TE Bvwg Beschluss 2021/10/19 W212 2247025-1

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Veröffentlicht am 19.10.2021
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Entscheidungsdatum

19.10.2021

Norm

AsylG 2005 §4a
BFA-VG §21 Abs3 Satz2
B-VG Art133 Abs4
FPG §61

Spruch


W212 2247023-1/4E

W212 2247024-1/4E

W212 2247025-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA Afghanistan, alle vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2021, Zlen.: 1.) 1277710005/210641910, 2.) 1277709908/210641901 und 3.) 1277862410/210615781:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und die angefochtenen Bescheide behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 2) ist die Mutter der volljährigen Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF 1) und des volljährigen Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3). Alle sind afghanische Staatsangehörige.

2. Der BF 3 stellte am 09.05.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, die BF 1 und die BF 2 am 15.05.2021.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführer zuvor bereits am 28.10.2019 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt wurden.

3. In Griechenland betrieben die Beschwerdeführer Asylverfahren und wurde der BF 1 und der BF 2 am 02.06.2020 der Status von Asylberechtigten und dem BF 3 am 26.06.2020 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Alle Beschwerdeführer sind im Besitz von griechischen Aufenthaltsberechtigungskarten und haben die BF 1 und die BF 2 auch griechische Konventionsreisepässe.

4. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 09.05.2021, gab der BF 3 zunächst an, er leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten die ihn an der Einvernahme hindern würden. Mit seiner Familie habe er 18 Jahre lang im Iran gelebt. Im Sommer 2019 sei er in die Türkei gereist und von Herbst 2019 bis 09.05.2021 in Griechenland aufhältig gewesen. In Griechenland habe er keine Unterstützung erhalten und die Sprache nicht lernen können. Es habe auch keine medizinische Versorgung bei einem Zahnarzt gegeben. Seine zwei Brüder seien in Österreich aufhältig. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei aus dem Iran geflohen, weil er sich dort illegal aufgehalten, keine Arbeit und keine ärztliche Versorgung gehabt habe.

Am 15.05.2021 fanden die Erstbefragungen der BF 1 und BF 2 statt.

Die BF 1 gab hierbei an, sie sei gemeinsam mit ihrer Mutter, der BF 2, nach Österreich gekommen, ihr Bruder, der BF 3, fünf Tage später nachgekommen. Sie habe 20 Jahre im Iran verbracht und sei dann über die Türkei nach Griechenland gelangt, wo sie sich etwa zwei Jahre bis zum 05.05.2021 aufgehalten habe. Auch wenn man in Griechenland Asyl bekomme, erhalte man keine Hilfe, kein Dach über dem Kopf und keine medizinische Versorgung. Sie habe Griechenland verlassen, weil ihr Zielland immer Österreich gewesen sei und ihre Brüder bereits hier leben würden. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab die BF 1 an, sie habe den Iran verlassen, weil sie dort illegal gelebt habe, sie ihre Erkrankungen nicht habe behandeln lassen können und ihr Bruder mehrmals von der iranischen Polizei verhaftet worden sei.

Die BF 2 gab an, sie leide an keinen Beschwerden oder Krankheiten, die sie an der Einvernahme hindern würden. Sie sei gemeinsam mit der BF 1 und dem BF 3 nach Österreich gekommen. Ihre zwei weiteren Söhne würden bereits in Österreich leben. Sie habe etwa 20 Jahre im Iran gelebt und sei vor etwa zwei Jahren über die Türkei nach Griechenland gereist, wo sie sich etwa zwei Jahre aufgehalten habe. In Griechenland habe sie nicht gut leben können und sei nicht gut behandelt worden. Sie habe in einer Hütte leben müssen. Befragt nach ihrem Fluchtgrund gab die BF 2 an, sie und ihre Kinder hätten Angst vor den Taliban.

5. Mit Schreiben vom 28.05.2021 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Informationsersuchen gemäß Art. 34 Dublin III-VO an Griechenland. Mit Schreiben vom 17.06.2021 teilte die griechische Dublinbehörde mit, dass der BF 1 und der BF 2 am 02.06.2020 der Status von Asylberechtigten und dem BF 3 am 26.06.2020 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Die BF 1 und BF 2 hätten eine Aufenthaltsberechtigung bis 21.06.2023, der BF 3 bis zum 01.07.2021.

6. Am 07.09.2021 fand die niederschriftliche Einvernahme der BF 2 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt, bei der die BF 2 zunächst angab, sie leide an Diabetes und nehme deswegen Medikamente. Sie sei vor ca. 2 Jahren und vier Monaten in Griechenland angekommen. In Griechenland habe sie Papiere gehabt, aber keine Unterstützung. Sie habe nur Essen bekommen, danach nichts mehr. In Österreich sei sie zwei Monate in einem Camp gewesen und lebe nunmehr bei ihrem Sohn. Ihre Söhne und ihre Tochter seien in Österreich aufhältig und habe sie zu allen Kontakt, ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Befragt warum sie nach Österreich gereist sei, erklärte die BF 2, das Ziel sei gewesen, mit ihren Kindern zu leben. Zu den Länderfeststellungen wollte die BF 2 keine Stellungnahme abgeben.

Am 08.09.2021 fanden die niederschriftlichen Einvernahmen der BF 1 und des BF 3 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Farsi vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt.

Die BF 1 gab zunächst an, sie habe Probleme mit der Schilddrüse und sei sie deshalb einmal in Behandlung gewesen. Sie habe auch Probleme mit dem linken Bein, Befunde habe sie keine. Ihre Muttersprache sei Dari, aber Farsi spreche sie besser. Sie glaube im Jahr 2019 illegal in Griechenland eingereist zu sein. In Griechenland sei es so, dass man nicht mehr unterstützt werde, wenn man einen positiven Bescheid bekomme. Man bekomme kein Geld mehr und keine Unterstützung bei der Wohnung und Sprachkursen. Bis zum Bescheid habe sie in einem Zelt gelebt. Wenn der BF 3 das Frühstück abholen wollte, sei er erst um die Mittagszeit zurückgekommen, wenn er Mittagessen geholt habe, sei es bereits Abend gewesen. Sie habe eine Antrittsbestätigung für einen Deutschkurs, Alphabetisierung 2.1 mit. In Österreich würden sich ihre Brüder und ihre Mutter aufhalten und habe sie zu allen Kontakt. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht. Zu den Länderfeststellungen gab die BF 1 keine Stellungnahme ab.

Der BF 3 gab zunächst an, er sei gesund. Er besuche hier einen Deutschkurs und ein Fitnesscenter. Seine Mutter, seine Brüder und seine Schwester seien hier und habe er zu allen Kontakt. Es gebe kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis, aber würden sie hier als Familie zusammenbleiben wollen. Befragt aus welchem Grund er nach Österreich gereist sei, obwohl er in Griechenland bereits einen Asylstatus erhalten habe, gab der BF an, Österreich sei von Anfang das Ziel gewesen, weil seine Brüder hier leben würden. Nachdem er den begrenzten Aufenthalt bekommen habe, hätte er einen Monat Zeit gehabt das Camp zu verlassen. Er sei dann nach Athen gegangen, um sich um Reisepässe zu kümmern. Er sei weitergereist, weil er in Griechenland in einem Zelt gelebt habe und Zelte täglich angezündet worden seien. Man habe sich drei Stunden anstellen müssen, um auf die Toilette zu gehen und in den zwei Jahren habe er in Griechenland keinen Sprachkurs erhalten. Sobald er den Bescheid bekommen habe, seien die monatlichen Geldzahlungen eingestellt worden. Er hätte auch nirgendwo arbeiten können, da er die Sprache nicht beherrsche und eine Wohnung hätte er nicht bezahlen können. Er werde nicht nach Griechenland zurückkehren. Als die Pandemie aufgetreten sei, hätte er weder Seife noch Desinfektionsmittel bekommen. Das Leben in Griechenland sei viel schlimmer als in Afghanistan. In Griechenland sei es zwar sicher, man kümmere sich aber nicht um Flüchtlinge. Zu den Länderfeststellungen gab der BF 3 keine Stellungnahme ab.

7. Mit den Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2021 zugestellt am 16.09.2021 wurden unter Spruchpunkt I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich die Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzubegeben hätten. In Spruchpunkt II. wurde den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt sowie gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringungen angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebungen nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig seien.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Beschwerdeführer in Griechenland systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien oder diese dort zu erwarten hätten. Die Beschwerdeführer würden an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leiden und nicht in ärztlicher Behandlung stehen. Aus den Angaben der Beschwerdeführer seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass sie tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Abgesehen von einer aufgrund des vorliegenden Sachverhalts nicht ersichtlichen, konkreten und realen Gefährdung der Beschwerdeführer in Griechenland, sei ihren Angaben keinesfalls mangelnder Schutzwille oder mangelnde Schutzfähigkeit des Staates zu entnehmen. Es bestehe kein Grund daran zu zweifeln, dass Griechenland seine sich aus der Genfer Konvention und der Statusrichtlinie ergebenden Verpflichtungen erfülle und sei daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer dort Schutz vor Verfolgung gefunden hätten. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG würden nicht vorliegen. Es sei eine gemeinsame Rückkehr der Beschwerdeführer angeordnet, weshalb die Anordnung auf Außerlandesbringung insgesamt keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht darstelle.

Vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurden auch Feststellungen in Zusammenhang mit der aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus getroffen.

8. Mit Schriftsatz vom 01.10.2021 wurde gegen die Bescheide fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Inhaltlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführer hier alle gemeinsam in einem Haushalt mit XXXX , dem Bruder bzw. Sohn der Beschwerdeführer leben würden, der seit 2018 den Daueraufenthalt-EU besitze. Die BF 2 leide an einer Schilddrüsenerkrankung und müsse deswegen operiert werden. Außerdem habe sie starke Schmerzen im Bein und sei in Griechenland nie behandelt worden. Die BF 1 leide an Diabetes, nehme regelmäßig Medikamente und müsse an den Augen operiert werden. Die Beschwerdeführer würden bei ihrer Rückkehr in eine prekäre Situation geraten, sie hätten weder einen sofortigen Zugang zu einer Unterkunft noch zu sonstigen Sozialleistungen. Aufgrund der vielen bürokratischen Hindernisse sei davon auszugehen, dass sie mehrere Monate ohne jeglichen Zugang zu medizinischer Versorgung, ohne Arbeitsmarktzugang und ohne Zugang zu Sozialleistungen der Gefahr von Verarmung und extremer materieller Not und somit einer drohenden Art. 3 EMRK Verletzung ausgesetzt wären. In der Beschwerde wurden neben der Stellungnahme von PRO ASYL vom April 2021 auch Entscheidungen deutscher Gerichte zitiert. Die Behörde habe überhaupt keine Angaben der Beschwerdeführer weder zu ihrer persönlichen Situation, noch zu den Zuständen in Griechenland gewürdigt. Die Behörde habe sich auch nicht mit den Erkrankungen der BF 1 und BF 2 auseinandergesetzt und ob diese dadurch COVID-19-Risikopatientinnen seien. Bei der BF 1 und der BF 2 handle es sich um Frauen mit besonderen Vulnerabilitäten und wären sie von den prekären Lebensumständen und der mangelhaften medizinischen Versorgung besonders betroffen. Die Behörde verkenne auch, dass sich der Sohn der BF 1 um die Beschwerdeführer kümmere, wodurch ihnen auch die Integration und die Spracherlernung erleichtert werde. Gegenüber den Beschwerdeführern sei im Hinblick auf ihr gemäß Art. 8 EMRK geschütztes Privat- und Familienleben eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären.

Vorgelegt wurden für die BF 2: Laborbefund vom 09.06.2021; Langzeitverordnung für Galvus 40mg 2x täglich vom 14.07.2021; Ambulanzkartei vom 14.07.2021 mit Diagnose Typ 2 Diabetes; Arztterminvereinbarungen der BF 2 bis 01.12.2021; Großes Blutzucker-Profil und Ernährungs- und Trinkprotokoll; Augenärztlicher Befund vom 13.07.2021.

Vorgelegt wurden für die BF 1: Laborbefund vom 18.06.2021; Befund Sonographie der Cervicalregion und Schilddrüse vom 22.06.2021; Befund Sonographie der Schilddrüse sowie des gesamten Abdomens vom 16.07.2021.      

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang, insbesondere der Umstand, dass der BF 1 und der BF 2 in Griechenland der Status von Asylberechtigten und dem BF 3 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen Aufenthaltsberchtigungen erteilt wurden, die von 22.06.2020 bis 21.06.2023 (BF 1), von 28.06.2020 bis 21.06.2023 (BF 2) und von 02.07.2020 bis 01.07.2021 (BF 3) gültig sind bzw. waren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf keine Feststellungen darüber, ob es dem BF 3 möglich wäre, seine abglaufene Aufenthaltsberechtigung in Griechenland verlängern zu lassen bzw. wie lange dieser Prozess dauert und inwiefern in der Zeit bis zur Verlängerung seine Versorgung gesichert wäre.

Die Beschwerdeführer gaben anlässlich ihrer niederschrifltichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übereinstimmend an, sich etwa zwei Jahre in Griechenland aufgehalten zu haben. Bis zum Erhalt ihrer positiven Bescheide hätten sie im Camp in Zelten gelebt, dort zu Essen bekommen und Sozialleistungen erhalten. Nach Erhalt der positiven Bescheide hätten die Geldleistungen aufgehört und das Camp hätten sie innerhalb eines Monats verlassen müssen und keine weitere Unterstützung erhalten. Zudem seien sie in Griechenland nicht mediznisch versorgt worden.

Ergänzende Ermittlungen zu den Lebensumständen der Beschwerdeführer nach Zuerkennung des Status als Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigter liegen nicht vor. In den angefochtenen Bescheiden unterzieht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vorbringen der Beschwerdeführer und die darin geltend gemachte Mittellosigkeit nach Schutzgewährung keiner individuellen Würdigung, sondern hält in allgemeinen Floskeln lediglich fest:

„Aus Ihren Angaben sind keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass Sei tatsächlich konkret Gefahr liefen, im Mitgliedstaat Griechenland Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.“

Die BF 2 gab im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme an, sie nehme Medikamente wegen ihrer Diabeteserkrankung. Aus den Beilagen der Beschwerde geht hervor, dass bei ihr Typ-2-Diabetes diagnostiziert wurde, sie drei verschiedene Medikamente einnimmt und bereits mehrere Untersuchungstermine bis Dezember 2021 vereinbart wurden. Feststellungen über ihre tägliche Medikamenteneinnahme und ihre Diabeteserkrankung fehlen im angefochtenen Bescheid völlig und geht daraus auch nicht hervor, ob die BF 2 in Griechenland tatsächlich Zugang zu den, ihr verschriebenen, Medikamenten bzw. den notwendigen medizinischen Behandlungen hat und diese auch leistbar sind.

Die BF 1 brachte in ihrer Einvernahme ebenfalls vor an gesundheitlichen Problemen, mit der Schilddrüse und ihrem linken Bein zu leiden. Aus den Befunden, die im Zuge der Beschwerde vorgelegt wurden, geht folgendes Ergebnis hervor: Struma rechtsseitig mit drei großen Knotenbildungen, der größte Knoten mit 3 cm haltend, der mittelgroße Knoten imponiert zystisch dargestellt mit 2,2 cm, der kleinste Knoten rechts mit 1,8 cm. Weiterführende Vorstellung in einer Schilddrüseambulanz empfohlen. Am Abdomen Verdacht auf Zustand nach Resektion der Gallenblase. Kein Hinweis auf eine Nephrolithiasis. Auch hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF 1 fehlen Feststellungen, ob diese eine akute Behandlung benötigt und ob diese gegebenenfalls auch in Griechenland zur Verfügung steht und der BF 1 tatsächlich zugänglich ist.

Weiters hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, obwohl es im angefochtenen Bescheid richtig feststellte, dass sich noch zwei Brüder bzw. Söhne der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aufhalten, und die Beschwerdeführer mit einem davon in einem gemeinsamen Haushalt leben, nicht geprüft, ob zwischen den Beschwerdeführern und ihren Familienangehörigen ein schützenswertes Familienleben besteht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zu den Asylantragstellungen der Beschwerdeführer in Österreich und deren Status als Asylberechtigte bzw. subsidiär Schutzberechtigter in Griechenland ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Die Zuerkennung des Schutzstatus ergibt sich insbesondere aus den bei ihnen sichergestellten griechischen Aufenthaltsberechtigungen und Konventionalreisepässen, sowie den eigenen Angaben der Beschwerdeführer und den Antwortschreiben der griechischen Dublinbehörde.

Die Feststellungen zu den Gesundheitszuständen der BF 1 und der BF 2 ergeben sich aus ihren Angaben im Verfahren und den im Zuge der Beschwerde vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Feststellung über die familiären Anknüpfungspunkte der Beschwerdeführer in Österreich, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit den übereinstimmenden Angaben der Beschwerdeführer und der Einsicht in das Zentrale Melderegister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBL I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBGl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgabe der Beschwerden:

Gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Bei § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG handelt es sich um eine von § 28 Abs. 3 erster und zweiter Satz VwGVG abweichende Regelung, die auf die Besonderheiten des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens Bedacht nimmt, indem die Möglichkeit, aber auch die Verpflichtung zur Fällung einer zurückverweisenden Entscheidung im Fall einer Beschwerde gegen ein im asylrechtlichen Zulassungsverfahren erlassenen Bescheid allein an die in § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Mit einer solchen Entscheidung geht die Rechtsfolge der Zulassung des Asylverfahrens einher und diese Sonderbestimmung gelangt für sämtliche Beschweren im Zulassungsverfahren zur Anwendung (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0074).

Den Beschwerdeführern wurde im EU-Mitgliedstaat (und damit auch EWR-Staat) Griechenland der Status von Asylberechtigten bzw. von einem subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass ihre gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG grundsätzlich zurückzuweisen sind, wenn sie in Griechenland Schutz vor Verfolgung gefunden haben und ihnen – aus verfassungsrechtlichen Erwägungen – keine Verletzung seine Rechte gemäß Art. 3 oder 8 EMRK droht.

Die Behörde hat die Pflicht, für die Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Beweise zu sorgen und auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhaltes von Bedeutung sein kann, einzugehen. Die Behörde darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 10.04.2013, Zl. 2011/08/0169 sowie dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren Band I2, E 84 zu § 39 AVG).

In seiner jüngsten Entscheidung (VfGH 25.06.2021, E 599/2021-12) verwies der Verfassungsgerichtshof im Fall von Überstellungen Schutzberechtigter nach Griechenland darauf, dass es einerseits Feststellungen dazu bedarf, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden. Andererseits müsse aus den Feststellungen hervorgehen, ob und wieweit für Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt ist.

In ebengenannter Entscheidung, in der es um eine in Griechenland schutzberechtigte, junge, gesunde Frau ohne Betreuungspflichten, die über eine zwölfjährige Schulbildung, eine vierjährige universitäre Ausbildung und eine Berufsausbildung zur Dolmetscherin verfügte, ging, führte der Verfassungsgerichtshof folgendermaßen aus:

„Zwar trifft zu, dass anerkannten Schutzberechtigten nach Art. 20 ff. der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2011 L 337, 9, grundsätzlich „nur“ ein Anspruch auf Inländergleichbehandlung zusteht. Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich jedoch etwa nicht damit auseinander, ob die von Art. 34 der Richtlinie 2011/95/EU geforderten, über die Inländergleichbehandlung hinausgehenden Integrationsmaßnahmen angeboten werden (vgl. dazu das deutsche BVerfG 31.7.2018, 2 BvR 714/18, Rz 23). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin für eine Übergangszeit auf staatliche Hilfe angewiesen sein wird, hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, ob und wieweit für die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der ersten Zeit Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen sichergestellt wird.“

Auch wenn sich dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf Länderinformationen der Staatendokumentation mit Stand vom 04.10.2019 und letzter Kurzinformation vom 19.03.2020 bezieht, ergeben sich aus der nunmehr aktualisierten und dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderinformation der Staatendokumentation betreffend Griechenland aus dem COI-CMS (Version 2) ähnliche Schwierigkeiten für Schutzberechtigte beim Zugang zu Unterkunft, Arbeit, Sozialleistungen, medizinischer Versorgung und Integrationsprogrammen. So wird etwa erwähnt:

?        Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw. Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen.

?        Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card: Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl. VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da z.B. bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw. oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte - ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl. ProAsyl 4.2021).

?        Auch die tägliche Lebenshaltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw. mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit mit großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).

?        Schutzberechtigte haben grundsätzlich Zugang zu medizinischer Versorgung wie griechische Staatsangehörige, in der Praxis schmälert aber der Ressourcenmangel im griechischen Gesundheitssystem diesen Zugang, was aber in gleichem Maße auch für griechische Staatsbürger gilt. Bei Flüchtlingen kommen jedoch auch Verständigungsschwierigkeiten und Probleme beim Erlangen der Sozialversicherungsnummer (AMKA) hinzu (AIDA 6.2020). Die AMKA kann bei der Gesundheitsbehörde (EKKA) elektronisch beantragt werden, man braucht dazu aber eine RPC und ein Jobangebot einer Firma. Ohne Jobangebot können Flüchtlinge eine PAAYPA (vorläufige AMKA für Fremde) beantragen. Mit AMKA ist voller Zugang zu öffentlichen Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, usw. möglich, mit PAAYPA hingegen nur beschränkt. Manche Einrichtungen akzeptieren eine PAAYPA nicht. Jene Personen wären dann auf Privatärzte oder NGOs angewiesen (VB 1.3.2021). Zudem gibt es in Athen einige „Sozial-Apotheken“ wo billige oder sogar kostenlose Medikamente und medizinische Artikel erhältlich sind – diese unterstützen auch einkommenslose Griechen (VB 12.4.2021). Für den Bezug von Medikamenten ist ein Rezept eines Arztes einer öffentlichen Gesundheitseinrichtung erforderlich. Rezepte werden über das Online-Portal https://www.e-prescription.gr elektronisch ausgestellt und können unter Angabe der AMKA dann in jeder Apotheke eingelöst werden (AI 3.3.2021). Handgeschriebene Rezepte werden nur von Sozialapotheken entgegengenommen. Die Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente müssen zur Gänze vom Patienten getragen werden; für verschreibungspflichtige Medikamente sind entsprechende Zuzahlungen erforderlich (WHO 2018).

?        Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.). Voraussetzungen ist u.a. der Nachweis der Unterkunft: (…) Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (AMKA). Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben, bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020).

Wie sich aus diesen Länderinformationen ableiten lässt, sind Schutzberechtigte in Griechenland zwar rechtlich griechischen Staatsbürgern grundsätzlich gleichgestellt, sie können jedoch faktisch auf besondere Schwierigkeiten stoßen, die auf ihre herausfordernde Situation als Fremde ohne oder mit geringen Kenntnissen der Landessprache und der administrativen Vorgänge in einem Staat, dessen wirtschaftliche Lage allgemein bekannt angespannt ist, zurückzuführen sein können.

Wie bereits erwähnt, werden laut den vorliegenden Länderinformationen im angefochtenen Bescheid Schutzberechtigten in Griechenland im Rahmen des Programms HELIOS Unterstützungsmaßnahmen für international Schutzberechtigte und biete neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsintegration auch Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum. Mangels näherer Ermittlungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bleibt jedoch im vorliegenden Fall unklar, ob die Beschwerdeführer an diesem Integrationsprogramm bereits teilgenommen haben bzw. im Fall einer Rückkehr tatsächlich Zugang dazu hätten. Insbesondere geht aus den Länderinformationen im angefochtenen Bescheid hervor, dass das Programm eine „Laufzeit bis Juni 2021“ habe. Auf der öffentlich zugänglichen Website von UNHCR Griechenland wird demgegenüber eine Laufzeit bis September 2021 erwähnt (siehe https://greece.iom.int/en/hellenic-integration-support-beneficiaries-international-protection-helios, abgerufen am: 12.10.2021). In dieser Hinsicht erweisen sich die Länderinformationen als nicht hinreichend aktuell und insofern mangelhaft, als offenbleibt, ob dieses Integrationsprogramm Schutzberechtigten nach wie vor offensteht und Unterstützung anbietet, oder ob es durch andere Programme, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte bieten, ersetzt wurde.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist nicht ausreichend auf die Situation der Beschwerdeführer bei deren Rückkehr nach Griechenland eingegangen. Den Länderfeststellungen und den Angaben der Beschwerdeführer im Verfahren ist – wie eben dargelegt – zu entnehmen, dass sie nach Zuerkennung von Schutzstatus keine Unterstützung mehr bekommen haben und keinen Zugang mehr zu einer Unterkunft in Flüchtlingscamps haben, hinzu kommen Schwierigkeiten für Schutzberechtigte eine Unterkunft zu mieten. Abseits der drohenden Obdachlosigkeit hat keine ausreichende Auseinandersetzung mit dem Zugang zu Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen stattgefunden. Darüber hinaus hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Feststellungen zu Integrationsmaßnahmen getroffen, die Schutzberechtigen in Griechenland zur Verfügung stehen.

Aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ermittelten Sachverhalt lässt sich nicht entnehmen, wie die Beschwerdeführer trotz der behaupteten Mängel dennoch nach Gewährung des Asylstatus fast ein Jahr in Griechenland verbleiben konnten. Die Lebensumstände der Beschwerdeführer während der Zeit nach der Zuerkennung des Asylstatus wurden seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl keiner näheren Prüfung unterzogen. Vor dem Hintergrund der Länderinformationen und der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs kommt dieser Frage aber Relevanz im Hinblick darauf zu, ob die Beschwerdeführer – sollten ihnen in erster Zeit nicht von Seiten des griechischen Staates Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen ermöglicht werden – nach einer Rückkehr selbst oder mit Unterstützung durch nichtstaatliche Organisationen oder mithilfe von bereits während ihres vormaligen Aufenthalts in Griechenland aufgebauten sozialen Netzwerken in der Lage wären, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen. Für die Beurteilung ihrer Rückkehrsituation können neben den bisherigen Lebensumständen in Griechenland unter Berücksichtigung der Dauer des vormaligen Aufenthalts in Griechenland als Schutzberechtigte auch eine etwaige auf dem griechischen Arbeitsmarkt verwertbare Ausbildung oder Arbeitserfahrung sowie Sprachkenntnisse der Beschwerdeführer von Bedeutung sein, auch vorhandene eigene finanzielle Mittel oder familiäre bzw. soziale Unterstützung könnten in diese Bewertung miteinbezogen werden.

Aufgrund der mangelhaft ermittelten Sachverhaltsgrundlage unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann im gegenständlichen Fall sohin nicht abschließend beurteilt werden, ob im Fall einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Griechenland die reale Gefahr einer Verletzung ihrer gemäß Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bestünde.

Im fortgesetzten Verfahren bedarf es daher einer Abklärung zum aktuell bestehenden Angebot an Programmen, die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte anbieten, und zu deren Umfang (siehe dazu auch VfGH 25.06.2021, E 599/2021, Rz 21). Darüber hinaus sind weitere Erhebungen im gegenständlichen Fall notwendig, nämlich zu den Fragen, ob der BF 3 seinen abgelaufenen Aufenthaltstitel verlängern lassen kann, ob den Beschwerdeführern im Fall einer Rückkehr nach Griechenland zumindest in der anfänglichen Zeit von Seiten des Staates Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen zur Verfügung stünde und – sollte dies zu verneinen sein – ob den Beschwerdeführern allenfalls mit Hilfe von nichtstaatlichen Einrichtungen oder durch Unterstützung von Angehörigen oder Bekannten ihre elementaren Bedürfnisse befriedigen könnten, ohne einer ernsthaften Gefahr ausgesetzt zu sein, aufgrund der Lebensumstände eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK oder Art. 4 GRC zu erfahren.

Ergänzend haben seit der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der letzten Einvernahme medizinische Untersuchungen der BF 1 und der BF 2 stattgefunden und sind diesbezügliche Befunde und Rezepte vorgelegt worden. So leidet die BF 1 an Problemen mit Schilddrüse und ihrem Bein und die BF 1 an Typ 2 Diabetes, weswegen sie auch täglich Medikamente einnimmt. Die Behörde wird im fortgesetzten Verfahren aufgrund aktueller Befunde oder durch Einholung eines entsprechenden medizinischen Gutachtens den Behandlungsbedarf der BF 1 und der BF 2 abzuklären haben und insbesondere zu prüfen haben, ob die allfällig notwendigen Behandlungen bzw. die notwendigen Medikamente der BF 2 in Griechenland gesichert vorhanden, den Beschwerdeführern auch tatsächlich zugänglich und auch leistbar sind.

Des Weiteren wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob zwischen den Beschwerdeführern und ihren im österreichischen Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen ein schützenswertes Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht.

Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungswesentliche Sachverhalt trotz bestehender Möglichkeiten nicht ausreichend ermittelt, weshalb zwingend nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG vorzugehen war.

Der Verwaltungsgerichtshof geht – nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG – davon aus, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom Bundesverwaltungsgericht in der für die Erledigung gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattzugeben ist. Eine Verhandlung hat diesfalls zu unterblieben. Ist hingegen davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen. Dabei hat es sich bei der Beurteilung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG im Rahmen der Ermessensübung, ob eine Verhandlung durchzuführen ist, auch davon leiten zu lassen, ob die vorhandenen Ermittlungsmängel zweckmäßigerweise durch im Rahmen der Verhandlung vorzunehmende Beweisaufnahmen beseitigt werden können (vgl. VwGH 08.07.2021, Ra 2021/20/0074, mit Verweis auf VwGH 15.05.2020, Ra 2020/14/0060).

Angesichts der notwendigen Ermittlungen zu den Gesundheitszuständen der BF 1 und der BF 2 und zur Situation in Griechenland und der umfassenden Befragung der Beschwerdeführer kann das Bundesverwaltungsgericht die Ermittlungsmängel nicht in der für die Erledigung des im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahrens abzuwickelnden Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigen.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a iVm Abs. 7 BFA-VG unterbleiben. Die mit dem FRÄG 2015 eingeführte Regelung des Abs. 6a leg cit indiziert, das im Zulassungsverfahren – auch in Zusammenschau mit der Spezialnorm des § 21 Abs. 3 BFA-VG – grundsätzlich weitergehende Möglichkeiten der zulässigen Abstandnahme von der Durchführung von Verhandlungen bestehen (in diesem Sinne auch VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0157 bis 0159, vgl. dazu zuletzt auch die Entscheidung des VwGH vom 05.12.2017, Ra 2017/01/0392 bis 0394). Im vorliegenden Verfahren erscheint der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt und ergeben sich keine Hinweise auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern.

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Verfolgungssicherheit im Zielstaat, welche sich aus den umfassenden und aktuellen Länderberichten ergibt, weiters im Gesundheitszustand der BF sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W212.2247025.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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