TE Bvwg Erkenntnis 2021/8/16 L516 2173650-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.08.2021
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Entscheidungsdatum

16.08.2021

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55

Spruch


L516 2173650-1/32E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.09.2017, Zahl 1081333603 - 151027279, nach mündlicher Verhandlung am 29.03.2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 06.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit gegenständlich angefochtenem Bescheid (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei, sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, erkannte (V.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Das BFA erließ zudem (VI.) ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG und sprach (VII.) aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 08.07.2017 verloren habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht gab mit Teilerkenntnis vom 25.10.2017, L516 2173650-1/2E, der Beschwerde gegen Spruchpunkt V statt und stellte gleichzeitig fest, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt.

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung bildet somit die Beschwerde gegen die verbleibenden Spruchpunkte I bis IV, VI und VII des angefochtenen Bescheides.

Am 29.03.2021 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer mit seiner Vertretung teilnahm, die belangte Behörde erschien nicht.

Zu den in der Verhandlung ausgefolgten Länderinformationen brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22.04.2021 eine Stellungnahme ein.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan

Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Kaste/Volksgruppe der Ranjha sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Die von ihm vorgelegte Geburtsurkunde weist laut Übersetzung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetschers für die Sprachen Urdu und Punjab in deutscher Sprache folgende Identität aus: XXXX , geb XXXX . (NS EB 06.08.2015 S 1 (AS 5); NS EV 05.09.2017 S 2, 3 (AS 86, 87); AS 45)

Er stammt aus dem Ort XXXX , in der Provinz Punjab. Er besuchte 10 Jahre die Grundschule und arbeitete danach in der Landwirtschaft der Eltern und Geschwister. Bis 2010 lebte er in seinem Heimatort, danach für einige Monate in verschiedenen Städten, bevor er im August 2011 Pakistan verließ. Die Eltern leben nach wie vor Pakistan im Heimatort des Beschwerdeführers, die drei Schwestern sind in Pakistan verheiratet und leben bei ihren Männern, ein Bruder ist Rechtsanwalt in Lahore, die anderen drei Brüder leben an verschiedenen Orten in Pakistan – manchmal auch in Dubai oder Afghanistan – sie kehren aber immer wieder in ihren Heimatort zurück und sehen dort nach ihren landwirtschaftlichen Grundstücken, die von Angestellten bewirtschaftet werden. (NS EB 06.08.2015 S 1 (AS 5); NS EV 05.09.2017 S 2, 3, 4 (AS 86, 87, 88); VS 29.03.2021 S 9, 13, 14)

Nach seiner Ausreise im August 2011 hielt sich der Beschwerdeführer mehrere Jahre in Griechenland auf, bevor er im August 2015 in Österreich einreiste. (NS EB 06.08.2015 S 4 (AS 11; NS EV 05.09.2017 S 4 (AS 88))

1.2 Zu den Lebensverhältnissen in Österreich

Im August 2015 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich seither ununterbrochen aufhält. Es handelt sich um gegenständlich um seinen ersten und einzigen Antrag auf internationalen Schutz. Der Beschwerdeführer hat von Beginn seines Verfahrens an, sämtlichen Ladungen Folge geleistet und an seinen Verfahren mitgewirkt, weshalb ihm die bisherige Verfahrensdauer nicht anzulasten ist.

Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde. Der Beschwerdeführer hat einen zweieinhalb monatigen Deutschkurs besucht, hat die theoretische Führerscheinpfügung für das Modul B bestanden, jedoch die praktische Fahrprüfung nicht ablegen können, die Anmeldung eines Gewerbes scheiterte. Der Beschwerdeführer ist nicht erwerbstätig und betätigt sich auch nicht ehrenamtlich. Er ist keinem Verein tätig. Er hat an einer Unterweisung hinsichtlich lebensrettender Sofortmaßnahmen teilgenommen. Er führt in Österreich keine Lebenspartnerschaft. Er lebt in einer Wohngemeinschaft mit Freunden (GVS; VS 29.03.2021 S 7, 8; VS 29.03.2021 Beilagen 1 und 2 (Bestätigung Grünes Kreuz 05.08.2017, Prüfungsergebnis Führerschein 29.08.2017))

In der mündlichen Verhandlung konnte der Beschwerdeführer die ihm auf Deutsch gestellten Fragen in einfachen Sätzen deutscher Sprache verständlich beantworten. (VS 29.03.2021 S 8)

Der Beschwerdeführer wurde in Österreich mit seit 08.07.2017 rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes wegen einer zuletzt am 13.04.2017 begangenen Tat gemäß § 223 (2), 224 StGB (Gebrauch einer besonders geschützten Urkunde) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten bei einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. (Strafregister der Republik Österreich)

Mit Straferkennntissen bzw. Strafverfügung vom 29.08.2016, 28.12.2016, 29.05.2018, 14.02.2019, 05.09.2018, 06.07.2020, 16.01.2020 und 12.06.2020 wurden über den Beschwerdeführer wegen Begehung verschiedener Delikte nach der Straßenverkehrordnung, dem Kraftfahrzeuggesetz bzw. dem Führerscheingesetz Geldstrafen, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen, verhängt. Die meisten Strafen wurden wegen Fahrens ohne Führerschein verhängt, eine betraf das Lenken eines Fahrzeues in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand. Mit zuletzt erlassenem Straferkenntnis vom 17.02.2021 wurde der Beschwerdeführer erneut wegen Fahrens ohne Führerscheins, wegen Nichtmitführung des Teeil I der Zulassungsbescheinigung, der Weigerung, sich einem Amtsarzt zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift am 27.12.2020 und 28.12.2020 zu einer Geldstrafe von insgesamt 14.660,00 Euro sowie einer Freiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt. (AS 31ff, AS 37ff, OZ 7, 8, 9, 11, 12, 15, 28)

1.3 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer leidet an keinen akut lebensbedrohlichen oder mit schwerem Leiden verbundenen Krankheiten. Beim Beschwerdeführer bestand eine Verengung des Wirbelkanals und ein Bandscheibenvorfall, weshalb er im Juni 2019 in Österreich operiert wurde. Eine Physiotherapie konnte er wegen der Coronapandemie nicht in Anspruch nehmen. Eine Hautveränderung des Beschwerdeführers, die sich mit Flüssigkeit füllt, wird je nach Bedarf operativ entleert, was zuletzt 2019 war. Er nimmt Schmerzmedikamente und bei Bedarf Schlafmittel. Der Beschwerdeführer ist in seinem Alltag durch seine Hüftschmerzen nicht wesentlich eingeschränkt, auch wenn er Schmerzen hat, wenn er zu viel geht. Der Beschwerdeführer hat vor, im Falle der Erlangung einer Arbeitserlaubnis, in Österreich in einem Restaurant oder als Zeitungszusteller zu arbeiten. (VS 29.03.2021 S 4-7, 10; OZ 10 (Patientenbrief, Entlassungsbrief, Ambulanzkarte)

1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz – zusammengefasst – vor:

Bei der Erstbefragung am 06.08.2015 brachte der Beschwerdeführer in der Sprache Urdu vor, er sei vier Jahre zuvor aus Pakistan ausgereist, da er Parteimitglied gewesen sei und die gegnerischen Parteien versucht hätten, ihn zu töten. (NS EB 06.08.2015 S 5 (AS 13))

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2017 führte der Beschwerdeführer in der Sprache Urdu aus, er sei von 1998 bis 1999 Sympathisant und dann Mitglied der PML-N [Pakistani Muslim League (Nawaz)] gewesen. Seit 2002 seien er und seine Familie keine Mitglieder mehr gewesen und seither habe er immer Probleme gehabt. 2006 seien sie in der Nacht von Mitgliedern der PML-N attackiert worden. Von den fünf Angreifern seien ihnen drei bekannt gewesen. Nach etwa einem Jahr seien die Täter verhaftet worden. Sie seien bedroht worden, damit sie die Anzeige zurückziehen würden. 2012 seien die Täter wieder enthaftet worden. 2009 sei sein Vater von anderen Tätern angeschossen worden. Es sei wiederum Anzeige erstattet woren, es habe eine Gerichtsverhandlung gegeben, vier Attentäter seien verhaftet worden und fünf Monate später wieder enthaftet worden. Wiederum seien sie unter Druck gesetzt worden. Wieder sei der Vater bedroht worden, das eigentliche Ziel sei aber der Beschwerdeführer gewesen. Die Gegner seien sehr böse auf die Familie des Beschwerdeführers gewesen, da sie sich geweigert habe, bei den Wahlen die PML-N zu wählen. Der Beschwerdeführer sei verbal und telefonisch bedroht worden. Die Bedrohungen seien auch wahr gemacht worden, der Vater sei verletzt und der Beschwerdeführer sowie sein Bruder auf der Landwirtschaft attackiert worden, was auch zur Anzeige gebracht worden sei. Sie seien beruflich Landwirte, es sei schwer, in Pakistan Fuß zu fassen. Er habe versucht, in Gujrat und Lahore Arbeit zu finden, aber sein Leben sein trotzdem in Gefahr gewesen und seine Eltern hätten ihm geraten, Pakistan zu verlassen. (NS EV 05.09.2017 S 3, 5, 6 (AS 87, 89, 90))

Mit der Beschwerde vom 27.09.2017 brachte der Beschwerdeführer vor, die PML-N habe 2006 Granaten in sein Gebäude geworfen. Der Beschwerdeführer habe eine einflussreiche Stellung in seinem Dorf innegehabt, habe seine politische Einstellung öffentlich ausgesprochen und angekündigt, dass seine Familie und sein Dorf nicht mehr die PML-N unterstütze, sondern künftig die PML-Q [Pakistan Muslim League (Quaid e Azam Group)]. Aus Angst sei er zur PML-Q geflüchtet. Die Angriffe hätten sich vorrangig gegen den Beschwerdeführer gerichtet, da er die politische Einstellung seiner Familie bestimmt habe. Der Beschwerdeführer sei das Dorfoberhaupt gewesen und habe die Einstellung der Familie und des Dorfes gelenkt. (Beschwerde S 2, 3, 5, 10, 11 (AS 172, 173, 175, 180, 181))

In der mündlichen Verhandlung am 29.03.2021 vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer in Urdu zu seiner aktuellen Rückkehrbefürchtung – zusammengefasst – aus, dass er von Leuten der gegnerischen Partei gesucht werde. Er selbst habe keine offizielle Funktion gehabt, habe aber als Unterstützer immer für die Wahlen geworben, weshalb er auch bekannt gewesen sei und weswegen auch die Feindschaft entstanden sei. Er sei nie ein Dorforberhaupt oder Oberhaupt gewesen, sondern nur Unterstützer. Es gebe Wahlen, wo man von einem Zusammenschluss eine Person auswähle, welche sich als Kandidat aufstellte. Es geebe auch Leute, die weiter vorne stehen, das habe er mit „Oberhaupt“ gemeint. Es habe bereits zwei Wahlen gegeben, bei denen die Gegner gewonnen hätten. Sie würden dem Beschwerdeführer keinerlei Möglichkeiten geben. Es sei die Wahl zum Nationalrat und die Wahl des Gemeindeverbandes (Union Council) gewesen. Er habe selbst viele Unterstützer und einen Namen in seiner Ortschaft gehabt. Weil er bekannt sei, würden jene es nicht zulassen, dass er zurückkehre. Derjenige, der keinen Sitz habe oder kein Mitglied des Nationalrates (MNA) sei, werde belästigt und verfolgt. Er habe auch Warnungen bekommen, wonach er nicht lebendig gelassen werde, egal, wo er bleibe.

Sein älterer Bruder XXXX sei Gemeinderatsmitglied gewesen, unter der Regierung von Musharaf unter Naiab Nazim. Man sage „Chairman“ dazu, das „Union Council“ sei ein Zusammenschluss von zwei, drei Dörfern und das sei eine Union. Nicht XXXX sondern sein jüngerer Bruder XXXX sei Mitglied in jener Union gewesen. Als der Beschwerdeführer von Pakistan gekommen sei, sei der Bruder noch im Council gewesen. Jetzt ist er es nicht mehr, das sei schon lange her und mittlerweile habe es schon zwei Wahlen in den Dörfern gegeben, nachdem der Beschwerdeführer schon ausgereits gewesen sei; sein Onkel habe sich aufstellen lassen, habe jedoch verloren und eine Person der gegnerischen Partei habe gewonnen.

Zuerst sei der Beschwerdeführer angegriffen worden, dann sein Vater und nun im April habe es einen Angriff auf seinen Bruder XXXX zur Saisonzeit der Erträge gegeben. Sein Bruder XXXX sei im April 2021, nein 2019, nein im letzten Jahr angeschossen worden. Das sei auf ihren Grundstücken auf dem Feld ungefähr einen Kilometer außerhalb ihres Heimatdorfes entfernt gewesen. XXXX sei dort hingegangen, um eine Maschine zu installieren. Als die Erträge geschnitten worden seien, sei er von zwei Personen auf Motorrädern angeschossen worden; sie hätten ihm gesagt, dass sie ihn nicht am Leben lassen würden, er sei dann geflohen und gestürzt und von hinten angeschossen und sein Bein getroffen worden.

Seine Familie sei heimlich manchmal da, mal dort versteckt innerhalb von Pakistan. Er weiß nicht, wo seine Eltern jetzt seien.

Seine Schwestern seien verheiratet und leben und deren Haushalten. Seine vier Brüder würden heimlich nach Hause kommen, sie seien mal da, mal dort, je nachdem wo sie Schutz bekommen würden. Sein Bruder XXXX sei vor kurzem bei einem Begräbnis gewesen. Seine Familie habe Mitarbeiter, die für seine Familie arbeiten würden; manchmal komme seine Familie zur Kontrolle. Sei Bruder habe um 10 Millionen eine Pacht gekauft und als diese Saison begonnen habe, habe jener mit der Fabriksarbeit beginnen wollen, um die Sachen zum Export zu bringen. Weil die Leute jenen aber verfolgt hätten, habe jener nach Dubai und Afghanistan fliehen müssen.

In Pakistan seien jetzt seine vier Brüder, aber nicht zu Hause. Einer sei in Lahore und komme manchmal nach Hause. Der älteste XXXX sei dort aufhältig, wo er Unterkunft bekomme. Mal sei jener heimlich bei den Feldern und falls er erwischt werde, gehe er weg. Auch sein Bruder XXXX , sei mal hier mal dort; nachdem jener angegriffen worden sei, sei er im Spital gewesen, dann sei er mal hier mal dort aufhältig. Sein Bruder XXXX sei auch mal in Afghanistan, mal in Dubai. Sein Bruder XXXX lebe und arbeite als Anwalt in Lahore. Sein Vater lebe zu Hause und kümmere sich um die Sachen zu Hause; auch jener sei bereits zwei Mal angegriffen worden und habe schon eine Herzattacke gehabt. Seine Familienangehörigen müssen wegen deren Kinder ihr Schicksal in Pakistan verbringen und jene würden immer wieder „Stöße“ bekommen. Das Hauptproblem habe ja mit dem Beschwerdeführer begonnen. Sein Onkel mütterlicherseits, der die Wahl verloren habe, lebe auch in Pakistan und sei jetzt auch krank; jener sei auf dem Weg zum Feld von einem Motorradtypen angegriffen worden und habe dabei eine Kopfverletzung erhalten; sein Kopf funktioniere nicht mehr richtig; das sei in der Vergangenheit gewesen, als die Wahl stattgefunden habe. Die Kinder des Onkels seien nicht mehr dort, sondern in Dubai. (VS 29.03.2021 S 9, 10, 11, 12, 13, 14)

Im Rahmen der Verhandlung legte der Beschwerdeführer Fotos eines verletzten Fußes bzw Beines (Wunden, Blutspuren) vor, wobei nicht erkennbar ist, um welche Person es sich dabei handelt (VS 29.03.2021 Beilage 3). Darüber hinaus mehrere englisch- und urdu-sprachige medizinische Unterlagen betreffend den Bruder XXXX . (VS 29.03.2021 S 12; VS 29.03.2021 Beilage 4).

1.5 Zur Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens und Gefährdung bei einer Rückkehr nach Pakistan

Das Schilderung des Beschwerdeführers zu der von ihm behaupteten Verfolgung und Bedrohung seiner Person ist nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.6 Zur Lage in Pakistan

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa sowie dem Hauptstadtterritorium Islamabad (AA 25.9.2020). Die vormaligen FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden (ET 25.5.2018). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete Gilgit-Baltistan und Azad Jammu & Kashmir auf der pakistanisch verwalteten Seite Kaschmirs (AA 25.9.2020).

Pakistan ist gemäß seiner Verfassung eine parlamentarische Demokratie. Seit der Unabhängigkeit wurde die demokratische Entwicklung jedoch mehrfach von längeren Phasen der Militärherrschaft unterbrochen. Zuletzt kehrte Pakistan 2008 zur Demokratie zurück. Bei den Parlamentswahlen am 25.7.2018 gewann die bisherige Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI). Seit August 2018 führt PTI-Chef Imran Khan als Premierminister eine Koalitionsregierung an (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die Wahlbeobachtermission der EU beurteilte den Wahlverlauf am Wahltag als transparent und gut durchgeführt. Allerdings waren Journalisten und Medien von starken Einschränkungen und Beschneidungen der Meinungsfreiheit betroffen, was zu einem außerordentlichen Maß an Selbstzensur geführt hat. Auch wurde im Vorfeld der Wahl systematisch versucht, die frühere Regierungspartei durch Fälle von Korruption, Missachtung des Gerichts und Anschuldigungen gegen ihre Führer und Kandidaten zu untergraben (EUEOM 27.7.2018). Unabhängige Beobachter berichten von technischen Verbesserungen beim Wahlablauf, jedoch war die Vorwahlzeit geprägt von Einflussnahmen durch Militär und Nachrichtendienste (USDOS 11.3.2020; vgl. HRW 28.7.2018). Zudem wurde die Wahl überschattet von einer Reihe gewalttätiger Zwischenfälle in verschiedenen Provinzen; von Strafverfahren, die gegen Mitglieder der Regierungspartei eingeleitet worden waren; und vom Vorwurf des Premierministers, das Militär habe sich eingemischt (EASO 10.2019).

Das pakistanische Militär ist ein wichtiger Akteur in der pakistanischen Politik, insbesondere in den Bereichen innere Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft. In den ersten Monaten des Jahres 2019 haben die wirtschaftlichen Probleme des Landes (höhere Steuern und steigende Inflation) die Regierung unter Druck gesetzt. Anfang 2018 entstand in Pakistan die Paschtunische Tahafuz-(Schutz-)Bewegung (PTM), eine Bürgerrechtsbewegung, die sich für die Rechte der paschtunischen Minderheit des Landes einsetzt (EASO 10.2019).

Die im September gegründete PDM (Demokratische Bewegung Pakistan) plant landesweite Proteste gegen die Regierung unter Premierminister Imran Khan. Elf Parteien unterschiedlicher politischer Strömungen haben sich dem Bündnis angeschlossen. Die Politiker fordern unter anderem eine Neuwahl und Khans Rücktritt (ORF 25.10.2020).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Pakistan ist landesweit unterschiedlich und wird von verschiedenen Faktoren wie politischer Gewalt, Gewalt von Aufständischen, ethnischen Konflikten und konfessioneller Gewalt beeinflusst. Die Sicherheitslage im Inneren wird auch von Auseinandersetzungen mit den Nachbarländern Indien und Afghanistan beeinflusst, die gelegentlich gewalttätig werden (EASO 10.2020).

Pakistan dient weiterhin als sicherer Hafen für bestimmte regional ausgerichtete terroristische Gruppen. Es erlaubt Gruppen, die gegen Afghanistan gerichtet sind, einschließlich der afghanischen Taliban und der mit ihnen verbundenen HQN [Anm.: the Haqqani Network], sowie Gruppen, die gegen Indien gerichtet sind, einschließlich LeT [Anm.: Lashkar-e Taiba] und der mit ihr verbundenen Frontorganisationen und JeM [Anm.: Jaish-e Muhammad], von seinem Territorium aus zu operieren (USDOS 24.6.2020). Andererseits führen Armee und Polizei auch weiterhin Kampagnen gegen militante und terroristische Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 29.9.2020). Die Operation Radd-ul-Fasaad des Militärs, die 2017 begonnen wurde, wurde das ganze Jahr 2019 über fortgesetzt. Radd-ul-Fasaad ist eine landesweite Antiterrorismuskampagne mit dem Ziel, die Errungenschaften der Operation Zarb-e-Azb (2014-2017) zu konsolidieren, mit der ausländische und einheimische Terroristen in den ehemaligen FATA bekämpft wurden. Die Sicherheitsbehörden schwächen terroristische Gruppen auch, indem sie mutmaßliche Terroristen und Bandenmitglieder festnehmen, welche den Militanten angeblich logistische Unterstützung leisten (USDOS 11.3.2020).

Terroristische Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch (nicht)-staatliche Akteure tragen zu Menschenrechtsproblemen bei. Angriffe von militanten und terroristischen Gruppen, darunter die pakistanischen Taliban (TTP; Tehrik-e-Taliban Pakistan), Lashkar-e-Jhangvi und die Provinz Chorasan im islamischen Staat (ISIS-K), richten sich gegen Zivilisten, Journalisten, Gemeindeführer, Sicherheitskräfte, Vollzugsbeamte und Schulen. Hunderte von Menschen wurden 2019 durch Sprengsätze, Selbstmordattentate und andere Formen der Gewalt getötet oder verletzt. Angriffe der genannten Gruppen richten sich häufig gegen religiöse Minderheiten (USDOS 11.3.2020).

Tatsächlich ist seit 2009 ein allmählicher Rückgang der Terroranschläge und der Zahl der Opfer zu verzeichnen. Kontinuierliche Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte gegen militante Gruppen und polizeiliche Antiterrorabteilungen sowie einige Antiextremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, haben dazu beigetragen, diesen rückläufigen Trend ab 2013 aufrechtzuerhalten (USDOS 24.6.2020). Auch 2019 war das Maß an Gewalt geringer, als in den vergangenen Jahren. Dies steht mit einem allgemeinen Rückgang der terroristischen Aktivitäten in Zusammenhang (USDOS 11.3.2020). Die Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle ist also weiter rückläufig, bei gleichzeitiger Stagnation in einigen Landesteilen. Laut dem Think Tank Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) gab es im Jahr 2019 insgesamt 229 Terroranschläge in Pakistan (13% weniger verglichen mit 2018), bei denen 357 Personen ums Leben gekommen sind (40% weniger als 2018). Größte Unruheherde bleiben die ehemaligen Stammesgebiete (besonders Nordwaziristan) und Belutschistan. Die aktivsten gegen den pakistanischen Staat gerichteten Terrorgruppen sind die TTP sowie belutschische Separatisten (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 24.6.2020). Beide verübten in den vergangenen Monaten eine Serie von tödlichen Anschlägen auf Sicherheitskräfte (AA 29.9.2020). Auch ISIS-K ist aktiv. Separatistische militante Gruppen führen Terroranschläge gegen verschiedene Ziele in den Provinzen Belutschistan und Sindh durch (USDOS 24.6.2020). Gewisse Teile von Belutschistan und dem pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet sind weiter nicht gänzlich unter staatlicher Kontrolle. Dies begünstigt neben dem Terrorismus auch den Schmuggel sowie Menschen- und Drogenhandel (AA 29.9.2020).

Insgesamt dokumentierte PIPS im Jahr 2019 433 Vorfälle von Gewalt. Die Gesamtzahl der Gewaltvorfälle führte zu 588 Todesopfer und 1.030 Verletzte. Mehr als die Hälfte der Gewaltvorfälle (229 Vorfälle) wurden laut PIPS als terroristische Angriffe bezeichnet. Im Vergleich zu 2018 ist die Zahl der gewalttätigen Vorfälle um etwa 15 % zurückgegangen (EASO 10.2020).

Es besteht jedoch weiterhin landesweit – auch in den Großstädten Islamabad, Rawalpindi, Lahore, Karachi – eine Gefahr für terroristische Anschläge seitens der TTP sowie religiös motivierter oder separatistischer Gruppen, insbesondere durch Sprengstoffanschläge und Selbstmordattentate. Die Terroranschläge richten sich vor allem gegen Streitkräfte, Sicherheitsdienste, Polizei, Märkte, Einrichtungen der Infrastruktur sowie gegen religiöse Stätten (Moscheen, Schreine, Kirchen) (AA 27.10.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).

Die Regierung betreibt fünf De-Radikalisierungslager, wo religiöse Erziehung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie angeboten wird. Eine pakistanische NGO verwaltet das auf Jugendliche ausgerichtete Sabaoon Rehabilitation Center im Swat-Tal, das sie in Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Militär gegründet hatte (USDOS 24.6.2020).

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d; vgl. EASO 10.2020). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Beim einzigen 2019 aus Islamabad gemeldeten Terroranschlag wurden zwei Polizisten getötet und ein weiterer bei einem Angriff auf eine Sicherheitsposten verletzt (PIPS 2020).

Im südlichen Punjab sind militante Netzwerke und Extremisten präsent, Lashkar-e Taiba (LeT) und JeM haben dort ihre Hauptquartiere und unterhalten religiösen Einrichtungen. Die Abteilung für Terrorismusbekämpfung im Punjab (CTD) hat 2019 und im ersten Halbjahr 2020 ihre Operationen gegen Militante fortgesetzt. Es kam dabei zu Festnahmen und zur Tötung von (mutmaßlichen) Kämpfern der TTP, HuA, LeJ und ISKP. Vom 1. Jänner bis 31. Juli 2020 zählte PIPS neun Vorfälle im Punjab, fünf davon wurden als Terroranschläge erfasst (EASO 10.2020; vgl. PIPS 2020).

Sicherheitsbehörden

Unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung begehen Armee und Sicherheitskräfte v.a. in den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa regelmäßig menschenrechtsrelevante Verletzungen. Ein nach wie vor ungelöstes, tabuisiertes Problem sind in diesem Zusammenhang die sog. enforced disappearances, das „Verschwindenlassen“ von unliebsamen, v.a. armeekritischen Personen (AA 29.9.2020).

Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 11.3.2020). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen (AA 29.9.2020). Zum geringen Ansehen der Polizei tragen Korruptionsanfälligkeit, unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam Genommenen ebenso bei (AA 29.9.2020; vgl. HRCP 4.2020).

Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine strafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 11.3.2020).

Insgesamt sind die Polizeikapazitäten in Pakistan begrenzt, was auf fehlende Ressourcen, schlechte Ausbildung, unzureichende und veraltete Ausrüstung und konkurrierenden Druck von Vorgesetzten, politischen Akteuren, Sicherheitskräften und der Justiz zurückzuführen ist. In der öffentlichen Wahrnehmung ist ein hohes Maß an Korruption bei der Polizei weit verbreitet [siehe Kapitel Korruption], insgesamt ist das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit gering. Inländische und internationale Beobachter sehen das Militär als eine der fähigsten Organisationen in Pakistan. Es verfügt über erhebliche Macht und dominiert die Außen- und Sicherheitspolitik. Militärangehörige werden gut bezahlt, und eine Karriere beim Militär ist hoch angesehen, nicht nur wegen der Vorteile, sondern auch wegen des hohen gesellschaftlichen Ansehens und der Verbindungen, die Militärangehörige genießen (DAFT 20.2.2019).

Meinungs- und Pressefreiheit

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese kann jedoch zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung Pakistans oder zum Schutz des Islam eingeschränkt werden (AA 29.9.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Auf der Rangliste der Pressfreiheit von Reporters sans frontiers (RSF) liegt Pakistan aktuell auf Platz 145 Platz von 180 Ländern (2019: Platz 142) (RSF 2020a; vgl. ÖB 5.2020). Sowohl die zivilen Behörden als auch das Militär haben in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, um die Medienfreiheit einzuschränken (FH 2020). Die gesetzliche Bestimmungen erlauben zwar den Bürgern, öffentlich Kritik an der Regierung zu üben, aber Gerichtsentscheidungen haben die Verfassung dahingehend ausgelegt, dass Kritik am Militär und an der Justiz verboten sei (USDOS 11.3.2020).

Der Einfluss des militärischen Establishments und des Nachrichtendienstes (ISI) hat seit dem Jahr 2018 stark zugenommen. Es hat viele Fälle von Zensur gegeben (RSF 2020b). Internet und soziale Medien haben in den vergangenen Jahren weiteren Raum für eine kritische journalistische Debatte geschaffen, die jedoch zunehmend eingeschränkt wird (AA 29.9.2020).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sind durch die Verfassung gewährleistet, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden (FH 2020; vgl. USDOS 11.3.20120). Dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung oder durch Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten (AA 29.9.2020). Versammlungen von mehr als vier Personen können von den Distriktbehörden untersagt werden. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten (USDOS 11.3.2020). Das Recht der Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren und Gewerkschaften zu gründen, ist gesetzlich anerkannt. Etwa 70 Prozent der Beschäftigten sind im informellen Sektor beschäftigt, wo die gewerkschaftliche Organisation und rechtlicher Schutz minimal sind. Die HCRP (Human Rights Commission of Pakistan) berichtet von Hindernissen Gewerkschaften zu gründen, Beschränkungen und Möglichkeiten der Auflösung von Streiks und der Möglichkeit seine Arbeit zu verlieren, was die gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern auf allen Ebenen erschwert. Infolgedessen blieb der Spielraum für Tarifverhandlungen über menschenwürdige Löhne und sichere Arbeitsbedingungen begrenzt (HRCP 30.4.2020; vgl. FH 2020).

Opposition

Mehrere große Parteien und zahlreiche kleinere Parteien und Unabhängige nehmen an den Wahlen teil und sind im Parlament und in den Provinzparlamenten vertreten. Die politische Opposition wird nicht eingeschränkt. Politische Auseinandersetzungen werden mitunter auch mit Gewalt ausgetragen. Etablierte Parteien unterhalten jedoch Verbindungen und andere Vorteile der etablierten Macht, die den Wettbewerb in ihren jeweiligen Provinzhochburgen behindern. Die Oppositionsparteien führen Wahlkampf und Wahlen durch, und jede der letzten drei nationalen Wahlen hat dazu geführt, dass eine ehemalige Oppositionspartei die Macht auf Bundesebene übernommen hat. Auch auf Provinzebene sind die Oppositionsparteien weiterhin an der Macht oder halten bedeutende Anteile der Sitze in der Versammlung. Allerdings gilt das Militär derzeit als mächtiger als die gewählten Politiker, und die Justiz hat die Bereitschaft gezeigt, sich für eine politisch gezielte Rechenschaftspflicht einzusetzen (FH 2020; vgl. AA 29.7.2019).

Die Regierung setzte im Laufe des Jahres ihre Korruptionsuntersuchungen und die strafrechtliche Verfolgung von Führern oppositioneller politischer Parteien fort, wobei gegen den ehemaligen Premierminister Nawaz Sharif und den ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari hochkarätige Klagen erhoben wurden. Die Oppositionsparteien behaupteten, dass diese Anklagen selektiv gegen ihre Führung gerichtet waren (USDOS 11.3.2020).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 11.3.2020). Die starke Militärpräsenz in den Gebieten Azad Jammu and Kashmir (AJK) sowie Gilgit-Baltistan (GB) und die Gefahr von Beschuss und anderer Gewalt entlang der Grenzkontrolllinie schränken die Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung im Land ein (FH 4.3.2020a). Es gibt einige rechtliche Beschränkungen für Reisen und die Möglichkeit, den Wohnsitz, die Beschäftigung oder die Hochschuleinrichtung zu wechseln. In einigen Teilen des Landes behindern die Behörden aus Sicherheitsgründen routinemäßig die interne Mobilität (FH 4.3.2020b).

Die Regierung verbietet Reisen nach Israel. Regierungsangestellte und Studenten müssen vor Reisen ins Ausland ein sogenanntes No-Objection-Certificate einholen, doch von Studenten wird dies selten verlangt. Personen auf der Exit Control List ist es verboten, ins Ausland zu reisen. Diese Liste soll Personen, welche in staatsfeindliche Aktivitäten und Terrorismus involviert sind oder in Verbindung zu einer verbotenen Organisation stehen bzw. jene, gegen die ein Strafverfahren vor höheren Gerichten anhängig ist, von Auslandsreisen abhalten (USDOS 11.3.2020). Die NGO HRCP gibt an, dass Dissidenten und Mitglieder der politischen Opposition, die auf die Exit Control List gesetzt wurden, daran gehindert werden, ins Ausland zu reisen. Offizielle Bewegungsbeschränkungen wurden für Personen verhängt, die an politischen Kundgebungen und Protestkundgebungen teilnahmen. Der visumfreie Kartapur-Korridor, der Gurdwara Darbar Sahib im pakistanischen Punjab mit Dera Baba Nanak im indischen Punjab verbindet, wurde geöffnet (HRCP 4.2020).

Meldewesen

Pakistan verfügt über eine der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). Die Provinzen Belutschistan, Khyber Pakhtunkhwa, Punjab und Sindh sowie das Hauptstadtterritorium Islamabad haben ein System für die Registrierung der Bewohner. In den Provinzen Azad-Jammu und Kaschmir, Gilgit-Baltistan und den ehemaligen FATA konnten laut IRBC keine Infos über solche Registrierungssyteme gefunden werden. In allen vier Provinzen besteht jedoch eine Meldepflicht. Die Gesetze werden allerdings nur lückenhaft umgesetzt, aber Vergehen werden in allen Provinzen streng geahndet. Die zuständige Behörde zur Erhebung der Meldedaten ist die Polizei. Die Bezirksleiter der Polizei sind für die lückenlose Erfassung der Bewohner in ihren Bezirken verantwortlich (IRBC 23.1.2018).

Bei gemieteten Räumlichkeiten ist es die Pflicht des Mieters oder Vermieters oder auch des Immobilienhändlers, der Polizei zusammen mit dem Mietvertrag vollständige Angaben über den Mieter zu machen. In den Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa müssen zusätzlich noch zwei Referenzpersonen genannt werden, die den Bewohner identifizieren können. Hotels sind verpflichtet, Informationen über ihre Gäste zu übermitteln sowie diese Informationen zu archivieren und für die Polizei jederzeit einsehbar zu halten (IRBC 23.1.2018).

Um als Wähler in einem Wahlkreis registriert zu werden, muss man mittels Digitaler Nationaler Identitätskarte (NIC) nachweisen, Bewohner dieses Wahlkreises zu sein (ECP o.D.). Auf der NIC ist neben der permanenten Adresse auch die derzeitige Wohnadresse der Person angeführt (VB 4.11.2018).

Grundversorgung

Derzeit macht der landwirtschaftliche Sektor ca. ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, der industrielle Sektor trägt zu einem Viertel des BIP bei und der größte Sektor für Handel und Dienstleistung trägt bis zu über 50 % des BIP bei. Trotz des geringsten Anteils am BIP ist der landwirtschaftliche Sektor immer noch sehr wichtig, weil mehr als 40 % der Bevölkerung in diesem Sektor direkt beschäftigt sind und die Existenz von mehr als 60 % der ländlichen Bevölkerung direkt oder indirekt von diesem Sektor abhängt. Neben den verheerenden Wettereinflüssen, wie Flut auf der einen und Dürre auf der anderen Seite, führt u.a. der Mangel an modern-technologischem Feldmanagement und Weiterverarbeitungsmöglichkeiten zu einer verhältnismäßig niedrigen Produktivität in diesem Sektor. Gepaart mit anderen soziopolitischen Faktoren führt dies zudem zu einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung im Land (GIZ 9.2020).

Die Arbeitslosigkeit lag mit Stand 2017 offiziell bei etwa 7,8 % (CIA 24.9.2020). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Eine hohe Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen - vor allem auf dem Land - führte zur verstärkten Arbeitsmigration in große Städte und traditionell auch in die Golfstaaten. Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten und Gastarbeitern nach Pakistan belaufen sich gegenwärtig auf ca. 5 % des BIP (GIZ 9.2020).

Das Tameer-e-Pakistan-Programm ist eine Armutsbekämpfungsmaßnahme, um Einkommensquellen für Arme zu verbessern und Arbeitsplätze im Land zu schaffen (IOM 2019). Das Kamyab Jawan Programm, eine Kooperation des Jugendprogramms des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Chancen am Arbeitsmarkt verbessern (Dawn 11.2.2019).

Zwar hat die aktuelle Regierung die staatlichen Ausgaben für Gesundheit deutlich gesteigert, doch sind diese weiterhin zu niedrig, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Die öffentlichen Gesundheitsausgaben betragen 0,92 % des Bruttoinlandsprodukts (GIZ 9.2020). Am Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) für 2019, der 189 Staaten umfasst und Fortschritte in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Einkommen im internationalen Vergleich misst, hat sich Pakistan gegenüber den Vorjahren auf Rang 152 verschlechtert (AA 29.9.2020).

Gemäß dem Global Education Monitoring Report 2017/18 der UNESCO stellen sich die Bildungserfolge Pakistans relativ schwach dar. Die Einschulungs- und Alphabetisierungsrate Pakistans zählt zu den niedrigsten der Welt, lediglich rund 60 % der Bevölkerung (Frauen: 46 %) können lesen und schreiben. Nur etwas über 2 % des Bruttosozialprodukts werden in Bildung investiert. Weiterhin bleiben große Diskrepanzen in der Alphabetisierungs- und Bildungspolitik zwischen Provinzen sowie zwischen ländlichen und städtischen Gebieten bestehen. Das pakistanische Bildungssystem spiegelt die anhaltende soziale Ungleichheit in der Gesellschaft wider (GIZ 9.2020).

Sozialbeihilfen

Pensionsberechtigt sind Männer ab 60 und Frauen ab 55 Jahren mit mindestens 15 Beitragsjahren. Im Pensionssystem sind Angestellte von Unternehmen mit mehr als fünf Personen erfasst (USSSA 3.2019). Die Pensionsberechtigung ist auf den formellen Sektor beschränkt (HRCP 3.2019). 2,3 % der Bevölkerung im Pensionsalter kommen in den Genuss einer Alterspension. Mit einer Verfassungsänderung im Jahr 2010 wurde die Gesetzgebung im Arbeits- und Sozialbereich vom Bund an die Provinzen übertragen. Einige Provinzen haben bereits Gesetze dazu erlassen, dabei jedoch wichtige Bereiche vom ehemaligen Bundesgesetz übernommen. Das frühere Bundesgesetz bleibt in Provinzen gültig, die noch keine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen haben (ILO 2017).

Es gibt keine Arbeitslosenunterstützung (ILO 2017). Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern bezahlen das Gehalt der letzten 30 Tage des Dienstverhältnisses multipliziert mit der Dauer des Dienstverhältnisses in Jahren als Abfindung (USSSA 3.2019; vgl. ILO 2017).

Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft anhand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2019).

Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2019). Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die finanzielle Unterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Dabei liegt der Fokus auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, berufliche Weiterbildung sowie finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).

Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch gestärkt werden (ILO 2017).

Die Edhi Foundation ist - nach eigenen Angaben - die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edhi o.D.).

Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Bezirken der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen fällt vorwiegend in die Zuständigkeit der Provinzen. In der Organisation wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärversorgung unterschieden. Die Primärversorgung erfolgt in Basic Health Units (BHU) und Rural Health Centers mit einem Einzugsbereich von 25.000 bis 100.000 Menschen. Die Sekundärversorgung erfolgt in Tehsil Head Quarters und District Head Quarters mit einem Einzugsbereich von 500.000 bis 3 Millionen Menschen. Diese Einrichtungen bieten eine große Zahl ambulanter und stationärer Behandlungen an. Der tertiäre Sektor bietet eine hoch spezialisierte stationäre Versorgung (IJARP 10.2017). Im Verhältnis gibt es einen Arzt für 957 Personen, ein Krankenhausbett für 1.500-1.600 Personen und einen Zahnarzt für 9.730 Personen. Das relative Verhältnis des medizinischen Personals zur Bevölkerungszahl hat sich in den vergangenen Jahren leicht verbessert (HRCP 3.2019; vgl. HRCP 18.4.2018).

Trotz gegebener Verbesserungen (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Etwa 73 % der Bevölkerung sind ohne staatliche Krankenversicherung; 57 % in den Städten und 83 % am Land (ILO 2017). Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Zugänglichkeit und Leistbarkeit für Gesundheitsdienste sind insbesondere für die ländliche Bevölkerung problematisch, da es einen ernsten Mangel an qualifiziertem Gesundheitspersonal und unzureichende Finanzierung der primären Versorgungsebene gibt (IJARP 10.2017).

In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen. Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt (AA 29.9.2020). In Punjab erklärte der Gesundheitsminister im Februar 2019, dass die Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Distrikten der Provinz gestartet wurde und bis Ende des Jahres 2019 abgeschlossen sein wird. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR (ca. 3.800 EUR; Anm.). Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen und privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020).

Die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten ist sichergestellt, wobei diese für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich sind. In den modernen Krankenhäusern in den Großstädten kann - unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit - eine Behandlungsmöglichkeit für die meisten in Rede stehenden Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z.B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden (AA 29.9.2020).

In Punjab erklärte der Gesundheitsminister im Februar 2019, dass die Verteilung von Krankenversicherungskarten in 36 Distrikten der Provinz gestartet wurde und bis Ende des Jahres 2019 abgeschlossen sein wird. Die Krankenversicherung umfasst die Behandlung von acht Krankheiten (z.B. Kardiologie, Neurologie usw.) bis zu einem Grenzwert von 720.000 PKR. Die Krankenversicherung gilt sowohl für die öffentlichen und privaten Krankenhäuser (HRCP 4.2020).

Mehr als 15 Millionen Menschen in Pakistan leiden an einer psychischen Erkrankung (BBC 29.9.2016; vgl. Dawn 13.5.2019), jedoch gibt es nur etwa 500 qualifizierte Psychiater, vorwiegend in den Großstädten. In konservativen Regionen ist eine psychische Erkrankung mit einem sozialen Stigma verbunden (Dawn 13.5.2019; vgl. BBC 29.9.2016). Der Mangel an Psychiatern in peripheren Regionen sowie die Kosten der Behandlung sind für durchschnittliche Menschen unleistbar (Dawn 13.5.2019; vgl. Dawn 15.7.2019). Die Telefonseelsorge Talk2Me ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar und führt 75-90 psychologische Beratungen pro Woche durch (Dawn 13.5.2019).

Rückkehr

Die Rückführung von pakistanischen Staatsangehörigen ist nur mit gültigem pakistanischem Reisepass oder mit einem von einer pakistanischen Auslandsvertretung ausgestellten nationalen Ersatzdokument möglich, nicht aber mit europäischen Passersatzdokumenten (AA 29.9.2020). Freiwillige Rückkehrer mit gültigen Reisedokumenten werden von den Grenzbehörden wie alle anderen Pakistani, die aus dem Ausland einreisen, behandelt. Zwangsweise Rückgeführte werden von den Grenzbehörden befragt, um herauszufinden, ob die Person illegal aus Pakistan ausgereist ist bzw. ob strafrechtliche Vorwürfe vorliegen. Wenn keine Vorwürfe vorliegen, wird die Person normalerweise nach einigen Stunden entlassen (DFAT 20.2.2019).

Zurückgeführte haben bei ihrer Rückkehr nach Pakistan allein wegen der Stellung eines Asylantrags weder mit staatlichen Repressalien noch mit gesellschaftlicher Stigmatisierung zu rechnen. Eine über eine Befragung hinausgehende besondere Behandlung Zurückgeführter ist nicht festzustellen. Die pakistanischen Behörden erfragen lediglich, ob die Rückkehrer Pakistan auf legalem Weg verlassen haben (AA 29.9.2020). Unter gewissen Voraussetzungen verstoßen Pakistani nämlich mit ihrer Ausreise gegen die Emigration Ordinance (1979) oder gegen den Passport Act, 1974. Laut Auskunft der International Organization for Migration (IOM) werden Rückkehrende aber selbst bei Verstößen gegen die genannten Rechtsvorschriften im Regelfall nicht strafrechtlich verfolgt. Es sind vereinzelte Fälle an den Flughäfen Islamabad, Karatschi und Lahore bekannt, bei denen von den Betroffenen bei der Wiedereinreise Schmiergelder in geringer Höhe verlangt wurden. Rückkehrende, die nicht über genügend finanzielle Mittel verfügen, um Schmiergelder zu zahlen, werden oft inhaftiert (ÖB 5.2020). Nach anderen Angaben werden Personen, die illegal ausgereist sind, verhaftet und normalerweise nach einigen Tagen bei Bezahlung einer Strafe entlassen. Bei strafrechtlichen Vorwürfen oder wenn im Ausland eine Straftat begangen wurde, wird die Person verhaftet (DFAT 20.2.2019).

Rückkehrer müssen vom Ort der Einreise nach Pakistan ihre Weiterreise selbst organisieren. Freiwillige Rückkehrer können berechtigt sein, Unterstützung von IOM oder lokalen NGOs erhalten. Zwangsweise Rückgeführte sind nicht berechtigt, Rückkehrhilfe zu beziehen (DFAT 20.2.2019).

Personen, die nach Pakistan zurückkehren, erhalten keinerlei staatliche Wiedereingliederungshilfen oder sonstige Sozialleistungen. EU-Projekte, wie z.B. das European Reintegration Network (ERIN), sollen hier Unterstützung leisten (AA 29.9.2020). ERIN wird in Pakistan von der pakistanischen NGO WELDO mit Finanzierung von AMIF und zahlreichen EU-Staaten durchgeführt (WELDO o.D.b). In 113 Bezirken werden Leistungen zur Reintegration und Unterstützung bereitgestellt. Die Programme sollen Rückkehrer wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Das Ausbildungsprogramm wird dem Bedarf am Arbeitsmarkt und der jeweilige Person angepasst. Gegenwärtig liegt der Fokus der Organisation in der nachhaltigen Integration von pakistanischen Staatsangehörigen nach ihrer Rückkehr (freiwillig oder unfreiwillig) aus den Partnerländern. Beratung und Unterstützung in der Zielregion wird in verschiedenen Sprachen angeboten. Es gibt unterschiedliche Programme für verschiedene vulnerable Personengruppen (WELDO o.D.a).

IOM selbst bietet im Rahmen ihres Programmes Assisted Voluntary Return & Reintegration (AVRR), von welchem im Jahr 2016 Angaben der Organisation zufolge auch 51 Rückkehrende aus Österreich profitierten, die folgenden Leistungen an (Laufzeit von einem Jahr; entsprechendes Monitoring inkludiert): Betreuung bei Ankunft am Flughafen (Islamabad, Lahore); Unterbringung bis zur Fahrt nach Hause; Berufs- bzw. Bildungsberatung und in der Folge entsprechende Unterstützung; medizinische Hilfeleistungen; besondere Unterstützungsleistungen für vulnerable Personengruppen (alleinstehende Frauen, minderjährige Kinder) (ÖB 5.2020; vgl. IOM o.D.).

IOM führt mit Bezug auf pakistanische Rückkehrer an, dass diese bei der Arbeitssuche auch Unterstützung durch das Tameer-e-Pakistan Programm – ein Programm zur Armutsbekämpfung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen – erhalten können (IOM 2019).

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

[Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/]

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren vor dem BFA eine pakistanische Geburtsurkunde vor. Laut deren Übersetzung eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetschers für die Sprachen Urdu und Punjab in deutscher Sprache lautet die Identität des Beschwerdeführers wie folgt: XXXX , geb XXXX . Davon ging auch das BFA im angefochtenen Bescheid aus. (Bescheid S 52 (AS 144))

Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, seiner Berufstätigkeit, seiner Aufenthaltsorte in Pakistan, zu seiner Ausreise und seinem Aufenthalt in Griechenland vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte. Zum Aufenthaltsort seiner Eltern in der mündlichen Verhandlung befragt, gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er deren Aufenthaltsort nicht wisse und die Eltern auch nicht sagen würden, wo sie sich befinden würden, denn wenn die gegnerische Partei das erfahre, würden sie erneut belästigt oder ein Brandanschlag durchgeführt (VS 29.03.2021 S 9). Später erneut dazu befragt, wo der Vater jetzt lebe, gab der Beschwerdeführer Folgendes an: „Eh dort. Zu Hause. Er kümmert sich um die Sachen zu Hause. Auch er wurde bereits zwei Mal angegriffen. Er hatte schon eine Herzattacke“ (VS 29.03.2021 S 13). Zu den Brüdern befragt, gab der Beschwerdeführer zunächst ausweichend an, dass sie sich „mal da mal dort“ aufhalten würden; sie würden Mitarbeiter haben die die Arbeit für sie erledigen würden, und manchmal würden sie zur Kontrolle kommen; wenn es zu gefährlich würde, würden sie wieder irgendwo heimlich untertauchen (VS 29.03.2021 S 9). Erneut befragt, wer von den Brüdern jetzt noch in Pakistan lebe, gab der Beschwerdeführer an, dass XXXX Rechtsanwalt in Lahore sei, XXXX und XXXX würden dort aufhältig sein wo sie gerade Unterkunft bekämen, sie seien mal hier mal da und würden heimlich bei den Feldern untertauchen; falls sie erwischt würden, gingen sie weg (VS 29.03.2021 S 13). Aus diesen Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich im Ergebnis letztlich, dass die Eltern des Beschwerdeführers nach wie vor im Herkunftsort des Beschwerdeführers leben und ein Bruder in Lahore lebt und dort als Rechtsanwalt arbeitet. Die anderen Brüder kümmern sich nach wie vor um den Grundbesitz der Familie und kehren auch immer wieder in den Herkunftsort der Familie zurück; auch, um ihre Mitarbeiter zu kontrollieren.

2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)

Seine Angaben zu seiner Einreise und seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation und seinen Tätigkeiten erwiesen sich als widerspruchsfrei, sie wurden durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis seiner bereits gesetzten Integrationsschritte (Bestätigung Grünes Kreuz, Ergebnis Führerscheinprüfung) belegt und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern. Die Deutschkenntnisse wurden aufgrund des im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks festgestellt. (VS 29.03.2021 S 8)

Die strafgerichtliche Verurteilung ergibt sich aus dem unverdächtigen Strafregisterauszug der Republik Österreich.

Die Feststellungen zu den gegen den Beschwerdeführer erlassenen Straferkenntnissen ergeben sich aus eben diesen, im Akt einliegenden Straferkenntnissen; es gibt keinen Grund an der Richtigkeit jener zu zweifeln.

2.3 Zum Gesundheitszustand

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (VS 29.03.2021 S 4-7) und den vorgelegten medizinischen Unterlagen (OZ 10 (Patientenbrief, Entlassungsbrief, Ambulanzkarte)). Der Beschwerdeführer gab zwar an, Schmerzen in der Hüfte zu haben, wenn er zu viel gehe, er gab aber auch an, gerne arbeiten zu wollen, und dass er in einem indischen Restaurant oder bei der Firma „Krone“ arbeiten könne. Aufgrund dieser Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in seinem Alltag wegen seines Problems mit der Hüfte nicht wesentlich eingeschränkt ist, zumal er gewillt ist zu arbeiten und diesbezüglich nicht angab, aufgrund seines Hüftproblems nur bestimmte Arbeitsmöglichkeiten annehmen zu können.

2.4 Zum Vorbringen und mangelnden Gefährdung im Falle der Rückkehr (oben 1.4 – 1.5)

2.4.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben.

Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag zusammengefasst damit, dass er von Mitgliedern seiner ehemaligen und nunmehr gegnerischen Partei verfolgt und bedroht worden sei und diese versucht hätten ihn zu töten. (näher oben Punkt 1.4)

2.4.2 Die Feststellungen dazu, dass die Schilderung des Beschwerdeführers zu der von ihm behaupteten Verfolgung und Bedrohung seiner Person nicht glaubhaft ist, der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen nicht glaubhaft gemacht hat und es sich auch sonst nicht ergibt, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit – in ganz Pakistan – einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre (oben 1.5), waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

2.4.2.1 Das Vorbringen des Asylwerbers muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009) Diese Voraussetzung ist im vorliegend Fall aus den folgenden Gründen nicht gegeben:

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er die PML-N im Jahr 2002 verlassen habe und dann immer Probleme gehabt habe; dass er verbal und telefonisch bedroht worden sei und die Gegner versucht hätten, ihn zu töten. Er erwähnte dazu beim BFA und in der Beschwerde einen Angriff im Jahr 2006 in der Nacht auf das Haus der Familie, ein Schussattentat im Jahr 2009 auf seinen Vater bei dem dieser verletzt worden sei und in der mündlichen Verhandlung noch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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