Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über den Antrag 1. der MC, 2. des ZC, beide in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Oktober 1995, Zl. 4.338.946/4-III/13/95, betreffend Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
Begründung
Den Antragstellern wurde der Bescheid vom 3. Oktober 1995, mit dem die Berufung in ihrer Asylangelegenheit abgewiesen wurde, am 6. Oktober 1995 zu Handen ihres anwaltlichen Vertreters zugestellt. Die Beschwerdefrist endete daher am 17. November 1995. Mit Antrag vom 17. November 1995, der aber erst am 18. November 1995 zur Post gegeben wurde, beantragten die Antragsteller die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser Antrag wurde abgewiesen, weil die Beschwerdefrist versäumt worden war (VH 95/20/0337).
Mit dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag machen die Antragsteller geltend, der Rechtsanwalt, durch den sie im Verwaltungsverfahren vertreten worden seien, habe in einer Besprechung am 30. Oktober 1995 infolge eines Lesefehlers das Zustelldatum mit 9. Oktober 1995 (statt 6. Oktober 1995) in einer Aktennotiz festgehalten. Mit Schreiben vom 10. November 1995 habe er der Erstantragstellerin mitgeteilt, eine allfällige Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. Oktober 1995 müsse "bis längstens am 20. November 1995 eingebracht werden".
Am 17. November 1995 (dem, was sie nicht habe wissen können, tatsächlich letzten Tag der Frist) habe sich die Erstantragstellerin zu einer Beratungsstelle begeben, wo ihr bei der Abfassung eines Verfahrenshilfeantrags geholfen worden sei. Sie habe die Beratungsstelle nach 20 Uhr verlassen und - mit der Einrichtung von Nachtpostämtern nicht vertraut - angenommen, daß sie den Brief nicht mehr am selben Tag aufgeben könne. Daß der Bescheid vom 3. Oktober 1995 schon am 6. Oktober 1995 zugestellt worden und der am 18. November 1995 zur Post gegebene Antrag daher verspätet gewesen sei, hätten die Antragsteller erst durch die Abweisung des Verfahrenshilfeantrags erfahren.
Bei der Würdigung dieses Vorbringens ist zunächst davon auszugehen, daß der Verfahrenshilfeantrag vom 17. November 1995, der am 18. November 1995 zur Post gegeben wurde, den anzufechtenden Bescheid als Bescheid "vom 3.10.1995 (zugest. 6.10.1995)" beschrieb. Die Kopie einer Bescheidausfertigung, die mit dem Antrag einlangte, trug rechts oben den handschriftlichen Vermerk "eingel. 6.10.95".
Aufgrund der von den Antragstellern in Kopie vorgelegten Urkunden (Schreiben vom 10. November 1995; eidesstattliche Erklärung der Erstantragstellerin; Aktenvermerke vom 30. Oktober 1995 und vom 17. November 1995; Kuvert des den Ehegatten der Erstantragstellerin betreffenden Bescheides) und der Aussage des Rechtsanwalts Dr. G vor dem Verwaltungsgerichtshof wird weiters festgestellt:
Es trifft zu, daß der frühere anwaltliche Vertreter der Antragsteller - der zu deren Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bevollmächtigt war - der Erstantragstellerin in einem Schreiben vom 10. November 1995 fälschlicherweise mitteilte, die Beschwerdefrist laufe bis zum 20. November 1995. Diese unrichtige Mitteilung war auf den Umstand zurückzuführen, daß dem anwaltlichen Vertreter der Antragsteller ein Kuvert vorlag, das eine Zustellung durch Hinterlegung am 9. Oktober 1995 auswies, sich auf den (mit dem Zweitantragsteller namensgleichen) Ehegatten der Erstantragstellerin bezog und vom Vertreter der Antragsteller irrtümlich dem anzufechtenden Bescheid zugeordnet wurde. Im Zeitpunkt der um einen Tag verspäteten Postaufgabe des Verfahrenshilfeantrages vom 17. November 1995 wußte die Erstantragstellerin, daß der sie und den Zweitantragsteller betreffende Bescheid am 6. Oktober 1995 zugestellt worden war. Sie verließ sich aber auf die Fristberechnung des Rechtsanwaltes, der die Antragsteller im Verwaltungsverfahren vertreten hatte. Daß die Unrichtigkeit dieser Fristberechnung einem der Antragsteller vor der Zustellung des ihren Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses vom 7. Dezember 1995 am 25. Jänner 1996 bekannt wurde, ist ebensowenig feststellbar wie die Bevollmächtigung einer Frau S, die der frühere anwaltliche Vertreter der Antragsteller schon am 17. November 1995 über das richtige Fristende aufgeklärt haben will, durch die Antragsteller.
In rechtlicher Hinsicht ist dieser Sachverhalt dahingehend zu beurteilen, daß der Irrtum des früheren Rechtsanwaltes der Antragsteller - der auch nur im Verwaltungsverfahren und nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof zu ihrer Vertretung bevollmächtigt war - im Hinblick auf die Besonderheiten des Falles (zeitliche Nähe der auf dem Kuvert vermerkten Zustellung, Namensgleichheit) ein Versehen minderen Grades war. Das gilt auch für den Sorgfaltsmangel der Erstantragstellerin, der darin bestand, daß sie die Fristberechnung des Rechtsanwaltes, der die Antragsteller im Verwaltungsverfahren vertreten hatte, nicht überprüfte. In einem Fall wie dem vorliegenden kann dies nicht ohne Überspannung der Sorgfaltsmaßstäbe als grobe Fahrlässigkeit eingestuft werden.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996200099.X00Im RIS seit
20.11.2000