TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/24 W216 2240833-1

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Veröffentlicht am 24.11.2021
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Entscheidungsdatum

24.11.2021

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W216 2240833-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 22.12.2020, nach Beschwerdevorentscheidung vom 02.03.2021, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Die Beschwerdeführerin brachte am 09.10.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) ein. Folgender Hinweis ist im Antragsformular der Behörde enthalten:

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ in den Behindertenpass."

2.       Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin sowie Facharztes für Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 24.11.2020, mit dem Ergebnis eingeholt, dass bei der Beschwerdeführerin ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 vom Hundert (v.H.) feststellbar sei, die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass jedoch nicht vorlägen.

2.2.    Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.11.2020 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

Die Beschwerdeführerin ließ diese Frist ungenützt verstreichen.

3.       Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 22.12.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 09.10.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG unter Zugrundelegung der Ergebnisse des eingeholten Sachverständigenbeweises ab. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens wurden seitens der belangten Behörde als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

4.       Mit E-Mail vom 18.01.2021 erhob die Beschwerdeführerin – fristgerecht und unter Vorlage medizinischer Unterlagen – das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte sie im Wesentlich aus, warum ihr eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

5.       Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Beschwerdevorprüfungsverfahrens ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten Arzt für Allgemeinmedizin sowie Facharzt für Unfallchirurgie erneut um Erstellung eines Sachverständigengutachtens basierend auf der Aktenlage. In diesem Sachverständigengutachten vom 28.01.2021 kam der fachärztliche Sachverständige neuerlich zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

5.1.    Mit Schreiben der belangten Behörde vom 28.01.2021 wurde der Beschwerdeführerin auch dieses Ergebnis der Beweisaufnahme gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

5.2.    Mit E-Mail vom 17.02.2021 erstattete die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme, in der sie sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme als nicht einverstanden zeigte.

5.3.    Zur Überprüfung der Einwendungen der Beschwerdeführerin ersuchte die belangten Behörde erneut den bereits befassten Arzt für Allgemeinmedizin sowie Facharzt für Unfallchirurgie um eine Stellungnahme zu diesen. In seiner Stellungnahme vom 26.02.2021 kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die vorgebrachte Argumentation und der nachgereichte Befund nicht geeignet seien, die bereits vorhandene Leidensbeurteilung zu entkräften.

6.       Mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.03.2021 wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.12.2020 – unter Zugrundelegung der Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens – ab.

7.       Mit E-Mail vom 24.03.2021 beantragte die Beschwerdeführerin – unter erneuter Vorlage medizinischer Unterlagen – die Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wies sie erneut darauf hin, dass ihr die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei.

8.       Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 26.03.2021 vorgelegt.

9.       Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin sowie Fachärztin für Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Begutachtung der Beschwerdeführerin am 01.07.2021, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzvermerkes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen.

9.1. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs vom 07.10.2021 zum Ergebnis der Beweisaufnahme erhoben weder die Beschwerdeführerin noch die belangte Behörde Einwendungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich die Beschwerdeführerin mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1.       Feststellungen:

1.1.    Die Beschwerdeführerin erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

1.2.    Zur beantragten Zusatzeintragung:

Der Beschwerdeführerin ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1.  Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 166 cm, Gewicht 78 kg, Alter: 60 Jahre

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht rechts geringgradig höher, annähernd symmetrische Muskelverhältnisse

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Schulter rechts: Narbe ventral bei Totalendoprothese, geringgradig höherstehend, geringgradig verkürzt und endlagige Bewegungsschmerzen.

Gaenslen beidseits positiv, mäßige Rhizarthrosezeichen links mehr als rechts, geringgradige Subluxation links, rechts keine Fehlstellung. Opponensfunktion beidseits möglich.

Mäßige Fingergelenksarthrosen

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern rechts F 0/140, links 0/170, S rechts 0/160, links 0/170,

IR/AR bei F 0° rechts 80/0/40, links 80/0/50, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung beidseits frei, Handgelenke S beidseits 20/0/70 palmar, Daumen und Langfinger seitengleich endlagig eingeschränkt beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist fast komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk beidseits: geringgradige Valgusstellung rechts, Narbe bei Knietotalendoprothese links, beidseits geringgradig Erguss rechts mehr als links, beidseits keine Überwärmung, beidseits Krepitation retropatellar.

Gaenslen beidseits negativ

Fußform beidseits unauffällig

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S bds 0/100, IR/AR 10/0/35, Knie beidseits 0/0/125,

Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, deutlich Hartspann paralumbal, Klopfschmerz über der unteren LWS.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 20 cm, Rotation und Seitneigen 20°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität — Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Sandalen mit weichem Fußbett ohne Gehhilfe, das Gangbild ist unelastisch, hinkfrei, sicher.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt
Status psychicus:

Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

1.2.2.  Art der Funktionseinschränkungen:

-        Chronische Polyarthritis, entzündliche, posttraumatische und degenerative Veränderungen des Bewegungsapparates

1.2.3.  Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, die von der Beschwerdeführerin jedoch nicht benutzt wird, ohne maßgebende Unterbrechung zurücklegen. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist bei ausreichendem Bewegungsumfang der Gelenke der unteren Extremitäten zumutbar und möglich, Greiffunktionen sind erhalten, sodass das Festhalten und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert sind Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Gesamtbild – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Es ist eine für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichende Funktionsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates gegeben.

Die Funktionsfähigkeit der oberen Extremitäten ist ausreichend um Haltegriffe zu erreichen, wodurch das Festhalten beim Ein- und Aussteigen hinreichend möglich sind. Der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit der Beschwerdeführerin sind ausreichend. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist erschwert, jedoch nicht im hohen Ausmaß und ist daher möglich und zumutbar.

Die vorgebrachten Schmerzen liegen nicht in einem Ausmaß vor, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert. Ein dauerhaftes Ausmaß an Schmerzen, welches eine wesentliche Gangbildbeeinträchtigung und Gangleistungsminderung für kurze Wegstrecken nach sich zieht, oder das Festhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln gravierend erschwert, kann nicht festgestellt werden.

Bei der Beschwerdeführerin liegen auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

2.       Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die eingeholten und vorgelegten Beweismittel:

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin sowie Fachärztin für Unfallchirurgie ist, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten medizinischen Beweismitteln, vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchungen der Beschwerdeführerin sowie der Aktenlage erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich damit auseinandergesetzt. Diese sind nicht geeignet, die gutachterlichen Feststellungen überzeugend in Frage zu stellen, und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Die Sachverständige hat einen umfassenden klinischen Befund des Funktionsumfanges des Stütz- und Bewegungsapparates erhoben und bewertet.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Leidenszustände des Bewegungsapparates kommt die Sachverständige im Einklang mit dem Untersuchungsbefund zu dem Ergebnis, dass im Bereich der unteren Extremitäten im Bereich der Hüftgelenke keine relevanten Funktionseinschränkungen vorliegen und auch nicht durch entsprechende radiologische Befunde objektivierbar sind. Im Bereich der Kniegelenke liegen mäßige bis mittelgradige Funktionseinschränkungen vor. Eine höhergradige Einschränkung der Beweglichkeit konnte bei Knietotalendoprothese links und mittelgradiger Arthrose des rechten Kniegelenks nicht festgestellt werden. Im Bereich der Sprunggelenke und Füße liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor. Bei Schultertotalendoprothese rechts konnte eine gute Beweglichkeit in allen Ebenen festgestellt werden. Im Bereich der Hand- und Fingergelenke liegen zwar arthritische Veränderungen vor, jedoch keine höhergradigen Einschränkungen der Greiffunktionen. Im Bereich der Wirbelsäule konnten keine wesentlichen über altersbedingte Abnützungserscheinungen hinausgehende Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Insgesamt liegt somit keine erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten bzw. des sonstigen Stütz- und Bewegungsapparates vor.

Diese Beurteilung steht im Einklang mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Status und den vorliegenden Befunden.

Die von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige beschreibt die wahrgenommene Gesamtmobilität anschaulich und hält in ihrem Sachverständigengutachten fest, dass die Beschwerdeführerin selbständig gehend, mit Sandalen mit weichem Fußbett und ohne Gehhilfe zur Untersuchung gekommen sei. Das Gangbild gestaltete sich unelastisch, hinkfrei und sicher und das Aus- und Ankleiden von der Beschwerdeführerin wurde selbständig im Sitzen durchgeführt. Weder ist eine Gehhilfe erforderlich noch konnte eine höhergradige Gangbildbeeinträchtigung oder Gangunsicherheit festgestellt werden, auch kein wesentlicher Hinkmechanismus. Orthopädische Schuhe verwendet die Beschwerdeführerin nicht. Die Beschwerdeführerin ist diesen Ausführungen der fachärztlichen Sachverständigen auch nicht entgegengetreten und wurden auch keine Befunde in Vorlage gebracht, welche dieser Beurteilung entgegenstehen, bzw. die einen anderen als den objektivierten Bewegungsumfang beschreiben.

Die Sachverständige kommt – zusammengefasst – zu dem schlüssigen und daher nicht zu beanstandenden Ergebnis, dass der Beschwerdeführerin das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300-400 m, allenfalls unter Verwendung einer einfachen Gehhilfe, nicht erheblich erschwert ist. Das Überwinden von Niveauunterschieden ist bei ausreichendem Bewegungsumfang der Gelenke der unteren Extremitäten zumutbar und möglich. Greiffunktionen sind erhalten, sodass das Festhalten und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erheblich erschwert sind.

Hinsichtlich der Möglichkeit der Beschwerdeführerin in öffentliche Verkehrsmittel einzusteigen und diese zu verlassen führte die Sachverständige schlüssig aus, dass die mittelgradigen Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke und posttraumatischen und degenerativen Veränderungen im Bereich der Füße ohne wesentliche Veränderung der Fußform beidseits zwar zu einer Erschwernis beim Überwinden von Niveauunterschieden, Einsteigen und Aussteigen führen, dies jedoch nicht in hohem Maß. Es konnte im Bereich der weiteren Gelenke der unteren Extremitäten sowie beider oberen Extremitäten keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt werden, sodass die Gesamtmobilität ausreichend ist und vor allem durch Benützung der Haltegriffe das Überwinden von Niveauunterschieden zumutbar und möglich ist. Bei einem Zustand nach Implantation einer Schultertotalendoprothese rechts mit gutem funktionellen Ergebnis und mäßigen arthritischen Veränderungen im Bereich der Fingergelenke ist ein ausreichend sicheres Anhalten zumutbar und möglich. Weiters ist auch eine Stand- oder Gangunsicherheit insbesondere unter Verwendung der Haltegriffe nicht gegeben, das Stehen in öffentlichen Verkehrsmitteln, Fortbewegen und die Sitzplatzsuche sind nicht erheblich erschwert. Ausreichende Stabilität ist gegeben. Die Verwendung von orthopädischen Schuhen, jedenfalls von Schuheinlagen, fördert die Stand- und Gangsicherheit, und stellt eine zumutbare therapeutische Option dar. Eine Intensivierung der analgetischen Therapie und multimodale konservative Behandlungen sind zumutbar und möglich.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, unter Schmerzen zu leiden, ist – den Ausführungen des schlüssigen Sachverständigengutachtens folgend – festzuhalten, dass sich – unter Zugrundelegung des beobachteten Gangbildes und des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und des derzeitigen Therapieerfordernisses (Basistherapie mit Ebetrexat, Dronabinol) – kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände ergibt, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Die Beschwerdeführerin monierte in ihrer Beschwerde zusammenfassend, dass ihre Funktionseinschränkungen vor allem im Bereich der Kniegelenke so ausgeprägt seien, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, Überwinden von Niveauunterschieden und der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich sei. Auch die Wirbelsäule, Schultergelenke und Fingergelenke seien geschädigt, sie könne daher keine Gehhilfe verwenden. Sie habe unerträgliche Schmerzen. Seit der Schulteroperation habe sie eine Plexusläsion. Dem hält die beigezogene Sachverständige nachvollziehbar entgegen, dass eine Plexusläsion nicht durch den Befund der Nervenleitgeschwindigkeit bestätigt werden konnte und auch aktuell klinisch diesbezüglich kein sicherer Hinweis vorliegt. Die Implantation einer Schulterprothese rechts ist erfolgreich verlaufen, es konnte bereits eine gute Beweglichkeit festgestellt werden. Das Verwenden einer Gehhilfe ist somit im Bereich der linken und rechten oberen Extremität zumutbar, insbesondere ist das Ergreifen einer Gehhilfe bei gut erhaltenen Greiffunktionen zumutbar und möglich.

Das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Dem – nicht als unschlüssig zu erkennenden – Sachverständigengutachten, insbesondere dem im klinischen Befund beschriebenen Ausmaß der objektivierten Funktionseinschränkungen, ist die Beschwerdeführerin trotz des ihr vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs nicht entgegengetreten. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die Angaben der Beschwerdeführerin konnten somit nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

3.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichtes mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)
1.         Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3.       die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird u.a. Folgendes ausgeführt:

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-        arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-        Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-        hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-        Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-        COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-        Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-        mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

-        Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr

-        hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten

-        schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen

?        nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015)

Dem von der Sachverständigen beschriebenen Bewegungsumfang ist die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten.

Wie unter Punkt II.2. bereits ausgeführt, sind das Beschwerdevorbringen und die vorliegenden Beweismittel nicht geeignet darzutun, dass die gutachterliche Beurteilung, nicht dem tatsächlichen Leidensausmaß der Beschwerdeführerin entspräche. Dem Vorbringen und den vorgelegten Beweismitteln konnten keine fundierten Anhaltspunkte entnommen werden, welche geeignet wären, das Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises zu entkräften.

Es ist bei der Beschwerdeführerin von einer ausreichenden Funktionsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates auszugehen, die vorgebrachten Schmerzen konnten auf Grund der vorliegenden Gesamtmobilität nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren.

Schwerwiegende Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit, ein Immundefizit, Einschränkung der Sinnesfunktionen oder maßgebende psychische Probleme welche geeignet wären, die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen, wurden von der Beschwerdeführerin nicht behauptet und sind weder in den vorgelegten Befunden dokumentiert noch konnten solche Leidenszustände im Rahmen der persönlichen Untersuchung objektiviert werden.

Die Beschwerdeführerin kann sich im öffentlichen Raum selbstständig fortbewegen und es ist ihr möglich, eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, ohne Unterbrechung, zurückzulegen. Die festgestellten Defizite wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt und somit gewährleistet.

Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

2.       Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1.       der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2.       die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher von der belangten Behörde sowie vom Bundesverwaltungsgericht ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt. Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass öffentliche Verkehrsmittel Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W216.2240833.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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