TE Vwgh Beschluss 1996/10/24 96/20/0598

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Veröffentlicht am 24.10.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §19 Abs3;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, in der Beschwerdesache des V in M, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen die Erledigung des Bundesministers für Inneres vom 27. März 1996, Zl. 4.321.926/6-III/13/96, betreffend Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Vietnams, reiste am 19. August 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 28. August 1991 Asyl. Mit Bescheid vom 18. September 1991 verneinte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers. Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 30. März 1994, Zl. 4.321.926/2-III/13/91, ab. Begründend führte sie aus, gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 sei das Verfahren nach diesem Gesetz zu Ende zu führen. Der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991. Gemäß § 3 dieses Gesetzes habe ihm daher nicht Asyl gewährt werden können. Dieser Bescheid wurde am 14. April 1994 durch Hinterlegung an der Adresse in W, G-Straße 39/303, wo der Beschwerdeführer seit 1992 gemeldet war, zugestellt.

Am 24. Mai 1994 meldete sich der Beschwerdeführer von dieser Adresse nach "K, näheres nicht bekannt" ab. Am 26. Mai 1994 meldete er der Stadtgemeinde M, Bezirk K, seinen ordentlichen Wohnsitz in M, N-Gasse 3, und zwar unter "gleichzeitiger Aufgabe" des "bisherigen ordentlichen Wohnsitzes" in W, G-Straße 39. Den Asylbehörden gab er diesen Wohnsitzwechsel nicht bekannt.

Im August 1994 erhob der Beschwerdeführer durch einen für ihn bestellten Verfahrenshelfer eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 30. März 1994. Auf Seite 1 der Beschwerde war die Adresse des Beschwerdeführers mit W, G-Straße 39/303, angegeben. Der Beschwerde lagen (auch in der Ausfertigung, die der belangten Behörde zugestellt wurde) jedoch ein Schreiben vom 31. Mai 1994, adressiert an den Beschwerdeführer in M, und eine Beschäftigungsbewilligung für den Beschwerdeführer für die Zeit vom 18. Mai 1994 bis zum 17. November 1994 bei, die am 18. Mai 1994 vom Arbeitsamt K erteilt worden war und den N-Hof in M als Arbeitgeber des Beschwerdeführers nannte.

Am 27. März 1995 meldete der Beschwerdeführer der Stadtgemeinde M die Verlegung seines ordentlichen Wohnsitzes von der N-Gasse 3 an eine andere Adresse in M, wo er seither gemeldet ist. Auch diesen Wohnsitzwechsel teilte der Beschwerdeführer den Asylbehörden nicht mit.

Im April 1995 wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/20/0605, mit dem der Berufungsbescheid vom 30. März 1994 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (infolge Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof) aufgehoben wurde, der belangten Behörde und dem Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers zugestellt.

Vor der Abfertigung der Erledigung vom 27. März 1996 führte die belangte Behörde - nach dem darüber angelegten Aktenvermerk vom 26. März 1996 - telefonische Erhebungen durch: Sie holte eine Auskunft des Verfahrenshelfers ein, der den Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten hatte, und brachte dadurch in Erfahrung, daß dieser den Beschwerdeführer im Asylverfahren nicht vertrete. Weiters erhob sie telefonisch, daß sich der Beschwerdeführer von seiner Adresse in W am 24. Mai 1994 nach "K, näheres unbekannt" abgemeldet hatte. Inhalt des Aktenvermerkes ist schließlich noch, daß der "Magistrat der Stadt K, Meldeamt, sowie das fremdenpolizeiliche Referat, Herr S," auf telefonische Anfrage mitgeteilt hätten, "daß d. a. keine Vormerkungen" über den Beschwerdeführer bestünden.

Auf der Grundlage dieser Auskünfte verfügte die belangte Behörde die Hinterlegung der Erledigung vom 27. März 1996 sowohl an der früheren Anschrift des Beschwerdeführers in W (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz; Beginn der Abholfrist:

3. April 1996) als auch bei der belangten Behörde selbst (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991; Beginn der Abholfrist: 1. April 1996). Eine Behebung einer dieser Bescheidausfertigungen durch den Beschwerdeführer erfolgte nicht.

In der am 19. August 1996 zur Post gegebenen Beschwerde beruft sich der Beschwerdeführer auf die dargestellten, durch der Beschwerde angeschlossene Kopien belegten Meldevorgänge und darauf, daß er seit Juli 1995 in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis zu einem Arbeitgeber in D stehe und bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Bezirksstelle K, angemeldet sei, was gleichfalls durch eine der Beschwerde angeschlossene Kopie bescheinigt ist. Der Beschwerdeführer vertritt dazu die Ansicht, daß sein "tatsächlicher Aufenthalt" für die belangte Behörde leicht in Erfahrung zu bringen gewesen wäre und die von der belangten Behörde verfügten Zustellungen durch Hinterlegung daher nicht wirksam gewesen seien. Die Beschwerdefrist bemesse der Beschwerdeführer ab dem 8. Juli 1996, weil ihm an diesem Tag von der Bezirkshauptmannschaft K "eine Kopie des Bescheides ausgehändigt" worden sei. Den Wohnsitzwechsel von Mai 1994 habe er den Asylbehörden nicht gemeldet, weil er irrtümlich davon ausgegangen sei, die Angelegenheit (gemeint offenbar: das Asylverfahren) sei durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1995 "erledigt" gewesen.

Die belangte Behörde hat auf Anforderung des Berichters für die Überprüfung der Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit der Beschwerde ihre Akten zur Verfügung gestellt, aus denen sich der Gang des Asylverfahrens, die vor der Abfertigung der Erledigung gepflogenen Erhebungen und die zweifache Hinterlegung ergeben. Teil der vorgelegten Akten ist auch die Beschwerde gegen den Berufungsbescheid vom 30. März 1994 mit ihren erwähnten Beilagen.

Nach § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz).

Nach § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991 findet § 8 Abs. 2 Zustellgesetz "mit der Maßgabe Anwendung, daß ohne vorhergehenden Zustellversuch die Hinterlegung bei der Behörde selbst erfolgt".

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz (in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Asylgesetz 1991) zu Unrecht bejaht. Die im (insgesamt nicht umfangreichen) Akt der belangten Behörde erliegenden, sich auf die Zeit unmittelbar nach der Abmeldung "nach K" beziehenden Urkunden, die sowohl auf einen Arbeitsplatz als auch auf einen Wohnsitz des Beschwerdeführers in M (Bezirk K) hindeuteten, hätten nämlich Anlaß dazu gegeben, eine Meldeauskunft der Stadtgemeinde M einzuholen. Durch die Einholung einer derartigen Meldeauskunft hätte die belangte Behörde ohne Schwierigkeiten (§ 8 Abs. 2 Zustellgesetz) eine Abgabestelle des Beschwerdeführers feststellen können. Mit den vorgenommenen Hinterlegungen wurde der angefochtene "Bescheid" daher nicht wirksam erlassen.

Dadurch, daß der Beschwerdeführer später - von dritter Seite - eine "Kopie" der Erledigung erhielt, wurde der Zustellmangel nicht geheilt.

Da ein rechtswirksam erlassener Bescheid somit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996200598.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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