Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/12/0305Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner,
1) über den Antrag des M in L, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in L, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde gemäß § 46 Abs. 1 VwGG und
2) über seine Beschwerde gegen den Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 23. Februar 1996, Zl. A3-67/1-1996, betreffend Studienbeihilfe, den Beschluß gefaßt:
Spruch
1) Dem Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 46 VwGG
NICHT STATTGEGEBEN.
2) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und dem vom Beschwerdeführer vorgelegten bekämpften Bescheid geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:
Der Beschwerdeführer inskribierte mit Beginn des Sommersemesters 1995 am Bruckner Konservatorium in Linz und beantragte mit 27. Juni 1995 hiefür Studienbeihilfe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 7. Juli 1995 wegen verspäteter Einreichung zurückgewiesen; der dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 keine Folge gegeben.
Über die dagegen eingebrachte Berufung entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abweisend, weil eine Verlängerung der Einreichfrist gemäß § 39 Abs. 2 des Studienförderungsgesetzes nicht zulässig sei.
Dieser Bescheid wurde dem antragstellenden Beschwerdeführer am 28. Februar 1996 zugestellt. Trotz ordnungsgemäßem Hinweis gemäß § 61a AVG wurde die dagegen erhobene Beschwerde erst am 12. April 1996, also zwei Tage nach Ablauf der 6-Wochen-Frist, zur Post gegeben.
In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründet der Beschwerdeführer dies damit, er sei der Meinung gewesen, daß die sechswöchige Frist erst mit der der Zustellung nächstfolgenden Woche zu laufen beginne und erst mit dem Ende der sechsten Woche ablaufe.
Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von der Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dazu bestimmt, Rechtsfolgen zu beseitigen, die der Partei durch das Versäumen einer Frist erwachsen sind. Die prozeßrechtliche Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß der Betroffene rechtlich wohl in der Lage gewesen wäre, ein Rechtsmittel fristgerecht zu ergreifen, aber an der Ergreifung des Rechtsmittels durch das Dazwischentreten eines der Einflußsphäre der Partei entrückten Ereignisses behindert wurde (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Jänner 1948, Slg. N. F. Nr. 275/A). Unabwendbar ist ein Ereignis jedenfalls dann, wenn sein Eintritt vom Willen des Betroffenen nicht verhindert werden kann (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 1974, Zl. 1700/73). Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten konnte (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1976, Slg. N. F. Nr. 9024/A, u.v.a.).
Der Begriff des minderen Grad des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben
(vgl. beispielsweise Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1986, Zl. 85/02/0258).
Vorliegendenfalls liegt weder ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vor noch kann das Verhalten des Antragstellers als lediglich minderer Grad des Versehens gewertet werden. Letzteres wird noch dadurch bestärkt, daß der Gegenstand des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens eine Fristversäumnis des Wiedereinsetzungswerbers war. Bereits daraus hätte sich für den Betroffenen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine gesteigerte Verpflichtung zur Einhaltung der in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich angegebenen Frist ergeben. Die Angaben des Antragstellers erfüllen damit keinesfalls die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung; dem Antrag war daher nicht stattzugeben.
Als Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist in der Beschwerde der 28. Februar 1996 angegeben. Im Hinblick auf die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages ist demnach die nach dem Poststempel am 12. April 1996 zur Post gegebene Beschwerde erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 lit. a VwGG zur Post gegeben worden. Die Beschwerde ist daher als verspätet ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996120104.X00Im RIS seit
03.04.2001