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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litbLeitsatz
Keine Stattgabe der Anfechtung der Wahl der Bürgermeisterin einer Tiroler Gemeinde durch den Gemeinderat aufgrund einer vom Erkenntnis über die Aufhebung von - die Direktwahl durch die Wahlberechtigten der Gemeinde regelnden - Bestimmungen der Tir GdWO 1991 unberührt gebliebenen VorschriftSpruch
Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Im April 1994 verzichtete Hubert Huber auf sein Amt als Bürgermeister der Stadtgemeinde Lienz. Zu seiner Nachfolgerin wurde in der Sitzung des Gemeinderats vom 25. Mai 1994 Helga Machne gewählt.
1.2.1. Diese Wahl wurde vom ersten Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Günther Horwath, vom Stadtrat Uwe Ladstätter und vom Gemeinderatsmitglied Anneliese Winkler bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz angefochten, und zwar mit der Begründung, daß "die gesetzlichen Grundlagen für die Durchführung einer Bürgermeisterwahl nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Juli 1993, G75/93, nicht vor(gelegen)" seien.
1.2.2. Die Bezirkshauptmannschaft Lienz wies diese Anfechtung mit Bescheid vom 14. Juni 1994, Z1b-136-459/10, als unbegründet ab.
1.3.1. Dagegen erhoben die schon genannten Anfechtungswerber Berufung an die Tiroler Landesregierung, die dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom 7. Juli 1994, ZIb-8484/7, ebenfalls als unbegründet abwies.
1.3.2. In der Begründung dieses Bescheids heißt es ua.:
"Wenn die Berufungswerber damit argumentieren, eine Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat sei gesetzlos, so wird dem entgegengehalten:
§73 Abs4 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 (GWO), an den die Berufungswerber ihre Argumentation anknüpfen, ist nicht anwendbar.
§73 Abs4 bestimmt: Scheidet ein Bürgermeister vorzeitig aus dem Amt, so hat die Bezirkshauptmannschaft binnen sechs Wochen die Neuwahl des Bürgermeisters auszuschreiben. Dies gilt nicht, wenn der Bürgermeister innerhalb eines Jahres vor dem nach §3 Abs1 frühestmöglichen Wahltag aus dem Amt scheidet. In diesem Fall ist der Bürgermeister nach §78 Abs2 vom Gemeinderat aus dessen Mitte zu wählen.
Der erste Satz ist nicht mehr anwendbar: Nach §73 Abs5 sind nämlich auf die Wahlen nach Abs4 erster Satz die §§1 bis 72 sinngemäß anzuwenden. Soweit aber diese §§1 bis 72 die direkte Wahl des Bürgermeisters durch die Gesamtheit der Wahlberechtigten regelten, wurden sie vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben (s. VfGH 1.7.1993, G75/93-22).
§73 Abs4 zweiter und dritter Satz GWO stehen mit dem ersten Satz in einem untrennbaren Zusammenhang (arg. 'Dies gilt nicht'). Diese nach den seinerzeitigen Vorstellungen des Landesgesetzgebers erst im letzten Jahr vor den nächsten allgemeinen Wahlen im März 1998 zur Anwendung vorgesehene Ausnahmeregelung sollte allein die Anwendung des ersten Satzes einschränken. Mit dem Wegfall der Anwendbarkeit des ersten Satzes hat auch der in einem untrennbaren Zusammenhang stehende zweite und dritte Satz die Anwendbarkeit verloren.
Wollte man §73 Abs4 GWO noch für anwendbar halten, stellt sich die Frage des Widerspruchs auch dieser - im seinerzeitigen Gesetzesprüfungsverfahren nicht präjudiziell gewesenen - Bestimmung der GWO zur Verfassung. Er würde einer Gesetzesprüfung nicht standhalten. Es ist auch keine Gesetzeslücke zu erkennen, die der Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat nach §78 Abs2 GWO entgegenstehen würde.
Nach §74 Abs1 lita GWO besteht der Gemeindevorstand ua. aus dem Bürgermeister. Nach Abs6 haben die Gemeinderatsparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand (vgl. Art117 Abs5 B-VG idF der Gemeinde-Verfassungsnovelle 1962: Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Gemeindevorstand).
Diese Vorschriften werden verletzt, wenn nach Ausscheiden des Bürgermeisters der erste Bürgermeister-Stellvertreter nicht unverzüglich Sorge dafür trägt, daß der Gemeinderat zum Zwecke der Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat nach §78 Abs2 GWO einberufen wird. Schon §29 Abs1 erster und dritter Satz der Tiroler Gemeindeordnung 1966 (GO) verpflichten den ersten Bürgermeister-Stellvertreter, den Gemeinderat nach Bedarf zu einer solchen Sitzung einzuberufen (arg. 'hat nach Bedarf'). Daß die gebotene Ergänzung eines Rumpfstadtrats das Tatbestandsmerkmal des Bedarfs nach einem Zusammentreten des Gemeinderats erfüllt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
In der in Anwendung des §29 Abs1 GO einzuberufenden Gemeinderatssitzung hat schließlich die Wahl des Bürgermeisters stattzufinden.
Daß diese Wahl unbedenklicherweise stattfinden kann, hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, G75/93-22, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Im seinerzeitigen Gesetzesprüfungsverfahren bedurfte die Frage, ob für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen eine Frist bestimmt werden sollte, einer Antwort. Immerhin mußte nach dem Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen der Bürgermeister der Gemeinde Unterperfuß neu gewählt werden und mußte damit gerechnet werden, daß auch in anderen Tiroler Gemeinden nach dem Ausscheiden eines Bürgermeisters freigewordene Stellen neu besetzt werden mußten. Eine - nach Ansicht der Berufungswerber erforderliche - Ersatzregelung des Landesgesetzgebers erfordert schließlich mehrere Monate, bis sie nach Beschlußfassung im Landtag, Verstreichen der Einspruchsfrist der Bundesregierung und Kundmachung im Landesgesetzblatt in Kraft treten kann. Der Verfassungsgerichtshof verneinte die Notwendigkeit einer solchen Fristbestimmung und begründete: Für die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen, die auch von der Tiroler Landesregierung nicht beantragt wurde, sah der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf §78 GWO keine Notwendigkeit ...
Nachdem sich der erste Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Günther Horwath beharrlich weigerte, den Gemeinderat der Stadtgemeinde Lienz zur Wahl des Bürgermeisters und eventuellen Neubesetzung einer freigewordenen Stadtratsstelle einzuberufen, mußte bescheidmäßig der in §110 GO gegründete aufsichtsbehördliche Auftrag erteilt werden, binnen einer Woche eine Sitzung des Gemeinderats mit dem Tagesordnungspunkt 'Wahl des Bürgermeisters und eventuelle Neubesetzung der freigewordenen Stadtratsstellen' einzuberufen. Nach der zitierten Gesetzesstelle hat auf Verlangen der Aufsichtsbehörden der Bürgermeister binnen einer Woche das nach der Sache zuständige Kollegialorgan der Gemeinde zu einer Sitzung einzuberufen. An dieser Sitzung können Beauftragte der Aufsichtsbehörden mit beratender Stimme teilnehmen. Die Aufsichtsbehörden sind berechtigt, solche Aufträge zu erteilen, wenn die Beseitigung eines Mißstands der Gemeindeverwaltung - ein solcher Mißstand muß in der beharrlichen Unterlassung der Ergänzung des Rumpfstadtrats, der Entscheidungen von größter rechtlicher und wirtschaftlicher Tragweite zu treffen hat, erblickt werden - nur durch eine Beschlußfassung des zuständigen Kollegialorgans der Gemeinde herbeigeführt werden kann. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 25. Mai 1994, B1068/94-3, dem Antrag der Beschwerde gegen den aufsichtsbehördlichen Auftrag, binnen einer Woche eine Sitzung des Gemeinderats mit dem Tagesordnungspunkt 'Wahl des Bürgermeisters und eventuelle Neubesetzung der freigewordenen Stadtratsstellen' einzuberufen, keine Folge gegeben, weil dem zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen. Diese klare Aussage läßt den Schluß zu, daß der Verfassungsgerichtshof die Sorge der Aufsichtsbehörde geteilt hat.
Wenn die Berufungswerber schließlich damit argumentieren, die Wahl des Bürgermeisters wäre nicht auf der Tagesordnung gestanden, so kann darin lediglich eine Schutzbehauptung gesehen werden. Wenn der erste Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Günther Horwath den Tagesordnungspunkt mit 'Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung betreffend der Einberufung einer Gemeinderatssitzung zwecks Wahl des Bürgermeisters und eventuell freigewordener Stadtratsstellen vom 10. Mai 1994, ZIb-8484/1' umschrieben hat, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, daß es um die 'Einberufung einer Gemeinderatssitzung zwecks Wahl des Bürgermeisters und eventuell freigewordener Stadtratsstellen' ging, der Druck, eine solche Einberufung vorzunehmen, jedoch von der Aufsichtsbehörde ausging. Eine hierarchiekonforme Auslegung der in der Umschreibung des Tagesordnungspunkts zum Ausdruck gebrachten Äußerungen des ersten Bürgermeister-Stellvertreters gebietet ein solches Verständnis. Die Niederschrift über die Gemeinderatssitzung läßt auch nicht den geringsten Anhaltspunkt zu, daß ein Mitglied des Gemeinderats den Tagesordnungspunkt anders verstanden hätte. Der erste Bürgermeister-Stellvertreter selbst brachte schließlich zum Ausdruck, mit der nun vorzunehmenden Wahlhandlung sei der bescheidmäßig erteilte aufsichtsbehördliche Auftrag vollzogen ...
Es wäre schließlich auch widersprüchlich, mit dem Argument des mangelhaften Tagesordnungspunkts lediglich die Wahl der Bürgermeisterin, nicht aber die unter denselben Voraussetzungen stattgefundene Wahl eines Stadtratsmitglieds angefochten zu haben.
Die Anfechtung erweist sich daher als nicht begründet."
1.4.1. Daraufhin fochten Dr. Günther Horwath, Uwe Ladstätter und Anneliese Winkler die Wahl der Helga Machne zur Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Lienz gemäß Art141 B-VG beim Verfassungsgerichtshof an. In der Anfechtungsschrift wurde beantragt, die Wahl der "Helga Machne zur Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Lienz für nichtig (zu) erklären und als rechtswidrig auf(zu)heben".
1.4.2. Die Tiroler Landesregierung erstattete - unter Vorlage der Administrativakten - eine Gegenschrift und trat darin für die Abweisung der Wahlanfechtung ein.
Im einzelnen brachte die Tiroler Landesregierung ua. vor:
"... Die belangte Behörde ging schließlich davon aus, daß die auf die Wahl des Bürgermeisters durch die Gesamtheit der Wahlberechtigten der Gemeinde bezughabenden Bestimmungen der §§1 bis 72 GWO durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Juli 1993, G75/93, aufgehoben worden sind. Damit haben aber auch die auf die Neuwahl des Bürgermeisters durch die Gesamtheit der Wahlberechtigten bezughabenden Regelungen des §73 Abs4 und 5 GWO die Anwendbarkeit verloren. Es fehlen schließlich sämtliche ehedem in den §§1 bis 72 GWO enthalten gewesenen Regelungen für eine solche Neuwahl. Die Ruine des §73 Abs4 GWO steht jedenfalls der durch Art117 Abs5 B-VG und §74 Abs6 GWO gebotenen Einberufung des Gemeinderats zur Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat nach §29 Abs1 erster und dritter Satz GO und der Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat nach §78 Abs2 GWO nicht im Wege.
Anderenfalls hätte wohl auch der Verfassungsgerichtshof eine Frist für das Außerkrafttreten der mit seinem Erkenntnis ... aufgehobenen Gesetzesstellen bestimmt. Es war schließlich ernsthaft vorauszusehen, daß in der einen oder anderen Tiroler Gemeinde das Amt des Bürgermeisters namentlich durch Tod oder Verzicht erledigt sein könnte, bevor der Landesgesetzgeber gesetzliche Vorsorge treffen konnte. Die Herbeiführung eines entsprechenden Beschlusses des Landtags, das Verstreichen der Einspruchsfrist der Bundesregierung und die Kundmachung erfordern schließlich Zeit. Der Verfassungsgerichtshof sah jedenfalls im Hinblick auf §78 GWO keine Notwendigkeit für eine solche Fristbestimmung...
Der Argumentation der Anfechtungswerber hinsichtlich der mangelhaften Bezeichnung der Tagesordnung wird ergänzend entgegengehalten:
Die Gemeindeaufsichtsbehörde hat mit Bescheid vom 10. Mai 1994, Zl. Ib-8484/1, der Stadtgemeinde Lienz bzw. derem, die Amtsgeschäfte des Bürgermeisters führenden ersten Bürgermeister-Stellvertreter aufgetragen, eine Sitzung des Gemeinderats zwecks Wahl des Bürgermeisters und allenfalls weiterer Mitglieder des Stadtrats einzuberufen. Wenn der erste Bürgermeister-Stellvertreter den Tagesordnungspunkt mit 'Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung betreffend der Einberufung einer Gemeinderatssitzung zwecks Wahl des Bürgermeisters und evt. freigewordener Stadtratsstellen vom 10. Mai 1994, Zl. Ib-8484/1' umschrieben hat, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, daß es um die Einberufung einer Gemeinderatssitzung zwecks Wahl des Bürgermeisters und Nachbesetzung durch die Wahl des Bürgermeisters und evt. freigewordener Stadtratsstellen ging, der Druck, eine solche Einberufung vorzunehmen, jedoch von der Gemeindeaufsichtsbehörde ausging. Jedermann war klar, daß es bei der auf den 25. Mai 1994 einberufenen Sitzung des Gemeinderats um die Wahl des Bürgermeisters und die Nachbesetzung durch die Wahl des Bürgermeisters evt. freigewordener Stadtratsstellen ging. Auch die Niederschrift über die Gemeinderatssitzung läßt nicht den geringsten Anhaltspunkt zu, daß ein Mitglied des Gemeinderats den Tagesordnungspunkt anders verstanden hätte. Der erste Bürgermeister-Stellvertreter selbst brachte schließlich zum Ausdruck, mit der nun vorzunehmenden Wahlhandlung sei der bescheidmäßig erteilte aufsichtsbehördliche Auftrag vollzogen... Die belangte Behörde hält ihr Vorbringen, wonach der Hinweis auf die mangelhafte Tagesordnung nur als Schutzbehauptung anzusehen ist, aufrecht. Die Anfechtungswerber haben schließlich nicht auch die unter denselben Voraussetzungen stattgefundene Wahl eines Stadtratsmitglieds angefochten. Ihr Hinweis, die Wahl der Bürgermeisterin sei durch die mangelhafte Bezeichnung des Tagesordnungspunkts belastet, verliert damit die Glaubwürdigkeit."
1.5. Mit seinem (am 22.7.1993 kundgemachten (s. LGBl. für Tirol 61/1993)) Erkenntnis vom 1. Juli 1993, G75/93-22, hob der Verfassungsgerichtshof die folgenden - von der Wahl des Bürgermeisters durch das Gemeindevolk handelnden - Bestimmungen der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991, LGBl. 79, als verfassungswidrig auf:
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Abs3 und 4 des §1,
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die Wortfolge "und des Bürgermeisters" in Abs1 des §3,
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Abs3 des §3,
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die Wortfolge "und zur Wahl des Bürgermeisters" in Abs1 des §7,
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die Wortfolge "und zum Bürgermeister" in §9,
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die Wortfolge "und des Bürgermeisters" in Abs1 des §10,
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Abs2 des §10,
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die beiden Wortfolgen "und des Bürgermeisters" in Abs1 des §11,
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die Wortfolge "und/oder des Bürgermeisters"
in Abs1 des §22,
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die Wortfolge "und des Bürgermeisters" in Abs1 des §33,
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die Wortfolge "und für die Wahl des Bürgermeisters je" in Abs2 des §33,
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Abs2 und 3 des §39,
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die §§40 und 41 samt ihren Überschriften,
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die Wortfolge "und für die Wahl des Bürgermeisters" in Abs1 des §42,
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die beiden Wortfolgen "bzw. für die Wahl des Bürgermeisters" in Abs3 des §42,
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die Wortfolge "und für die Wahl des Bürgermeisters" in Abs1 des §43,
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Abs3 des §43,
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Abs2 des §44,
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Abs6 des §45,
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die Wortfolge "und des Bürgermeisters nach §41 Abs3" in Abs9 des §45,
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die Wortfolgen "und für die Wahl des Bürgermeisters" sowie "zwei getrennte" in Abs1 des §49,
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Abs3 des §49 einschließlich der Anlage 2,
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die Wortfolge "und für die Wahl des Bürgermeisters" im ersten Satz und des letzten Satzes in Abs4
des §49,
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das Wort "je" und die Wortfolge "und für die Wahl des Bürgermeisters" im ersten Satz und des zweiten Satzes in Abs2 des §52,
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§57 samt dessen Überschrift,
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die Wortfolge "getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters" in Abs2
des §60,
- die beiden Wortfolgen "getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters" im Einleitungssatz des Abs1 und der Wortfolgen "hinsichtlich der Wahl des Gemeinderates" und ", hinsichtlich der Wahl des Bürgermeisters die auf die einzelnen Wahlwerber für die Wahl des Bürgermeisters entfallenen gültigen Stimmen"
in litd des Abs1 des §61,
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§63 samt dessen Überschrift,
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der zweite Satz und die Wortfolge "hinsichtlich der Wahl des Gemeinderates und der Wahl des Bürgermeisters" in §64,
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die Wortfolge ", bezüglich der lite und h getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters," in Abs2 des §65,
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die Wortfolge ", bezüglich der litd bis f getrennt für die Wahl des Gemeinderates und für die Wahl des Bürgermeisters," im Einleitungssatz des Abs3 und die Wortfolge "und jene für die Wahl des Bürgermeisters nach Wahlwerbern" in lite des Abs3
des §65,
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der letzte Satz in Abs2 des §69,
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die §§70 und 71 samt ihren Überschriften
und der Anlage 3,
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die Wortfolge "und der Wahl des Bürgermeisters" in Abs1 des §72,
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Abs3 des §72 und
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die Wortfolge "und jede Wählergruppe, deren Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters kundgemacht wurde, gegen die ziffernmäßige Ermittlung des Wahlergebnisses für die Wahl des Bürgermeisters" in Abs6 des §72.
Zugleich ordnete der Verfassungsgerichtshof an, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.
2. Über diese Wahlanfechtung wurde erwogen:
2.1. Die nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzugs von einer zureichenden Anzahl von Mitgliedern des Gemeinderats der Stadtgemeinde Lienz (nämlich von drei Mitgliedern) fristgerecht eingebrachte Anfechtung der Wahl der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Lienz vom 25. Mai 1994 ist zulässig (s. §80 Abs2 und 5 Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 - GWO, LGBl. 79, idF 70/1993; §67 Abs1 und 2 Satz 1, ferner §68 Abs1 VerfGG 1953).
2.2.1. Die Anfechtungswerber vertreten - kurz zusammengefaßt - die Auffassung, daß die Wahl der Helga Machne zur Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Lienz zum einen ohne gesetzliche Grundlage und zum anderen in Verletzung des §29 Abs3 Tiroler Gemeindeordnung 1966 - GO, LGBl. 4, idF 98/1991, vor sich gegangen sei.
2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof hält an der im Erkenntnis vom 1. Juli 1993, G75/93, ausgedrückten und wohldurchdachten Rechtsmeinung (S 41) fest, daß Bürgermeisterwahlen im Bundesland Tirol nach Bereinigung der Rechtslage entsprechend der Vorschrift des §78 GWO abzuhalten sind, d.i. jene im Rechtsbestand verbliebene Vorschrift, derzufolge der Bürgermeister durch den Gemeinderat zu wählen ist.
Der sinngemäßen Argumentation der Anfechtungswerber, die GWO - in ihrer zum maßgebenden Zeitpunkt geltenden Fassung - sehe die Wahl des Bürgermeisters durch den Gemeinderat nur eingeschränkt, nämlich bloß dann vor, wenn "der Bürgermeister innerhalb eines Jahres vor dem frühestmöglichen Termin für allgemeine Wahlen des Gemeinderats und des Bürgermeisters aus dem Amt scheidet" (§73 Abs4 Sätze 2 und 3 GWO) - was hier nicht zutreffe -, kann nicht beigepflichtet werden. Denn die bezogene Bestimmung des §73 Abs4 GWO ist nach Aufhebung der die Volkswahl des Bürgermeisters vorsehenden Vorschriften der GWO als verfassungswidrig insgesamt gegenstandslos und unanwendbar geworden; aus ihr kann folglich für die Auslegung des §78 Abs2 GWO nichts gewonnen werden: Der erste Satz des §73 Abs4 GWO verpflichtet nämlich die Bezirkshauptmannschaft - bei vorzeitigem Ausscheiden des Bürgermeisters aus dem Amt - zur Ausschreibung einer neuen (Volks-)Wahl, deren gesetzliche Grundlagen - wie in der Gegenschrift richtig dargetan - aber bereits als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Der zweite Satz des §73 Abs4 GWO wieder knüpft ausdrücklich an §3 Abs1 GWO an; er ist nur in Verbindung mit dieser Bestimmung handhabbar, die indessen, soweit sie die Wahl des Bürgermeisters betrifft, nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, und der dritte Satz des zitierten Absatzes ist mit dem nach dem Gesagten unanwendbar gewordenen zweiten Satz untrennbar verbunden (arg. "In diesem Fall ..."). Die angefochtene Wahl einer Bürgermeisterin wurde folglich zu Recht auf jene vom mehrfach zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs unberührt gebliebene Bestimmung der GWO (§78 Abs2) gestützt, welche die Wahl des Bürgermeisters dem Gemeinderat überträgt.
Soweit die Anfechtungswerber eine Verletzung der Vorschrift des §29 Abs3 GO geltend machen, tritt der Verfassungsgerichtshof den überzeugenden Ausführungen der obersten Wahlbehörde in der Gegenschrift bei. Auch die in diesem Punkt behauptete Rechtswidrigkeit haftet daher dem Wahlverfahren nicht an.
2.3. Da die geltend gemachten Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens demnach nicht vorliegen, mußte der Wahlanfechtung ein Erfolg versagt bleiben.
2.4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Wahlen, Bürgermeister, Direktwahl Bürgermeister, Gemeinderecht, VfGH / Aufhebung WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:WI8.1994Dokumentnummer
JFT_10058799_94W00I08_00