TE Bvwg Erkenntnis 2021/4/21 W276 2181089-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.04.2021
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Entscheidungsdatum

21.04.2021

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W276 2181089-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Gert WALLISCH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien (MA11), Wiener Kinder- und Jugendhilfe, Gruppe Recht und Asylvertretung, gegen Spruchpunkt II.-VI. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017 Zl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.08.2020 zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

II. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.

III. Die Spruchpunkte III. bis VI. werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der minderjährige Beschwerdeführer („BF“) reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 17.11.2015 in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Bei seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.11.2015 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass sie nachdem sein Vater von seinen Familienangehörigen getötet worden sei, nach Pakistan geflohen seien. In Pakistan hätten sie keine Flüchtlingskarte gehabt. Viele afghanische Flüchtlinge seien aus Pakistan abgeschoben worden. Aus diesem Grund sei er mit seiner Familie nach Afghanistan zurückgekehrt, doch dort habe für sie Gefahr geherrscht. Daher habe seine Mutter ihn nach Europa geschickt.

I.3. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl („BFA“) am 06.09.2017 gab der BF an, dass er der Volksgruppe der Paschtunen angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er sei in Jalalabad geboren. Sie seien zweimal nach Pakistan gezogen, wo sie mehrere Jahre gelebt hätten, bevor sie endgültig nach Afghanistan zurückgekehrt seien. Der BF habe ein Jahr lang eine Koranschule besucht. Sein Vater sei verstorben. Seine Mutter, seine verheiratete Schwester und seine Cousins und Cousinen seien in Jalalabad. Zwei seiner Brüder seien in Afghanistan verschwunden. Er habe auch Verwandte väterlicherseits zu denen er aber keinen Kontakt habe und nicht wisse, wo sie seien. Der Sohn seines verstorbenen Onkels mütterlicherseits kümmere sich um seine Mutter. Sie hätten Grundstücke und ein Haus.

Der BF gab zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates an, dass er nicht wirklich wisse, was passiert sei. Seine Mutter habe ihm nicht viel erzählt. Sie habe gesagt, dass sein Vater bald wieder zurückkommen würde. Er habe Afghanistan verlassen müssen, das sei alles, was er wisse. Erst in Österreich habe er erfahren, dass sein Vater ermordet worden sei. Er könne seine Mutter nicht fragen, weil diese Herzprobleme habe und er wolle nicht, dass ihr etwas passiere, wenn sie sich aufrege. Er habe nur so ein Gefühl gehabt, dass es für sie ein Problem gebe. Seine Brüder wüssten mehr als er. Was diese zu ihren Fluchtgründen sagten, seien auch die seinen.

I.4. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 16.11.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass es dem BF nicht gelungen sei asylrelevante Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten.

I.5. Gegen den unter Punkt I.4. genannten Bescheid brachte der BF rechtzeitig Beschwerde ein. Es bestehe für ihn die Gefahr, als Mitglied der sozialen Gruppe der Familie bei einer Rückkehr in sein Heimatland verfolgt zu werden. Er liefe Gefahr, aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seines Vaters von den Verwandten, welche mit den Taliban in Verbindung stünden, getötet zu werden.

I.6. Am 10.06.2020 langte eine vorbereitende Stellungnahme beim BVwG ein.

I.7. Am 12.08.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF und seiner gesetzlichen Vertretung sowie einem Vertreter der belangten Behörde statt. Auf die Verlesung des gesamten Akteninhalts sowie Akteneinsicht wurde verzichtet. Der BF legte weitere Bescheinigungsmittel vor. Von dem erkennenden Richter wurden Länderberichte und zahlreiche weitere Länderinformationen in das Verfahren eingebracht (vgl Pkt II.2 dieses Erkenntnisses). Der BF und seine gesetzliche Vertretung verzichteten auf eine schriftliche Stellungnahme zu den eingebrachten Länderberichten.

I.8. Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.10.2020 (W276 2181089-1/9E) wurde die Beschwerde vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen und mit näherer Begründung dargelegt, dass der BF in Afghanistan keiner asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt war oder zukünftig wäre und ihm eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Herat und Mazar-e-Sharif zur Verfügung stehe. Ebenso seien die weiteren Aussprüche des BFA zu Recht erfolgt.

I.9. Dagegen erhob der BF Beschwerde an den VfGH. Dieser erkannte mit Erkenntnis vom 24.02.2021 zu E 3948/2020-10, dass der BF durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels sowie gegen die erlassene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde und hob das Erkenntnis insoweit auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II. 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen, ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Die Feststellung zur Identität des BF gilt ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.

Der BF ist in der Provinz Nangarhar geboren und ist sowohl dort als auch in Pakistan aufgewachsen. Er hat jedenfalls von Oktober 2007 bis Oktober 2009 in dem Dorf XXXX , im Distrikt Deh Bala, auch Haka Mena, in der Provinz Nangarhar sowie spätestens ab 2011 bis 24.05.2015 in der Stadt Jalalabad bei seinem Onkel mütterlicherseits gelebt. Der BF hat eine Koranschule besucht und kann auf Paschtu lesen. Die Familie des BF besitzt 20-25 Jirib Grundstücke in der Provinz Nangarhar, durch deren Erträge sie für ihren Lebensunterhalt aufgekommen sind. Der Vater des BF war Bauer. Diese Grundstücke werden mittlerweile von den Söhnen seines Onkels mütterlicherseits verwaltet. Ein Bauer zahlt den Pachtzins an die Mutter des BF. Ein kleiner Teil der Grundstücke wurde zur Finanzierung der Flucht des BF von einem seiner Onkel mütterlicherseits verkauft.

Der Vater des BF ist verstorben. Seine beiden ältesten Brüder gelten als verschollen. Seine Mutter lebt beim Cousin mütterlicherseits bzw. Schwager des BF in der Stadt Jalalabad. Die Schwester des BF ist mit seinem Cousin mütterlicherseits verheiratet. Der BF steht zu seiner Mutter und seiner Schwester in Kontakt. In Jalalabad hat der BF noch andere Cousins und Cousinen mütterlicherseits. Die beiden Onkel des BF mütterlicherseits sind nach seiner Ausreise aus Afghanistan verstorben. Sein Stiefonkel väterlicherseits lebt in Kabul, zu diesem besteht kein Kontakt. Andere Stiefverwandte väterlicherseits leben in XXXX . Sein drittältester Bruder hält sich in Paris auf.

Sein viertältester Bruder XXXX ist gemeinsam mit dem BF in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte ebenfalls am 17.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dessen Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 14.11.2017 abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde diesem nicht erteilt und es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen diesen erlassen. Weiters wurde dessen Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erachtet und eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt. Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.10.2020 (W276 2179685-1/15E) wurde die Beschwerde des viertältesten Bruders des BF vollinhaltlich als unbegründet abgewiesen.

II.1.2. Mit Erkenntnis des BVwG vom 15.10.2020 (W276 2181089-1/9E) wurde die Beschwerde des BF gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 16.11.2017 (Zl XXXX ) als unbegründet abgewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

II.1.3. Zur Situation des BF in Österreich:

Der BF befindet sich spätestens seit 17.11.2015 durchgehend im Bundesgebiet und ist illegal eingereist.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten, allerdings wurde schon diverse Male strafrechtlich gegen ihn ermittelt. Ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts nach §§ 105, 107 Abs. 1, 107a, 107b StGB wurde gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung bestand. Laut dem BF sei ein weiteres Verfahren wegen des Verdachts auf Stalking sowie sieben bis acht Vorfälle wegen Rauferei eingestellt worden. Es habe auch manchmal Probleme mit Mitschülern gegeben, wegen denen die Polizei gekommen sei, das sei aber alles eingestellt worden.

Beim BF wurde mit Arztbrief vom 08.06.2017 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert und ein Schlafmittel verschrieben. Mit Arztbrief vom 15.09.2017 wurde als Medikation Trittico retard 75 mg empfohlen, welches man bei starkem Hangover auf 1/3 reduzieren bzw. absetzen könne. Möglich wäre auch eine Bedarfsmedikation an den Tagen, an denen der BF sich nicht müde fühle. Es wurden keine aktuelleren medizinischen Befunde vorgelegt. Er nimmt derzeit keine Medikamente und steht nicht in ärztlicher Behandlung. Es geht ihm gesundheitlich gut.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF an schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leidet. Der Gesundheitszustand des BF steht seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht entgegen.

Der BF ist arbeitsfähig.

Der BF lebt von der Grundversorgung. Er ist in Österreich nie einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit nachgegangen, und somit in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

Der BF spricht bereits gut Deutsch. Er hat in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 eine Neue Mittelschule als außerordentlicher Schüler besucht. Die 7. und 8. Schulstufe hat er als ordentlicher Schüler besucht und abgeschlossen. Danach hat er das Polytechnikum besucht. Er ist kein Mitglied in einem Verein und geht keinen ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeiten nach. Er geht in der Natur laufen und manchmal ins Fitnessstudio. Er hat österreichische, arabische und afghanische Freunde.

Ein Cousin mütterlicherseits des BF lebt seit zwanzig Jahren in Österreich. Dem Cousin mütterlicherseits wurde anfangs die Obsorge des BF übertragen, aufgrund von Problemen wurde ihm diese am 04.07.2017 entzogen.

II.1.4. Zur Situation im Fall der Rückkehr nach Afghanistan:

Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Provinz Nangarhar ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen.

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, ist festzuhalten, dass der BF aktuell 17 Jahre alt und soweit gesund ist bzw. keine relevanten Vorerkrankungen aufweist, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.

Bei der Einschätzung einer möglichen Rückkehr des BF ist insbesondere seine Minderjährigkeit zu berücksichtigen. Dem BF wäre es grundsätzlich möglich sich in den Städten Herat und Mazar-e-Sharif an die sozialen und kulturellen Gegebenheiten anzupassen, nämlich neue Kontakte zu knüpfen, einen Beruf zu lernen und die Sprachkenntnisse über die Muttersprache zu vertiefen. Ihm drohen dort keine Gefahren durch explosive Kriegsrückstände.

Der noch minderjährige BF liefe bei einer Ansiedelung in Afghanistan, etwa in den Städten Herat und Mazar-e-Sharif, allerdings mangels ausreichendem Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Familienmitglieder oder durch Mitglieder seiner größeren ethnischen Gemeinschaft, die willens und in der Lage sind, ihn tatsächlich zu unterstützen Gefahr, grundlegende Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Beim BF ist zwar von einer grundsätzlichen (wenn auch aufgrund seines Alters noch eingeschränkten) Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben auszugehen, er verfügt aber bisher über keinerlei Berufsausbildung oder Berufserfahrung. Es ist daher, jedenfalls bis zum Erreichen der Volljährigkeit, nicht davon auszugehen, dass der BF seinen Lebensunterhalt alleine aus einem Arbeitseinkommen bestreiten bzw. für eine entsprechende Wohnmöglichkeit sorgen könnte. Dies insbesondere mangels ausreichendem Unterstützungsnetzwerk.

Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass der BF im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein wird, in Städten wie Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen.

Die Entscheidung, dem BF subsidiären Schutz zu gewähren, beruht primär und in erster Linie auf seiner Minderjährigkeit. Aufgrund der Minderjährigkeit des BF handelt es sich bei ihm um eine besonders vulnerable Person, weshalb derzeit die Rückführung in seinen Herkunftsstaat nicht zumutbar wäre.

II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

II.1.5.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation zu Afghanistan; aus dem COI-CMS, Version 3, 2. April 2021:

Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 17.3.2020). Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die Provinzhauptstädte, die meisten Distriktzentren und die meisten Teile der wichtigsten Transitrouten. Mehrere Teile der wichtigsten Transitrouten sind umkämpft, wodurch Distriktzentren bedroht sind. Seit Februar 2020 haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF (Afghan National Defense Security Forces) aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen, welche in der Nähe von Provinzhauptstädten stationiert sind - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden. Unabhängig davon begann IS/ISKP im Februar 2020 (zum ersten Mal seit dem Verlust seiner Hochburg in der Provinz Nangarhar im November 2019) Terroranschläge gegen die ANDSF und die Koalitionstruppen durchzuführen (USDOD 1.7.2020). Die Zahl der Angriffe der Taliban auf staatliche Sicherheitskräfte entsprach im Jahr 2020 dem Niveau der Frühjahrsoffensiven der vergangenen Jahre, auch wenn die Offensive dieses Jahr bisher nicht offiziell erklärt wurde (AA 16.7.2020; vgl. REU 6.10.2020). Die Umsetzung des US-Taliban-Abkommens, angefochtene Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen, regionale politische Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran, Diskussionen über die Freilassung von Gefangenen, Krieg und die globale Gesundheitskrise COVID-19 haben laut dem Combined Security Transition Command-Afghanistan (CSTC-A) das zweite Quartal 2020 für die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) zum „vielleicht komplexesten und herausforderndsten Zeitraum der letzten zwei Jahrzehnte“ gemacht (SIGAR 30.7.2020).

Der Konflikt in Afghanistan befindet sich nach wie vor in einer „strategischen Pattsituation“, die nur durch Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban gelöst werden kann (SIGAR 30.1.2020). Die afghanische Regierung führte zum ersten Mal persönliche Gespräche mit den Taliban, inhaltlich wurde über den Austausch tausender Gefangener verhandelt (BBC 1.4.2020). Diese Gespräche sind ein erster Schritt Richtung inner-afghanischer Verhandlungen, welche Teil eines zwischen Taliban und US-Amerikanern unterzeichneten Abkommens sind (TD 2.4.2020). Die Gespräche fanden vor dem Hintergrund anhaltender Gewalt im Land statt (BBC 1.4.2020; vgl. HRW 13.1.2021), was den afghanischen Friedensprozess gefährden könnte (SIGAR 30.1.2021).

Die Sicherheitslage im Jahr 2020

Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 verzeichnete UNAMA die niedrigste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021).Laut AAN (Afghanistan Analysts Network) war 2020 in Afghanistan genauso gewalttätig wie 2019, trotz des Friedensprozesses und der COVID-19-Pandemie. Seit dem Abkommen zwischen den Taliban und den USA vom 29. Februar haben sich jedoch die Muster und die Art der Gewalt verändert. Das US-Militär spielt jetzt nur noch eine minimale direkte Rolle in dem Konflikt, so dass es sich fast ausschließlich um einen afghanischen Krieg handelt, in dem sich Landsleute gegenseitig bekämpfen, wenn auch mit erheblicher ausländischer Unterstützung für beide Seiten. Seit der Vereinbarung vom 29.2.2020 haben die Taliban und die afghanische Regierung ihre Aktionen eher heruntergespielt als übertrieben, und die USA haben die Veröffentlichung von Daten zu Luftangriffen eingestellt (AAN 16.8.2020).

Die Taliban starteten wie üblich eine Frühjahrsoffensive, wenn auch unangekündigt, und verursachten in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 43 Prozent aller zivilen Opfer, ein größerer Anteil als 2019 und auch mehr in absoluten Zahlen (AAN 16.8.2020). Afghanistans National Security Council (NSC) zufolge nahmen die Talibanattacken im Juni 2020 deutlich zu. Gemäß NATO Resolute Support (RS) nahm die Anzahl an zivilen Opfern im zweiten Quartal 2020 um fast 60% gegenüber dem ersten Quartal und um 18% gegenüber dem zweiten Quartal des Vorjahres zu (SIGAR 30.7.2020). Während im Jahr 2020 Angriffe der Taliban auf größere Städte und Luftangriffe der US-Streitkräfte zurückgingen, wurden von den Taliban durch improvisierte Sprengsätze (IEDs) eine große Zahl von Zivilisten getötet, ebenso wie durch Luftangriffe der afghanischen Regierung. Entführungen und gezielte Tötungen von Politikern, Regierungsmitarbeitern und anderen Zivilisten, viele davon durch die Taliban, nahmen zu (HRW 13.1.2021; vgl. AAN 16.8.2020).

In der zweiten Jahreshälfte 2020 nahmen insbesondere die gezielten Tötungen von Personen des öffentlichen Lebens (Journalisten, Menschenrechtler usw.) zu. Personen, die offen für ein modernes und liberales Afghanistan einstehen, werden derzeit landesweit vermehrt Opfer von gezielten Attentaten (AA 14.1.2021, vgl. AIHRC 28.1.2021).

Obwohl sich die territoriale Kontrolle kaum verändert hat, scheint es eine geografische Verschiebung gegeben zu haben, mit mehr Gewalt im Norden und Westen und weniger in einigen südlichen Provinzen, wie Helmand (AAN 16.8.2020).

Zivile Opfer

Vom 1.1.2020 bis zum 31.12.2020 dokumentierte UNAMA 8.820 zivile Opfer (3.035 Getötete und 5.785 Verletzte), während AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) für das gesamte Jahr 2020 insgesamt 8.500 zivile Opfer registrierte, darunter 2.958 Tote und 5.542 Verletzte. Das ist ein Rückgang um 15% (21% laut AIHRC) gegenüber der Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2019 (UNAMA2.2021; vgl. AIHRC 28.1.2021) und die geringste Zahl ziviler Opfer seit 2013 (UNAMA 2.2021).

Nach dem Abkommen zwischen den USA und den Taliban dokumentierte UNAMA einen Rückgang der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei groß angelegten Angriffen in städtischen Zentren durch regierungsfeindliche Elemente, insbesondere die Taliban, und bei Luftangriffen durch internationale Streitkräfte. Dies wurde jedoch teilweise durch einen Anstieg der Opfer unter der Zivilbevölkerung durch gezielte Tötungen von regierungsfeindlichen Elementen, durch Druck- platten-IEDs der Taliban und durch Luftangriffe der afghanischen Luftwaffe sowie durch ein weiterhin hohes Maß an Schäden für die Zivilbevölkerung bei Bodenkämpfen ausgeglichen (UNAMA 2.2021).

Die Ergebnisse des AIHRC zeigen, dass Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger das häufigste Ziel von gezielten Angriffe waren. Im Jahr 2020 verursachten gezielte Angriffe 2.250 zivile Opfer, darunter 1.078 Tote und 1.172 Verletzte. Diese Zahl macht 26% aller zivilen Todesopfer im Jahr 2020 aus (AIHRC 28.1.2021).

Die von den Konfliktparteien eingesetzten Methoden, die die meisten zivilen Opfer verursacht haben, sind in der jeweiligen Reihenfolge folgende: IEDs und Straßenminen, gezielte Tötungen, Raketenbeschuss, komplexe Selbstmordanschläge, Bodenkämpfe und Luftangriffe (AIHRC 28.1.2021).

Während des gesamten Jahres 2020 dokumentierte UNAMA Schwankungen in der Zahl der zivilen Opfer parallel zu den sich entwickelnden politischen Ereignissen. Die „Woche der Gewaltreduzierung“ vor der Unterzeichnung des Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten und den Taliban in Doha am 29.2.2020 zeigte, dass die Konfliktparteien die Macht haben, Schaden an der Zivilbevölkerung zu verhindern und zu begrenzen, wenn sie sich dazu entschließen, dies zu tun. Ab März wuchs dann die Besorgnis über ein steigendes Maß an Gewalt, da UNAMA zu Beginn des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie eine steigende Zahl von zivilen Opfern und Angriffen auf Gesundheitspersonal und -einrichtungen dokumentierte. Regierungsfeindliche Elemente verursachten mit 62% weiterhin die Mehrzahl der zivilen Opfer im Jahr 2020. Während UNAMA weniger zivile Opfer dem Islamischen Staat im Irak und in der Levante - Provinz Chorasan (ISIL-KP, ISKP) und den Taliban zuschrieb, hat sich die Zahl der zivilen Opfer, die durch nicht näher bestimmte regierungsfeindliche Elemente verursacht wurden (diejenigen, die UNAMA keiner bestimmten regierungsfeindlichen Gruppe zuordnen konnte), im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (UNAMA 2.2021; vgl. AAN 16.8.2020). Pro-Regierungskräfte verursachten ein Viertel der getöteten und verletzten Zivilisten im Jahr 2020 (UNAMA 2.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Nach den Erkenntnissen der AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission) sind von allen zivilen Opfern in Afghanistan im Jahr 2020 die Taliban für 53 % verantwortlich, regierungsnahe und verbündete internationale Kräfte für 15 % und ISKP (ISIS) für fünf Prozent. Bei 25 % der zivilen Opfer sind die Täter unbekannt und 2 % der zivilen Opfer wurden durch pakistanischen Raketenbeschuss in Kunar, Chost, Paktika und Kandahar verursacht (AIHRC 28.1.2021).

High-Profile Angriffe (HPAs)

Sowohl in den ersten fünf Monaten 2019, als auch im letzten Halbjahr 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 12.2019; vgl. USDOD 1.7.2020). Die Gesamtzahl der öffentlichkeitswirksamen Angriffe ist sowohl in Kabul als auch im ganzen Land in den letzten anderthalb Jahren stetig zurückgegangen (USDOD 12.2019). Zwischen 1.6.2019 und 31.10.2019 fanden 19 HPAs in Kabul statt (Vorjahreswert: 17) (USDOD 12.2019), landesweit betrug die Zahl 88 (USDOD 12.2019). Angriffe auf hochrangige Ziele setzen sich im Jahr 2021 fort (BAMF 18.1.2021).

Öffentlichkeitswirksame Angriffe durch regierungsfeindliche Elemente setzten sich fort. Der Großteil der Anschläge richtet sich gegen die ANDSF und die internationalen Streitkräfte; dazu zählte ein komplexer Angriff der Taliban auf den Militärflughafen Bagram im Dezember 2019. Im Februar 2020 kam es in der Provinz Nangarhar zu einer sogenannten ’green-on-blue-attack’: der Angreifer trug die Uniform der afghanischen Nationalarmee und eröffnete das Feuer auf internationale Streitkräfte, dabei wurden zwei US-Soldaten und ein Soldat der afghanischen Nationalarmee getötet. Zu einem weiteren Selbstmordanschlag auf eine Militärakademie kam es ebenso im Februar in der Stadt Kabul; bei diesem Angriff wurden mindestens sechs Personen getötet und mehr als zehn verwundet (UNGASC 17.3.2020). Dieser Großangriff beendete mehrere Monate relativer Ruhe in der afghanischen Hauptstadt (DS 11.2.2020; vgl. UNGASC 17.3.2020). Seit Februar haben die Taliban ein hohes Maß an Gewalt gegen die ANDSF aufrechterhalten, vermeiden aber gleichzeitig Angriffe gegen Koalitionstruppen um Provinzhauptstädte - wahrscheinlich um das US-Taliban-Abkommen nicht zu gefährden (USDOD 1.7.2020). Die Taliban setzten außerdem bei Selbstmordanschlägen gegen Einrichtungen der ANDSF in den Provinzen Kandahar, Helmand und Balkh an Fahrzeugen befestigte improvisierte Sprengkörper (SVBIEDs) ein (UNGASC 17.3.2020).

Anschläge gegen Gläubige, Kultstätten und religiöse Minderheiten

Nach Unterzeichnung des Abkommens zwischen den USA und den Taliban war es bereits Anfang März 2020 zu einem ersten großen Angriff des ISKP gekommen (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020). Der ISKP hatte sich an den Verhandlungen nicht beteiligt (BBC 6.3.2020) und bekannte sich zu dem Angriff auf eine Gedenkfeier eines schiitischen Führers; Schätzungen zufolge wurden dabei mindestens 32 Menschen getötet und 60 Personen verletzt (BBC 6.3.2020; vgl. AJ 6.3.2020).

Am 25.3.2020 kam es zu einem tödlichen Angriff des ISKP auf eine Gebetsstätte der Sikh (Dha- ramshala) in Kabul. Dabei starben 25 Menschen, 8 weitere wurden verletzt (TN 26.3.2020; vgl. BBC 25.3.2020, USDOD 1.7.2020). Regierungsnahe Quellen in Afghanistan machen das Haqqani-Netzwerk für diesen Angriff verantwortlich, sie werten dies als Vergeltung für die Gewalt an Muslimen in Indien (AJ 26.3.2020; vgl. TTI 26.3.2020). Am Tag nach dem Angriff auf die Gebetsstätte, detonierte eine magnetische Bombe beim Krematorium der Sikh, als die Trauerfeierlichkeiten für die getöteten Sikh-Mitglieder im Gange waren. Mindestens eine Person wurde dabei verletzt (TTI 26.3.2020; vgl. NYT 26.3.2020, USDOD 1.7.2020). Beamte, Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft, religiöse Gelehrte, einflussreiche Persönlichkeiten, Mitglieder der Nationalversammlung und Menschenrechtsverteidiger waren im Jahr 2020 ein häufiges Ziel gezielter Anschläge (AIHRC 28.1.2021).

Kabul

Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ Kabul o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS Kabul o.D.). Die Provinz besteht aus den folgenden Distrikten: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara und Surubi/Suro- bi/Sarobi (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Kabul 2019). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Kabul im Zeitraum 2020-21 auf 4.459.463 Personen (NSIA 1.6.2020).

Kabul-Stadt - Geographie und Demographie

Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 4.434.550 Personen für den Zeitraum 2020-21 (NSIA 1.6.2020). Die genaue Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten, und Schätzungen reichen von 3,5 Millionen bis zu möglichen 6,5 Millionen Einwohnern (AAN 19.3.2019; vgl. IGC 13.2.2020). Laut einem Bericht expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ Kabul o.D.; vgl. NPS Kabul o.D.).

Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014), inklusive der Ring Road (Highway 1), welche die fünf größten Städte Afghanistans - Kabul, Herat, Mazar-e Sharif, Kandarhar und Jalalabad - miteinander verbindet (USAID o.D.).

Der Highway zwischen Kabul und Kandarhar gilt als unsicher (TN 7.7.2020a). Aufständische sind auf dem Highway aktiv (UNGASC 28.2.2019; vgl. UNOCHA 23.2.2020) und kontrollieren Teile der Straße und es wurde von Straßenblockaden und Checkpoints durch Aufständische berichtet, die sich gegen Regierungsmitglieder und Sicherheitskräfte richten (LI 22.1.2020; vgl. EASO 9.2020).

Der Kabul-Jalalabad-Highway ist eine wichtige Handelsroute, die oft als „eine der gefährlichsten Straßen der Welt" gilt (was sich auf die zahlreichen Verkehrsunfälle bezieht, die sich auf dieser Straße ereignet haben) und durch Gebiete führt, in denen Aufständische aktiv sind (TD 13.12.2015; vgl. EASO 9.2020).

Es wird berichtet, dass 20 Kilometer der Kabul-Bamyan-Autobahn, welche die Region Hazarajat mit der Hauptstadt verbindet, unter der Kontrolle der Taliban stehen (AAN 16.12.2019) und Reisenden zufolge haben die sicherheitsrelevanten Vorfälle auf der Autobahn, die Kabul mit den Provinzen Logar und Paktia verbindet, im Juli 2020 zugenommen (TN 7.7.2020a).

In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit Stand März 2021 für die Abwicklung von internationalen und nationalen Passagierflügen geöffnet ist (F 24 o.D.).

Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den „jüngsten Einwanderern" (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).

Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen. Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine negative Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man „seine Nachbarn nicht mehr kenne" (AAN 19.3.2019).

Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalem oder ethnischem Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art „Dorfgesellschaft" entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen; Tadschiken bevölkern Payan Chawk, BalaChawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana; Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul (USDOD 1.7.2020) und alle Distrikte gelten als unter Regierungskontrolle stehend (LWJ o.D.), dennoch finden weiterhin High-Profile- Angriffe - auch in der Hauptstadt - statt (UNAMA 2.2021; vgl. HRW 13.1.2021, USDOD 1.7.2020, NYTM 26.3.2020, HRW 12.5.2020), wie Angriffe auf schiitische Feiernde und einen Sikhtempel in März (USDOD 1.7.2020) sowie auf Bildungseinrichtungen wie die Universität in Kabul (GN 2.11.2020; vgl. AJ 2.11.2020) oder ein Selbstmordattentat auf eine Schule in Kabul im Oktober 2020 (HRW 26.10.2020) für die alle der Islamische Staat die Verantwortung übernahm (HRW 26.10.2020; vgl. AJ 2.11.2020, GN 2.11.2020). Den Angriff auf eine Geburtenklinik im Mai 2020 reklamierte bislang keine Gruppierung für sich (AJ 15.6.2020; vgl. AP 16.6.2020, HRW 12.5.2020), wobei die Taliban eine Verantwortung abstritten (AP 16.6.2020, vgl. HRW 12.5.2020). Bei Angriffen in Kabul kommt es oft vor, dass keine Gruppierung die Verantwortung übernimmt oder es werden diese von nicht identifizierten bewaffneten Gruppen durchgeführt (UNAMA 2.2021; vgl. UNGASC 2.2019, EASO 9.2020).

Das U.S. Department of Defence (USDOD) beschreibt die Ziele militanter Gruppen, die in Kabul Selbstmordattentate verüben, als den Versuch internationale Medienaufmerksamkeit zu erregen, den Eindruck einer weit verbreiteten Unsicherheit zu erzeugen und die Legitimität der afghanischen Regierung sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die afghanischen Sicherheitskräfte zu untergraben (USDOD 23.1.2020; vgl. EASO 9.2020). Afghanische Regierungsgebäude und -beamte, die afghanischen Sicherheitskräfte und hochrangige internationale Institutionen, sowohl militärische als auch zivile, gelten als die Hauptziele in Kabul-Stadt (USDOS 24.6.2020; vgl LI 22.1.2020, LIFOS 15.10.2019, EASO 9.2020).

Aufgrund öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern schwer bewacht (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Village liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und britische Einrichtungen (RFE/RL 2.9.2019; vgl. GN 15.7.2020) und der von hohen Mauern umgeben ist (GN 15.7.2020).

Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Straßenkriminalität in Kabul ein Problem (AVA 1.2020; vgl. ArN 11.1.2020, AAN 11.2.2020, AAN 21.2.2020, TN 4.10.2020, TN 17.10.2020, TN 21.10.2020, EASO 9.2020). Im vergangenen Jahr [Anm.: 2020] wurden in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif Tausende von Fällen von Straßenraub und Hausüberfällen gemeldet (ArN 11.1.2020; vgl. TN 24.7.2020). Nach einem Anstieg der Kriminalität und der Sicherheitsvorfälle in Kabul kündigte der Vizepräsident Amrullah Saleh im Oktober 2020 an, dass er auf Anordnung von Präsident Ashraf Ghani für einige Wochen die Verantwortung für die Sicherheit in Kabul übernehmen und hart gegen Kriminalität in Kabul vorgehen werde (TN 17.10.2020; vgl. AN 17.10.2020, TN 21.10.2020). Die Regierung kündigte einen Sicherheitsplan mit der Bezeichnung „Security Charter" an, um das Sicherheitspersonal in die Gewährleistung der Sicherheit Kabuls und anderer Großstädte des Landes zu integrieren. Als Teil dieses Plans wies Präsident Ghani die Sicherheitsbehörden an, gegen schwere Verbrechen in der Stadt vorzugehen (TN 21.10.2020; vgl. TN 17.10.2020, AN 17.10.2020).

Auf Regierungsseite befindet sich die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train Advise Assist Com- mand - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 1.7.2020). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei geschaffen, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).

Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 27.9.2020; vgl. GW 14.7.2020, EASO 9.2020, UNOCHA 3.2.2020). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018; vgl. TN 27.9.2020). Er gilt als unter Regierungskontrolle, wenn auch unsicher. Die Taliban fokussieren ihre Angriffe auf die Straße zwischen Surubi und Jagdalak und konnten diesen Straßenabschnitt auch kurzzeitig unter ihre Kontrolle bringen (TN 27.9.2020). Im Juli 2020 wurde über eine steigende Talibanpräsenz im Distrikt Paghman berichtet (TN 15.7.2020).

Es wird berichtet, dass der Islamische Staat (ISKP) in der Provinz aktiv und in der Lage ist, Angriffe durchzuführen (UNGASC 27.5.2020; vgl. EASO 9.2020). Aufgrund des anhaltenden Drucks der ANDSF (Afghan National Security Forces), die Aktivitäten des Islamischen Staats zu stören (LI 22.1.2020; vgl. UNGASC 4.2.2020, EASO 9.2020), zeigte sich die militante Gruppe jedoch nur eingeschränkt in der Lage, 2019 in Kabul öffentlichkeitswirksame Anschläge zu verüben (UNAMA 2.2020; vgl. LI 22.1.2020, WP 9.2.2020, EASO 9.2020). UNAMA schrieb 673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte) im Jahr 2020 in Afghanistan dem ISKP zu, ein Rückgang von 45% im Vergleich zu 2019. Die überwiegende Mehrheit der zivilen Opfer von ISIL- KP wurde jedoch durch Selbstmordattentate und heftige Schusswechsel in Kabul und Jalalabad verursacht (UNAMA 2.2021).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA817 zivile Opfer (255 Tote und 562 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren gezielte Tötungen, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, lEDs; ohne Selbstmordattentate) und Selbstmordanschlägen (UNAMA 2.2021).

Während des zweiten Quartals 2020 hat die Gewalt Berichten zufolge wieder zugenommen (NYTM 25.6.2020; vgl. UNGASC 17.6.2020, RY 30.6.2020, EASO 9.2020). Im letzten Quartal 2020 stieg die Gewalt weiter an und war weit höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (SIGAR 30.1.2021). In Kabul wurden in den ersten Wochen des Jahres 2021 mehrere Anschläge mit kleinen „sticky bombs" verübt, die unter Fahrzeugen angebracht und ferngesteuert oder mit Zeitzündern gezündet wurden. Die Gruppe „Islamischer Staat" (ISKP) hat die Verantwortung für einige der Anschläge übernommen, während die afghanische Regierung einige den Taliban zuschreibt (RFE/RL 23.2.2021).

Selbstmordanschläge (BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020a; NYTM 29.10.2020c; HRW 26.10.2020; RFE/RL29.4.2020; REU 29.4.2020) und IEDs (RFE/RL23.2.2021; BBC 22.12.2020; WP 26.2.2020; AJ 22.8.2020; NYTM 29.10.2020c; TN 4.10.2020; KP 4.6.2020) finden statt und es wurde von gezielten Tötungen (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 11.1.2021; BBC 22.12.2020; BBC 15.12.2020; NYTM 26.3.2020; AT 22.8.2020; TN 21.10.2020; NYTM 5.11.2020) und Angriffen auf militärische Einrichtungen bzw. Sicherheitskräfte (RFE/RL 23.2.2021; BAMF 18.1.2021; BAMF 11.1.2021; NYTM 29.10.2020b; GN 11.2.2020; TN 22.6.2020; TN 8.7.2020; TN 6.7.2020; UNAMA 6.2020; TN 6.6.2020) sowohl in Kabul-Stadt wie auch in den Distrikten der Provinz berichtet. Es gibt Berichte über Straßenblockaden und Angriffe auf Highways durch bewaffnete Gruppierungen (UNOCHA 29.1.2020; NYTM 27.2.2020)

Seit Herbst 2018 haben die ANDSF-Kräfte eine konzertierte Anstrengung zur Auflösung militanter Gruppen begonnen, die im und um den Großraum Kabul herum aktiv sind (NYTM 16.1.2019; vgl. UNGASC 27.5.2020; USDOD 1.7.2020). Die ANDSF setzen gemeinsam mit einem neuen Kommando der Gemeinsamen Streitkräfte, das im Juni 2020 eingerichtet wurde (KP 4.6.2020) ihre Aktivitäten im Jahr 2020 fort. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen Operationen gegen aufständische Gruppierungen (TN 6.5.2020; KP 6.5.2020; RFE/RL 11.5.2020; TN 11.5.2020) und kriminelle Banden (KP 18.5.2020) sowie Luftschläge (EASO 9.2020) durch und konnten hochrangige Mitglieder der Taliban und des IS festnehmen (TN 11.5.2020; KP 12.2.2020; BBC 11.5.2020; TN 11.5.2020; PAJ 26.6.2020) sowie zwei IS-Mitglieder verhaften, die angeblich Angriffe auf ein Krankenhaus und ein Medienunternehmen planten (TN 7.7.2020b).

Balkh

Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan (UNOCHA Balkh 13.4.2014; vgl. GADM 2018). Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Balkh, Char Bolak, Char Kent, Chimtal, Dawlat Abad, Dehdadi, Kaldar, Kishindeh, Khulm, Marmul, Mazar-e Sharif, Nahri Shahi, Sholgara, Shortepa und Zari (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Balkh 2019).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in Balkh im Zeitraum 2020-21 auf 1,509.183 Personen, davon geschätzte 484.492 Einwohner in Mazar-e Sharif (NSIA 1.6.2020). Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern, sunnitischen Hazara (Kawshi) (PAJ Balkh o.D.; vgl. NPS Balkh o.D.) sowie Mitgliedern der kleinen ethnischen Gruppe der Magat bewohnt wird (AAN 8.7.2020).

Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum (SH 16.1.2017). Die Ring Road (auch Highway 1 genannt) verbindet Balkh mit den Nachbarprovinzen Jawzjan im Westen und Kunduz im Osten sowie in weiterer Folge mit Kabul (TD 5.12.2017). Rund 30 km östlich von Mazar-e Sharif zweigt der National Highway (NH) 89 von der Ring Road Richtung Norden zum Grenzort Hairatan/Termiz ab (OSM o.D.; vgl. TD 5.12.2017). Dies ist die Haupttransitroute für Warenverkehr zwischen Afghanistan und Usbekistan (LCA4.7.2018).

Entlang des Highway 1 westlich der Stadt Balkh in Richtung der Provinz Jawzjan befindet sich der volatilste Straßenabschnitt in der Provinz Balkh, es kommt dort beinahe täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Auch besteht auf diesem Abschnitt in der Nähe der Posten der Regierungstruppen ein erhöhtes Risiko von IEDs - nicht nur entlang des Highway 1, sondern auch auf den Regionalstraßen (STDOK 21.7.2020). In Gegenden mit Talibanpräsenz, wie zum Beispiel in den südlichen Distrikten Zari (AAN 23.5.2020), Kishindeh und Sholgara, ist das Risiko, auf Straßenkontrollen der Taliban zu stoßen, höher (STDOK 21.7.2020; vgl. TN 20.12.2019).

In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen (Kam Air Balkh o.D.; STDOK 25.3.2019).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Balkh zählte zu den relativ friedlichen Provinzen im Norden Afghanistans, jedoch hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in einigen ihrer abgelegenen Distrikte verschlechtert (KP 10.2.2020, STDOK 21.7.2020), da militante Taliban versuchen, in dieser wichtigen nördlichen Provinz Fuß zu fassen (KP 10.2.2020; vgl. AA 16.7.2020). Die Taliban greifen nun häufiger an und kontrollieren auch mehr Gebiete im Westen, Nordwesten und Süden der Provinz, wobei mit Stand Oktober 2019 keine städtischen Zentren unter ihrer Kontrolle standen (STDOK 21.7.2020). Anfang Oktober 2020 galt der Distrikt Dawlat Abad als unter Talibankontrolle stehend, während die Distrikte Char Bolak, Chimtal und Zari umkämpft waren (LWJ o.D.). Im Jahr 2020 gehörte Balkh zu den konfliktreichsten Provinzen des Landes (UNGASC 9.12.2020, UNGASC 17.6.2020, UNGASC 17.3.2020; vgl. LWJ 10.3.2020) und in der Hauptstadt und den Distrikten kommt es weiterhin zu sicherheitsrelevanten Vorfällen (ACCORD 27.1.2021, KP 3.3.2021).

Mazar-e Sharif gilt als vergleichsweise sicher, jedoch fanden 2019 beinahe monatlich kleinere Anschläge mit improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) statt, meist in der Nähe der Blauen Moschee. Ziel der Anschläge sind oftmals Sicherheitskräfte, jedoch kommt es auch zu zivilen Opfern. Wie auch in anderen großen Städten Afghanistans ist Kriminalität in Mazar-e Sharif ein Problem. Bewohner der Stadt berichteten insbesondere von bewaffneten Raubüberfällen (STDOK 21.7.2020). Im Dezember und März 2019 kam es in Mazar-e Sharif zudem zu Kämpfen zwischen Milizführern bzw. lokalen Machthabern und Regierungskräften (NYT 16.12.2019, REU 14.3.2019).

Auf Regierungsseite befindet sich Balkh im Verantwortungsbereich des 209. Afghan National Army (ANA) „Shaheen“ Corps (USDOD 1.7.2020, TN 22.4.2018), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - North (TAAC-N) untersteht, welche von deutschen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020). Das Hauptquartier des 209. Afghan National Army (ANA) „Shaheen“ Corps befindet sich im Distrikt Dehdadi (TN 22.4.2018). Die meisten Soldaten der deutschen Bundeswehr sind in Camp Marmal stationiert (SP 7.4.2019). Weiters unterhalten die US-amerikanischen Streitkräfte eine regionale Drehscheibe in der Provinz (USDOD 1.7.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 712 zivile Opfer (263 Tote und 449 Verletzte) in der Provinz Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 157% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von Luftangriffen und improvisierten Sprengkörpern (lEDs; ohne Selbstmordattentate) (UNAMA 2.2021). Ungeachtet der Friedensgespäche finden weiterhin sicherheitsrelevante Vorfälle in der Hauptstadt und den Distrikten statt (KP 3.3.2021, ACCORD 27.1.2021)

Der UN-Generalsekretär zählte Balkh in seinen quartalsweise erscheinenden Berichten über die Sicherheitslage in Afghanistan im Jahr 2020 zu den konfliktintensivsten Provinzen des Landes (UNGASC 9.12.2020, UNGASC 17.6.2020, UNGASC 17.3.2020; vgl. LWJ 10.3.2020) und auch im September 2020 galt Balkh als eine der Provinzen mit den schwersten Talibanangriffen im Land (BAMF 14.9.2020). Es kommt zu direkten Kämpfen (KP 3.3.2021, UNOCHA 23.9.2020, AJ 1.5.2020, DH 8.4.2020) und Angriffen der Taliban auf Distriktzentren (UNOCHA 23.7.2020, REU 1.5.2020, UNOCHA 26.2.2020) oder Sicherheitsposten (ANI 6.3.2021, NYTM 1.10.2020, NYTM 28.8.2020, AnA 18.3.2020, XI 7.1.2020). Die Regierungskräfte führen Räumungsoperationen durch (KP 3.3.2021, AN 25.6.2020, MENAFN 24.3.2020, AA 18.3.2020, XI 25.1.2020).

Ebenso wurde von IED-Explosionen, beispielsweise durch Sprengfallen am Straßenrand (NYTM 28.8.2020), aber auch an Fahrzeugen befestigten Sprengkörpern (vehicle-borne IEDs, VBIEDs) (TN 25.8.2020, RFE/RL 25.8.2020; vgl. NYTM 28.8.2020) sowie Selbstmordanschlägen berichtet (TN 25.8.2020, RFE/RL 25.8.2020, RFE/RL 19.9.2020). Auch in Mazar-e Sharif kam es wiederholt zu IED-Anschlägen (ACCORD 27.1.2021, NYTM 1.10.2020, AN 19.9.2020, TN 1.7.2020, AP 14.1.2020, TN 4.1.2020) sowie Angriffen auf bzw. die Tötung von Sicherheitskräften (KP 3.3.2021, ANI 6.3.2021, ACCORD 27.1.2021, BAMF 18.1.2021; vgl. PAJ 12.1.2021, AT 12.1.2021). Zudem wird von der Entführung (TN 13.3.2021, DH 8.4.2020) und Ermordung von Zivilisten in der Provinz berichtet (KP 3.3.2021, ACCORD 27.1.2021, NYTM 1.10.2020, DH 8.4.2020).

Herat

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden (UNOCHA Herat 4.2014). Herat ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Adraskan, Chishti Sharif, Enjil, Fersi, Ghoryan, Gulran, Guzera (Nizam-i-Shahid), Herat, Karrukh, Kohsan, Kushk (Rubat-i-Sangi), Kushk-i-Kuhna, Obe, Pashtun Zarghun, Zendahjan und die „temporären" Distrikte Poshtko, Koh-e-Zore (Koh-e Zawar,

Kozeor), Zawol und Zerko (NSIA 1.6.2020; IEC Herat 2019), die aus dem Distrikt Shindand herausgelöst wurden (AAN 3.7.2015; vgl. PAJ 1.3.2015). Ihre Schaffung wurde vom Präsidenten nach Inkrafttreten der Verfassung von 2004 aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, während das Parlament seine Zustimmung (noch) nicht erteilt hat (AAN 16.8.2018). Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt (NSIA 1.6.2020). Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (PAJ Herat o.D.).

Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung in der Provinz Herat im Zeitraum 2020-21 auf 2,140.662 Personen, davon 574.276 in der Provinzhauptstadt (NSIA 1.6.2020). Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen (PAJ Herat o.D.). Herat-Stadt war historisch gesehen eine tadschikisch dominierte Enklave in einer paschtunischen Mehrheits-Provinz, die beträchtliche Hazara- und Aimaq-Minderheiten umfasst (USIP 2015). Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden (AAN 3.2.2019). Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (USIP 2015; vgl. STDOK 13.6.2019).

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden (TD 5.12.2017, LCA 4.7.2018). Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Straßen verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala (LCA 4.7.2018), wo sich einer der größten Trockenhäfen Afghanistans befindet (KN 7.7.2020). Die Schaffung einer weiteren Zollgrenze zum Iran ist im Distrikt Ghoryan geplant (TN 11.9.2020). Eine Eisenbahnverbindung zwischen der Stadt Herat und dem Iran, die die Grenze an diesem Punkt überqueren wird, ist derzeit im Bau (1TV 28.10.2020, TN 11.9.2020). Auf der Strecke Herat-Islam-Qala wurde über Tötungen und Entführungen berichtet (UNAMA 7.2020, KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020) sowie über Sprengfallen am Straßenrand (KN 7.7.2020; vgl. PAJ 6.2.2020), auch auf der Ring Road in Richtung Kandahar (TN 10.10.2020). Darüber hinaus gibt es Berichte über illegale Zolleinhebungen durch Aufständische sowie Polizeibeamte entlang der Strecke Herat-Kandahar (HOA12.1.2020, PAJ 4.1.2020; vgl. NYT 1.11.2020). Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (STDOK 25.11.2020; cf. Kam Air Herat o.D.).

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Die Sicherheitslage auf Stadt- und Distriktebene unterscheidet sich voneinander. Während einige Distrikte, wie z.B. Shindand, als unsicher gelten, weil die Kontrolle zwischen der Regierung und den Taliban umkämpft ist, kam es in Herat-Stadt in den letzten Jahren vor allem zu kriminellen Handlungen und kleineren sicherheitsrelevanten Vorfällen, jedoch nicht zu groß angelegten Angriffen oder offenen Kämpfen, die das tägliche Leben vorübergehend zum Erliegen gebracht hätten. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle, die in letzter Zeit in der Stadt Herat gemeldet wurden, fielen meist in zwei Kategorien: gezielte Tötungen und Angriffe auf Polizeikräfte (AAN 21.4.2020; vgl. OA 20.7.2020). Darüber hinaus fanden im Juli und September 2020 (UNAMA 10.2020) sowie Oktober 2019 Angriffe statt, die sich gegen Schiiten richteten (AAN 21.4.2020). Bezüglich krimineller Handlungen wurde beispielsweise über bewaffnete Raubüberfälle und Entführungen berichtet (OA 20.7.2020, AAN 21.4.2020, AN 2.1.2020).

Je weiter man sich von der Stadt Herat (die im Januar 2019 als „sehr sicher" galt) und ihren Nachbardistrikten in Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer ist der Einfluss der Taliban (STDOK 13.6.2019). Pushtkoh und Zerko befanden sich im Februar 2020 einem Bericht zufolge vollständig in der Hand der Taliban (AAN 28.2.2020), während die Kontrolle der Regierung in Obe auf das Distriktzentrum beschränkt ist (AAN 8.4.2020, AAN 20.12.2019). In Shindand befindet sich angeblich das „Taliban-Hauptquartier" von Herat (AAN 20.12.2019). Dem Long War Journal (LWJ) zufolge kontrollierten die Taliban Ende November 2020 jedoch keinen Distrikt von Herat vollständig. Mehrere Distrikte wie Adraskan, Ghoryan, Gulran, Kushk, Kushk-i-Kuhna, Obe und Shindand sind umstritten, während die Distrikte um die Stadt Herat unter der Kontrolle der Regierung stehen (LWJ o.D.; vgl. STDOK 13.6.2019).

Innerhalb der Taliban kam es nach der Bekanntmachung des Todes von Taliban-Führer Mullah Omar im Jahr 2015 zu Friktionen (SaS 2.11.2018; vgl. RUSI 16.3.2016). Mullah Rasoul, der eine versöhnlichere Haltung gegenüber der Regierung in Kabul einnahm, spaltete sich zusammen mit rund 1.000 Kämpfern von der Taliban-Hauptgruppe ab (SaS 2.11.2018). Die Rasoul-Gruppe, die mit der stillschweigenden Unterstützung der afghanischen Regierung operiert hat, kämpft mit Stand Jänner 2020 weiterhin gegen die Hauptfraktion der Taliban in Herat, auch wenn die Zusammenstöße zwischen den beiden Gruppen laut einer Quelle innerhalb der Rasoul-Fraktion nicht mehr so häufig und heftig sind wie in den vergangenen Jahren. Etwa 15 Kämpfer der Gruppe sind Anfang 2020 bei einem Drohnenangriff der USA gemeinsam mit ihrem regionalen Führer getötet worden (SaS 9.1.2020; vgl. UNSC 27.5.2020).

Während ein UN-Bericht einen Angriff in der Nähe einer schiitischen Moschee im Oktober 2019 dem Islamischen Staat Provinz Khorasan (ISKP) zuschrieb (UNGASC 10.12.2019) und ein Zeitungsartikel vom März 2020 behauptete, dass der ISKP eine Hochburg in der Provinz unterhält (VOA 20.3.2020), gab eine andere Quelle an, dass es unklar sei, ob und welche Art von Präsenz der ISKP in Herat hat. Angriffe gegen schiitische Muslime sind Teil des Modus operandi des ISKP, aber - insbesondere angesichts der Schwäche der Gruppe in Afghanistan - stellt ein Bekenntnis des ISKP zu einem bestimmten Angriff noch keinen vollständigen Beweis dafür dar, dass die Gruppe ihn wirklich begangen hat (AAN 21.4.2020). Ein Bewohner des Distrikts Obe hielt eine ISKP-Präsenz in Herat angesichts der Präsenz der Taliban z.B. im Distrikt Shindand für unwahrscheinlich (AAN 20.12.2019).

Auf Regierungsseite befindet sich Herat im Verantwortungsbereich des 207. Afghan National Army (ANA) „Zafar" Corps (USDOD 1.7.2020; vgl. ST 2.10.2020), das der NATO-Mission Train Advise Assist Command - West (TAAC-W) untersteht, welche von italienischen Streitkräften geleitet wird (USDOD 1.7.2020).

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2020 dokumentierte UNAMA 339 zivile Opfer (124 Tote und 215 Verletzte) in der Provinz Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 15% gegenüber 2019. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von gezielten Tötungen und improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, lEDs; ohne Selbstmordanschläge) (UNAMA 2.2021). Im Jahr 2020 wurden auch mehrere Fälle von zivilen Opfern aufgrund von Luftangriffen gemeldet (UNAMA 10.2020, AAN 24.2.2020, RFE/RL 22.1.2020).

Es kam in mehreren Distrikten der Provinz Herat zu Kämpfen zwischen den Regierungstruppen und den Taliban, sowie zu Angriffen der Taliban auf Regierungseinrichtungen (KP 20.11.2020, NYTM 29.10.2020, PAJ 15.10.2020, NYTM 1.10.2020, KP 5.9.2020, NYTM 28.8.2020, NYTM 27.2.2.2020, NYTM 30.1.2020). Die Regierungstruppen führten in der Provinz Operationen durch (AN 5.9.2020, AJ 23.7.2020, XI 29.1.2020b, RFE/RL 22.1.2020). Darüber hinaus wurde von Explosionen von Sprengfallen am Straßenrand in verschiedenen Distrikten berichtet (KP 22.11.2020, NYTM 29.10.2020, TN 10.10.2020, NYTM 1.10.2020, NYTM 28.8.2020, TN 5.7.2020, NYTM 30.1.2020).

Vorfälle mit IEDs, wie Detonationen von an Fahrzeugen befestigten IEDs (VBIED) (AJ 13.3.2021; REU 12.3.2021; KP 1.11.2020; ACCORD 27.1.2021), einer Sprengfalle am Straßenrand (NYTM 28.8.2020) und eines weiteren IEDs kommen auch in der Stadt Herat vor (GW 10.11.2020; vgl. AAN 27.10.2020). Auch werden sowohl in den Distrikten als auch der Stadt Herat gezielte Tötungen durchgeführt (AJ 13.3.2021; REU 12.3.202; NYTM 29.10.2020; NYTM 1.10.2020; NYTM 28.8.2020; NYTM 27.2.2.2020; NYTM 30.1.2020) und es kommt zu Angriffen auf Soldaten und Sicherheitskräfte (AJ 13.3.2021; REU 12.3.2021; ACCORD 27.1.2021; AN 16.1.2021; ANI 8.1.2021) .

Nangarhar

Nangarhar liegt im Osten Afghanistans, an der afghanisch-pakistanischen Grenze. Die Provinz grenzt im Norden an Laghman und Kunar, im Osten und Süden an Pakistan (Tribal Distrikts Kurram, Khyber und Mohmand der Provinz Khyber Pakhtunkhwa) und im Westen an Logar und Kabul (NPS Nangarhar o.D.a; vgl. UNOCHA 16.4.2010, UNOCHA Nangarhar 4.2014). Die Provinzhauptstadt von Nangarhar ist Jalalabad (NPS Nangarhar o.D.; vgl. OPr Nangarhar 1.2.2017). Die Provinz ist in die folgenden Distrikte unterteilt: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara- e-Nur, Deh Bala [auch bezeichnet als Haska Mena; vgl. TBIJ 13.11.2019, VoA 28.6.2019], Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, SherZad, Shinwar und Surkh Rud (NSIA 1.6.2020; vgl. IEC Nangarhar 2019, UNOCHA Nangarhar 4.2014, NPS Nangarhar o.D.) sowie dem temporären Distrikt Spin Ghar (NSIA 1.6.2019 vgl. IEC Nangarhar 2019).

Nangarhar ist eine der am dichtest besiedelten Provinzen Afghanistans und das wirtschaftliche Zentrum der Ostregion des Landes (AREU 6.2020). Die National Statistics and Information Authority of Afghanistan (NSIA) schätzt die Bevölkerung von Nangarhar im Zeitraum 2020/21 auf 1.701.698 Personen; davon 271.867 Einwohner in der Hauptstadt Jalalabad (NSIA 1.6.2020). Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Paschtunen, gefolgt von Pashai, Arabern und Tadschiken (NPS Nangarhar o.D.). Viele Mitglieder der Sikh- und Hindu-Gemeinschaft aus Jalalabad (EASO 5.8.2020) habenAfghanistan in den letzten Jahrzehnten verlassen (Wire 5.4.2020). Nach einem Angriff auf die Sikh-Gemeinschaft in Kabul im März 2020 kündigte die verbleibend Hindu- und Sikh-Gemeinschaft von Jalalabad an, vollständig in ein anderes Land zu übersiedeln (KP 4.4.2020).

Die Straße von Kabul nach Jalalabad und weiter zum Grenzübergang Torkham mit Pakistan (Dawn 14.12.2019; vgl. MoPW 16.10.2015, Zenger 10.10.2020) ist Teil der Asiatischen Fernstraße AH-1 Tokio-Edirne (ESCAP 8.8.2019) sowie des Autobahnprojektes Peschawar-Kabul-Duschanbe (Dawn 14.12.2019) und führt durch die Distrikte Surkhrod, Jalalabad, Beh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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