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E000 EU- Recht allgemeinNorm
BörseG 2018 §155 Abs1 Z2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der D Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Schuppich Sporn & Winischhofer Rechtsanwälte in 1010 Wien, Falkestraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. April 2021, Zl. W276 2232379-1/25E, betreffend Übertretung des BörseG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Finanzmarktaufsichtsbehörde wurde die revisionswerbende Partei, deren Aktien am Markt Amtlicher Handel im Marktsegment Prime Market der Wiener Börse AG sowie an der Börse Istanbul notierten, schuldig erkannt, sie habe es im Tatzeitraum vom 11. bis 12. April 2018 an ihrem Unternehmenssitz in Wien unterlassen, eine sie unmittelbar betreffende Insiderinformation, und zwar den Gewinn der internationalen Ausschreibung betreffend die Erbringung von Cateringleistungen für ein näher genanntes Luftfahrtunternehmen ab 1. Jänner 2019 für die Dauer von drei Jahren, so bald wie möglich ab 11. April 2018, 15:30 Uhr gemäß Art. 17 Abs. 1 erster Satz der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl. L 173 vom 12. Juni 2014, Seite 1, der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Bei dieser Information habe es sich um eine öffentlich nicht bekannte, präzise Information gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a Marktmissbrauchsverordnung gehandelt, die direkt die revisionswerbende Partei betroffen habe und die - wäre sie öffentlich bekannt geworden - geeignet gewesen wäre, den Kurs der Aktien der revisionswerbenden Partei erheblich zu beeinflussen. Erst am 12. April 2018 um 8:27 Uhr - und somit nicht so bald wie möglich - sei die genannte Information mit Ad-hoc-Mitteilung veröffentlicht worden. Das im Tatzeitraum zur Vertretung der revisionswerbenden Partei nach außen berufene Vorstandsmitglied M. habe selbst gegen die angeführte Verpflichtung verstoßen und durch mangelnde Überwachung und Kontrolle die Begehung des genannten Verstoßes ermöglicht. Dies werde der revisionswerbenden Partei zugerechnet.
2 Die revisionswerbende Partei habe dadurch Art. 17 Abs. 1 Marktmissbrauchsverordnung iVm. § 155 Abs. 1 Z 2 iVm. § 156 BörseG verletzt und es wurde über sie wegen dieser Übertretung gemäß § 156 Abs. 3 Z 2 iVm. § 156 Abs. 4 BörseG eine Geldstrafe in der Höhe von € 318.000,-- verhängt. Ferner wurde sie zur Zahlung von € 31.800,-- als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht als unbegründet ab, es verhielt die revisionswerbende Partei zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
4 Das Verwaltungsgericht stellte u.a. fest, die revisionswerbende Partei sei seit 1987 Caterer der Boeing-Flotte des in Rede stehenden Luftfahrtunternehmens und seit 2007 von deren gesamter Flotte. Die revisionswerbende Partei habe sich im Jahr 2016 an der Ausschreibung für die Erbringung der Cateringleistungen des genannten Unternehmens in Österreich für den Zeitraum ab 1. Jänner 2019 beteiligt, wobei der Inhalt der ausgeschriebenen Leistungen während des Ausschreibungsverfahrens hinsichtlich Umfang der zu vergebenden Cateringleistungen, die fixe Laufzeit, mögliche Verlängerungsmodalitäten und -optionen mehrfach geändert worden seien. Die revisionswerbende Partei habe verschiedene Varianten angeboten. Dem weltweit zweitgrößten Airlinecaterer L. der zum selben Konzern wie das Luftfahrtunternehmen gehöre, sei eine Option dergestalt eingeräumt worden, dass er den Zuschlag zu den Bedingungen eines besser gereihten Konkurrenten erlangen könne. Der Erhalt des Zuschlags im gegenständlichen Ausschreibungsverfahren habe für die revisionswerbende Partei eine erhebliche wirtschaftliche Rolle gespielt. Bereits im Jänner 2018 habe die revisionswerbende Partei eine aus ihrer Sicht positive und eine negative Version einer Ad-hoc-Meldung betreffend Ausgang des Ausschreibungsverfahrens vorbereitet. Wäre im April 2018 bekannt geworden, dass der Auftrag des in Rede stehenden Luftfahrtunternehmens verloren ginge, wäre das für die revisionswerbende Partei sehr desaströs gewesen und hätte zu einem massiven Stellenabbau bei dieser geführt. Am 11. April 2018 um 15:30 Uhr habe der im Konzern des Luftfahrtunternehmens für die Beschaffung zuständige Zeuge C. dem Vorstandsmitglied M. von der revisionswerbenden Partei telefonisch mitgeteilt, dass diese die Ausschreibung gewonnen habe, der Zuschlag alle drei Module erfasse und die oben genannte Option des L. nicht ausgeübt werde.
5 Rechtlich sah darin das Verwaltungsgericht eine hinreichend präzise veröffentlichungspflichtige Information, weil der Zuschlag bereits erteilt worden sei und dieser schon wegen der Fortsetzung einer jahrzehntelangen Geschäftsbeziehung kursrelevant für die Aktien der revisionswerbenden Partei gewesen sei. Mit Blick auf die bereits im Jänner 2018 konzipierten Ad-hoc-Meldungen erschien dem Verwaltungsgericht der Zeitraum von einer Stunde für die Veröffentlichung an beiden Standorten als angemessen, wobei es eine Übersetzung ins Türkische für entbehrlich hielt. Die tatsächlich verstrichene Zeit von rund 17 Stunden sei nicht gerechtfertigt und die Insiderinformation nicht so bald wie möglich bekannt gegeben worden. Damit - und darüber hinaus wegen weiterer hier nicht relevanter Alternativbegründungen - habe die revisionswerbende Partei die Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 Marktmissbrauchsverordnung verletzt.
6 Dagegen erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 22. September 2021, E 2170/2021-12, ablehnte, und sie erhob parallel die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe keinerlei Judikatur zu näher genannten „urteilserheblichen Rechtsfragen“ zitiert.
11 Dem ist schon das angefochtene Erkenntnis entgegen zu halten, in dem die rechtlichen Ableitungen nicht nur mit Literaturangaben, sondern auch mit Rechtsprechungszitaten belegt werden. Darüber hinaus wäre eine Revision nur dann zulässig, wenn das angefochtene Erkenntnis zu konkret aufgezeigten Rechtsfragen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, solche tatsächlich fehlt oder uneinheitlich ist.
12 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Rechtsfragen formuliert, ob die inhaltsgleiche Verlängerung eines seit Jahrzehnten bestehenden Vertragsverhältnisses um weitere drei Jahre eine veröffentlichungspflichtige Information darstelle, und ob für die sich mit zahlreichen Angebotsvarianten beteiligende revisionswerbende Partei eine Information als präzise anzusehen sei, wenn die Wahl der konkreten Angebotsvariante in Bezug auf Vertragsumfang, Laufzeit, Verlängerungsmöglichkeit und Entscheidung des vertretungsbefugten Organs unklar oder unsicher sei, zeigt sie nicht auf, inwiefern das Verwaltungsgericht in der Beurteilung der Nachricht über die Erteilung des Zuschlags als eine veröffentlichungspflichtige präzise Information von der im angefochtenen Erkenntnis zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. zu deren Relevanz etwa VwGH 17.12.2019, Ro 2019/01/0012 bis 0013, mwN) und des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.
13 Von den weiteren in diesem Zusammenhang genannten Rechtsfragen, ob der revisionswerbenden Partei, deren Aktien an zwei Börsestandorten notieren, ein angemessener Zeitaufwand zuzugestehen sei, beide Aktienmärkte zu gleichen Bedingungen zu informieren, und ob sie die Verpflichtung treffe, zahlreiche Varianten einer Ad-hoc-Mitteilung in mehreren Sprachen vorzubereiten, hängt die Revision nicht ab, weil nicht bezogen auf den konkret festgestellten Sachverhalt aufgezeigt wird, welche zusätzliche Maßnahmen einen zusätzlichen Zeitbedarf erfordert hätten. Im angefochtenen Erkenntnis wird primär davon ausgegangen, dass allein schon der Umstand des Zuschlags - unabhängig von der Laufzeit - wegen der Fortsetzung der laufenden Geschäftsbeziehung präzise sowie kursrelevant und damit veröffentlichungspflichtig war, sodass die Bekanntgabe verschieden langer Vertragslaufzeiten nicht erforderlich war. Darüber hinaus legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde, dass eine Veröffentlichung in einer in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache, sohin auf Englisch, ausreichend sei, weshalb es auf die für die Übersetzung ins Türkische erforderliche Zeit, die von der revisionswerbenden Partei in dem Zusammenhang offenbar intendiert wird, nicht mehr ankommt.
14 Weiters macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 29.4.2014, 2012/17/0554 bis 0555, und auf VwGH 20.4.2016, Ra 2015/02/0152) geltend, nach der bei zahlreich angebotenen Vertragsvarianten für das Vorliegen einer präzisen veröffentlichungspflichtigen Information geklärt sein müsse, dass und in welcher Weise das Projekt tatsächlich durchgeführt werde, und die wesentlichen Vertragsbedingungen präzisiert sein müssten. Davon weiche das angefochtene Erkenntnis begründungslos ab, indem es ohne Vorliegen der genannten Voraussetzungen eine präzise zu veröffentlichende Insiderinformation annehme und von der revisionswerbenden Partei vor Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit einer außerhalb ihrer Sphäre entstehenden Information eine Vorbereitung von zahlreichen Ad-hoc-Mitteilungsentwürfen verlange.
15 Auch bei diesem Vorbringen kommt es wegen der vom Verwaltungsgericht angenommenen Kursrelevanz allein der Zuschlagserteilung nicht mehr auf verschiedene Laufzeiten der Cateringleistungen an. Darüber hinaus liegen den zitierten Erkenntnissen andere Sachverhalte, nämlich ein interner Vorstandsbeschluss zur Prüfung eines Mergers und ein Memorandum of Understanding mit einem anderen Unternehmen für einen Asset Swap zu Grunde, die schon deshalb nicht mit der hier vorliegenden Zuschlagserteilung vergleichbar sind. Das angefochtene Erkenntnis steht mit der genannten Judikatur im Einklang, als es eine präzise Insiderinformation daran maß, dass das Ereignis der Zuschlagserteilung bereits eingetreten ist und es somit auf die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht mehr ankommt. Es beurteilte die Information auch als spezifisch genug, um einen Schluss auf die mögliche Auswirkung auf den Kurs der Aktien der revisionswerbenden Partei zuzulassen (vgl. die schon zitierten Erkenntnisse vom 20. April 2016, Rz 23, und vom 29. April 2014, Punkt 2.3 unter Hinweis auf EuGH 28.6.2012, Geltl, C-19/11).
16 Insofern schließlich die revisionswerbenden Partei in ihrer Zulässigkeitsbegründung zur Beweiswürdigung und zu Verfahrensmängeln schlicht auf Ausführungen zu den Revisionsgründen verweist, ist festzuhalten, dass gemäß der hg. Rechtsprechung die Gründe für die Revisionszulässigkeit gesondert anzuführen sind und ein Verweis auf sonstige Revisionsausführungen nicht genügt. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.11.2018, Ra 2018/02/0283, mwN).
17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Damit erübrigt sich auch eine nähere Begründung (vgl. EuGH 6.10.2021, Consorzio Italian Management, C-561/19, Rz 51 und 61) für ein Absehen von der Vorlage der von der revisionswerbenden Partei zur Vorabentscheidung angeregten Fragen, die darüber hinaus vom festgestellten Sachverhalt im angefochtenen Erkenntnis abweichen. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 29. November 2021
Gerichtsentscheidung
EuGH 62011CJ0019 Geltl VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021020135.L00Im RIS seit
23.12.2021Zuletzt aktualisiert am
10.01.2022