Entscheidungsdatum
29.09.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W287 2216333-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Julia KUSZNIER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 10.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung. Ferner wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist, und es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.12.2018 durch Hinterlegung mit Abholfrist ab demselben Tag zugestellt. Mit Ablauf des 07.01.2019 erwuchs der genannte Bescheid in Rechtskraft.
2. Am 24.01.2019 übermittelte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden mit einer Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom XXXX . Er brachte darin im Wesentlichen vor, dass ihn die die Hinterlegungsanzeige erst am 14.01.2021 erreicht habe und er daher ohne sein Verschulden die fristgerechte Erhebung einer Beschwerde versäumt habe.
3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24.01.2019 ab (Spruchpunkt I.) und erkannte dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zu (Spruchpunkt II.). Der Beschwerdeführer erhob am 13.03.2021 fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger und führt die im Spruch angeführten Personalien.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 10.12.2018 durch Hinterlegung („in Abgabeeinrichtung eingelegt“) ordnungsgemäß zugestellt. Die Rechtsmittelfrist endete mit Ablauf des 07.01.2019. Der Bescheid erwuchs mit Wirksamkeit vom 08.01.2021 in Rechtskraft.
Der Bescheid des BFA wurde vom Beschwerdeführer nicht innerhalb der Abholfrist bis 31.12.2021 behoben und das Kuvert samt Bescheid dem BFA mit dem Vermerk „Nicht behoben“ retourniert. Am 15.01.2019 suchte der Beschwerdeführer das BFA auf, wo ihm neuerlich der Bescheid vom XXXX ausgefolgt wurde.
Der Beschwerdeführer übermittelte seine Beschwerde gegen den genannten Bescheid verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag am 24.01.2019 nach Ablauf der Rechtmittelfrist an das BFA. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX , Zl. XXXX , abgewiesen.
Der Beschwerdeführer brachte im Wiedereinsetzungsantrag vor, dass eine namentlich nicht näher genannte Person die Hinterlegungsanzeige am 14.01.2019 unter der unterkunfteigenen Waschmaschine gefunden habe. Die Einvernahme jener Person(en), die für die Entnahme und Übergabe von Briefsendungen aus der unterkunfteigenen Abgabeeinrichtung zuständig ist/sind, wurde nicht angeboten, diese wurde(n) auch nicht namentlich genannt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
Dass der Bescheid vom XXXX , mit dem der Antrag auf Zuerkennung von Asyl abgewiesen wurde, am 10.12.2018 ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt wurde und mit 08.01.2019 in Rechtskraft erwuchs, ergibt sich aus dem Akteninhalt. Bei einer Hinterlegungsanzeige sowie bei einem Rückschein handelt es sich um öffentliche Urkunden, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich haben. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (VwGH 15.10.2015, Ra 2014/20/0052 mwN). Der Beschwerdeführer ist der mit dem Rückschein dokumentierten Einlage in die Abgabeeinrichtung der Unterkunft nicht substantiiert entgegengetreten.
Die Feststellungen zum Vorgang, der für die Versäumung der Rechtsmittelfrist ursächlich war, ergeben sich ebenso aus dem Akteninhalt, insbesondere dem Beschwerdevorbringen. Sämtliche Elemente, die zur Beurteilung notwendig sind, waren zweifelsfrei und ohne weitere Ermittlungstätigkeit dem vollständigen Verwaltungsakt zu entnehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist ein Ereignis dann "unabwendbar", wenn der Eintritt dieses Ereignisses objektiv von einem Durchschnittsmenschen nicht verhindert werden konnte. Ein Ereignis ist als "unvorhergesehen" zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten werden konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. etwa VwGH 03.04.2001, 2000/08/0214).
Wie der VwGH in stRsp ausgeführt hat (Hinweis E 26.9.1990, 89/13/0240), ist die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in das Verfahren nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss daher bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht bzw müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (VwGH 03.02.2020, Ra 2019/04/0119 mwN). Zur Erfüllung dieser Obliegenheit ist es erforderlich, ladungsfähige Adressen der vom Wiedereinsetzungswerber zur Bescheinigung seines Vorbringens geführten Personen anzugeben. Hat die Partei in ihrem Wiedereinsetzungsantrag z.B. nicht einmal jene Person, der sie den Auftrag zur Postaufgabe ihres Rechtsmittels erteilt haben will und die dieses weisungswidrig einen Tag zu spät zur Post gegeben haben soll, namentlich genannt, war es der belangten Behörde objektiv gar nicht möglich, das Vorliegen des zwar behaupteten, nicht aber glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen (VwGH 27.04.2004, 2003/05/0065 mwN).
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt, wobei auf der Hinterlegungsanzeige als Beginn der Abholfrist der 10.12.2018 angeführt wurde. Bei einem Rückschein handelt es sich – ebenso wie bei einer Hinterlegungsanzeige – um eine öffentliche Urkunde, die nach § 47 AVG in Verbindung mit § 292 ZPO die Vermutung der Richtigkeit für sich hat. Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (VwGH 15.10.2015, Ra 2014/20/0052 mwN). Derartiges wurde jedoch vom Beschwerdeführer nicht dargetan.
Daher wurde der Bescheid dem Beschwerdeführer rechtswirksam am 10.12.2018 zugestellt, wodurch der Fristenlauf ausgelöst wurde. Der Bescheid erwuchs am 08.01.2019 in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer brachte in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor, dass ihm am 14.01.2019 ein weiterer Bewohner der Unterkunft, ein afghanischer Staatsangehöriger, die Hinterlegungsanzeige, die unter der Waschmaschine in der Unterkunft aufgetaucht sei, ausgehändigt habe. Der Beschwerdeführer sei daraufhin am nächsten Tag zur zum BFA gefahren und habe dort am 15.01.2021 ein Duplikat des Bescheides vom XXXX ausgehändigt bekommen. Auch der Zimmerkollege des Beschwerdeführers könne sich nicht an eine Befestigung einer Hinterlegungsanzeige an der Zimmertür oder an eine Hineinschieben eines offiziellen Schriftstückes durch einen Postangestellten unter der Zimmertür erinnern. Daher habe der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden die rechtzeitige Erhebung der Beschwerde versäumt.
Der Beschwerdeführer nennt in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung weder den Namen jenes afghanischen Mitbewohners, der die Hinterlegungsanzeige unter der Waschmaschine gefunden haben soll, noch enthält der Antrag nähere Ausführungen oder Bescheinigungsmittel zu den üblichen Zustellvorgängen innerhalb der Unterkunft. Die Einvernahme jener Person, die die Hinterlegungsanzeige gefunden hat, wäre jedoch unabdingbar, um die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu beurteilen. Es ist aus Sicht der erkennenden Richterin nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer zwar Personen wie seinen Zimmerkollegen oder seine Betreuerin im Antrag auf Wiedereinsetzung namentlich anführt, die jedoch alle keine unmittelbaren Wahrnehmungen zum Zustellvorgang sowie zur Auffindung der Hinterlegungsanzeige haben, die unmittelbar involvierten sonstigen Personen jedoch weder namentlich nennt, noch deren Einvernahme als Bescheinigungsmittel anbietet.
Die „Unerklärlichkeit“ des Verschwindens eines durch Einwurf in eine Abgabeeinrichtung in seine Gewahrsame gelangten amtlichen Schriftstückes geht zu Lasten des Wiedereinsetzungswerbers, dh die bloße Unaufklärbarkeit der Gründe für die Unkenntnis vom Zustellvorgang reicht für die Wiedereinsetzung nicht aus (VwGH 20.01.1998, 87/08/0545; 21.09.1999, 97/18/0418).
Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund war daher weder im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausreichend glaubhaft gemacht noch hat der Beschwerdeführer im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht. Es ist objektiv nicht möglich, den behaupteten, aber nicht glaubhaft gemachten Wiedereinsetzungsgrund zu beurteilen. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gegenständlich unterbleiben, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint und eine weitere Klärung weder notwendig noch zu erwarten ist. Dass die Beschwerde verspätet eingebracht wurde, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Der Beschwerdeführer hatte Kenntnis von der verspäteten Beschwerdeerhebung und hinreichend Gelegenheit sämtliche Gründe für den behaupteten minderen Grad des Verstehens an der Fristversäumnis im gegenständlichen Fall darzulegen und zu bescheinigen. Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung keine relevanten Bescheinigungsmittel angeboten: Weder führte der Beschwerdeführer jenen afghanischen Asylwerber, der die Hinterlegungsanzeige angeblich unter der Waschmaschine gefunden hat, namentlich an, noch bot er dessen Einvernahme zur Bescheinigung seines Vorbringens an. Das Antragsvorbringen lässt eine detaillierte Sachverhaltsschilderung dahingehend vermissen, in welcher Art und Weise Zustellungen in der Unterkunft des Beschwerdeführers üblicherweise vorgenommen werden, ob also zum Beispiel ein Postkasten vorhanden ist, in den Hinterlegungsanzeigen eingelegt werden, und von wem diese sodann entnommen und übergeben werden. Dem entsprechend wurden auch dazu keine Bescheinigungsmittel (wie zB die Einvernahme der zuständigen Person in der Unterkunft) übermittelt oder angeboten. Die Beschwerde war daher aufgrund der Aktenlage ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bereits mangels Bescheinigung des behaupteten Sachverhaltes abzuweisen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Schlagworte
mangelnder Anknüpfungspunkt rechtliche Beurteilung Verspätung Voraussetzungen VwGH Wiedereinsetzungsantrag ZustellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W287.2216333.1.00Im RIS seit
22.12.2021Zuletzt aktualisiert am
22.12.2021