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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über den Antrag des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der wegen Asylgewährung erhobenen Beschwerde, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben.
Begründung
Mit Berichterverfügung vom 22. Februar 1996 (dem Beschwerdevertreter zugestellt am 8. März 1996) wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen drei Wochen die vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde in bestimmten näher bezeichneten Punkten zu ergänzen und den ergänzenden Schriftsatz in zweifacher Ausfertigung vorzulegen.
Innerhalb der gesetzten Frist legte der Beschwerdeführer zwei Exemplare eines ergänzenden Schriftsatzes vor, die inhaltlich dem Verbesserungsauftrag entsprachen, jedoch vom Rechtsvertreter nicht unterfertigt waren. Infolge dieses Umstandes wurde mit hg. Beschluß vom 9. Mai 1996 das Verfahren über die abgetretene Bescheidbeschwerde gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.
Mit dem nunmehr vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag begehrt der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Ergänzung der Bescheidbeschwerde im Sinne des erteilten Verbesserungsauftrages die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung (infolge der übersehenen Unterfertigung des ergänzenden Schriftsatzes) und begründet dies im wesentlichen damit, daß von der verantwortlichen Kanzleimitarbeiterin verabsäumt worden sei, vor Postabfertigung der diktierten Ergänzungsschriftsätze diese dem Vertreter des Beschwerdeführers zur Unterfertigung vorzulegen. Damit habe die ansonsten völlig verläßliche, schon seit vielen Jahren in einer Rechtsanwaltskanzlei tätige Mitarbeiterin gegen eine klare Anweisung in der Kanzlei des Rechtsvertreters verstoßen und könne dieses Verhalten nur mit einem "Blackout" in der damals bestandenen Situation, die durch einen sehr starken Anfall in der Kanzlei gekennzeichnet gewesen sei, erklärt werden. Es stelle dies ein für die Partei unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, das auch nur auf einem minderen Grad des Versehens beruhe, sodaß es einer Wiedereinsetzung nicht entgegenstehe.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Dabei ist das Verschulden des Rechtsvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Wenn einem Angestellten des Rechtsvertreters im Zusammenhang mit der Einhaltung einer Frist ein Fehler unterläuft, hat dies die Partei selbst nur dann nicht zu vertreten, wenn ihr Rechtsvertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten nachgekommen ist. Ein geradezu weisungswidriges Verhalten des Kanzleiangestellten schließt allerdings regelmäßig das Verschulden des Vertreters selbst aus (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 658, angeführte Judikatur). Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt wurde im vorliegenden Fall der Ergänzungsschriftsatz entgegen einer klar bestehenden Anweisung "am Rechtsvertreter vorbei", somit ohne Vorlage zur Unterfertigung, zur Post gegeben, womit aber dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200570.X00Im RIS seit
20.11.2000