Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. F*, sowie 2. Mag. F*, beide vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagten Parteien 1. N*, 2. D*, beide vertreten durch MMag. Anelia Paskaleva, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Parteien und den Rekurs der klagenden Parteien gegen das Teilurteil und den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 21. April 2021, GZ 21 R 40/21x-64, als Berufungsgericht, womit das Urteil des Bezirksgerichts Melk vom 16. Dezember 2020, GZ 12 C 849/18h-60, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
I. Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.
II. Dem Rekurs der klagenden Parteien wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
III. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 1.051,28 EUR (darin 175,21 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.316,54 EUR (darin 240,04 EUR an Umsatzsteuer und 876,30 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Die Streitteile sind jeweils grundbücherliche Hälfteeigentümer benachbarter Liegenschaften. Das klägerische Gartengrundstück grenzt unmittelbar an jenes Grundstück der Beklagten, auf welchem sich direkt an der Grundstücksgrenze und über die gesamte Grundstücksbreite hinweg ein ebenfalls im Eigentum der Beklagten stehendes Nebengebäude befindet. Im Dachgeschoß dieses Nebengebäudes ist eine Luftwärmepumpenanlage situiert, die über zwei Luft-Wasser-Wärmepumpen verfügt. Die beiden mit Metalllamellen versehenen Ausblasöffnungen der Pumpen befinden sich im Dach des Nebengebäudes der Beklagten, wobei der Abstand zwischen den Jalousien und der Grundstücksgrenze 1,13 m beträgt. Die Anlage emittiert einen Luftstrom und eine Schallausbreitung.
[2] Die Kläger begehren die Unterlassung bestimmter Geräuschimmissionen sowie des Ausblasens eines Luftstroms aus den über das Dach geführten Ausblasöffnungen auf die Liegenschaft der Kläger. Die Luftwärmepumpe verursache eine Geräuschimmission im tieffrequenten Bereich (ein Brummen). Von Oktober bis April sei auf der Liegenschaft der Kläger dieses tieffrequente Brummen hörbar; in der warmen Jahreszeit und insbesondere an sehr warmen Tagen vervielfache sich der Schalldruckpegel, was offenbar mit der Kühlfunktion zu tun habe und sich bis in die Nachtstunden hinein erstrecke.
[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei traf es folgende wesentlichen Feststellungen:
[4] Die Liegenschaften der Streitteile befinden sich in einer ruhigen Wohngegend. Der am Grundstück der Kläger vorhandene Lärm ist geprägt durch Lärm vom nahen Rathausplatz einer ländlichen Marktgemeinde, dem Verkehrslärm der nahegelegenen Bundesstraße und durch Naturlärm wie Vogelgezwitscher. Der ortsübliche Lärmpegel beläuft sich in der Nacht auf Werte zwischen 25,1 und 37,3 dB, am Abend auf Werte zwischen 32,4 und 41,4 dB und am Tag auf Werte zwischen 38,7 und 45,8 dB. Die maximale Schallleistung einer Wärmepumpe beträgt 54 dB(A). Durch Verwirbelungen und den geringen Querschnitt in der Jalousie der Ausblasöffnung der Wärmepumpe ergibt sich jedoch eine höhere Schallleistung der Anlage. Bei geschlossenem Fenster ist der Lärm der Pumpen im Raum kaum hörbar, bei gekipptem Fenster sind die Pumpen hingegen auch im Haus der Kläger zu hören. Gegenüber den Ausblasöffnungen haben die Kläger das Schlafzimmer bzw im ersten Stock das Wohnzimmer. Unterhalb der Ausblasöffnungen haben die Kläger eine Laube mit Sitzgelegenheit, die sie auch regelmäßig nutzen.
[5] Die beiden Wärmepumpen blasen einen Luftstrom auf die Liegenschaft der Kläger. Bei der höchsten Lüfterdrehzahl von 60 % beträgt der Volumenstrom 4.000 m3/Std. Der Querschnitt des Rohres innen beträgt 0,5 Meter. Die Strömung wird durch die nach unten gerichteten Lamellen der Jalousien nach unten geleitet. Der von den Pumpen ausgeblasene Luftstrom ist auf der Liegenschaft der Kläger als Luftzug zu spüren.
[6] Aufgrund des „Brummens“ der Pumpen im tieffrequenten Bereich schließen die Kläger, wenn eine Luft-Wärme-Pumpe der Beklagten zu laufen beginnt, die Fenster bzw setzen sich nicht in den Garten. Wenn die Kläger sich im Garten aufhalten und eine Pumpe zu arbeiten beginnt, verlassen sie aufgrund des unangenehmen Geräuschs und wegen des Luftzugs aus den Ausblasöffnungen ihren Garten. Abhängig von der Betriebsart überschreitet die Anlage sowohl am Tag als auch abends und in der Nacht teilweise den Basispegel.
[7] Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass das Klagebegehren nach § 364 Abs 2 ABGB berechtigt sei, wobei es im Hinblick auf ein mögliches Exekutionsverfahren den zulässigen, sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenden Geräuschpegel in den Urteilsspruch aufnahm. Der aus den Ausblasöffnungen austretende Luftstrom sei zwar nicht als unmittelbare Zuleitung anzusehen, aber gleichfalls nach § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB unzulässig, weil das Hinüberblasen eines Luftstroms von einer Liegenschaft auf die Nachbarliegenschaft schon per se ortsunüblich sei. Dieser Luftstrom stelle für die Kläger auch eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung dar, weil er ihnen den Aufenthalt in ihrem Garten, der ihnen eigentlich zu Erholungszwecken dienen sollte, verleide.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Verpflichtung zum Unterlassen des Ausblasens eines Luftstroms als Teilurteil, hob es im Übrigen auf und verwies die Sache insoweit zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Nach Verwerfung einer Beweis- und Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, auch künstlich herbeigeführte Luftströme könnten eine unmittelbare Zuleitung iSd § 364 Abs 2 ABGB darstellen.
[9] Hinsichtlich der Lärmbelastung verblieben jedoch in Ansehung des Gartengrundstücks offene Fragen in örtlicher, zeitlicher und intensitätsmäßiger Hinsicht. Wenngleich das Erstgericht die bislang bevorzugten Sitzplätze der Kläger im Garten festgehalten habe und die Kläger ihr Gartengrundstück grundsätzlich umfassend nutzen dürften, so müsse dessen ungeachtet für die nach § 364 Abs 2 Satz 1 ABGB erforderliche Wesentlichkeit der Beeinträchtigung und die damit verbundene Interessenabwägung auch noch ergänzend hinterfragt werden, ob und inwieweit die Kläger in ihrem Garten allenfalls ruhigere Bereiche nutzen könnten. Die Anlage der Beklagten überschreite abhängig von der Betriebsart in allen drei Tageszeit-Kategorien teilweise den Basispegel und sei damit zu laut. Da sich in der Umgebung keine weiteren Luftwärmepumpen befinden, sei es den Beklagten verwehrt, hier mit einer Ortsüblichkeit der gegenständlichen Anlage zu argumentieren. Auf rein faktischer Ebene habe das Erstgericht zwar festgestellt, welche dB-Werte in den verschiedenen Betriebsarten der Wärmepumpenanlage an verschiedenen Immissions- und Messpunkten im Garten erreicht werden, dass der Lärm der Wärmepumpen durch das Lüfter- und Strömungsgeräusch der Geräte geprägt und insofern als Brummen im tieffrequenten Bereich zu charakterisieren sowie dass die Anlage in bestimmten Betriebsformen zu laut sei. Neben der objektiv messbaren Lautstärke sei aber auch die subjektive Lästigkeit maßgebend. Dessen ungeachtet müssten jedenfalls noch Feststellungen getroffen werden, ob und inwieweit die objektive Erhöhung des Grundgeräuschpegels nach Maßgabe der festgestellten Tabellenwerte zu einer subjektiven Lästigkeit für normal empfindliche Menschen führe. Dafür sei entweder die Ergänzung des Sachverständigengutachtens oder der Eindruck des Erstgerichts vor Ort denkbar.
[10] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision sowie der Rekurs gegen den Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluss, zulässig sind. Es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob das bloße Ausblasen eines Luftstroms durch eine in Grenznähe situierte Wärmepumpenanlage als unmittelbare Zuleitung gemäß § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB zu qualifizieren sei, ob bei Wesentlichkeit der Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung eines größeren Gartengrundstücks überhaupt auf (zeitliche und örtliche) Nutzungsalternativen abzustellen oder das prinzipiell unbeschränkte Verfügungsrecht der Eigentümer zugrunde zu legen sei sowie ob bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit auch das Entwicklungspotential solcher Anlagen zu berücksichtigen sei, die aufgrund der Energiewende mehr und mehr an Bedeutung gewinnen würden; schließlich sei zu klären, ob allenfalls jahres- und tageszeitlich differenzierte Vorgaben zu machen seien.
[11] Gegen diese Entscheidung richten sich der Rekurs der Kläger und die Revision der Beklagten. Die Rechtsmittel sind aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig. Der Rekurs ist auch berechtigt; die Revision ist hingegen nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Revision:
[12] 1.1. Unmittelbare Zuleitungen iSd § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB können „unter allen Umständen“ vom Nachbarn abgewehrt werden, wenn dafür kein besonderer Rechtstitel vorliegt. Damit sind auch unwesentliche bzw (allenfalls) ortsübliche Zuleitungen abwehrfähig (Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 ABGB Rz 185). Zutreffend hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass aus den Begriffen „Gase“ und „Luft“ in § 364 Abs 2 Satz 1 und Abs 3 ABGB abzuleiten ist, dass eine unmittelbare Zuleitung sehr wohl auch künstlich herbeigeführte Luftströme zum Gegenstand haben kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass Luft ein natürliches Gasgemisch ist, weil etwa auch die Veränderung von Abflussverhältnissen (1 Ob 92/02i) oder die Zuleitung von Wasser (1 Ob 42/01k) unzulässig sein können. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kann keinem Zweifel unterliegen, dass eine intentionale Zuleitung vorliegt. Dies ergibt sich schon aus der Konstruktion der Anlage im grenznahen Bereich, die einen Luftstrom nach unten auf die Liegenschaft der Kläger bläst, der dort deutlich als Luftzug zu spüren ist. Die aktenkundigen Bildaufnahmen sprechen zudem, wenngleich das Erstgericht nicht feststellen konnte, wie weit in die klägerische Liegenschaft hinein dieser Luftzug zu spüren ist, dafür, dass davon jedenfalls ein Bereich von mehreren Metern betroffen ist.
[13] 1.2. Ob aus der Luftwärmepumpenanlage saubere oder verbrauchte Luft ausgeblasen wird, ist rechtlich irrelevant. Vielmehr geht es um die künstliche Verursachung eines Luftstroms, wobei dieser zusätzlich teilweise auch eine unterschiedliche Temperatur als die Umgebungsluft aufweist. Aus diesen Erwägungen spielt auch keine Rolle, dass im Bereich der gegenständlichen Liegenschaft häufig Wind weht. Völlig zutreffend haben die Vorinstanzen das zielgerichtete, mechanisch betriebene Ausblasen von Luft unmittelbar auf das Grundstück der Kläger untersagt.
[14] 1.3. Das „Entwicklungspotential und die steigende Bedeutung“ von Luftwärmepumpen rechtfertigt entgegen der Rechtsansicht der Beklagten keine abweichende Beurteilung. Es wäre ihnen ja freigestanden, die Luftausblasöffnungen zu ihrem eigenen Garten hin und nicht zum Grundstück der Kläger hin zu errichten.
[15] 1.4. Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Zum Rekurs:
[16] 2.1. Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Gase, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Dieses Untersagungsrecht besteht dann, wenn die auf die benachbarte Liegenschaft wirkenden Einflüsse einerseits das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigen und zugleich die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigen, wobei die örtlichen Verhältnisse in beiden Belangen zu beachten sind (RS0010587). Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0010558; 10 Ob 46/04v). Die Frage, ob eine Immission (noch) als ortsüblich zu beurteilen ist, ist nicht allein aufgrund rein empirischer Ergebnisse, sondern auch anhand normativer Wertungen zu prüfen; die Ortsüblichkeit ist somit auch ein wertungsabhängiger Rechtsbegriff (7 Ob 286/03i). Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und der Zweckbestimmung des beeinträchtigten Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des durch die Einwirkungen Betroffenen befindet (RS0010607; RS0010557; RS0010583; 2 Ob 1/16k).
[17] Da die Normen des Nachbarrechts dem Interessenausgleich dienen und in hohem Maß einer wertenden Auslegung zugänglich sind, sind Immissionen jedenfalls zu dulden, wenn sie keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung hervorrufen, mögen sie auch noch so ortsunüblich sein (10 Ob 20/11f [ErwG 4.1.]).
[18] 2.2. Ganz allgemein sind (auch) bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung im besonderen Maß die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (RS0010583 [T2]). Ähnlich wird in der Literatur formuliert, dass die Normen des Nachbarrechts dem Interessenausgleich dienen und gerade daher in hohem Maße einer wertenden Auslegung zugänglich sind (Oberhammer/Scholz-Berger in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 364 Rz 15). Es geht darum, ob der Kern der geschützten Nutzung beeinträchtigt wird, was wiederum von Ausmaß und Häufigkeit der Beeinträchtigung determiniert wird (Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 ABGB Rz 233; 6 Ob 60/20x).
[19] 2.3. Die Rechtsprechung geht im Allgemeinen – im Sinn eines beweglichen Systems – davon aus, dass die Beeinträchtigung der Benutzung umso wesentlicher sein muss, je näher die Immission an der Ortsüblichkeit liegt (8 Ob 128/09w; 6 Ob 60/20x). Je mehr schließlich die schädlichen Immissionen auf ein Manko in der Sphäre des Störers zurückzuführen sind, umso weniger kann man Abhilfemaßnahmen durch den Betroffenen im Rahmen der Prüfung der Beeinträchtigung auf ihre Wesentlichkeit als zumutbar ansehen (RS0132173). Dabei ist unter anderem darauf Bedacht zu nehmen, ob der Störer den beeinträchtigenden Zustand durch „unsachgemäßes Vorgehen“ geschaffen hat (6 Ob 60/20x; 6 Ob 247/20x [ErwG 2.6.]).
[20] 2.4. Bei Lärmemmissionen kommt es nicht bloß auf die objektiv messbare Lautstärke an; zu beachten ist vielmehr auch, ob die Störung häufig und lang andauernd erfolgt. Maßgeblich sind weiters die Tageszeit (RS0037203), aber auch die „subjektive Lästigkeit“ des Geräuschs: Dabei ist aber wiederum nicht auf das Empfinden des einzelnen Betroffenen abzustellen, die Lästigkeit ist vielmehr am Empfinden eines durchschnittlichen Bewohners des betroffenen Grundstücks zu messen. Es kommt mit anderen Worten darauf an, ob das Geräusch unabhängig von der Lautstärke aufgrund seiner besonderen Eigenart gemeinhin als störend empfunden wird (vgl RS0010557; näher Th. Aigner, Über die Bedeutung subjektiver Eigenschaften des Nachbarn bei der Immissionsabwehr, RdU 2016/116, 191; siehe aber auch 8 Ob 635/92, wonach dann, wenn von einem Durchschnittsmenschen Erhöhungen bis 5 dB[A] kaum wahrgenommen werden, auch unter Berücksichtigung der Besonderheit des Lärms [in concreto: Tennislärm] eine Erhöhung des Geräuschpegels von mehr als 5 dB[A] vorliegen muss, damit die ortsübliche Benützung wesentlich beeinträchtigt wird). Als nicht nur das ortsübliche Maß überschreitende, sondern zugleich auch die ortsübliche Benutzung wesentlich beeinträchtigende Immissionen werden demnach etwa solche angesehen, die die empfindliche Störung der Nachtruhe in einer Wohngegend zur Folge haben (vgl 1 Ob 262/97d; 5 Ob 219/07b); das ist in der Regel dann der Fall, wenn normal empfindliche Menschen durch das als lästig empfundene Geräusch in ihrem Ruhe- und Schlafbedürfnis wesentlich gestört werden (siehe RS0037171; 6 Ob 247/20x [ErwG 2.4.]).
[21] 2.5. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts bieten die detaillierten Feststellungen des Erstgerichts eine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass nach dem Sachverständigengutachten die Messung beim Sitzplatz der Kläger in der Laube bei einer Lüfterdrehzahl von 60 % ein Ergebnis von 46,1 dB brachte. Das Erstgericht hat nachvollziehbar dargestellt, dass der von einer Wärmepumpenanlage ausgehende Lärm, nämlich ein durchgehendes, im tieffrequenten Bereich angesiedeltes Brummen bzw Summen, die Kläger erheblich stört und dies nicht auf einer besonderen Empfindlichkeit der Kläger beruht. In Anbetracht der vom Sachverständigen vorgenommenen detaillierten Messungen in Zusammenhalt mit den getroffenen Feststellungen zur Auswirkung des Lärms auf das Nutzungsverhalten der Kläger sind weitere Feststellungen zum subjektiven Eindruck, wie ihn sich die Erstrichterin bei einem Lokalaugenschein verschaffen könnte, nicht erforderlich. Anschaulich ist auch der Vergleich des Erstgerichts mit dem Brummen eines Kühlschranks.
[22] 2.6. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts sind die Kläger auch nicht zu einer Änderung ihres Nutzungsverhaltens verpflichtet. Wäre ein Nachbar verpflichtet, die Unwesentlichkeit der Immissionen dadurch zu bewirken, dass er selbst seinerseits (schützende) Maßnahmen gegen die von der Nachbarliegenschaft ausgehenden Immissionen setzen müsste, würde dies darauf hinauslaufen, dass der Störer den Nachbarn zu Verhaltensänderungen zwingen kann (Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 ABGB Rz 238, 219 jeweils mwN).
[23] Dies kann – wenn überhaupt – nur in besonderen Ausnahmefällen zutreffen (Kerschner/Wagner aaO Rz 238: „seltenen Ausnahmefällen“). Wenn Kerschner/Wagner in ihrer Kommentierung (aaO) auf die Entscheidung 10 Ob 20/11f verweisen, so lag dieser Entscheidung ein Fall zugrunde, in dem in den Monaten Juni bis August um die Mittagszeit mehrmals die Woche jeweils für die Dauer von etwas mehr als einer Stunde bei Sonnenschein vom Ziegeldach des Hauses der Kläger auf den Balkon und Teilbereiche des Wohn- und Esszimmers der Beklagten ausgehende Sonnenreflexe (Aufhellungen) und dadurch eine Blendwirkung auftraten. Dabei trat lediglich bei direktem Blick auf das Dach eine starke physiologische Blendung ein. Bei dieser Sachlage billigte der Oberste Gerichtshof die Beurteilung der Vorinstanzen, dass diese Blendwirkung zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung führe, zumal die Einwirkungen nur zeitlich beschränkt auftraten und ihnen zudem durch Verwendung eines (schwenkbaren) Sonnenschirms sowie die Benutzung von Jalousien begegnet werden könne. Eine allgemeine Verpflichtung des gestörten Nachbarn, sein Nutzungsverhalten zu ändern, um seinem Nachbarn die Fortsetzung der Immissionen zu ermöglichen, ist aus dieser Entscheidung nicht abzuleiten.
[24] In Anbetracht der zielgerichteten Anbringung der Ausblasöffnungen im vorliegenden Fall an der Grenze zur Liegenschaft der Kläger hin kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Beklagten in eine bereits Jahre oder Jahrzehnte lange Nutzung des Grundstücks durch die Kläger eingegriffen haben. Bei dieser Sachlage schlägt die Interessenabwägung nach § 364 Abs 2 ABGB (vgl dazu RS0121873; 2 Ob 111/07y) jedenfalls zu Gunsten der Kläger aus.
[25] 2.7. Damit erweist sich die Rechtssache aber auch insoweit bereits als spruchreif, sodass im Sinne des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO sofort in der Sache selbst zu erkennen und die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.
Zur Kostenentscheidung:
[26] Aufgrund der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts war auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens neu zu fassen. Diese sowie die Entscheidung über die Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E133303European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0060OB00171.21X.1020.001Im RIS seit
22.12.2021Zuletzt aktualisiert am
09.02.2022