TE Bvwg Erkenntnis 2021/11/24 W129 2248226-1

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Veröffentlicht am 24.11.2021
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Entscheidungsdatum

24.11.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art14 Abs7a
SchPflG 1985 §1
SchPflG 1985 §11 Abs1
SchPflG 1985 §11 Abs2
SchPflG 1985 §11 Abs3
SchPflG 1985 §11 Abs4
SchPflG 1985 §2
SchPflG 1985 §4
SchPflG 1985 §5 Abs1
SchUG §25 Abs1
SchUG §42 Abs6

Spruch


W129 2248226-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde von XXXX (Erstbeschwerdeführerin), Erziehungsberechtigte des am XXXX geborenen XXXX (Zweitbeschwerdeführer), gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 27.10.2021, Zl. 9131.103/0216-Präs3a1/2021, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit ausgefülltem Formblatt vom 13.07.2021 meldete die Erstbeschwerdeführerin die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am Unterricht in einer (näher benannten) Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht im Schuljahr 2021/2022 (5. Schulstufe).

Beigelegt wurde ein Jahreszeugnis der (zuvor besuchten) Schule aus dem Schuljahr 2020/21 (5. Schulstufe), wonach der Zweitbeschwerdeführer nicht zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt sei.

2. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 27.10.2021 untersagte die Bildungsdirektion für Wien (belangte Behörde) gemäß § 11 Schulpflichtgesetz (SchPflG) die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die Verpflichtung der Eltern festgestellt, für die Erfüllung der Schulpflicht des Zweitbeschwerdeführers an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu sorgen (Spruchpunkt II.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeschlossen (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde auf das Wesentlichste zusammengefasst aus: Der schulpflichtige Zweitbeschwerdeführer habe aufgrund der negativen Beurteilung in zwei Pflichtgegenständen im Schuljahr 2020/21 die 5. Schulstufe nicht erfolgreich abgeschlossen und sei nicht zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.05.2020, Ro 2020/10/0007) und des Bundesverwaltungsgerichtes sei ein rechtzeitiges Antreten zur Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 nicht zulässig.

3. Dagegen erhob die Erstbeschwerdeführerin fristgerecht das vorliegende Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte sie – hier auf das Wesentlichste zusammengefasst – aus:

Ihr Sohn habe eine spezielle Lese-Rechtschreibschwäche, welche sich an der (nunmehr besuchten) Schule in den viel kleineren Gruppen deutlich gebessert habe. Es sei abzusehen, dass die (nunmehr besuchte) private Schule im Schuljahr 2021/22 das Öffentlichkeitsrecht erhalten werde. In einer Zeit, in der viele Schülerinnen und Schüler mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen hätten, sei es unverständlich, wenn ihr Sohn aus dem Klassenverband, in welchen er sich gut integriert habe, gerissen werde und mit einer weiteren Herausforderung kämpfen müsste.

4. Mit Begleitschreiben vom 11.11.2021 (eingelangt am 12.11.2021) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene Zweitbeschwerdeführer (und Sohn der Erstbeschwerdeführerin) erfüllte im Schuljahr 2020/21 seine Schulpflicht durch die Teilnahme am Unterricht an der privaten Montessori-Schule (mit Öffentlichkeitsrecht) XXXX .

Das am 02.07.2021 ausgestellte Jahreszeugnis (5. Schulstufe) weist in den Pflichtgegenständen „Gesellschaft“ und „Sprache“ eine negative Beurteilung auf.

Der Zweitbeschwerdeführer ist zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe nicht berechtigt.

Mit Ende des Schuljahres 2020/21 verließ der Zweitbeschwerdeführer die genannte Schule.

Mit ausgefülltem Formblatt vom 13.07.2021 meldete die Erstbeschwerdeführerin die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am Unterricht an der XXXX , einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht, im Schuljahr 2021/2022 (5. Schulstufe). Über den Antrag dieser Privatschule auf Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes für das Schuljahr 2021/2022 wurde noch nicht abgesprochen, eine Inspektion der Schule durch die zuständige Behörde ist für Anfang 2022 geplant.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde [Spruchteil A)]

3.1.1. Gemäß Art. 14 Abs. 7a B-VG beträgt die Schulpflicht zumindest neun Jahre und es besteht auch Berufsschulpflicht.

Gemäß § 1 SchPflG besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht.

Gemäß § 2 SchPflG beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September und dauert neun Schuljahre.

Gemäß § 4 SchPflG sind unter den in den §§ 5 bis 10 genannten Schulen öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen zu verstehen.

Gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

Gemäß § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnischen Schule – mindestens gleichwertig ist.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.

Gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.

Nach § 25 Abs 1 zweiter Satz SchUG gilt eine Schulstufe (nur) dann als erfolgreich abgeschlossen, wenn das Jahreszeugnis in allen Pflichtgegenständen eine Beurteilung aufweist und in keinem Pflichtgegenstand die Note „Nicht genügend“ enthält.

Gemäß § 42 Abs 6 SchUG gilt als „Grundvoraussetzung für die Zulassung zur Ablegung einer Externistenprüfung (…)“ unter anderem: Hat der Prüfungskandidat vor dem Antritt zur Externistenprüfung eine Schule besucht und eine oder mehrere Stufen dieser Schule nicht erfolgreich abgeschlossen, so darf er zur Externistenprüfung über eine Schulstufe der betreffenden Schulart (Form, Fachrichtung) oder über die Schulart (Form, Fachrichtung) frühestens zwölf Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe antreten.

3.1.2. Der Zweitbeschwerdeführer hat die erste Klasse Mittelschule (5. Schulstufe) im Schuljahr 2020/21 nicht erfolgreich abgeschlossen.

Dies bedeutet jedoch, dass eine Sperrfrist von (vollen) 12 Monaten, gerechnet ab 02.07.2021, für einen Antritt zu einer Externistenprüfung besteht, sodass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Wien am 01.07.2022) knapp, aber doch unzulässig und somit nicht möglich ist.

Vor diesem normativen Hintergrund ist der Bildungsdirektion für Wien nicht entgegenzutreten, wenn sie die ihr von der Erstbeschwerdeführerin angezeigte Teilnahme am Unterricht an einer privaten Schule (derzeit ohne Öffentlichkeitsrecht) von vornherein für unzulässig erachtete und daher untersagt hat.

3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der nunmehr vom Zweitbeschwerdeführer besuchten Schule in den vergangenen Jahren für je ein Schuljahr das Öffentlichkeitsrecht verliehen wurde. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass eine solche Verleihung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch für das Schuljahr 2021/22 erfolgen wird. Nach der Systematik des Privatschulgesetzes (vgl. § 15 PrivSchG) erfolgt zunächst eine Verleihung des Öffentlichkeitsrecht für ein Jahr, in weiterer Folge („nach Maßgabe der Unterrichtserfolge“) ist auch eine Verleihung für mehrere Schuljahre oder („wenn Gewähr für eine fortdauernde Erfüllung der gesetzlichen Bedingungen besteht“) auch auf Dauer möglich. Dafür ist typischerweise eine Beobachtungsphase von mehreren Schuljahren erforderlich (VwGH 24.04.2007, 2005/10/0197).

Es käme einer Aushöhlung dieser Prinzipien des § 15 PrivSchG gleich, wenn bereits im Vorhinein die (neuerliche) Verleihung des Öffentlichkeitsrechtes, somit zB vor erfolgter Durchführung der erforderlichen Schulinspektionen, mit Bestimmtheit angenommen wird.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.1.4. Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (siehe VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127; 27.03.2019, Ra 2019/10/0017, jeweils m.w.N.).

3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision [Spruchpunkt B)]

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass ein rechtzeitiger Antritt und Nachweis der erfolgreichen Externistenprüfung noch vor Ende des Schuljahres 2021/22 (in Wien am 01.07.2022) nicht zulässig und somit nicht möglich ist, entspricht der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Externistenprüfung negative Beurteilung Öffentlichkeitsrecht Pflichtgegenstand Privatschule Schulunterricht Unterrichtserfolg Untersagung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W129.2248226.1.00

Im RIS seit

22.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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