Entscheidungsdatum
01.10.2021Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G306 2221100-1/31E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RAe Mag. Josef Phillip BISCHOF und Mag. Adreas LEPSCHI, in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2019, Zahl XXXX , nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 21.02.2019 den gegenständlichen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).
2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die polizeiliche Erstbefragung des BF statt.
3. Am 29.03.2019 wurde der BF im Asylverfahren niederschriftlich durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen.
4. Mit den oben im Spruch genannten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 11.06.2019, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina (im Folgenden: BiH) gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach BiH zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
5. Mit am 27.06.2019 per Telefax beim BFA eingebrachtem Schriftsatz erhob der BF durch seine im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den ebenfalls oben im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).
Darin wurde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Gewährung von Asyl stattgeben werde, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach BiH für unzulässig erklärt und ihm ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt werde, die Bescheidpunkte III. bis IV. behoben und festgestellt werde, dass die Ausweisung des BF auf Dauer unzulässig sei, ihm in eventu ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 erteilt, und in eventu die Unzulässigkeit der Abschiebung nach BiH festgestellt, sowie in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückgewiesen werde.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am 09.07.2019 vorgelegt und langte am 10.07.2019 ein.
7. Am 21.11.2019 und 23.11.2019 fand in der Außenstelle Graz des BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF und dessen RV teilnahmen.
8. Mit Schreiben vom 23.11.2020 und 08.06.2021 brachte der BF weitere Stellungnahmen und ergänzende Unterlagen in Vorlage.
9. Mit per E-Mail am 29.06.2021 beim BVwG eingebrachtem Schreiben wurde eine vom BvwG angeforderte Stellungnahme des Verbindungsbeamten in der österreichischen Botschaft in Sarajewo vorgelegt.
10. Am 02.07.2021 fand eine neuerliche öffentliche Verhandlung in der Grazer Außenstelle des BVwG statt, an jener der BF und dessen RV persönlich teilnahmen, sowie ein vom BF benannter Zeuge, XXXX , einvernommen wurde.
11. Mit am 02.08.2021 auf elektronischem Wege beim BVwG eingebrachtem Schriftsatz gab der BF durch seinen RV eine abschließende Stellungnahme ab.
12. Am 24.08.2021 brachte der österreichische Verbindungsbeamte in der österreichischen Botschaft in Sarajewo eine weitere vom BVwG angeforderte Stellungnahme in Vorlage.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Namen und Geburtsdatum), ist Staatsbürger von BiH, bekennt sich zum serbisch-orthodoxen Glauben und ist Angehöriger der Volksgruppe der Serben. Seine Muttersprache ist serbisch. Er ist geschieden.
1.2. Der BF wurde in Sarajevo geboren, besuchte 8 Jahre lang die Grund-, 4 Jahre eine technische mittlere- und 1 Jahr eine technisch höhere Schule in BiH, erlernte keinen Beruf und war als Kellner im Herkunftsstaat erwerbstätig. Seine letzte Wohnadresse im Herkunftsstaat lautete XXXX , XXXX .
1.3. Der BF verließ BiH am 03.02.2019 in Richtung Kroatien und reiste in weiterer Folge – schlepperunterstützt – über Slowenien nach Österreich wo er am 21.02.2019 den gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes stellte.
1.4. Ein Bruder samt dessen Kinder sowie weitere Verwandte (Cousinen und Cousins) leben weiterhin im Herkunftsstaat und hielt der BF zu diesen bis vor drei Jahren regelmäßigen Kontakt. Der BF brach den Kontakt zu seinen Angehörigen aus eigenem Antrieb ab.
1.5. Der BF geht keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach, sondern lebt überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.
1.6. Der BF leidet an COPD II und wurde bereits im Herkunftsstaat eine obstruktive Ventilationsstörung (asthmoide Symptomatik) attestiert. Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen und/oder im Endstadium befindlichen schweren Erkrankung konnte nicht festgestellt werden.
1.7. Der BF besuchte bis dato keinen Deutschkurs und/oder hat keine Deutschprüfung absolviert. Es konnte zudem nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt. Er ist jedoch in der Lage einfache Sätze auf Deutsch zu verstehen und einfache Sätze auf Deutsch zu formulieren.
1.8. Im Bundesgebiet hält sich die geschiedene Frau des BF auf, welche mit der gemeinsamen Tochter im gemeinsamen Haushalt lebt. Die geschiedene Frau des BF, XXXX , geb. XXXX , StA.: BiH, ist mittlerweile mit einem kroatischen Staatsbürger verheiratet und im Besitz eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes. Die Tochter des BF, XXXX , geb. XXXX , StA.: BiH, hält sich seit Juni 2016 durchgehend in Österreich auf.
Im Sommer 2020 reisten die geschiedene Frau des BF sowie die gemeinsame Tochter des BF nach XXXX um an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen und konnten problemlos in ihren Herkunftsstaat ein- sowie wieder ausreisen.
1.9. Der BF hat den Verein „Gerechtigkeit für David“ in Österreich gegründet und engagiert sich im Rahmen desselben für die Aufklärung des Todes seines Sohnes in BiH, konkret der Republik Sprska. Sowohl er als auch seine geschiedene Frau nehmen in dem besagten Verein Vorstandsfunktionen wahr.
1.10. In strafgerichtlicher Hinsicht erweist sich der BF als unbescholten.
1.11. BiH gilt als sicherer Herkunftsstaat.
1.12. Am XXXX .2018 verschwand der Sohn des BF und wurde dessen Leichnam am XXXX .2018 in einem Bach in XXXX aufgefunden. Von den Strafverfolgungsbehörden der Republik Srpska wurde der Tod des Sohnes des BF als Unfall, der auf den missbräuchlichen Konsum von Drogen, konkret Marihuana und LSD zurückgeführt werden habe können, dargestellt und dem Toten zudem ein Einbruchsdiebstahl zur Last gelegt.
Der BF zweifelte an der Erzählung der Behörden und behauptete die Ermordung seines Sohnes durch hochrangige politische Persönlichkeiten der Republik Srpska. Weiters warf er den Verantwortlichen, konkret, Mitarbeitern des Innenministeriums der Republik Srpska (im Folgenden: RS) sowie der Bezirksstaatsanwaltschaft XXXX teils öffentlich vor, die Aufklärung des Falles zu verhindern und die Täter zu decken. In weiterer Folge rief der BF gemeinsam mit seiner geschiedenen Frau, der Mutter des verstorbenen Sohnes, eine Bürgerbewegung mit Titel „ XXXX “ ins Leben. Der BF bezweckte damit Druck auf die jeweiligen Verantwortlichen aufzubauen, damit der Tod seines Sohnes einer Aufklärung zugeführt wird. Dazu organisierte der BF angemeldete und behördlich genehmigte Demonstrationen in XXXX bei denen er als Hauptredner auftrat. Die Demonstrationen fanden regen Anklang und stieg die Zahl der Teilnehmer von Veranstaltung zu Veranstaltung stetig an. Die Demonstrationen entwickelten sich letztlich zu einer politischen Bewegung jene die politischen Gegebenheiten in der Republik Srpska anklagten.
Der BF und seine mittlerweile geschiedene Frau, wurden von den lokalen Polizeibehörden am XXXX .2018 festgenommen und nach 24 Stunden wieder freigelassen. Am XXXX .2018 um 22:30 Uhr stürmten lokale Polizeikräfte eine der besagten für den Zeitraum 18:00 bis 20:00 Uhr genehmigte Demonstration am Hauptplatz von XXXX und nahmen dabei mehrere Personen fest. Der BF konnte sich einer Festnahme durch Flucht entziehen und hielt sich daraufhin 30 Tage versteckt, eher er Richtung Kroatien und in weiterer Folge nach Österreich reiste.
Der BF betreibt seine Initiative „ XXXX “ von Österreich in Form eines Vereins, deren Obfrau die Mutter des getöteten Sohnes des BF und deren Schriftführer der BF ist weiter und wurde seitens namhafter Zeitungen über die Vorkommnisse rund um den Tod seines Sohnes sowie dem Vorgehen der lokalen Polizeikräfte in der Republik Srpska sowie eine vom BF vermutete vermeintliche Verwicklung von XXXX , dem Innenminister der Republik Sprska sowie XXXX , dem amtierenden Mitglied des Präsidiums von BiH in den Fall des Todes des Sohnes des BF, kritisch berichtet.
Im April 2021 wurde das Ermittlungsverfahren im Fall des Todes des Sohnes des BF von der Generalstaatsanwaltschaft des Staates BiH übernommen und wird dieses nunmehr von Grund auf neu durchgehführt. Der BF steht über seinen Anwalt mit den zuständigen Stellen in Verbindung und hat der BF sein Vertrauen in deren Kompetenz und Aufklärungswillen kundgetan.
Der Leichnam des Sohnes des BF wurde mit behördlicher Genehmigung der Republik Sprska aus seinem Grab in XXXX , im Beisein der geschiedenen Frau des BF exhumiert und am XXXX .2019 in Österreich beigesetzt.
Den lokalen Strafverfolgungsbehörden der Republik Srpska ist vorzuwerfen, die Ermittlungen im Falle des Todes des Sohnes des BF unzureichend geführt zu haben.
Gegen den BF werden durch die öffentliche Kreisstaatsanwaltschaft XXXX , Ermittlungen aufgrund der Verdächtigungen hinsichtlich folgender Straftaten geführt:
? Nr. XXXX : „Gefährdung der Sicherheit“ gemäß Art 150 des Strafgesetzes der Republik Srpska, z.N. Des Innenministers der Republik Srpska, Dragan LUKAC.
? Nr. XXXX : „Verursachen öffentlicher Unordnung“ gemäß Art 358 Abs. 1 des Strafgesetzes der Republik Srpska.
? Nr. XXXX : „Gefährdung der Sicherheit“ gemäß Art 150 des Strafgesetzes der Republik Srpska, z.N. einer Polizeibeamtin der Polizeibehörde XXXX , Polizeistation XXXX .
Gegenwärtig wird nach dem BF weder im Herkunftsstaat BiH noch in der Republik Srpska gefahndet. Auch ist er nicht zur Verhaftung ausgeschrieben und ist keine Anordnung zum Vollzug der Untersuchungshaft getroffen worden. Der BF ruft nach wie vor, über Videobotschaften, zu Demonstrationen in Sarajewo auf.
1.13. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.
1.14. Zur Lage im Herkunftsstaat:
COVID-19
Letzte Änderung: 12.07.2021
Laut der Statistik von Our World in Data wurden in Bosnien-Herzegowina erst knapp 1,6 % der Bevölkerung geimpft. In Bosnien-Herzegowina ist mit 4,3 % die Sterblichkeitsrate laut der Johns-Hopkins-Universität zudem höher als in jedem anderen Land in Europa. Angesichts der extrem hohen Fallzahlen und der Überbelegung der Spitäler kam es zu einem akuten Mangel an Sauerstoff für die Beatmung von Covid-19-Erkrankten (DS 4.5.2021).
Laut Vaša Prava BiH, einer NGO, die kostenlose Rechtshilfe anbietet, haben sich die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie unverhältnismäßig stark auf marginalisierte Bevölkerungsgruppen ausgewirkt, einschließlich der Roma in BuH. Viele Roma, die oft im Schattenwirtschaftssektor beschäftigt sind, verloren ihre Einkommensmöglichkeiten und Roma-Kinder hatten keinen Zugang zu Online-Bildung (HRW 13.1.2021).
Bosnien und Herzegowina ist von COVID sehr stark betroffen und ist als Gebiet mit besonders hohem Infektionsrisiko (Hochinzidenzgebiet) eingestuft. Die Einreise nach Bosnien und Herzegowina ist für alle ausländischen Staatsangehörigen unter der Voraussetzung gestattet, dass bei Einreise ein negativer PCR-Test vorgelegt werden kann, der nicht älter als 48 Stunden ist. Das öffentliche Leben ist im Allgemeinen nicht eingeschränkt. In der Öffentlichkeit und in geschlossenen Räumen besteht die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Es gilt ein Mindestabstand von zwei Metern zu anderen Personen, mit denen man nicht in einem Haushalt lebt. Verstöße können mit einem Bußgeld von umgerechnet ca. 250 € geahndet werden (AA 27.4.2021b).
Explosionsartige Steigerungen der Fallzahlen im Berichtsmonat haben ab Mitte März 2021 zu entsprechenden Verschärfungen von Maßnahmen und Einschränkungen für die Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina geführt. Während Anfang März 2021 noch täglich 300?400 Infektionsfälle gemeldet wurden, liegen diese Zahlen Ende März bei mehr als 1.500 täglich, mit dem Rekordwert von 1.965 Neuinfizierten an einem Tag. Die höchste Todeszahl war mit 77 an einem Tag erreicht. Besonders der Kanton Sarajevo mit der Hauptstadt sticht sowohl durch sehr hohe Infektions- als auch Todeszahlen hervor. Die 7?Tages Inzidenz im Kanton Sarajevo lag zeitweilig bei knapp über 1.100. Seitens der zuständigen Stellen wird vor einem Kollaps der intensivmedizinischen Abteilungen in den Krankenanstalten und Universitätskliniken gewarnt. Am 2.3.2021 bekam Bosnien und Herzegowina 10.000 Impfdosen von AstraZeneca von der Republik Serbien und am 25.3.2021 wurde die erste Lieferung von 23.400 Impfdosen des BioN/Pfizer Impfstoff über das COVAX - System in Sarajevo in Empfang genommen. Eine weitere Lieferung von 26.400 Impfdosen von AstraZeneca wurde für den gleichen Tag erwartet. Insgesamt hat BuH 1,2 Millionen Impfdosen über COVAX eingekauft. Die Gesamtmenge der über COVAX bestellten Impfdosen soll für 20% der Bevölkerung ausreichend sein (VB 6.5.2021).
Die Covid-19-Pandemie hat in allen Staaten der Westbalkan-Region, einschließlich BosnienHerzegowina die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem und die Probleme großer Teile der Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsversorgung verschärft (FBW 8.2.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (27.4.2021b): Bosnien und Herzegowina: Reise- und Sicherheitshinweise (COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bosnienundherzegowina-node/bosnienundherzegowinasicherheit/207694 , Zugriff 27.4.2021
• DS - Der Standard (4.5.2021): International Europa Bosnien-Herzegowina, Pandemie, Erste heißersehnte Impfdosen der EU auf den Balkan geliefert, https://www.derstandard.at/story/200012638 3110/erste-heissersehnte-impfdosen-der-eu-auf-den-balkan-geliefert , Zugriff 5.5.2021
• FBW - Flüchtlingsrat Baden-Württemberg (8.2.2021): Abschiebungen in die Westbalkan-Region während der Covid-19-Pandemie,
https://fluechtlingsrat-bw.de/wp-content/uploads/2021/02/2020-02-Abschiebungen-in-die-Westba lkan-Region-waehrend-der-Covid-19-Pandemie.pdf , Zugriff 10.5.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bosnia and Herzegovina,https://www.ecoi.net/de/dokument/2043526.html , Zugriff 26.4.2021
• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (6.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail
Politische Lage
Letzte Änderung: 27.07.2021
Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BuH) wurde im November/Dezember 1995 durch das Daytoner „Rahmenabkommen für den Frieden“ geschaffen, dessen Annex 4 die gesamtstaatliche Verfassung festschreibt. BuH besteht aus zwei flächenmäßig nahezu gleich großen, weitgehend autonomen Gebietskörperschaften, genannt Entitäten: Die überwiegend bosniakisch-kroatische Föderation BuH (51% des Territoriums, ca. 63% der Gesamtbevölkerung) und die überwiegend serbische Republika Srpska (RS) (49% des Territoriums, ca. 35% der Gesamtbevölkerung). Neben den beiden Entitäten gibt es den multiethnischen Sonderdistrikt Br?ko. Die Föderation BuH gliedert sich in zehn Kantone, die wiederum aus mehreren Gemeinden bestehen. Die RS ist zentral organisiert und nur in Gemeinden gegliedert. Als kollektives Staatsoberhaupt des Gesamtstaats fungiert das Staatspräsidium, das in direkter Wahl für eine Amtszeit von vier Jahren bestimmt wird. Es besteht aus je einem Vertreter der drei konstituierenden Völker. Der Vorsitz rotiert alle acht Monate. Die Regierungen des Gesamtstaates, der beiden Entitäten, des Distrikts Br?ko und der zehn Kantone in der Föderation BuH kommen zusammen auf über 150 Ministerien (AA 5.4.2021).
Der Staat wird von einem dreiköpfigen Präsidium geführt, das aus jeweils einem Kroaten, einem Serben und einem Muslim (Bosniaken) besteht, die sich nach acht Monaten im Vorsitz abwechseln. Die drei Mitglieder des Präsidiums werden alle vier Jahre direkt gewählt. Die Legislative liegt beim Zwei-Kammern-Parlament (Skupstina). Die 42 Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden vom Volk für vier Jahre direkt gewählt (28 Föderation Bosnien und Herzegowina, 14 Serbische Republik). Die Mitglieder der Kammer der Völker werden von den Parlamenten der Teilstaaten gewählt (zehn Föderation Bosnien und Herzegowina, fünf Serbische Republik). Jeder der zwei Teilstaaten hat eine eigene Regierung und ein eigenes Parlament. In der Föderation Bosnien-Herzegowina besteht das Parlament aus zwei Kammern (Abgeordnetenhaus/ 98 Sitze und Kammer der Völker/ 58 Sitze). Ebenso in der Serbischen Republik: Nationalversammlung/83 Sitze und Rat der Völker/ 28 Sitze. Der jeweilige Präsident wird vom Parlament gewählt (Länder-Lexikon o.D.).
Mit der Entscheidung des Lenkungsausschusses (Stearing Board) des Friedensimplementierungsrats (PIC) für Bosnien und Herzegowina ist der erfahrene CSU-Politiker, Christian Schmidt, mit der Funktion des Hohen Representanten (HR) betraut worden. Dieser hat die Aufgabe, den Friedensvertrag von Dayton, der den blutigen Bosnienkrieg (1992-1995) beendete, zu überwachen und den politisch-zivilen Teil des Abkommens zu implementieren. Durch die ständigen Blockaden vor allem seitens der bosnischen Serben und bosnischen Kroaten ist der bosnische Staat heute praktisch funktionsunfähig und zeigt kaum Fortschritte auf dem Weg zu einer funktionierenden Demokratie. Schon seit Jahren versucht Moskau eine Schließung des Büros des Hohen Repräsentanten (OHR) zu erreichen, was die Krise in Bosnien in absehbarer Weise noch vergrößern und das Bestehen dieses Staates gefährden würde (DW 7.6.2021).
Die in ihren jeweilige Volksgruppen dominierenden National-Parteien haben bei den Kommunalwahlen in BuH empfindliche Niederlagen einstecken müssen. In der Hauptstadt Sarajevo verlor die muslimisch-bosniakische Regierungspartei SDA mehrere Stadtteile an ein links-liberales Oppositionsbündnis. Im serbischen Landesteil, der RS, verlor die Regierungspartei SNSD des serbischen Präsidentschaftsmitglieds Milorad Dodik die Bürgermeisterwahl in der Regionshauptstadt Banja Luka. Bosnische Medien werteten die Wahlergebnisse als Beginn eines möglichen Wandels. Sie schrieben sie auch dem Versagen der National-Parteien bei der Bewältigung der Corona-Pandemie zu, von der BuH besonders hart betroffen ist. So gab es etwa Korruption im Zusammenhang mit dem Kauf medizinischer Geräte (DW 16.11.2020).
Bosnien und Herzegowina muss im Einklang mit den einschlägigen Schlussfolgerungen des Rates vom Dezember 2019 die 14 Schlüsselprioritäten umsetzen, die in der Stellungnahme der Europäischen Kommission vom Mai 2019 zum Antrag des Landes auf EU-Mitgliedschaft genannt wurden. Die Stellungnahme ist ein umfassender Fahrplan für tiefgreifende Reformen in den Bereichen Demokratie/Funktionsweise der staatlichen Verwaltung, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte sowie öffentliche Verwaltung. Bosnien und Herzegowina muss seinen rechtlichen und institutionellen Rahmen - wo erforderlich auch auf Verfassungsebene - grundlegend verbessern, um den Anforderungen für die EU-Mitgliedschaft gerecht zu werden. Die Erfüllung der 14 Schlüsselprioritäten wird es dem Land ermöglichen, Beitrittsverhandlungen mit der EU aufzunehmen. Im Juli 2020 verabschiedeten alle Regierungsebenen den strategischen Rahmen für die Reform der öffentlichen Verwaltung, was zur Umsetzung der Schlüsselpriorität 14 beitrug. Nun müssen alle Regierungsebenen den entsprechenden Aktionsplan annehmen. Bosnien und Herzegowina hat im September 2020 die überarbeitete nationale Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen angenommen, und damit einen Beitrag zur Schlüsselpriorität 5 geleistet. Ferner sind Vorbereitungen für die Tagungen des Gemischten Parlamentarischen Ausschusses im Gange. Bosnien und Herzegowina muss auch bei den anderen Schlüsselprioritäten Fortschritte erzielen (VB 7.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• AA - Auswärtiges Amt (30.11.2020a): Bosnien und Herzegowina, Überblick, https://www.auswaert iges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bosnienundherzegowina-node/bosnien-und-herzegowina/20 7680 , Zugriff 26.4.2021
• DW - Deutsche Welle Gastkolumne (7.6.2021): Christian Schmidt - der richtige Mann für Bosnien und Herzegowina, https://www.dw.com/de/gastkolumne-christian-schmidt-der-richtige-mann-f% C3%Bcr-bosnien-und-herzegowina/a-57803671 , Zugriff 5.7.2021
• Länder-Lexikon (o.D.): Bosnien-Herzegowina, https://www.laender-lexikon.de/Bosnien-Herzegowi na , Zugriff 27.7.2021
• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 27.07.2021
Sowohl die politische Situation als auch die allgemeine Konfliktlage in der Region bleiben auch 25 Jahre nach Kriegsende angespannt. Zwischen Bosnien und Herzegowina (BuH) und Kroatien bestehen einige ungelöste, andauernde Grenz- und Territorialfragen, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der Adria. Ebenso gibt es zwischen BuH und Serbien Territorialstreitigkeiten entlang des Flusses Drina. Im Rahmen der EUFOR Mission Operation Althea, die 2004 mit dem Ende von SFOR die Überwachung des Dayton-Abkommens übernahm, sind derzeit 600 Soldaten aus 19 Staaten stationiert. Die OSZE-Mission in BuH ist mit etwa 68 Personen weiterhin in dem Land präsent und operiert unter der Führung der USA. Ziel der Mission ist es, die allgemeine Sicherheitslage zu verbessern und die Verteidigungsstrukturen zu stärken. Darüber hinaus hat die Mission zum Ziel, die bosnische Regierung beim Aufbau einer demokratischen Gesellschaft, einer funktionierenden Zivilgesellschaft und einem guten Regierungssystem zu unterstützen (BICC 1.2021).
In einem Non-Paper, das Anfang 2021 aufgetaucht ist und angeblich von slowenischem Premier Janša stammt, wird vorgeschlagen, die gesamte Nachkriegsordnung in Südosteuropa zu zerstören und neue Grenzen nach ethnischen Kriterien zu ziehen, also genau das zu machen, was in den 1990er-Jahren zu den Kriegen in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina geführt hat. Insbesondere in Sarajevo, der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas, eines Staats, der laut dem Non-Paper zerstückelt und zerstört werden soll - genauso wie es die Kriegstreiber in den 1990ern versuchten -, reagierte man heftig auf das slowenische Papier, zumal Slowenien bisher immer als enger Freund von Bosnien-Herzegowina galt (DS 15.4.2021).
Das Non-Paper schlägt die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas, jenes serbisch-kroatisch-muslimischen Staates vor, den der französische Staatspräsident Emmanuel Macron einmal als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet hat. Die Republika Srpska solle Serbien zugeschlagen werden, die vornehmlich kroatischen Gebiete der Herzegowina Kroatien. Der muslimisch dominierte Rumpfstaat könne zwischen der EU und der Anbindung an die Türkei wählen. Die Fantasterei über die Schaffung eines Großserbiens, Großkroatiens und Großalbaniens ist auch die Folge der arroganten Gleichgültigkeit in Brüssel nach dem Verlust der EU-Perspektive für die sechs sogenannten Westbalkan-Staaten (DS 27.4.2021).
Quellen:
• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit,Länderinformationen Bosnien-Herzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/b osnien/2020_Bosnien-Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021
• DS - Der Standard (15.4.2021): International Europa Slowenien, Geleaktes Papier, Grenzen nach Ethnien: Slowenischer Vorschlag verstört den Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000125
883075/grenzen-nach-ethnien-slowenischer-vorschlag-verstoert-den-balkan , Zugriff 16.4.2021
• DS - Der Standard (27.4.2021): Kolumne, Paul Lendvai, Die „tickende Zeitbombe“ auf dem Balkan, https://www.derstandard.at/story/2000126164069/die-tickende-zeitbombe-auf-dem-balkan ; Zugriff 27.4.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 14.07.2021
Die Staatsverfassung sieht das Recht auf ein faires Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor, während die Verfassungen der Entitäten ein unabhängiges Justizwesen vorsehen. Dennoch beeinflussen politische Parteien und die Akteure des organisierten Verbrechens die Justiz sowohl auf Staats- als auch auf Entitätsebene in politisch sensiblen Fällen, insbesondere im Zusammenhang mit Korruption, sowohl auf staatlicher als auch auf Entitätsebene. Die Behörden versäumen es bisweilen, Gerichtsentscheidungen durchzusetzen. Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörde und Sicherheitskräfte aufrechterhalten, führte das Fehlen einer klaren Aufteilung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen den Strafverfolgungsbehörden des Landes zu gelegentlichen Verwirrung und überlappenden Zuständigkeiten. Die Ineffizienz der Gerichte untergräbt die Rechtsstaatlichkeit, indem sie die Inanspruchnahme von Zivilurteilen weniger effektiv macht. In mehreren Fällen stellte das Verfassungsgericht Verstöße gegen das Recht auf einen Abschluss des Verfahrens innerhalb einer angemessenen Frist fest. Die Nichteinhaltung von Gerichtsentscheidungen durch die Regierung veranlasste die Beschwerdeführer, den EGMR anzurufen. Das Gesetz sieht die Unschuldsvermutung vor. Der Angeklagte hat das Recht auf einen Anwalt und falls er sich keinen Anwalt leisten kann, wird auf Staatskosten ein Pflichtverteidiger bereitgestellt. Der Angeklagte hat das Recht auf einen gerichtlich bestellten Dolmetscher, die Zeugen und Beweise in seinen eigenen Namen vorzulegen und Urteile anzufechten. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die meisten dieser Rechte, die sich auf alle Angeklagten erstrecken (USDOS 30.3.2021).
Im Jahr 2020 wurden im Bereich Justiz keine Fortschritte erzielt. Die Behinderung von Justizreformen durch politische Akteure und innerhalb der Justiz sowie das schlechte Funktionieren der Justiz untergraben die Ausübung der Rechte der Bürger und den Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität (EK 10.2020).
Im September 2020 verabschiedete der Ministerrat von BuH die im Mai 2018 vorgelegte, lang verzögerte überarbeitete nationale Strategie zur Bearbeitung von Kriegsverbrechen. Die Strategie zielt darauf ab, Fälle von Kriegsverbrechen effizient vom Staat an Gerichte der unteren Ebene zu verteilen, um den Rückstau an Fällen zu beseitigen. Die NGO TRIAL International äußerte die Sorge, dass im Jahr 2020, 25 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica, Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen immer noch geleugnet oder bagatellisiert werden. Nach Angaben der OSZE waren im August 2020 243 Kriegsverbrecherprozesse gegen 483 Angeklagte vor allen Gerichten in BuH anhängig. Zwischen Januar und Juli 2020 fällten die Gerichte in BuH in 11 Fällen erstinstanzliche Urteile; 12 der 19 Angeklagten wurden verurteilt. Im gleichen Zeitraum fällten bosnische Gerichte in sechs Fällen rechtskräftige Urteile, fünf von neun Angeklagten wurden verurteilt und in zwei Fällen endete das Verfahren mit dem Tod des Angeklagten (HRW 13.1.2021).
In zwei unterschiedlichen Fällen wurden gegen zwei bosnische Staatsbürger, die im Zuge der Rückkehraktionen Ende 2019 aus Syrien nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben wurden, entsprechende Urteile wegen der Teilnahme an Kriegshandlungen in Syrien oder im Irak und Mitgliedschaft bei ISIS vom Staatsgericht ausgesprochen. Im ersten Fall wurde ein 22-jähriger Bosnier, der als Minderjähriger mit seiner Familie nach Syrien und Irak verzogen war, rechtskräftig zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt. Im zweiten Fall wurde ein 27-jähriger Bosnier wegen Teilnahme an Kriegshandlungen und Anstiftung zum Terrorismus durch Propagandavideos erstinstanzlich zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Sakib MAHMULJIN, der ehemalige Kommandant der Dritten Kompanie der Armee der Republik BuH, wo ein Teil auch die „El Mujahidin“ Sektion war, wurde vom zuständigen Gericht in Sarajevo wegen Kriegsverbrechen, begangen 1995 gegen serbische Kriegsgefangene und Zivilisten in der Gegend von Zavidovici und Vozuca in Zentralbosnien, zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt (VB 7.5.2021).
Wie viele Bereiche des täglichen Lebens in BuH ist auch die Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis von Korruption durchzogen. Problematisch ist zudem, dass die existierenden, transparenten Regelungen zur Auswahl des Richters in einem Verfahren (gesetzlich bestimmter Richter) in der Praxis oft nur auf dem Papier angewandt werden. Sippenhaft wird nicht praktiziert (AA 5.4.2021).
Die von den zuständigen Stellen in Bosnien und Herzegowina erarbeiteten Gesetzesänderungen für Richter und Staatsanwälte, die im sogenannten höchstrichterlichen und staatsanwaltschaftlichem Gremium (High Judicial and Prosecutorial Council - HJPC) zusammengefasst sind, sollen für eine transparente Umsetzung von Regelungen im Zusammenhang mit Interessenskonflikt, Transparenz bei Bestellungen und Ernennungen, Disziplinarrecht und ?Prozeduren für Staatsanwälte und Richter in BuH sorgen. Die „Venedig Kommission“ des Europarats und deren Mitglieder üben deutliche Kritik an der Vorlage und verweisen darauf, dass trotz bereits mehrfach geübter Kritik essenzielle Änderungen ausgeblieben sind und dies einer bewussten Verweigerung gleichkommt, da bereits 2014 auf notwendige Anpassungen im Sinne der Annäherung an die EU - Richtlinien hingewiesen wurde (VB 6.5.2021).
Grundsätzlich gilt, dass sich jeder bosnische Staatsbürger im Falle von „Verfolgungshandlungen gegen seine/ihre Person“ an Polizei oder direkt an die Staatsanwaltschaft wenden kann. Sollten die offiziellen Stellen nicht tätig werden bzw. sollte es sich bei der Verfolgungshandlung gegen den Betroffenen um eine Menschenrechtsverletzung handeln, stehen halb- bis nichtstaatliche Organisationen mit Rechtsbeistand zur Seite. Auch hat das Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge in der Sektion für Menschenrechte eine Abteilung zum „Schutz von individuellen Menschenrechten und Bürgerrechten“, welche u.a. Anliegen und Beschwerden annimmt und bearbeitet und Bürgern fachliche Hilfe leistet (VB 7.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021 EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020) 350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf , Zugriff 26.4.2021
• HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Bosnia and Herzegovina, https: //www.ecoi.net/de/dokument/2043526.html , Zugriff 26.4.2021
• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021
• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (6.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 27.07.2021
Auch im Bereich Sicherheit schlägt sich die komplexe bosnisch-herzegowinischen Verfassung nieder: Auf Gesamtstaatsebene existiert neben der dem deutschen BKA vergleichbaren Polizeibehörde SIPA (u. a. zuständig für Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität und Korruption) die Grenzpolizei sowie die Direktion zur Koordinierung der Polizeidienste, der u. a. Interpol und der Objektschutz zugeordnet sind. Aufsicht über diese gesamtstaatlichen Polizeibehörden liegt beim Sicherheitsministerium. In der Föderation BuH existiert eine Föderationspolizei mit Sitz in Sarajevo, deren Zuständigkeit sich auf das Gebiet der Föderation erstreckt, die aber keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den auf Kantonsebene bestehenden Polizeibehörden hat. In der RS übt die Gesamtpolizei hingegen auch Aufsicht über die sechs regionalen Polizeibehörden der Entität aus. Die Polizei im Sonderdistrikt Br?ko ist unabhängig. Jede dieser Behörden verfügt wiederum über Spezialeinheiten. Daneben besteht ein gesamtstaatlicher, sowohl In- als auch Auslandsaktivitäten abdeckender Geheimdienst (OSA), der aus der Zusammenlegung der früher existierenden beiden Entitätsgeheimdienste entstanden ist. Seit 2006 steht er formal unter parlamentarischer Kontrolle, allerdings ist das zuständige parlamentarische Komitee schon seit Längerem wegen politischer Streitigkeiten nicht mehr zusammengetreten. Das Militär befindet sich seit 2003 in einem Reformprozess (u. a. in Hinblick auf die NATO-Annäherung Bosnien und Herzegowinas). Mit Inkrafttreten des Verteidigungsgesetzes und des Wehrdienstgesetzes (beide 2005) wurde mit den bewaffneten Streitkräften (Oruzane Snage Bosne i Herzegowine - OSBIH) eine gesamtstaatliche Armee geschaffen. Die Armeen der Entitäten bzw. aus Kriegszeiten erhalten gebliebene Truppenteile der drei konstituierenden Volksgruppen ab Brigadeebene aufwärts wurden abgeschafft, die Wehrpflicht ebenfalls. Alle Staatsbürger unter 40 Jahren, darunter auch Frauen, haben Zugang zu den Streitkräften (AA 5.4.2021).
Parallel zum Militär fand auch innerhalb der Polizei ein umfassender Reformprozess statt. Erfolge bestehen darin, dass die Polizei, die einst Rückkehrer drangsalierte und Kriegsverbrecher schützte, nun zu den angesehensten Institutionen im ganzen Land zählt (BICC 1.2021).
Ein von Österreich angeführtes Konsortium mit Kroatien als Junior Partner wurde im Jänner 2021 mit der Durchführung des Twinning-Projektes „EU 4 Fight against Cybercrime in BiH“ betraut. Aufgrund der aktuellen Lage betreffend die Pandemie ist der Beginn des Projekts (vorgesehen für März 2021) zumindest bis Mai 2021 verschoben worden (VB 7.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen BosnienHerzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien -Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021
• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2020): Auskunft des VB, per E-Mail
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 27.07.2021
Die Verfassung von Bosnien und Herzegowina schreibt für alle Menschen das Recht auf Freiheit von Folter fest. Das Land ist danach an die Antifolterkonvention (1984) und die Europäische Folterverhütungskonvention gebunden. Bosnien und Herzegowina hat 2003 vorbehaltlos die Zuständigkeit der Antifolterkommission nach Art. 22 der VN-Antifolterkonvention anerkannt. Folter ist in Bosnien und Herzegowina strafbar. Der Ausschuss des Europarates zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment, CPT) überprüft seit 2011 Polizeistationen, Haftanstalten und psychiatrische Einrichtungen. Die letzte Überprüfung fand im Juni 2019 statt, ein Bericht liegt noch nicht vor. Es kommt nach Angaben des CPT im Rahmen von polizeilichen Verhören und Verhaftungen verbreitet und innerhalb der Gefängnisse nach wie vor vereinzelt zu körperlichen Misshandlungen, insbesondere gegen Angehörige der Roma (AA 5.4.2021).
Das Gesetz verbietet derartige Praktiken. Es gab zwar keine Berichte, dass Regierungsbeamte solche Maßnahmen anwandten, aber auch keine konkreten Hinweise darauf, dass die Sicherheitskräfte die in den Vorjahren berichtete Praxis der schweren Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen beendet hätten. Das Land hat keine Institution als nationalen Mechanismus zur Verhinderung von Folter und Misshandlung von Häftlingen und Gefangenen gemäß dem Fakultativprotokoll zum UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe benannt (USDOS 30.3.2021).
In Bezug auf Folter und Misshandlung erhielt der Ombudsmann im Jahr 2019 129 Beschwerden, gegenüber 144 im Jahr 2018. Berichte über Misshandlungen von Verdächtigen und Gefangenen in Polizeistationen und Hafteinrichtungen werden nur langsam bearbeitet und nur wenige Beamte werden bestraft. Im August 2019 verurteilte der UN-Ausschuss gegen Folter auf eine Petition von Opfern sexueller Kriegsgewalt hin die Praxis der Anwendung von Verjährungsfristen bei Entschädigungsansprüchen und forderte Bosnien und Herzegowina auf, ein wirksames Entschädigungssystem auf nationaler Ebene zu schaffen, um Folteropfern eine angemessene und gerechte Entschädigung zu gewähren. Die Gesetzgebung zum Strafvollzug ist weder landes-
weit ausreichend harmonisiert noch vollständig an europäische und internationale Standards angeglichen (EK 6.10.2020).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020) 350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf , Zugriff 26.4.2021
• • USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021
Korruption
Letzte Änderung: 27.07.2021
Die Regierung verfügt zwar über Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch und Korruption, aber der politische Druck verhindert oft die Anwendung dieser Mechanismen. Die Regierung hat hauptsächlich mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft die Polizei- und Sicherheitskräfte geschult, um Missbrauch und Korruption zu bekämpfen und die Achtung der Menschenrechte zu fördern. Die Schulung von Polizeibeamten hat auch Komponenten des Ethik und Antikorruptionstrainings enthalten. Korruption seitens der Beamten ist strafbar, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt und die öffentliche Korruption nicht als ernsthaftes Problem eingestuft. Die Gerichte haben Korruptionsfälle auf hoher Ebene nicht bearbeitet, und in den meisten abgeschlossenen Fällen wurden Bewährungsstrafen verhängt. Beamte verüben häufig ungestraft korrupte Praktiken und die Korruption ist in vielen politischen und wirtschaftlichen Institutionen weiterhin weit verbreitet. Besonders häufig ist die Korruption im Gesundheits- und Bildungswesen, bei den öffentlichen Beschaffungsprozessen, bei der lokalen Verwaltung und bei den Beschäftigungsverfahren in öffentlicher Verwaltung. Die mehrstufige Regierungsstruktur gibt korrupten Beamten reichlich Gelegenheit, „Dienstleistungsgebühren“ zu verlangen, insbesondere in den lokalen Regierungsinstitutionen (USDOS 30.3.2021).
Korruption ist nach wie vor weit verbreitet und auf allen Regierungsebenen gibt es Anzeichen für politische Einflussnahme, die sich direkt auf das tägliche Leben der Bürger auswirken. Es gibt keinen Fortschritt bei der effektiven Umsetzung von Strategien und Aktionsplänen zur Korruptionsbekämpfung. Die mangelnde Harmonisierung der Gesetzgebung im ganzen Land und die schwache institutionelle Zusammenarbeit und Koordination behindern weiterhin die Korruptionsbekämpfung. Die Erfolgsbilanz bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Korruption auf höchster Ebene ist aufgrund von operativer Ineffizienz und politischer Einmischung weiterhin sehr begrenzt (EK 6.10.2020; vgl. VB 7.5.2021, AA 5.4.2021).
Im aktuellen Transparency International Corruption Perceptions Index 2020 rangiert BuH unter 180 Ländern und Territorien an 111. Stelle mit einer Punkteanzahl von 35 von bestmöglichen 100 (TI 2021).
Ende Jänner 2021 begann der mit Spannung erwartete Korruptionsprozess gegen Premierminister der Föderation BuH, seiner Stellvertreterin, den ehemaligen Vorsitzenden der föderalen Zivilschutzagentur und einen Unternehmer, die gemeinsam für den Ankauf von 100 Stück in China produzierter Beatmungsgeräte und Zusatzausrüstungen für medizinisches Personal im Kampf gegen die Pandemie verantwortlich zeichnen. Laut Anklage entstand dabei durch Korruption, Missbrauch des Amtes und weiterer Delikte ein Schaden von mehr als 6 Millionen Euro. Die Aufträge für diese dringend benötigten medizinischen Produkte wurden dabei ohne Ausschreibungen an eine Firma, die für die Produktion von Obst und Gemüse zuständig ist, vergeben. Neben der Tatsache, dass die in China angekauften Geräte unbrauchbar sind, ist vor allem die augenscheinliche Unverfrorenheit, eine solche wichtige Ausschreibung an eine „Obstfirma“ zu vergeben, besonders bemerkenswert. Zu Prozessbeginn haben sich sämtliche Angeklagten für „nicht schuldig“ erklärt (VB 7.5.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• EK - Europäische Kommission (6.10.2020): Bosnia and Herzegovina 2020 Report [SWD(2020) 350 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2040142/bosnia_and_herzegovina_report_2020.pdf , Zugriff 26.4.2021
• TI - Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transpar ency.org/en/cpi/2020/index/bih , Zugriff 3.5.2021
• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021
• VB des BMI für Bosnien und Herzegowina (7.5.2021): Auskunft des VB, per E-Mail
Ombudsmann
Letzte Änderung: 27.07.2021
Der gesamtstaatliche Ombudsmann hat die Befugnis, Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Landesgesetze auf Hinweis der einzelnen Bürger zu untersuchen und Empfehlungen zur Nachbesserung an die Regierung unterbreiten. Die Empfehlungen des Bürgerbeauftragten sind rechtlich unverbindlich. Ein Bosniake, ein Kroate und ein Serbe teilen sich die Führung der Ombudsstelle, was innerhalb der Institution manchmal zu Meinungsverschiedenheiten führt bei der Einschätzung, was eine Menschenrechtsverletzung darstellt. Dem Ombudsmann fehlen die Mittel, um effektiv zu arbeiten (USDOS 30.3.2021).
Die Zahl der Beschwerden, die beim Ombudsmann für Menschenrechte im Jahr 2020 einlangten, verringerte sich auf 2.716 Fälle, um 502 weniger als im Jahr 2019 (3.218 Fälle). Mit den aus den Vorjahren übertragenen Fällen (2.031) wurden 4.747 Beschwerden bearbeitet, davon 2.859 erledigt. Die meisten Beschwerden betrafen Verstöße gegen die bürgerlichen und politischen Rechte - 785. Der Sitz der Institution befindet sich in Banja Luka. Weitere Ombudsmannbüros gibt es in Sarajevo, Mostar, im Distrikt Brcko sowie eine Außenstelle in Livno (OM BuH 3.2021).
Quellen:
• OM BuH - Ombudsmann für Menschenrechte BiH (3.2021):Annual Report on results of the activities of the Institution of Human Rights Ombudsman of Bosnia and Herzegovina for 2020, https://www.ombudsmen.gov.ba/documents/obmudsmen_doc2021030808580995bos.pdf , Zugriff 26.4.2021
• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 27.07.2021
Gemäß der Verfassung müssen die Behörden mit allen Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeiten, die über ein Mandat des VN-Sicherheitsrats verfügen. Nach dem Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden sind auch die Entitäten zur Unterstützung aller im Bereich der Menschenrechte tätigen internationalen Organisationen und NGOs verpflichtet. Es gibt keine Hinweise auf systematische Verfolgung oder Menschenrechtsverletzungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure. Dennoch bleibt die Verbesserung der menschenrechtlichen Lage in Bosnien und Herzegowina eine wichtige Voraussetzung für die EU-Annäherung des Landes (AA 5.4.2021).
Sehr problematisch ist das vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gerügte Wahlrecht, das Minderheiten keine ausreichende Vertretung garantiert. Auch Teile der Verfassung, die stellenweise nur einen provisorischen Charakter haben, sind aus Sicht des Gerichtshofs kritisch. Trotz Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes und sich daraus ergebender Fortschritte bei der Bekämpfung der Diskriminierung, verdeutlichen beispielsweise die allgemeine Segregation und Diskriminierung in öffentlichen Schulen dieses grundlegende Problem, dass das Zusammenleben zukünftiger Generationen weiterhin erschweren wird. Defizite bestehen weiterhin bei der gerichtlichen Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und der gesellschaftlichen Versöhnung. Bei der Umsetzung der Nationalen Strategie zur Verfolgung von Kriegsverbrechen treten weiterhin Mängel auf (BICC 1.2021).
Eine Beschränkung der Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition durch den Staat und seine Organe erfolgt grundsätzlich nicht. Allerdings hat die Regierung der Republika Srpska mehrfach angekündigt, ein Gesetz in das Parlament einzubringen, welches alle Politiker einschließlich der Opposition unter strenger Strafandrohung verpflichten würde, in den bosnischherzegowinischen Gesamtstaatsorganisationen ausschließlich die von der Regierung Republika Srpska vorgegebene Linie zu vertreten (AA 5.4.2021).
Die Vereinigungsfreiheit wird durch die bosnisch-herzegowinische Verfassung sowie durch beide Entitätsverfassungen gewährleistet. Vereine und Stiftungen können auf Gesamtstaats Entitäts- oder Kantonsebene registriert werden. Das Verfahren kann allerdings langwierig und kompliziert sein. Die Regierung der Republika Srpska hat eine Gesetzesinitiative angekündigt, die NROs und politische Stiftungen einer Meldepflicht von ausländischer finanzieller Unterstützung auferlegen soll und dem Ziel der Überwachung von aus dem Ausland finanzierten Aktivitäten dient (AA 5.4.2021).
Die Versammlungsfreiheit ist formal nicht eingeschränkt, jedoch entsprechen die einzelnen Gesetze zur Versammlungsfreiheit in den Entitäten und Kantonen nicht vollumfänglich europäischen Standards. In der Republika Srpska konnten Versuche beobachtet werden, Demonstranten durch unverhältnismäßiges Vorgehen durch die Polizei oder Ankündigungen von restriktiven Gesetzesvorhaben einzuschüchtern. Dazu zählen bspw. das Vorgehen der Polizei gegen die Protestbewegung „Gerechtigkeit für David“ um den Jahreswechsel 2018/2019 oder der mittlerweile zurückgezogene Gesetzesentwurf, der das Stören von Amtspersonen durch Filmen bspw. bei Demonstrationen unter Strafe stellen sollte (AA 5.4.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https: //www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die _Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• BICC - Bonn International Center for Conversion (1.2021): Informationsdienst, Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte - Länderinformationen BosnienHerzegowina, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/bosnien/2020_Bosnien -Herzegowina.pdf , Zugriff 26.4.2021
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung: 27.07.2021
Die Informationsfreiheit ist insofern gewährleistet, als es insgesamt ein breit gefächertes Medienangebot gibt, sodass bei Lektüre einer Vielzahl von Medien eine umfassende Informationsgewinnung möglich ist. Es gibt jedoch kein Medium, das unabhängig von parteipolitischer Einflussnahme ist. Nach Einschätzung der Journalistenvereinigung sind Online-Portale unabhängiger als andere Quellen, allerdings gibt es erhebliche Defizite bei Recherche und Verifizierung von Online-Artikeln. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden ihrem Informationsauftrag nicht gerecht. Die Freiheit eines einzelnen Journalisten, unabhängig zu berichten, ist aufgrund von wirtschaftlichen und politischen Zwängen erheblich eingeschränkt. Unabhängige Beobachter wie die OSZE, Human Rights Watch, der hiesige Presserat und die EU sehen kritische Journalisten neben wirtschaftlichem Druck vereinzelt Bedrohungen und Nötigung, auch durch Politiker, ausgesetzt. Diffamierungsprozesse werden häufig genutzt, um Journalisten finanziell in Bedrängnis zu bringen und so ihre Arbeit zu behindern. Im Jahr 2020 registrierte die Journalistenvereinigung von Bosnien und Herzegowina 51 Fälle von Angriffen auf Journalisten sowie Verletzungen der Freiheit der Meinungsäußerung und Integrität von den Medien, u. a. durch körperliche Angriffe und Morddrohungen. Nur ein Bruchteil der begangenen Straftaten wurde untersucht und gerichtlich verhandelt. Bisher gab es keine Verurteilungen (AA 5.4.2021).
Der Journalistenverband von Bosnien-Herzegowina verzeichnete 2020 fast 30 Fälle von schwerwiegenden Verstößen gegen die Medienfreiheit, darunter körperliche Angriffe und Todesdrohungen gegen Journalisten und andere Medienmitarbeiter. Journalisten und andere, die die Reaktion der Regierung auf COVID-19 kritisierten, sahen sich Gegenreaktionen und Zensur ausgesetzt. In mehreren Kantonen wurde unabhängigen Journalisten der Zugang zu Regierungssitzungen bezüglich der COVID-19-Krise verweigert. Im März 2020 erließ die Regierung der Republika Srpska ein Dekret, das die „Anstiftung zur Panik und Unruhe“ verbietet und hohe Geldstrafen für Verstöße verhängt. Mindestens 18 Personen wurden unter dem Dekret angeklagt, bevor es Ende April 2020 aufgehoben wurde. Die Behörden der Föderation Bosnien-Herzegowina überwachten aktiv private Social-Media-Accounts und leiteten im März 2020 gegen mindestens fünf Personen Strafverfahren wegen „Verbreitung von Falschinformationen und Panik“ ein. Ende 2020 gab es keine glaubwürdigen Informationen darüber, ob eine der Anklagen fallen gelassen wurde. Der Menschenrechtskommissar des Europarats warnte, dass die Maßnahmen das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränkten (AI 7.4.2021).
Das Gesetz sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung vor, auch für die Presse, aber die Regierung respektierte dieses Recht im Laufe des Jahres weiterhin nicht. Einschüchterungen, Belästigungen und Drohungen, einschließlich einer Reihe von Todesdrohungen, gegen Journalisten und Medienunternehmen hielten im Jahr 2020 an, ohne dass eine systematische institutionelle Reaktion erfolgte. Zahlreiche restriktive Maßnahmen, die zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie eingeführt worden waren, wurden in einigen Fällen dazu missbraucht, den Zugang zu Informationen einzuschränken. Ein beträchtlicher Teil der Medienberichterstattung wurde von nationalistischer Rhetorik und ethnischer und politischer Voreingenommenheit dominiert, was oft Intoleranz und manchmal Hass schürte. Der Mangel an Transparenz hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse in den Medien bleibt ein Problem. Unabhängige Medien waren aktiv und äußerten eine Vielzahl von Ansichten, aber manchmal führte dies zu Druck oder Drohungen gegen Journalisten. Beamte, die mit Kritik konfrontiert wurden, setzen die Praxis fort, Journalisten als Verräter zu bezeichnen oder sie als Mitglieder von Oppositionsparteien zu bezeichnen, um sie zu diskreditieren. Das Gesetz, das Äußerungen verbietet, die rassistische, ethnische oder andere Formen von Intoleranz provozieren, gilt in allen Medien, wird aber nicht durchgesetzt. Die Zahl der körperlichen Angriffe auf Journalisten nahm im Jahr 2020 zu (USDOS 30.3.2021).
Der Presserat, der als selbstregulierendes, mitgliederbasiertes Gremium für Online- und Printmedien im ganzen Land tätig ist, registrierte 231 Beschwerden im Zusammenhang mit Hassreden, von denen sich 223 auf Online-Medien, eine auf einen von einer Nachrichtenagentur veröffentlichten Artikel und sieben auf in sozialen Medien veröffentlichte Inhalte. Der politische und finanzielle Druck auf Medienunternehmen hält an. Negative wirtschaftliche Auswirkungen der Pandemie untergraben die finanzielle Stabilität der Medien im ganzen Land und machen sie anfälliger für Druck von außen. Einige Medien stellten fest, dass Vorwürfe der Steuerhinterziehung und aufwendige Finanzkontrollen weiterhin ein wirksames Mittel sind, um die Medien einzuschüchtern und zu kontrollieren (USDOS 30.3.2021).
Quellen:
• AA - Auswärtiges Amt (5.4.2021): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Bosnien und Herzegowina als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050119/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_von_Bosnien_und_Herzegowina_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2 %A7_29_a_AsylG_%28Stand_Februar_2021%29%2C_05.04.2021.pdf , Zugriff 26.4.2021
• AI - Amnesty International (7.4.2021): Bosnia and Herzegovina 2020, Report on the human rights situation covering 2020, https://www.ecoi.net/en/document/2048643.html , Zugriff 26.4.2021
• USDOS - US Department of State (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Bosnia and Herzegovina, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048112.html , Zugriff 26.4.2021
Haftbedingungen
Letzte Änderung: 27.07.2021
Laut aktuellem Jahresbericht 2020 vom März 2021 des Ombudsmanns für Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina ist der Staat seiner Verpflichtung zur Einrichtung einer unabhängigen Stelle mit dem Auftrag, Besuche in allen Haftanstalten zu ermöglichen, noch nicht nachgekommen. BuH ist das einzige Land, das kein Mitglied der Einbindung der nationalen Präventionsmechanismen südosteuropäischer Länder ist. Die Zusammenarbeit der Organe für die Strafvollstreckung mit der Institution des Ombudsmanns für Menschenrechte bezüglich Beschwerden im Jahr 2020 war, trotz der außergewöhnlichen Umstände verursacht durch die COVID-19 Pandemie, gut. Im Berichtszeitraum erhielt die Abteilung für die Überwachung und Ausübung der Rechte von inhaftierten Personen insgesamt 92 Beschwerden. Die meisten eingegangenen Beschwerden betreffen die Gesundheitsversorgung von verurteilten und inhaftierten Personen, in denen der Zugang zur Gesundheitsversorgung, insbesondere zu fachärztlichen oder diagnostischen Untersuchungen, für unzureichend gehalten wird. Eine Reihe von Haftanstalten in BuH hat immer noch keinen vollzeitbeschäftigten Hausarzt, wie durch die europäischen Gefängnisregeln erforderlich ist. Einrichtungen, die keinen vollzeitbeschäftigten Allgemeinarzt haben, stellen Vertragsärzte ein, die verpflichtet sind, den inhaftierten Personen regelmäßige Gesundheitsdienste anzubieten. Ungeachtet aller Schwierigkeiten, die durch die Coronavirus-Pandemie verursacht wurden, wurde das Staatsgefängnis am 22. Juli 2020 offiziell