TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/15 W129 2247996-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §4
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §42 Abs6

Spruch


W129 2247996-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX , Erziehungsberechtigter des am XXXX geborenen XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 14.09.2021, Zl. I-1043/7726-2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die Teilnahme des mj. XXXX am häuslichem Unterricht wurde bereits für das Schuljahr 2020/21 rechtskräftig von der belangten Behörde untersagt.

Dennoch hielt der (allein) obsorgeberechtigte Beschwerdeführer seinen Sohn in weiterer Folge vom Schulbesuch fern (Erstattung einer Schulversäumnisanzeige am 13.04.2021), auch eine Teilnahme am ortsungebundenen Unterricht fand nicht statt. Gespräche mit der Schulleitung wurden unter Hinweis auf die (vom Beschwerdeführer abgelehnte) Maskenpflicht im Schulgebäude verweigert.

Das am 02.07.2021 ausgestellte Jahreszeugnis (1. Schulstufe) der Volksschule 2651 XXXX , weist für alle Pflichtgegenstände die Beurteilung „nicht beurteilt“ auf. Das Zeugnis wurde bis dato vom Beschwerdeführer nicht abgeholt.

2. Mit Mail vom 02.08.2021 meldete der Beschwerdeführer die Teilnahme seiner Söhne XXXX und XXXX an häuslichem Unterricht an und kündigte an, diese würden sich „auch keinen Externistenprüfungen unterziehen“. Die bereits zuständige Sozialarbeiterin könne gerne die Erfüllung der Bildungspflicht erfüllen, die Behörde dürfe „gerne den Erlagschein über 150,- Euro Strafe beilegen“, welche der Beschwerdeführer gerne umgehend überweisen werde.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 14.09.2021 untersagte die Bildungsdirektion für Niederösterreich (belangte Behörde) gemäß § 11 Abs 3 und 4 Schulpflichtgesetz (SchPflG) die Teilnahme des Sohnes des Beschwerdeführers am häuslichen Unterricht für das Schuljahr 2021/2022.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus:

Die Teilnahme des Sohnes des Beschwerdeführers am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2021/2022 sei zu untersagen, da der Sohn im Schuljahr 2020/21 die VS XXXX besucht und die 1. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen habe.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, Rz 16 und 18) sei ein rechtzeitiges Antreten zur Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 nicht zulässig.

3. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht eine handschriftlich verfasste Beschwerde. Begründend führte er (hier relevant und sinngemäß) im Wesentlichen aus:

Die Schulreife seines Sohnes sei bei der Schuleinschreibung des Jahres 2019/20 rechtswidrig festgestellt worden. Die Direktion hätte einen Schulpsychologen zu Rate ziehen müssen. Eine Rückstufung in die Vorschulstufe sei absehbar gewesen, der Beschwerdeführer hätte seinem Sohn diese Enttäuschung ersparen wollen. Der Nachweis eines Schulerfolges durch eine Externistenprüfung sei nicht zulässig. Darüber hinaus habe er der Schule mitgeteilt, dass er jegliche Einwilligung in Bezug auf Coronamaßnahmen verweigere. Auch berufe er sich auf § 15 Abs 1 SchPflG.

4. Mit Begleitschreiben vom 19.10.2021 (eingelangt erst am 05.11.2021) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht vor. Ebenfalls am 05.11.2021 erfolgte die Zuteilung an die zuständige Gerichtsabteilung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene Sohn des Beschwerdeführers hätte im Schuljahr 2020/2021 seine Schulpflicht durch den Besuch der 1. Klasse (1. Schulstufe) der VS XXXX erfüllen müssen, wurde jedoch vom obsorgeberechtigten Beschwerdeführer faktisch vom Schulbesuch abgehalten.

Das am 02.07.2021 ausgestellte Jahreszeugnis (1. Schulstufe) der Volksschule XXXX weist für alle Pflichtgegenstände die Beurteilung „nicht beurteilt“ auf.

Mit Mail vom 02.08.2021 meldete der Beschwerdeführer die Teilnahme seiner Söhne XXXX und XXXX an häuslichem Unterricht an.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchteil A)]

3.1.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnischen Schule – mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Nach § 25 Abs 1 zweiter Satz SchUG gilt eine Schulstufe (nur) dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.

Gemäß § 42 Abs 6 SchUG gilt als „Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung (…)“ unter anderem: Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.

3.1.2. Die Freiheit des häuslichen Unterrichts beschränkt nicht die in Art. 14 Abs. 7a B-VG verankerte Schulpflicht und kann daher entsprechenden Regelungen, die der Sicherung des Ausbildungserfolges von schulpflichtigen Schülern dienen, nicht entgegengehalten werden. Art. 17 StGG garantiert also nicht die Möglichkeit, die Schulpflicht durch häuslichen Unterricht zu erfüllen (siehe VfGH 06.03.2019, G377/2018).

3.1.3. Nach der bereits von der belangten Behörde ausdrücklich zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007), ergibt sich aus § 42 Abs. 6 SchUG, dass ein (rechtzeitiger, noch vor Ende des Schuljahres erfolgender) Antritt zu einer Externistenprüfung unzulässig ist, wenn im Schuljahr zuvor eine Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen wurde.

Der Sohn des Beschwerdeführers hat die erste Klasse Volksschule im Schuljahr 2020/21 ungeachtet seiner gesetzlichen Berechtigung zum Aufstieg in die zweite Klasse Volksschule (vgl. § 25 Abs 3 erster Satz SchUG) nicht erfolgreich abgeschlossen, da er in sämtlichen Pflichtgegenständen nicht beurteilt wurde (§ 25 Abs 1 zweiter Satz SchUG).

3.1.4. Dies bedeutet jedoch, dass eine Sperrfrist von (vollen) 12 Monaten, gerechnet ab 02.07.2021, für einen Antritt zu einer Externistenprüfung besteht, sodass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Niederösterreich am 01.07.2022) knapp, aber doch unzulässig und somit nicht möglich ist.

Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Niederösterreich nicht entgegenzutreten, wenn sie den ihr vom Beschwerdeführer angezeigten häuslichen Unterricht von vornherein für unzulässig erachtete und daher untersagt hat.

Ob einem Schulbesuch tatsächlich medizinische Gründe entgegenstehen, so wie dies der Beschwerdeführer mit seinem Verweis auf § 15 SchPflG erstmals in der Beschwerde, zudem völlig unsubstantiiert und ohne Vorlage entsprechender ärztlicher Bescheinigungen, vorbrachte, bildete nicht den Verfahrensgegenstand vor der belangten Behörde und entzieht sich daher der Kognitionsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Niederösterreich am 01.07.2022) nicht zulässig und somit nicht möglich ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht häuslicher Unterricht Nichtbeurteilung öffentliche Schule Pflichtgegenstand Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2247996.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten