Entscheidungsdatum
02.12.2021Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
W250 2248729-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2021, Zl. XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 18.11.2021 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 30,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte in den Jahren 2014 und 2016 unter Verwendung einer Aliasidentität Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) entschied rechtskräftig über die Zuständigkeit Italiens, wohin der BF am 24.06.2015 auf dem Luftweg überstellt wurde und beim zweiten Mal am 19.02.2020 freiwillig aus dem Bundesgebiet ausreiste. Bereits ein Monat später, nämlich im März 2020, kehrte er erneut in das Bundesgebiet zurück, beging bis Jänner 2021 Suchtgiftdelikte und wurde dafür strafgerichtlich verurteilt.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.), festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria unzulässig ist (Spruchpunkt III.), gegen ihn ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt V.). Die gegen Spruchpunkte II. und IV. erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.09.2021 abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs am 01.10.2021 in Rechtskraft.
3. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Er wurde am 12.11.2021 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und auf Grund eines vom Bundesamt am selben Tag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen und dem Bundesamt zur Einvernahme vorgeführt. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wies sich der BF mit einem gültigen nigerianischen Reisepass sowie einem abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel aus.
4. Am 13.11.2021 wurde der BF vom Bundesamt unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Englisch einvernommen, wobei er im Wesentlichen angab, dass er zwar Antidepressiva einnehme, ansonsten aber gesund sei. Er habe seit sechs oder sieben Jahren eine Freundin in Österreich, in deren Wohnung er seit dem Jahr 2019 gemeldet sei. In der Slowakei lebe sein ca. sechs Jahre alter Sohn, zu dem er aber seit ca. 5 Jahren keinen Kontakt habe und für den er auch keinen Unterhalt leiste. Er sei fünf Tage nach seiner Entlassung aus der Strafhaft im Juni 2021 nach Italien ausgereist und Anfang Oktober nach Österreich zurückgekehrt, da er eine Ladung erhalten habe. In Italien wohne er in Rom in einer staatlichen Unterkunft, für die er nichts bezahlen müsse. In Österreich verdiene er seinen Lebensunterhalt durch das Zerlegen von Autos und bekomme dafür EUR 100,-- bis 150,-- pro Tag. Es spreche nichts gegen seine Rückkehr nach Nigeria, aber wegen seiner Freundin und seinem Sohn wolle er in Österreich bleiben. Er habe vor, nach Italien auszureisen, um dort seinen Aufenthaltstitel, um dessen Verlängerung er angesucht habe, abzuholen, um wieder nach Österreich einreisen zu können. Er beabsichtige auch seine Freundin zu heiraten, um sich legal in Österreich aufhalten zu können.
5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.11.2021 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am 13.11.2021 zugestellt.
6. Am 16.11.2021 stellte der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, woraufhin das Bundesamt am 18.11.2021 ein Konsultationsverfahren mit Italien entsprechend den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) einleitete.
7. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 18.11.2021 wurde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 2, 3, 5 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege, da der BF trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung und aufrechten Einreiseverbots nach seiner Ausreise nach Italien wieder in das Bundesgebiet eingereist sei. Er sei zwar in Österreich gemeldet, habe jedoch angegeben, in Europa herumreisen zu wollen bzw. nach Italien reisen zu wollen. Er behaupte wahrheitswidrig über einen Aufenthaltstitel und einen Wohnsitz in Italien zu verfügen. Die Beziehung zu seiner in Österreich lebenden Freundin, deren Geburtsdatum der BF nicht kenne, habe den BF nicht an der Begehung von Straftaten gehindert. Der BF sei nach einer Dublin-Überstellung nach Österreich zurückgekehrt und habe im Verborgenen Unterkunft genommen. Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF in Kenntnis der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Er sei zwar aufrecht gemeldet, reise jedoch immer wieder zwischen Italien und Österreich. Er habe auch angegeben, seinen Wohnsitz verlegen zu wollen, weshalb der begründete Verdacht bestehe, dass sich der BF dem Zugriff der Behörde entziehen wolle.
Dieser Bescheid wurde dem BF am 18.11.2021 zugesellt.
8. Am 26.11.2021 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.11.2021 und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass der Erlassung des gegenständlichen Bescheides der in Kraft stehende erste Bescheid entgegenstehe, weshalb der BF die Einwendung der entschiedenen Sache einbringe. Da nunmehr ein Konsultationsverfahren gemäß der Dublin-Verordnung mit Italien geführt werde, sei zu bemerken, dass es ohnehin der Wunsch des BF sei, nach Italien überstellt zu werden. Da der BF über eine Wohnmöglichkeit bei seiner Freundin verfüge, mit der es seit ca. zwei Jahren konkrete Bestrebungen einer Verehelichung gebe, komme insbesondere das gelindere Mittel der periodischen Meldeverpflichtung und die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten in Betracht. Es liege jedoch eine erhebliche Fluchtgefahr im Sinne der Dublin-Verordnung nicht vor. § 76 Abs. 3 Z 1 FPG sei nicht erfüllt, da der BF einen Asylantrag gestellt habe, dessen Verfahrensausgang er nun abwarte. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sei auch Z 2 leg.cit. nicht erfüllt. Hinsichtlich Z 9 leg.cit. werde ausgeführt, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration alleine noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes seien. Dass der BF nunmehr seit der Stellung des Asylantrages vom 16.11.2021 Anspruch auf Grundversorgung habe, spreche jedenfalls gegen das Vorliegen von Fluchtgefahr. Darüber hinaus werde auch darauf verwiesen, dass die Lebensgefährtin des BF in Österreich wohnhaft sei. Die Ausführungen der Behörde im angefochtenen Bescheid, wonach der BF nicht nach Nigeria ausreisen wolle, seien völlig verfehlt, da derzeit Konsultationen mit Italien geführt werden und es dem Wunsch des BF entspreche, nach Italien überstellt zu werden.
Der BF beantragte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF nicht vorliegen und das Bundesamt zum Kostenersatz im Umfang der Eingabengebühr zu verpflichten.
Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht teilte die Rechtsvertreterin des BF am 29.11.2021 ausdrücklich mit, dass ausschließlich der Bescheid vom 18.11.2021 Gegenstand der Beschwerde sei.
9. Das Bundesamt legte am 29.12.2021 den Verwaltungsakt vor und gab dazu eine Stellungnahme ab, in der insbesondere zum Ausschluss der Anordnung eines gelinderen Mittels vorgebracht wurde, dass auf Grund des Verhaltens des BF nicht davon auszugehen sei, dass er tatsächlich in der Wohnung seiner Freundin Unterkunft nehme oder einer periodischen Meldeverpflichtung bei der Polizei nachkommen werde. Der BF habe gegen mehrere Gesetze in Österreich verstoßen, sei straffällig geworden, habe unerlaubt gearbeitet und sei nicht selbsterhaltungsfähig. Es liege somit beim BF die für die Anordnung eines gelinderen Mittels erforderliche Kooperationsbereitschaft nicht vor. Sollte Italien einer Übernahme des BF nicht zustimmen, werde der BF innerhalb kurzer Zeit außer Landes gebracht werden können.
Das Bundesamt beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den BF zum Kostenersatz zu verpflichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Zum Verfahrensgang
Der unter I.1. bis I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Nigerias, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.
2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 01.03.2021 wurde der BF nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon ein Teil von 10 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Der unbedingte Teil dieser Freiheitsstrafe wurde bis 21.06.2021 vollzogen.
2.3. Der BF leidet an keinen Krankheiten. Er ist gesund und haftfähig.
2.4. Der BF wird seit 13.11.2021 in Schubhaft angehalten, seit 18.11.2021 wird der BF auf Grundlage des hier angefochtenen Bescheides in Schubhaft angehalten.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Der BF stellte am 27.02.2014 sowie am 18.03.2014 in Italien, am 30.09.2014 sowie am 03.03.2016 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz. Bei den in Österreich gestellten Anträgen gab der BF falsche Identitätsdaten an. Er wurde am 24.06.2015 nach Italien überstellt und reiste am 19.02.2020 freiwillig nach Italien aus.
3.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, diese ist nach Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2021 in Rechtskraft erwachsen. Auf Grund des vom BF am 16.11.2021 gestellten Antrages auf internationalen Schutz ist diese Rückkehrentscheidung derzeit nicht durchsetzbar.
3.3. Der BF stellte am 16.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in Schubhaft angehalten und lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Auf Grund dieses Antrages führt das Bundesamt ein Konsultationsverfahren mit Italien entsprechend den Bestimmungen der Dublin-III-VO.
3.4. Der BF verfügt in Österreich über Freundin, bei der er wohnt. An ihrer Adresse ist der BF seit 11.04.2019 gemeldet. Über Familienangehörige verfügt der BF in Österreich nicht. Er geht keiner legalen Berufstätigkeit nach und verfügt über kein Vermögen. Der BF wird regelmäßig in der Schubhaft von seiner Freundin besucht.
3.5. Der BF nahm am 24.09.2021 an einer vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren auf Grund der Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.06.2021 anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung teil. Im Verwaltungsakt finden sich keine Hinweise darauf, dass der BF seinen tatsächlichen Aufenthaltsort vor dem Bundesamt verschleiert hat.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes und den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.06.2021 betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.
1. Zum Verfahrensgang
Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 betreffend. Diesen Feststellungen wurde im Verfahren nicht entgegengetreten.
2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des gültigen nigerianischen Reisepasses des BF. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da die bisherigen Anträge des BF auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurden und über seinen Asylantrag vom 16.11.2021 noch nicht entschieden wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten handelt.
2.2. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Verurteilung des BF ergibt sich aus dem Strafregister.
2.3. Dass der BF an keinen Krankheiten leidet steht auf Grund seiner Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 24.09.2021 fest, in der er angab, dass er an keinen Krankheiten leide. Auch in seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 13.11.2021 gab er an gesund zu sein und lediglich Antidepressiva einzunehmen. Auch in seiner Beschwerde brachte er keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor und finden sich auch in der Anhaltedatei keine Hinweise auf Erkrankungen des BF. Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass der BF gesund und haftfähig ist.
2.4. Dass der BF seit 13.11.2021 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Da mit Bescheid vom 18.11.2021 erneut Schubhaft gegen den BF angeordnet wurde, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF seit 18.11.2021 auf Grundlage des hier angefochtenen Bescheides in Schubhaft angehalten wird.
3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
3.1. Die Feststellungen zu den vom BF vor dem 16.11.2021 im Bereich der Mitgliedstaaten gestellten Anträgen auf internationalen Schutz beruhen auf den im Zentralen Fremdenregister dokumentierten Eurodac-Treffern. Die Feststellungen zur Überstellung des BF nach Italien sowie seiner freiwilligen Ausreise ergeben sich ebenfalls aus den diesbezüglichen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Dass der BF im Zuge der in den Jahren 2014 und 2016 in Österreich gestellten Anträgen auf internationalen Schutz falsche Identitätsdaten angegeben hat, räumte der BF selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021 ein.
3.2. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 erlassenen Rückkehrentscheidung beruhen auf dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen diesen Bescheid betreffend. Da dem BF auf Grund seines Asyl-Folgeantrages faktischer Abschiebeschutz zukommt, konnte die Feststellung getroffen werden, dass die Rückkehrentscheidung derzeit nicht durchsetzbar ist.
3.3. Aus der diesbezüglich im Verwaltungsakt einliegenden Meldung ergibt sich, dass der BF am 16.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Unstrittig ist, dass er zu diesem Zeitpunkt in Schubhaft angehalten wurde und auf Grund der mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 erlassenen Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag. Dass das Bundesamt ein Konsultationsverfahren mit Italien nach den Bestimmungen der Dublin-III-VO führt ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Wiederaufnahmegesuch vom 18.11.2021.
3.4. Dass der BF in Österreich über eine Freundin verfügt, bei der er wohnt, ergibt sich aus den Angaben des BF in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 24.09.2021. Entsprechend den Eintragungen im Zentralen Melderegister war der BF bereits von 21.03.2016 bis 13.05.2016 an der Adresse der von ihm genannten Freundin gemeldet und verfügt seit 11.04.2019 wiederum über eine behördliche Meldung an dieser Adresse. Im Akt finden sich keine Hinweise darauf, dass das Bundesamt – erfolglos – versucht hat, den BF an dieser Adresse zu erreichen. Wenn auch das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren auf Grund der erlassenen Rückkehrentscheidung festgestellt hat, dass zwischen dem BF und der von ihm genannten Freundin keine tiefgreifende Beziehung bestehe, so ist das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Verfahren doch davon ausgegangen, dass es sich bei der vom BF genannten Freundin um seine Lebensgefährtin handelt, die ihn auch finanziell unterstützt. Auch aus dem Umstand, dass der BF von seiner Lebensgefährtin entsprechend der Mitteilung des Polizeianhaltezentrums vom 01.12.2021 bisher sechs Mal – und zwar am 13.11.2021, 16.11.2021, 20.11.2021, 23.11.2021, 27.11.2021 und am 30.11.2021 – in der Schubhaft besucht worden ist, ergibt sich, dass die vom BF genannte Freundin eine wesentliche soziale Bindung im Bundesgebiet darstellt.
Die Feststellungen wonach der BF über keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, er keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgeht und über kein Vermögen verfügt, ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt am 13.11.2021.
3.5. Dass der BF am 24.09.2021 an einer vom Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren über die gegen ihn erlassene Rückkehrentscheidung teilnahm ergibt sich aus dem diesbezüglich aufgenommenen Verhandlungsprotokoll. Im Verwaltungsakt finden sich keine Hinweise darauf, dass der BF vor Anordnung der Schubhaft seinen tatsächlichen Aufenthaltsort verschleiert hat.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft
3.1.1. Gesetzliche Grundlagen
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
§ 77 Gelinderes Mittel
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
Gemäß Art. 28 Dublin III-VO dürfen die Mitgliedstaaten zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird. Die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs darf, wenn der Asylwerber in Haft ist, einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Dublin-Verfahren führt, ersucht in diesen Fällen um eine dringende Antwort, die spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs erfolgen muss. Die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt, sobald diese praktisch durchführbar ist, spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung mehr hat. Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten.
„Fluchtgefahr“ definiert Art. 2 lit. n Dublin III-VO als das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.
Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von erheblicher Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.
3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde bereits am 13.11.2021 gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft über den BF zur Sicherung seiner Abschiebung auf Grund der mit Bescheid des Bundesamtes vom 15.06.2021 erlassenen Rückkehrentscheidung angeordnet. Nachdem der BF am 16.11.2021 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hat, leitete das Bundesamt ein Konsultationsverfahren auf Grund der Dublin-III-VO mit Italien ein. Dieser Umstand ist als wesentliche Änderung des Sachverhaltes zu beurteilen, dem das Bundesamt damit Rechnung trug, zur neuerlichen Entscheidung über die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft den – hier angefochtenen – Bescheid vom 18.11.2021 zu erlassen und darin die Voraussetzungen der Anhaltung des BF auf Grundlage der Bestimmungen der Dublin-III-VO zu prüfen. Der Einwendung in der Beschwerde, dass der Erlassung des angefochtenen Bescheides das Hindernis der entschiedenen Sache entgegenstehe, war daher nicht zu folgen.
3.1.5. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Überstellungsverfahrens gemäß der Dublin-III-VO angeordnet. Das Bundesamt geht auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 2, 3, 5 und 9 FPG vom Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr aus, wobei anzumerken ist, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides das Verhalten des BF im Wesentlichen im Hinblick auf die Sicherung seiner Abschiebung nach Nigeria beurteilt wird. Darauf, dass im derzeitigen Verfahrensstadium als Sicherungszweck nur das Asylverfahren entsprechend den Bestimmungen der Dublin-III-VO sowie allenfalls die Überstellung des BF nach Italien in Frage kommen, geht das Bundesamt nicht ein.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Begründend führt das Bundesamt dazu aus, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung auf Grund der rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung nicht nachgekommen sei. Ein bestimmtes Verhalten des BF, dass er seine Rückkehr umgeht oder behindert, wird durch diesen Umstand alleine jedoch nicht dargelegt, sodass die Erfüllung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar begründet wurde.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist. Diesbezüglich wird im angefochtenen Bescheid insbesondere angeführt, dass der BF nach einer erfolgten Dublin-Überstellung wiederum nach Österreich eingereist sei. Der BF wurde am 24.06.2015 nach Italien überstellt und stellte bereits am 03.03.2016 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Da eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 2 FPG 18 Monate ab Ausreise des Fremden aufrecht bleibt, ist der BF vor Stellung des Asylantrages vom 03.03.2016 entgegen einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich nach Österreich eingereist. Damit hat er aber den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 2 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG auch zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. In diesem Zusammenhang wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich ausgeführt, dass der BF nach seiner Einreise – nachdem er nach Italien überstellt worden ist – untergetaucht sei. Nähere Ausführungen zu diesem Untertauchen werden in der Begründung des angefochtenen Bescheides weder in den Feststellungen noch in der rechtlichen Beurteilung gemacht, sodass insgesamt die Erfüllung des Tatbestandes des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar begründet wird. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, da dem BF auf Grund seines am 16.11.2021 gestellten Asyl-Folgeantrages gemäß § 12a Asylgesetz 2005 faktischer Abschiebeschutz zukommt.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG ist bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde. Im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vom 16.11.2021 lag eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor und wurde der BF auch in Schubhaft angehalten, sodass dieser Tatbestand erfüllt ist.
Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei der Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass der BF im Bundesgebiet kein schützenswertes Privat- oder Familienleben führe. Die Beziehung zu seiner Freundin habe ihn nicht daran gehindert, Straftaten zu begehen. Der BF gehe der Schwarzarbeit nach und sei mittellos. Das gerichtliche Ermittlungsverfahren hat jedoch ergeben, dass der BF bei seiner Lebensgefährtin wohnt und von dieser mehrmals in der Schubhaft besucht wurde. Im Verwaltungsakt finden sich auch keine Hinweise darauf, dass der BF zwischen der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung im Oktober 2021 und seiner Festnahme am 12.11.2021 untergetaucht wäre oder versucht hätte sich der Behörde zu entziehen. Es liegt daher insbesondere in der Tatsache, dass der BF in Österreich über eine Lebensgefährtin verfügt, bei der er auch wohnt und an deren Adresse er behördlich gemeldet ist, ein Umstand vor, der im Hinblick auf den Zweck der Sicherung des Asylverfahrens sowie der Überstellung nach den Bestimmungen der Dublin-III-VO, die Fluchtgefahr wesentlich verringert. Der BF hat zwar angegeben, dass er nicht nach Nigeria ausreisen wolle, dass er jedoch bereit sei, sich – nach Erlangung eines Aufenthaltstitels – so lange in Italien aufzuhalten, um rechtmäßig nach Österreich einreisen zu können. Dass sich der BF dem Bundesamt in den früher geführten Verfahren, die zu seiner Überstellung nach Italien bzw. zu seiner freiwilligen Ausreise dorthin geführt haben, entzogen oder seine Überstellung erschwert hat, ist weder dem angefochtenen Bescheid noch den vom Bundesamt vorgelegten Verfahrensakten zu entnehmen.
3.1.6. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird daher insgesamt das Vorliegen erheblicher Fluchtgefahr im Sinne des Art. 28 Dublin-III-VO nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb ein wesentlicher Begründungsmangel vorliegt. Der angefochtene Bescheid war daher für rechtswidrig zu erklären.
3.1.7. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 18.11.2021 ist daher rechtswidrig.
3.1.8. Der Beschwerde war gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm Art. 28 Dublin-III-VO stattzugeben und der angefochtene Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 18.11.2021 für rechtswidrig zu erklären.
3.2. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt II. – Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft
3.2.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat. Diese Prüfung hat unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der bisherigen Schubhaft zu erfolgen und „ermächtigt“ das Bundesverwaltungsgericht, auf Basis der aktuellen Sach- und Rechtslage „in der Sache“ zu entscheiden und damit gegebenenfalls einen neuen Schubhafttitel zu schaffen (vgl. VwGH vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0143).
3.2.2. Um von der Erfüllung des Kriteriums der „Fluchtgefahr“ ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, und damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die "Abwägungsentscheidung" (so die einleitenden Überlegungen in den ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Unter diesem Aspekt bieten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 FPG – uneingeschränkt, also ohne Rücksicht auf ihre Eignung, schon abstrakt "Fluchtgefahr" zu umschreiben – maßgebliche Beurteilungskriterien (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).
Der BF hat zwar in der Vergangenheit falsche Angaben zu seiner Identität gemacht und damit am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mitgewirkt (§ 76 Abs. 3 Z. 1 FPG), er ist trotz aufrechter Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist (§76 Abs. 3 Z. 2 FPG), er hat trotz Vorliegens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme während seiner Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt (§ 76 Abs. 3 Z. 5 FPG) und mehrere Anträge auf internationalen Schutz im Bereich der Mitgliedstaaten gestellt (§ 76 Abs. 3 Z. 6 lit. a FPG).
Das Verfahren hat jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sich der BF dem auf Grund seines Antrages auf internationalen Schutz vom 18.11.2021 nunmehr auf Grundlage der Dublin-III-VO geführten Asylverfahren sowie allenfalls seiner Überstellung nach Italien entziehen werde. Insbesondere verfügt der BF über eine Meldeadresse und reiste im Jahr 2020 freiwillig nach Italien aus. Dass sich der BF in früheren Verfahren, die zu seiner Überstellung bzw. zu seiner freiwilligen Ausreise nach Italien geführt haben, dem Bundesamt entzogen hat, ist im Verfahren – und insbesondere aus den vom Bundesamt vorgelegten Verwaltungsakten – nicht hervorgekommen.
3.2.3. Es liegt daher im hier zu beurteilenden Fall kein für die Anordnung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung des auf Grundlage der Bestimmungen der Dublin-III-VO geführten Asylverfahrens sowie der Überstellung des BF nach Italien ausreichender Sicherungsbedarf vor.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 3 FPG iVm Art. 28 Dublin-III-VO festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.4. Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte III. und IV. – Kostenersatz
3.4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF beantragte die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft nicht vorliegen. Das Bundesamt beantrage die Abweisung der Beschwerde. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden und festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG Kostenersatz im beantragten Umfang der Eingabengebühr, da diese entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den ersatzfähigen Barauslagen zählt (vgl. VwGH vom 28.05.2020, Ra 2019/21/0336).
Dem Bundesamt gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.
3.5. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Asylantragstellung Begründungsmangel Dublin III-VO Einreiseverbot faktischer Abschiebeschutz Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Identität Kostenersatz Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Überstellung Voraussetzungen WiedereinreiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W250.2248729.1.00Im RIS seit
22.12.2021Zuletzt aktualisiert am
22.12.2021