abgabenbehördlicher Maßnahmen einleiten kann. Die Prüfung nach §6 CFPG erfolgt damit nicht im Rahmen der in §6 Abs2 CFPG angeführten abgabenbehördlichen Maßnahmen; lediglich aus Anlass dieser kann das Finanzamt einen Prüfauftrag einleiten und hat dies dem betroffenen Unternehmen mitzuteilen.
Bei der Prüfung gemäß §6 CFPG handelt es sich um ein von den in §6 Abs2 CFPG aufgezählten abgabenbehördlichen Maßnahmen getrenntes Verfahren. Das Finanzamt ist - anders als im Abgabenverfahren - nicht zur Entscheidung über einen allfälligen Rückforderungsanspruch wegen zu Unrecht bezogener finanzieller Leistungen nach §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz berufen.
Ungeachtet der Frage, ob Art6 EMRK in jeder in diesem Zusammenhang möglichen Verfahrenskonstellation anwendbar ist, räumen die Antragsteller selbst ein, dass es sich bei dem Verfahren zur Überprüfung finanzieller Leistungen gemäß §2 Abs2 Z7 ABBAG-Gesetz, bei dem das Finanzamt als Gutachter einen Prüfbericht erstellt, um ein vom Abgabenverfahren zu unterscheidendes, getrenntes Verfahren handelt. Insoweit liegt keine Konstellation vor, in der das Finanzamt sowohl als Gutachter als auch als Entscheidungsträger fungiert. Das Vorbringen der Antragsteller vermag die Befangenheit des Finanzamtes weder im Verfahren zur Überprüfung finanzieller Maßnahmen nach §6 CFPG noch im Abgabenverfahren zu begründen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
COVID (Corona), Förderungen, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, Rechtsschutz, Rechtspolitik, Nationalrat, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / BedenkenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:G233.2021Zuletzt aktualisiert am
10.01.2022