Entscheidungsdatum
04.11.2021Norm
GewO 1994 §14Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin HR Mag. Marihart über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 29. Juli 2021, Zl. ***, betreffend Feststellung des Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des freien Gewerbes „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hierbei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“, sowie Untersagung der Gewerbeausübung, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Frau A (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat am 21.07.2021 das freie Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nicht alkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hierbei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden“ beim Magistrat der Stadt St. Pölten (im Folgenden: belangte Behörde) angemeldet. Mit der gegenständlichen Anmeldung wurde unter anderem seitens der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsberechtigungskarte vorgelegt. Auf der Aufenthaltsberechtigungskarte befindet sich der Vermerk „gültig gemäß EKIS“.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 22. Juli 2021 wurde die Aufenthaltsbehörde für Fremdenwesen und Asyl um Mitteilung ersucht, ob die Beschwerdeführerin zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei.
Mit Schreiben der Aufenthaltsbehörde vom 23. Juli 2021 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass mit Bescheid des BFA vom 11. April 2017, Zl. ***, der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 das Asylgesetz abgewiesen und ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt worden sei. Unter einem sei eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt worden, dass eine Abschiebung nach Marokko zulässig sei.
In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. Juli 2021 und stellte fest, dass die gesetzliche Voraussetzung für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes nicht vorliegen und untersagte die Ausübung dieses Gewerbes.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben und im Wesentlichen dazu ausgeführt, dass die Aufenthaltskarte aus dem Jahr 2015 stammen müsste. Und der Beschwerdeführerin je eine Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltsberechtigung Plus zustehe, zumal die Voraussetzungen der §§ 55 und 56 Asylgesetz erfüllt seien. Abschließend wurde die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Mit Schreiben der belangten Behörde vom 13. September 2021 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt sowie die Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde übermittelten unbedenklichen Verwaltungsakt zur Zl. ***, sowie von Amts wegen eine Abfrage im zentralen Fremdenregister durchgeführt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geht von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen aus:
Die Beschwerdeführerin ist marokkanische Staatsangehörige und war zuletzt wohnhaft in ***, ***, ***.
Der Beschwerdeführerin wurde am 15. September 2015 eine Aufenthaltsberechtigungskarte Weiß ausgestellt.
In der Folge wurden die Anträge der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz mit Bescheid des BFA vom 11. April 2017, Zl. *** als unbegründet abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. In einem wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Diese Bescheide erwuchsen am 28. April 2021 in Rechtskraft Die Frist zur freiwilligen Ausreise endete am 12. Mai 2021. Zur Durchsetzung und Effektuierung der Ausreiseentscheidung wurde mit Bescheid des BFA zu Zl. ***, eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG erteilt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht hat der dagegen erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Aufenthaltsberechtigungskarte ist ungültig. Die Beschwerdeführerin ist aktuell nicht mehr im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels.
Die Beschwerdeführerin verfügte weder im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 21.07.2021 noch aktuell über einen gültigen Aufenthaltstitel.
Die Zustellung des nunmehr angefochtenen Bescheides wurde an die Beschwerdeführerin zu eigenen Handen (RSa) verfügt. Der Beschwerdeführerin ist dieser Bescheid erst am 06.08.2021 tatsächlich zugekommen.
Beweiswürdigung:
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des unbedenklichen Inhaltes des von der belangten Behörde übermittelten Verwaltungsaktes zur Zl. *** sowie aufgrund der Einsichtnahme in das aktuelle zentrale Fremdenregister. Weiters wurde betreffend die rechtzeitige Erhebung der gegenständlichen Beschwerde ein Ermittlungsverfahren seitens des Gerichtes durchgeführt und konnte die Beschwerdeführerin glaubhaft – durch Vorlage einer Unterschriftenprobe (nämlich die mit 04.08.2021 datierte Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsanwalts sowie eine mit 16.Juli 2021 datierte Zustimmungserklärung der Beschwerdeführerin), aus welchen sich ergibt, dass sich die dort ausgewiesenen Unterschriften der Beschwerdeführerin eindeutig von dem auf dem RSa-Rückschein ausgewiesenen nicht lesbaren Namenskürzel unterscheiden, darlegen, dass ihr der Bescheid erst am 06.08.2021 tatsächlich zugekommen ist.
Rechtslage:
Folgende rechtliche Bestimmungen sind im gegenständlichen Verfahren von Relevanz:
(1) Ausländische natürliche Personen dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist. Angehörige von Staaten, mit denen kein derartiger Staatsvertrag abgeschlossen wurde, Personen, denen Asyl gewährt wird, oder Staatenlose dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen. Für Drittstaatsangehörige, die noch nicht rechtmäßig aufhältig sind (Erstantragsteller) und in Österreich ein Gewerbe ausüben wollen, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit zulässt, zur rechtmäßigen Ausübung dieses Gewerbes erforderlich.
§ 340 Abs. 1 und 3 GewO:
(1) Auf Grund der Anmeldung des Gewerbes (§ 339 Abs. 1) hat die Behörde zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes durch den Anmelder in dem betreffenden Standort vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes vor und hat die Anmeldung nicht ein in Abs. 2 genanntes Gewerbe zum Gegenstand, so hat die Behörde den Anmelder längstens binnen drei Monaten in das GISA einzutragen und durch Übermittlung eines Auszugs aus dem GISA von der Eintragung zu verständigen. Ist im Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung ein Verfahren über eine erforderliche Nachsicht, eine Anerkennung gemäß § 373c oder eine Gleichhaltung gemäß § 373d oder § 373e anhängig, so hat die Behörde die innerhalb der im zweiten Satz festgelegten dreimonatigen Frist rechtskräftig erteilte Nachsicht, Anerkennung oder Gleichhaltung zu berücksichtigen. Als Tag der Gewerbeanmeldung gilt jener Tag, an welchem alle erforderlichen Nachweise (§ 339 Abs. 3) bei der Behörde eingelangt sind und die allenfalls erforderliche Feststellung der individuellen Befähigung gemäß § 19, eine erforderliche Nachsicht, eine Anerkennung gemäß § 373c oder eine Gleichhaltung gemäß § 373d oder § 373e rechtswirksam erfolgt ist. Als Mangel der gesetzlichen Voraussetzungen gilt auch, wenn der Firmenwortlaut im Hinblick auf den Inhalt des Gewerbes eine erhebliche Irreführung bedeuten würde.
(3) Liegen die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht vor, so hat die Behörde unbeschadet eines Verfahrens nach § 366 Abs. 1 Z 1 dies mit Bescheid festzustellen und die Ausübung des Gewerbes zu untersagen.
Erwägungen:
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zu eigenen Handen (RSa) zugestellt. Die zu eigenen Handen zugestellte Dokumente dürfen nicht an Ersatzempfänger zugestellt werden. Die Zustellung des angefochtenen Bescheides an die Beschwerdeführerin erfolgte somit am 06.08.2021 durch tatsächliches Zukommen. Die am 02.09.2021 erhobenen Beschwerde ist somit rechtzeitig.
Gemäß § 14 Abs. 1 GewO 1994 dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, ausländische natürliche Personen Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn dies in Staatsverträgen festgelegt worden ist. Angehörige von Staaten, mit denen kein derartiger Staatsvertrag abgeschlossen wurde, Personen, denen Asyl gewährt wird, oder Staatenlose dürfen, sofern dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, Gewerbe wie Inländer ausüben, wenn sie sich nach den für sie in Betracht kommenden Rechtsvorschriften zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits in Österreich aufhalten dürfen.
Für Drittstaatsangehörige, die noch nicht rechtmäßig aufhältig sind (Erstanatragsteller), und in Österreich ein Gewerbe ausüben wollen, ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit zulässt, zur rechtmäßigen Ausübung dieses Gewerbes erforderlich.
Asylwerber zählen nicht zu den in § 14 Abs. 1 zweiter Satz GewO genannten „Personen, denen Asyl gewährt wird“ und sind daher nach dieser Bestimmung nicht gewerberechtsfähig. § 7 Abs. 2 Grundversorgungsgesetz – Bund (GVG-B) sieht jedoch als lex specialis zu § 14 vor, dass die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit durch Asylwerber (nur) in den ersten drei Monaten nach Einbringung des Asylantrags unzulässig ist. Daraus folgt, dass Asylwerber ab Beginn des vierten Monats nach Einbringung eines Asylantrags gewerberechtsfähig sind (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO3, § 14 Rz. 9).
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich im Hinblick auf die oben getroffenen Feststellungen um keinen „Asylwerber“, ist doch deren Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz seit 28. April 2021 rechtskräftig beendet; dies war auch bereits zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung am 21. Juli 2021 der Fall. Auch ist die Beschwerdeführerin keine Person im Sinne des § 14 Abs. 1 zweiter Satz GewO, „der Asyl gewährt wird“, weil der Asylantrag der Beschwerdeführerin – wie oben festgestellt – rechtskräftig abgewiesen und in einem eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Vor diesem Hintergrund ist auch die Aufenthaltsberechtigungskarte der Beschwerdeführerin, die dem Nachweis der Identität für Verfahren nach dem AsylG und der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet dient, mit dem Vorliegen der durchsetzbaren Entscheidung ungültig geworden (vgl. § 51 Abs. 1 und 2 AsylG).
Darüber hinaus hat das gegenständliche Verfahren ergeben, dass sich die Beschwerdeführerin weder zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung noch aktuell aufgrund eines behördlich zuerkannten Aufenthaltstitels zulässigerweise in Österreich aufhält; es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass ein neues Aufenhtaltsrecht – auf welchem Titel auch immer – erwirkt wurde (vgl. die oben getroffenen Feststellungen). Die Gewerberechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin ist daher auch nicht gemäß § 14 Abs. 1 dritter Satz GewO gegeben, weil sie als Drittstaatsangehöriger über keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verfügt. Daran vermag das Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen gemäß §§ 55 und 56 AsylG erfüllen würde, nichts zu ändern.
Da mit Marokko auch kein Staatsvertrag im Sinne des § 14 Abs. 1 GewO besteht, wonach ausländische natürliche Personen Gewerbe wie Inländer ausüben dürften, sind die in § 14 GewO für natürliche Personen vorgesehenen Gewerbeantrittsvoraussetzungen nicht erfüllt. Die Behörde hat daher zu Recht gemäß § 340 Abs. 3 GewO festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes nicht vorliegen, und zu Recht die Gewerbeausübung untersagt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt. Darüber hinaus konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und nicht strittig ist; auch konnte die Beschwerdeführerin ihren Standpunkt in der erhobenen Beschwerde ausreichend darlegen und ist sie den Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde nicht entgegengetreten. Dem Entfall der Verhandlung stehen daher auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht entgegen.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich überdies auf den klaren und eindeutigen Gesetzeswortlaut, insbesondere des § 14 GewO, stützen kann.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Gastgewerbe; Anmeldung; Gewerbeausübung; Ausländer;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1565.001.2021Zuletzt aktualisiert am
18.03.2022