TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/22 W217 2248092-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.11.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W217 2248092-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 16.06.2021, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1.       Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 13.08.2019 Inhaber eines Behindertenpasses. Der Grad der Behinderung wurde mit 50% festgestellt.

Am 03.02.2021 beantragte der BF beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und die Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO.

2.       In der Folge stellte Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, in seinem Gutachten vom 12.04.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, fest:

„Anamnese:

Laut Erkenntnis des BVwG vom 28. Jänner 2021 liegen folgende Gesundheitsschädigungen vor:

1. Diabetes mellitus mit Insulinpflicht...40 %

2. Rezidiv. depressive Störung, phobische Störung, Panikstörung...30 %

3. Obstruktives Schlafapnoesyndrom...20 %

4. Arterielle Hypertonie...20 %

5. Bewegungseinschränkung des linken Kleinfingers...10 %

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Nun Antrag auf Zusatzeintrag‚ Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘.

Derzeitige Beschwerden:

‚Infolge meiner Leiden fühle ich mich nicht in der Lage öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Ich leide an einer Klaustrophobie und muss ständig Medikamente gegen Depressionen und Angstzustände einnehmen. Ich fahre für gewöhnlich mit einem Motorrad oder mit meinem Auto, um öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen zu müssen."

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Ständige Betreuung durch FA f. Neurologie und Psychiatrie für 3 Monate, vor etlichen Jahren Aufenthalt im Reha-Zentrum für Psychische Gesundheit XXXX , PA, kardiolog. Amb. Klinik XXXX .

Medikamente: Duloxetin 60 mg 1x1, Bromazepam Gen 3 mg Tbl. bei Bedarf, Insulin lt. Schema, Co-Diovan 160/12,5 mg,

Xigduo 5/1000 mg 2x1.

Hilfsmittel: Keine.

Sozialanamnese:

Taxifahrer, in Berufsunfähigkeitspension.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befundbericht Klinik XXXX -Kardiologie vom 25. Nov. 2020 - Diagnose: Verdacht auf KHK, stationärer Aufenthalt vom 23.-25.Nov.2020 - Diagnose: Nicht signifikante KHK, Extrasystolen, keine Indikation zur Ablatio von Extrasystolen, ein Vorhofflimmern während des stationären Aufenthaltes konnte nicht verifiziert werden.

Im Akt noch aufliegend fachärztlicher Befundbericht Dr. XXXX , FA f. Neurologie und Psychiatrie vom 14. Juni 2019 mit den Diagnosen: Angst- und Depression gemischt, Phobien, art. Hypertonie, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, DM Typ 2, Tinnitus. In diesem Befund wird auch auf zunehmende Probleme bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hingewiesen. Bestätigung einer CPAP - Therapie.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Gut

Ernährungszustand:

Normalgewichtig

Größe: 186,00 cm  Gewicht: 74,00 kg  Blutdruck: 145/95

Klinischer Status – Fachstatus:

Habitus: Groß. Knochenbau: Normal. Hautfarbe: Normal.

Schleimhäute: Normal. Atmung: Unauffällig.

Drüsen: Keine suspekten LKN.

Caput: Sensorium frei. Pupillen mittelweit, isocor. Brillenträger.

Zunge: Normal. Zähne: Saniert.

Rachen: Bland. Hirnnerven: HNA frei. Hals: Normal lang. Arterien: Pulse tastbar.

Venen: Nicht gestaut. Schilddrüse: Normgroß, schluckverschieblich.

Thorax:  

Lunge: Perkussion: Basen verschieblich, normaler Klopfschall. Auskultation: Vesikuläratmen.

Herz: Spitzenstoß im V ICR in der MCL. Perkussion: Normale Grenzen. Auskultation: VA. Puls: 72/min.

Abdomen: Narbe nach OP. Bauchdeckenschwäche (Zustand nach Sigmateilresektion wegen Divertikulitis). Im Thoraxniveau. Keine pathologischen Resistenzen tastbar.

Leber: Nicht palpabel. Milz: Nicht palpabel. Rectal: Nicht durchgeführt.

Nierenlager: Frei.           

Wirbelsäule: Halswirbelsäule: Streckhaltung, Kopfdrehen- und neigen ungehindert. Brustwirbelsäule: Unauffällig.

Lendenwirbelsäule: Fingerspitzen-Bodenabstand 0 cm. Rumpfdrehung- und neigung nahezu ungehindert.

Obere Extremitäten: Keine articulären Behinderungen im Bereiche der Schultern, Ellbogen- und Handgelenke: Bewegungseinschränkung des linken Kleinfingers. Am linken Oberarm Sensor für Glukosemessung angebracht. Fingerbeweglichkeit erhalten.

Keine Angabe von Sensibilitätsstörungen, Faustschluss beidseits kräftig.

Untere Extremitäten: Keine articulären Behinderungen im Bereiche der unteren Gliedmaßen.

Keine Angabe von Sensibilitätsstörungen.

Fußpulse: Beidseits tastbar. Varizen: Keine. Ödeme: Keine.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Unauffällig

Status Psychicus:

Zeitliche und räumliche Orientierung vorhanden, kein Hinweis auf mentale oder kognitive Beeinträchtigung. Affizierbarkeit eher im negativen Bereich. Tendierung zu Aggravation und Lamentation. Gibt agoraphobische und klaustrophobische Tendenzen an.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Diabetes mellitus mit Insulinpflicht.

2

Rezidivierend depressive Störung, phobische Störung, Panikstörung.

3

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom mit CPAP-Therapie.

4

Arterielle Hypertonie, Neigung zu Rhythmusstörungen.

5

Bewegungseinschränkung des linken Kleinfingers.

6

Dickdarmteilresektion wegen Divertikulitis ohne nachhaltige Folgen.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Gegenüber dem Vorgutachten wurde nun auch der Umstand, dass ein Zustand nach Dickdarmteilentfernung ohne weitere Folgen vorliegt, in der Leidensauflistung berücksichtigt.

X        Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es finden sich keine relevanten Funktionseinschränkungen im Bereiche der Gliedmaßen. Der AW ist in der Lage ohne Hilfsmittel eine Wegstrecke von 300-400 m in einer entsprechenden Zeit zurückzulegen. Die Funktionen im Bereiche der Gelenke sind ausreichend um in ein öffentliches Verkehrsmittel zu gelangen und ein solches zu verlassen, als auch sich suffizient während des Transportes an Haltegriffen anzuhalten. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor. Phobische Zustände, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen könnten, sind nicht durch entsprechende Befunde ausreichend und über einen Zeitraum von über 6 Monaten hinaus belegt. Somit liegen aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für den Zusatzeintrag Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht vor.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein“

3.       Im Rahmen des hierzu von der belangten Behörde erteilten Parteiengehörs übermittelte der BF einen Befund vom 22.05.2021 eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie.

3.1.    Der bereits befasste Arzt für Allgemeinmedizin führt in seiner Stellungnahme vom 15.06.2021 aus:

„Antwort(en):

Anlässlich des Parteiengehöres wird ein neurologisch- psychiatrischer Befund, Dr. XXXX , datiert vom 22.05.2021 beigebracht: In diesem Befund wird eine langjährige depressive Symptomatik als Diagnose angeführt, und auch erwähnt, dass der AW subjektiv nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel infolge Phobien und Panikattacken zu benützen.

Im Verfahren der Begutachtung liegt im Akt ein Vorbefund Dr. XXXX auf, datiert vom 14.6.2019, in welchem infolge psychischer Probleme auf Schwierigkeiten bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hingewiesen wird.

Stellungnahme:

Eine durch gehende, und über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus gehende psychische Störung, welche die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglicht, ist nicht dokumentiert, zumal auch entsprechende Brückenbelege nicht vorhanden sind.

Somit kann keine Änderung in der Beurteilung in Hinblick auf den Zusatzeintrag ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ erfolgen.“

3.2.    Mit Schreiben vom 15.06.2021 übermittelte der BF weiters ein nervenfachärztliches Attest vom 27.05.2011.

4.       Mit Bescheid vom 16.06.2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ ab.

Beweiswürdigend wurde auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens hingewiesen. Dieses habe ergeben, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

5.       Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihm nicht möglich und nicht zumutbar, da vor allem die seit Jahren therapieresistent vorliegende Klaustrophobie und die zusätzlich vorliegende Panikstörung dazu führen würden, dass er aufgrund der klaustrophoben Zustände in engen Räumen und unter großen Menschenansammlungen öffentliche Verkehrsmittel nicht benützen könne. Es sei die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie unbedingt erforderlich.

6.       In der Folge holte die belangte Behörde ein weiteres Gutachten ein. Dr. XXXX , Facharzt für Psychiatrie/Neurologie, hält in seinem Gutachten vom 14.09.2021, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, fest:

„Anamnese:

VGA 18.9.20: 40%, 15.3.21: keine Zusatzeintragung Unzumutbarkeit öffentl. Verkehrsmittel.

Dazu wird vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass es ihm aufgrund der aus den bereits vorgelegten Befunden vom 22.05.2021 und vom 27.05.2011 vorliegenden Diagnosen und damit zusammenhängenden Leidenszuständen keinesfalls möglich und zumutbar ist ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Vor allem die seit Jahren therapieresistent vorliegende Klaustrophobie und die zusätzlich vorliegende Panikstörung führen dazu, dass aufgrund der klaustrophoben Zustände in engen Räumen und unter großen Menschenansammlungen öffentliche Verkehrsmittel vom Beschwerdeführer nicht benützt werden können.

Seit> 20a habe er psychische Beschwerden, bisher keine akutspsychiatrische Behandlung, Rehab in XXXX 2013, derzeit alle 4 Monate FA Ko bei FA Dr. XXXX , keine zusätzliche Gesprächstherapie

Derzeitige Beschwerden:

Ängste, Schlafstörung, er benütze seit Jahren keine öffentlichen Verkehrsmittel.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Duloxetin 60mg, Bromazepam 3mg b Bed.

Sozialanamnese:

lebt alleine, pensioniert, kein Pflegegeld, keine Erwachsenvertretung

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

22.5.21 FA Dr. XXXX : Diagnose: - rezidivierend-depressive Störung

-        spezifische Phobien

-        episodisch paroxysmale Angst

-        arterielle Hypertonie

-        obstruktive Schlafapnoe

-        Diabetes mellitus Typ II

-        Tinnitus links

-        nicht signifikante KHK

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Ernährungszustand:

Größe: cm  Gewicht: kg  Blutdruck:

Klinischer Status – Fachstatus:

Die Hirnnerven sind unauffällig, die Optomotorik ist intakt.

An den oberen Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Die Koordination ist intakt.

An den unteren Extremitäten bestehen rechtsseitig keine Paresen, linksseitig bestehen keine Paresen,

Fersen/ Zehenspitzen/ Einbeinstand bds. möglich,

die Muskeleigenreflexe sind seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Die Koordination ist intakt.

Die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten negativ.

Die Sensibilität wird allseits als intakt angegeben.

Das Gangbild ist ohne Hilfsmittel unauffällig

Gesamtmobilität – Gangbild:

Status Psychicus:

Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb vermindert, subjektiv kognitive Einschränkungen, Stimmung depressiv, Ängste, Ein- und Durchschlafstörung, nicht produktiv, nicht suizidal eingeengt

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

Diabetes mellitus, Insulinpflichtiger Diabetes bei stabiler Stoffwechsellage

2

rez. Depressio, Phobische Störung, Panikstörung

3

Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS), Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom - mittelschwere Form

4

Hypertonie, Leichte Hypertonie

5

Bewegungseinschränkung des linken Kleinfingers

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Keine Änderung

X

Dauerzustand

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein

Gutachterliche Stellungnahme:

Begründung: Die 3 Faktoren klaustrophobe, soziophobe und Kontrollelemente sind bei der Begutachtung von Relevanz. Als Hauptdiagnose müssen nach ICD 10 eine Klaustrophobie, Soziophobie oder eine phobische Angststörung vorliegen. Als Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung müssen alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden zum Einsatz gekommen und nachgewiesen sein (nervenärztliche Behandlung > 1 Jahr, mit zielführender Medikation, die bei Wirkungslosigkeit geändert wurde, und auch psychotherapeutische Methoden > 1 Jahr). Dies liegt hier nicht vor. Die Fa Kontrollen finden in relativ großen Abständen statt, keine zusätzliche Gesprächstherapie.“

7.       Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs brachte der BF in seiner Stellungnahme vom 08.10.2021 vor, bereits im Jahr 2008 sei ihm wegen der psychischen Erkrankungen eine vorzeitige Pension zuerkannt worden. Er sei auch bereits 3 ½ Monate stationär in XXXX gewesen und befinde sich seit Jahren in medizinischer Behandlung, leider habe sich an der gesundheitlichen Problematik nichts gebessert. Der behandelnde Arzt habe ihm mitgeteilt, dass sich an seinem Zustandsbild nichts mehr verbessern würde und er daher die Termine nur in größeren Zeitabständen ansetze. Somit sei die gutachterliche Stellungnahme, worin die Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung des BF verneint werde, wegen der nicht ausreichend zum Einsatz gekommenen Therapiemethoden für den BF in keinster Weise nachvollziehbar. Es handle sich bei der psychischen Problematik vielmehr um einen chronifizierten Dauerzustand und wären somit die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung gegeben.

Neue Befunde wurden keine vorgelegt.

8.       Hierzu führte der bereits befasste Facharzt für Psychiatrie/Neurologie in seiner Stellungnahme vom 17.10.2021 aus:

„Antwort(en):

Kundeneinwendung, dass öffentliche Verkehrsmittel wegen Klaustrophobie nicht benützt werden können.

Von meiner Seite keine Änderung der Einschätzung, es wird kein rezenter FA Befund beigebracht. Im FA Befund Dr. XXXX 22.5.21 sind folgende Diagnosen aufgelistet:

rezidivierend-depressive Störung

- spezifische Phobien

-        episodisch paroxysmale Angst

-        arterielle Hypertonie

-        obstruktive Schlafapnoe

-        Diabetes mellitus Typ II

-        Tinnitus links

-        nicht signifikante KHK

Die führende Diagnose ist nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen.“

9.       Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2021, OB: XXXX , wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.06.2021 abgewiesen. Begründend wurde auf das Gutachten von Dr. XXXX sowie auf dessen Stellungnahme verwiesen, woraus sich ergebe, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

10.      Mit Schreiben vom 08.11.2021 begehrte der BF die Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und brachte hierzu vor, wie in den bereits vorgelegten fachärztlichen Befunden von Dr. XXXX vom 22.05.2021 sowie von Dr. XXXX vom 27.05.2021 bestätigt, leide er seit fast 20 Jahren unter einer depressiven Symptomatik mit zusätzlichen Panikattacken sowie spezifischen Phobien, welche ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden. Trotz langjähriger Behandlung und Ausschöpfung aller Therapieoptionen habe die gesundheitliche Problematik bis dato nicht gebessert werden können. Es handle sich somit um einen chronifizierten Dauerzustand und seien die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung somit nach Ansicht des BF gegeben.

11.      Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 09.11.2021 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der BF hat seinen Wohnsitz im Inland.

Der BF ist seit 13.08.2019 im Besitz eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Im Erkenntnis des BVwG vom 28.01.2021, W132 2236343-1/4E, wurden folgende Funktionseinschränkungen des BF festgestellt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Diabetes mellitus, insulinpflichtig

Oberer Rahmensatz, da bei höherer Insulindosierung HbA1c Wert im Zielbereich.

09.02.02

40 vH

02

Rez. depressive Störung, phobische Störung, Panikstörung

Eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, bei relativer Stabilität trotz nur sporadischer fachärztlich-psychiatrischer Kontrolle und multiplen nicht ausgeschöpften Therapieoptionen (medikamentöse Adaptierung, psychotherapeutische Behandlung) In den ADLs uneingeschränkt selbständig.

03.06.01

30 vH

03

Obstruktives Schlafapnoesyndrom

Unterer Rahmensatz, da mittels Maske gut behandelbar.

06.11.02

20 vH

04

Arterielle Hypertonie

Fixposition, Extrasystolen sind hier berücksichtigt.

05.01.02

20 vH

05

Bewegungseinschränkung des linken Kleinfingers

Fixposition

02.06.27

10 vH

Mit am 03.02.2021 eingelangtem Schriftsatz stellte der BF einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass sowie auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.10.2021 wurde die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 16.06.2021, in welchem die belangte Behörde den Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen hatte, abgewiesen.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem BF zumutbar.

Hinsichtlich der beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Befundungen und Beurteilungen in dem oben wiedergegebenen medizinischen Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie/Neurologie vom 14.09.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung am 14.09.2021, bestätigt in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 17.10.2021 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2.       Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Vorliegen eines Behindertenpasses, zur gegenständlichen Antragstellung sowie zur Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ in den Behindertenpass, ergeben sich aus dem Akteninhalt bzw. aus dem unzweifelhaften Erklärungswert des Inhaltes der Beschwerde.

Die Feststellungen zu den vorliegenden Funktionseinschränkungen und die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ führt, gründen sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Facharztes für Psychiatrie/Neurologie vom 14.09.2021, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung am 14.09.2021, bestätigt in dessen gutachterlichen Stellungnahme vom 17.10.2021. Unter Berücksichtigung sämtlicher vom BF ins Verfahren eingebrachter medizinischer Unterlagen und nach persönlicher Untersuchung des BF wurde von dem medizinischen Sachverständigen auf Grundlage der zu berücksichtigenden und unbestritten vorliegenden Funktionseinschränkungen festgestellt, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel für den BF zumutbar ist.

Der Facharzt für Psychiatrie/Neurologie gelangte in seinem Sachverständigengutachten vom 14.09.2021 unter den von ihm geprüften Gesichtspunkten zu dem Schluss, dass keine beim BF festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden. Auch liege kein Immundefekt vor, im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten würden.

Weiters wies er begründend darauf hin, dass die drei Faktoren, nämlich klaustrophobe Faktoren, soziophobe Faktoren und Kontrollelemente bei der Begutachtung von Relevanz seien. Als Hauptdiagnose müsse nach ICD 10 eine Klaustrophobie, Soziophobie oder eine phobische Angststörung vorliegen. Als Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung müssten alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden zum Einsatz gekommen und nachgewiesen sein (nervenärztliche Behandlung > 1 Jahr, mit zielführender Medikation, die bei Wirkungslosigkeit geändert wurde, und auch psychotherapeutische Methoden > 1 Jahr). Dies liege hier nicht vor. Darüber hinaus würden die fachärztlichen Kontrollen in relativ großen Abständen stattfinden, ohne zusätzlicher Gesprächstherapie.

Diese Ausführungen des medizinischen Sachverständigen sind nicht zu beanstanden.

So wurde hinsichtlich des lfd. Leidens Nr. 2 bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2021, W132 2236343-1/4E, die Heranziehung der Pos.Nr. 03.06.01, mit einem GdB von 30% mit „eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz, bei relativer Stabilität trotz nur sporadischer fachärztlich-psychiatrischer Kontrolle und multiplen nicht ausgeschöpften Therapieoptionen (medikamentöse Adaptierung, psychotherapeutische Behandlung) In den ADLs uneingeschränkt selbständig“ begründet. Dieses Erkenntnis blieb in der Folge unbekämpft.

Soweit der BF in seiner Stellungnahme vom 08.10.2021 vorbringt, der behandelnde Arzt habe ihm mitgeteilt, dass sich an seinem Zustandsbild nichts mehr verbessern würde und er daher die Termine nur in größeren Zeitabständen ansetze, somit sei die gutachterliche Stellungnahme, worin die Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung des BF wegen der nicht ausreichend zum Einsatz gekommenen Therapiemethoden verneint werde, für den BF in keiner Weise nachvollziehbar, ist einzuwenden, dass der BF keine diesbezüglichen Nachweise wie etwa ein ärztliches Schreiben, worin bestätigt wird, dass beim BF sämtliche Therapiemethoden ausgeschöpft sind, vorgelegt hat. Vielmehr betonte der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14.09.2021, dass als Voraussetzung für eine dauernde psychische Erkrankung alle sinnvollen, verfügbaren und zumutbaren Therapiemethoden zum Einsatz gekommen und nachgewiesen sein müssen (nervenärztliche Behandlung > 1 Jahr, mit zielführender Medikation, die bei Wirkungslosigkeit geändert wurde, und auch psychotherapeutische Methoden > 1 Jahr). Dieser Nachweis liege im gegenständlichen Fall gerade nicht vor. Auch würden die fachärztlichen Kontrollen in relativ großen Abständen stattfinden, ohne dass zusätzlich eine Gesprächstherapie durchgeführt werde.

Zusätzlich ist darauf zu verweisen, dass im fachärztlichen Befundbericht von Dr. XXXX vom 22.05.2021 unter „Beurteilung“ Folgendes angemerkt ist:

„Beurteilung:

Bei Herrn XXXX besteht eine langjährige depressive Symptomatik mit zusätzlichen Panikattacken sowie spezifischen Phobien (Klaustrophobie, soziale Phobie). Er berichtet (wie schon in den Befundberichten der letzten Jahre vermerkt), dass er seit 20 Jahren keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benützen könne (dieses Problem sei auch der Grund seiner Pensionierung gewesen).“

Es wird in diesem Befundbericht sohin lediglich von einer Behauptung des BF, er könne keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen, berichtet.

Wenn der BF weiters auf ein ärztliches Attest von Dr. XXXX vom 27.05.2021 verweist und vermeint, dieser habe darin bestätigt, dass er seit fast 20 Jahren unter einer depressiven Symptomatik mit zusätzlichen Panikattacken sowie spezifischen Phobien, welche ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würden, leide, ist zu bemerken, dass der Befund von Dr. XXXX vom 27.05.2011 stammt und sohin keine Aktualität aufweist.

Mag Dr. XXXX darin zwar (vor mehr als 10 Jahren) um „die Gewährung einer Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel“ ersuchen, so ist darauf hinzuweisen ist, dass der den BF behandelnde Arzt primär das Wohlergehen des von ihm behandelten Patienten und damit ein subjektives Element in der Bewertung im Auge hat, nicht jedoch - anders als der im gegenständlichen Verfahren herangezogene begutachtende medizinische Sachverständige - die Vornahme einer Begutachtung und Beurteilung ausschließlich auf Grundlage der Bestimmungen der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.

Weitere Befunde, die neue Tatsachen, noch nicht ausreichend berücksichtigte Leiden oder eine maßgebliche Verschlimmerung belegen könnten, insbesondere auch hinsichtlich schwerer Panikattacken in Menschenmengen und Menschenansammlungen in engen Räumen, wurden vom nicht vorgelegt.

Insgesamt spricht bei Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen des BF aus medizinischer Sicht nichts dagegen, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zugemutet wird.

Hinzuzufügen ist, dass der BF auch hinsichtlich der im Rahmen der klinischen Untersuchungen objektivierten Bewegungsumfänge keine Einwendungen erhoben hat.

Zur Erörterung der Rechtsfrage, ob der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II.3.A.1.

Der BF, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen zu entkräften, ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Eben wenig wurden diesem Gutachten widersprechende Beweismittel vorgelegt.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen medizinischen Sachverständigengutachtens vom 14.09.2021.

Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

1.       Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Die Begriffe „erheblich“ und „schwer“ werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensations-möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

-        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

-        anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

-        schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

-        fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

-        selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das durch die belangte Behörde eingeholte medizinische Sachverständigengutachten eines Arztes für Psychiatrie/Neurologie vom 14.09.2021 zu Grunde gelegt, wonach dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist. Weder bestehen entscheidungserhebliche Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, noch ausreichend erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, noch Einschränkungen neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder Funktionen. Auch liegen keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor, sowie auch keine Funktionseinschränkung des Immunsystems im Sinne der genannten Verordnung.

Betreffend die beim BF vorliegenden psychiatrischen Leiden (rez. Depression, phobische Störung, Panikstörung) sind – wie oben eingehend dargelegt wurde – die zumutbaren therapeutischen Optionen keinesfalls ausgeschöpft. Der BF wird zwar medikamentös behandelt, jedoch besteht die Möglichkeit einer Adaptierung der Medikation sowie die Notwendigkeit einer häufigeren fachärztlichen Kontrolle durch einen Facharzt für Psychiatrie sowie einer Gesprächstherapie. Dies ist dem BF auch zumutbar.

Nach den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 umfassen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel die Krankheitsbilder Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 nur dann, wenn auch eine Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes vorliegt.

Da - wie soeben dargelegt wurde – die Voraussetzung einer Ausschöpfung der zumutbaren therapeutischen Optionen nicht gegeben ist, und diese Therapiemöglichkeiten dem BF auch zumutbar sind, sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der vom Beschwerdeführer beantragten Zusatzeintragung „Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ nicht erfüllt und war somit die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen, deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, Nichtausschöpfung der Therapieoptionen) gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu klären ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht ausreichend substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesve

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten