Entscheidungsdatum
25.11.2021Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W203 2248418-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX und XXXX als erziehungsberechtigte Eltern der mj. XXXX , alle wohnhaft in XXXX , gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 24.09.2021, GZ.: 91311.103/0087-Präs3a1/2021, betreffend die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an häuslichem Unterricht:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Wien zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Die am XXXX geborene Tochter der Beschwerdeführer erfüllte im Schuljahr 2014/15 ihre Schulpflicht durch Teilnahme an häuslichem Unterricht. Zu einer Externistenprüfung vor Ende des Schuljahres 2014/15 trat die Tochter der Beschwerdeführer nicht an.
2. Mit Bescheid des (damaligen) Stadtschulrates für Wien vom 17.09.2015 wurde gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG angeordnet, dass die Tochter der Beschwerdeführer ihre Schulpflicht in einer Schule im Sinne des § 5 SchPflG zu erfüllen habe, weil der Nachweis über den zureichenden Erfolg des Unterrichts mangels Absolvierung der vorgesehenen Externistenprüfung über das Schuljahr 2014/15 nicht erbracht worden sei.
Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
3. Am 03.09.2021 zeigten die Beschwerdeführer die Teilnahme ihrer Tochter an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 auf der achten Schulstufe der Mittelschule bei der Bildungsdirektion für Wien (im Folgenden: belangte Behörde) an. Dem Antrag wurden ein Ausdruck des Zentralen Melderegisters, eine Geburtsurkunde, ein Staatsbürgerschaftsnachweis und ein Jahreszeugnis einer Öffentlichen Mittelschule beigelegt, aus dem hervorgeht, dass die Tochter der Beschwerdeführer im Schuljahr 2020/21 die siebente Schulstufe erfolgreich abgeschlossen hat und zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe berechtigt ist.
4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24.09.2021 wurde die Teilnahme der Tochter der Beschwerdeführer an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 gemäß § 11 Abs. 3 iVm Abs. 4 SchPflG untersagt (Spruchpunkt I.) und einer dagegen eingebrachten Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zuerkannt (Spruchpunkt II.).
Begründend wurde ausgeführt, dass bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom 17.09.2015 der Besuch einer öffentlichen Schule oder einer mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule und die Erfüllung der Schulpflicht in einer derartigen Schule angeordnet worden seien. Mit Verweis auf das Erkenntnis VwGH 25.02.1971, 2062/70 wurde ausgeführt, dass eine „(erneute) Anzeige zur Teilnahme an häuslichem Unterricht – auch wenn zwischenzeitlich der Schulbesuch an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht auf Dauer ausgestatteten Schule erfolgte – nicht möglich und zu untersagen“ sei, da „die vom Gesetz geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts aufgrund des nicht erbrachten Nachweises des zureichenden Erfolges in der Vergangenheit (hier: im Schuljahr 2014/15) nicht gegeben“ sei. Das schulpflichtige Kind habe daher „nach wie vor“ seine Schulpflicht an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.
Der Ausschluss der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde mit dem Hinweis auf das „große öffentliche Interesse an der ausreichenden Beschulung entsprechend dem österreichischen Schulpflichtgesetz von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich“ begründet.
Der Bescheid wurde am 04.10.2021 durch Hinterlegung zugestellt.
5. Am 05.10.2021 brachten die Beschwerdeführer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde ein und begründeten diese auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass ihre Tochter im Schuljahr 2020/21 eine öffentliche Schule besucht und das Schuljahr erfolgreich abgeschlossen habe.
6. Einlangend am 18.11.2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt zugehörigem Verfahrensakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen.
Im Zuge der Beschwerdevorlage verwies die belangte Behörde darauf, dass der Nicht-Antritt zu einer Externistenprüfung zur Erbringung des Nachweises des zureichenden Erfolges der Teilnahme an häuslichem Unterricht […] „dauerhaft bis zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht“ entgegenstehe. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 SchPflG. Mit dem Begriff „Schulpflicht“ sei die gesamte neunjährige Schulpflicht und nicht bloß das auf die nicht absolvierte Externistenprüfung folgende Schuljahr gemeint. In diesem Zusammenhang wurde auch auf ein hg. Erkenntnis vom 11.09.2020, gemäß dem die Schulpflicht fortan (das Wort „fortan“ durch Fettdruck hervorgehoben) durch den Besuch einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu erfüllen sei, sowie das Erkenntnis VwGH 25.02.1971, 2062/70 verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Die am XXXX geborene Tochter der Beschwerdeführer unterliegt im Schuljahr 2021/22 in Österreich der allgemeinen Schulpflicht.
Sie hat das Schuljahr 2021/22 an einer öffentlichen Mittelschule auf der siebenten Schulstufe erfolgreich abgeschlossen.
Am 03.09.2021 zeigten die Beschwerdeführer rechtzeitig die Teilnahme ihrer Tochter an häuslichem Unterricht im Schuljahr 2021/22 an.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid untersagte die belangte Behörde die Teilnahme der Tochter der Beschwerdeführer an häuslichem Unterricht, wobei taugliche Ermittlungsschritte dahingehend, ob die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts gegeben ist, nicht gesetzt wurden.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Art. 131 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, erkennt das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bezirksschulrates wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels Anordnung einer Senatszuständigkeit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).
3.2. Zu Spruchpunkt A
3.2.1. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides
3.2.1.1. Die im gegenständlichen Fall maßgeblichen Bestimmungen lauten wie folgt:
Gemäß § 1 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 besteht für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
Gemäß § 2 Schulpflichtgesetz 1985 beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.
Gemäß § 3 Schulpflichtgesetz 1985 dauert die allgemeine Schulpflicht neun Jahre.
Gemäß § 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 ist die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen zu erfüllen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 kann die allgemeine Schulpflicht – unbeschadet des § 12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. kann die allgemeine Schulpflicht ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist der zureichende Erfolg eines im Abs. 1 oder 2 genannten Unterrichtes jährlich vor Schulschluss durch eine Prüfung an einer im § 5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, soweit auch die Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht, so hat die Bildungsdirektion anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des § 5 zu erfüllen hat.
3.2.1.2. Verfahrensgegenständlich stützt die belangte Behörde ihren abweisenden Bescheid darauf, dass die Gleichwertigkeit des Unterrichts aufgrund des nicht erbrachten Nachweises des zureichenden Erfolges des Unterrichts in der Vergangenheit nicht gegeben sei. Dabei vertritt sie die Rechtsansicht, dass eine ein einziges Mal nicht oder nicht erfolgreich vor Schulschluss abgelegte Externistenprüfung iSd § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG dazu führe, dass für die gesamte verbleibende Dauer der Schulpflicht eine Erfüllung derselben weder durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht noch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht möglich sei, sondern dass ein davon betroffenes Kind seine Schulpflicht nur mehr durch den Besuch von öffentlichen bzw. mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen erfüllen könne.
Dieser Rechtsansicht schließt sich das erkennende Gericht nicht an, und zwar aus folgenden Erwägungen:
Sofern die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zur Begründung desselben auf das Erkenntnis VwGH 25.02.1971, 2062/70 verweist, ist festzuhalten, dass diesem ein Sachverhalt zugrunde liegt, der vom verfahrensgegenständlichen Sachverhalt maßgeblich abweicht. So wurde im gegenständlichen Verfahren die mangelnde Gleichwertigkeit lediglich damit begründet, dass die Tochter der Beschwerdeführer, die in den dem aktuellen Schuljahr vorangegangenen Schuljahren jeweils eine öffentliche Schule besucht und das Schuljahr erfolgreich abgeschlossen hat, keinen Nachweis über den zureichenden Erfolg eines bereits mehrere Jahre zurückliegenden häuslichen Unterrichts erbracht hat. Demgegenüber bezieht sich das zitierte höchstgerichtliche Erkenntnis auf eine Konstellation, bei der sich der (damalige) Beschwerdeführer „jahrelang beharrlich der im § 11 Abs. 4 SchPflG vorgesehenen Überprüfung durch die Schulbehörden entzogen“ hat und dessen Sohn die „gesetzlich geforderten Prüfungen für drei aufeinanderfolgende Jahre nicht zeitgerecht abgelegt“ hat. Dabei handelte es sich bei den genannten „drei aufeinanderfolgenden Jahren“ um jene drei Jahre, die dem Schuljahr, für welches die Teilnahme an häuslichem Unterricht angezeigt wurde, vorangegangen waren.
Das erkennende Gericht schließt sich auch dem – im Zuge der Beschwerdevorlage, aber nicht im angefochtenen Bescheid – von der belangten Behörde herangezogenen Argument, dass sich die bereits oben umschriebene Rechtsfolge aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 4 SchPflG ergebe, nicht an. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich Derartiges beabsichtigt, hätte sich dies wohl in einer anderen Formulierung der einschlägigen Bestimmung des § 11 Abs. 4 SchPflG manifestiert, indem er z.B. vor dem Wort „Schulpflicht“ das Wort „weitere“ oder danach das Wort „fortan“ eingefügt hätte. Auch aus den Gesetzesmaterialien lässt sich diese Rechtsfolge nicht zwingend ableiten, wenn es darin heißt: „§ 11 Abs. 4 sieht abweichend von der bisherigen Rechtslage vor, dass der zureichende Erfolg eines solchen Unterrichtes am Ende eines jeden Schuljahres durch eine Prüfung an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule nachzuweisen ist, während bisher lediglich am Ende der achtjährigen Schulpflicht eine derartige Prüfung vorgesehen war. Die bisherige Rechtslage hatte den Nachteil, daß acht Jahre unter Umständen nutzlos vergingen, ohne dass ein behördlicher Eingriff möglich war. Durch rechtzeitige Feststellung von Versäumnissen können diese durch Anordnung des Schulbesuches im Interesse des Kindes noch nachgeholt werden“ (BlgNR, IX. GP, RV 732, EB zu § 11 Abs. 4 SchPflG). Daraus lässt sich zwar die gesetzgeberische Absicht, möglichst rasch auf etwaige Unzulänglichkeiten des häuslichen Unterrichts reagieren und somit den Verlust von wertvoller Schul- und Lebenszeit für den betreffenden Schüler hintanhalten zu können, ableiten, nicht aber der Schluss, dass anstelle der bis dahin nur einmal während der gesamten Schullaufbahn erfolgten Überprüfung hinkünftig eine einmal festgestellte – möglicherweise zeitlich befristete – Unzulänglichkeit desselben die Möglichkeit der Teilnahme an häuslichem Unterricht dauerhaft ausschließen sollte.
Eine Ableitung der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ist somit nicht zulässig. Vielmehr erscheint aufgrund des Umstandes, dass der Gesetzgeber in § 11 Abs. 4 SchPflG vorsieht, dass der Erfolg „jährlich“ nachzuweisen ist, eine Interpretation dieser Bestimmung dahingehend, dass auch nach einer einmal in der Vergangenheit nicht oder nicht erfolgreich abgelegten Externistenprüfung dennoch eine spätere, abermalige Teilnahme an häuslichem Unterricht nicht von vorneherein ausgeschlossen ist, zumindest ebenso vertretbar.
Würde man der Rechtsansicht der belangten Behörde konsequent folgen, bedeutete dies im Ergebnis, dass ein einmaliges nicht, nicht zeitgerecht oder nicht erfolgreiches Ablegen der Externistenprüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG die Möglichkeit der Teilnahme sowohl an häuslichem Unterricht als auch am Unterricht an einer Privatschule dauerhaft ausschließen würde, und zwar unabhängig davon, aus welchem Grund die Prüfung nicht fristgerecht erfolgreich abgelegt wurde. Dabei können verschiedene Gründe ursächlich für den Nichtantritt oder das Nichtbestehen der Prüfung sein wie z.B. Erkrankung des Schülers, „schlechte Tagesverfassung“ des Schülers oder eben auch tatsächlich nicht ausreichende Qualität der Beschulung während des häuslichen Unterrichts.
Wie sich aus § 11 Abs. 3 SchPflG ergibt, ist die Teilnahme an häuslichem Unterricht jährlich anzuzeigen, woraus gefolgert werden kann, dass auch das Vorliegen der geforderten Gleichwertigkeit nach jeder Anzeige neu zu prüfen ist. Dabei ist durchaus denkbar, dass die geforderte Gleichwertigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht besteht, in einem späteren Schuljahr aber sehr wohl vorliegt. So könnten z.B. die den häuslichen Unterricht durchführenden Personen in der Zwischenzeit zusätzliche Kenntnisse und Qualifikationen erworben haben oder durch die erfolgreiche Teilnahme von jüngeren Geschwistern eines Schülers ihre inzwischen erlangte Fähigkeit, einen gleichwertigen Unterricht anbieten zu können, unter Beweis gestellt haben.
Der in einem früheren, nicht unmittelbar vor jenem Schuljahr, für welches aktuell die Teilnahme an häuslichem Unterricht angezeigt wird, gelegenen Schuljahr nicht erbrachte Nachweis des zureichenden Erfolgs des häuslichen Unterrichts kann in diesem Zusammenhang somit zwar ein Indiz für die nicht vorliegende Gleichwertigkeit des Unterrichts iSd § 11 Abs. 3 SchPflG sein, reicht aber ohne Durchführung eines weiteren Ermittlungsverfahrens für sich alleine genommen nicht aus, um jedenfalls zu dieser Feststellung zu gelangen.
Zusammenfassend lässt sich nach Ansicht des erkennenden Gerichts aus den einschlägigen Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes somit nicht zwingend ableiten, dass ein einmaliges Misslingen des Nachweises iSd § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erfüllung der Schulpflicht durch Teilnahme an häuslichem Unterricht (vgl. Art 17 StGG) jedenfalls für die gesamte weitere Dauer der Schulpflicht ausschließt.
Dadurch, dass die belangte Behörde ausschließlich aufgrund des Umstandes, dass die Tochter der Beschwerdeführer nicht vor Ende des Schuljahres 2014/15, in dem diese häuslich unterrichtet wurde, den hinreichenden Erfolg dieses Unterrichts durch erfolgreiche Ablegung einer Externistenprüfung nachgewiesen hat, die gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des für das Schuljahr 2021/22 angezeigten häuslichen Unterrichts in Abrede gestellt hat, belastet sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit, weswegen dieser aufzuheben war.
3.2.2. Zur Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides.
3.2.2.1. In seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Zl. Ro 2014/03/0063, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen im Sinne des § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2013, S. 127 und S. 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang [Hrsg], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, S. 65 und S. 73f).
3.2.2.2. Verfahrensgegenständlich hat die belangte Behörde ihre Entscheidung lediglich darauf gestützt, dass der angezeigte häusliche Unterricht schon alleine deshalb nicht als gleichwertig iSd § 11 Abs. 3 SchPflG anzusehen sei, weil der zureichende Erfolg des im Schuljahr 2014/15 durchgeführten häuslichen Unterrichts nicht nachgewiesen worden wäre.
Vor diesem Hintergrund ist aber davon auszugehen, dass die belangte Behörde bloß „ansatzweise“ iSd des oben zitierten Erkenntnisses VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ermittelt hat, da sie verpflichtet gewesen wäre, konkret Feststellungen über die Art und die Organisation des für das Schuljahr 2021/22 angezeigten häuslichen Unterrichts sowie die praktischen Fähigkeiten der den Unterricht erteilenden Personen zur Ausbildung des zu unterrichtenden, inzwischen 14 Jahre alten Kindes zu treffen (vgl. VwGH 25.04.1974, 0016/74 und 0017/74).
Der Verwaltungsgerichtshof leitet zwar aus § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG einen „prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte“ ab (VwGH 20.12.2017, Ra 2017/10/0116 mit Verweis auf VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063), bringt darin aber auch zum Ausdruck, dass eine Zurückverweisung dann – und nur dann - in Betracht kommt, wenn es sich um „Ermittlungslücken“ in einem größeren Ausmaß handelt. Verfahrensgegenständlich liegen derartige Ermittlungslücken vor, da die entscheidende „Gleichwertigkeitsprüfung“ beinahe gänzlich unterlassen wurde. Es kann – aufgrund der unmittelbaren „Sachnähe“ und Vertrautheit der belangten Behörde zur Materie der zu erledigenden Angelegenheit - auch nicht gesagt werden, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In einer Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde allenfalls zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis daher der Vorzug zu geben. Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben.
Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde umfassende Ermittlungen dahingehend durchzuführen haben, ob die Gleichwertigkeit des angezeigten häuslichen Unterrichts gegeben ist.
3.2.2.3. Durch die erfolgte Erledigung der Beschwerde gegen die Untersagung der Teilnahme an häuslichem Unterricht erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.
3.2.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt A) zu entscheiden.
3.3. Zu Spruchpunkt B - Zulässigkeit der Revision:
3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 i.d.g.F., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung insbesondere folgender Rechtsfragen abhängt, denen grundsätzliche Bedeutung zukommt:
1. „Erstreckt sich die in § 11 Abs. 4 zweiter Satz SchPflG vorgesehene Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 SchPflG lediglich auf jenes Schuljahr, welches dem Schuljahr, in dem ein Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 erster Satz SchPflG nicht erbracht wird, folgt oder auf die gesamte (verbleibende) Dauer der Schulpflicht?“
2. „Handhabt die zuständige Schulbehörde das ihr eingeräumte Ermessen im Sinne des Gesetzes, wenn sie für den Fall, dass in einem bestimmten Schuljahr der zureichende Erfolg des Unterrichts vor Schulschluss nicht nachgewiesen wird, jedenfalls davon ausgeht, dass bei einer Anzeige der Teilnahme an häuslichem Unterricht in Folgejahren mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die in § 11 Abs. 1 und 2 SchPflG geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist?“
Da es zu diesen Fragen an einer einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung mangelt und da sich die hier anzuwendenden Regelungen des Schulpflichtgesetzes auch nicht als so klar und eindeutig erweisen (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90), dass sich daraus die vorgenommenen Ableitungen zwingend ergeben würden, ist die Revision zuzulassen.
3.3.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.
Schlagworte
erfolgreicher Abschluss Ermittlungspflicht Gleichwertigkeit häuslicher Unterricht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Revision zulässig SchuljahrEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W203.2248418.1.00Im RIS seit
22.12.2021Zuletzt aktualisiert am
22.12.2021