Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vizthum als Schriftführerin in der Strafsache gegen * K* und * H* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten H* gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 18. Juni 2021, GZ 23 Hv 67/19m-73, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, der Verteidiger Mag. Lakovic und Mag. Wanderer sowie des Privatbeteiligten Re* zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil und der Verweisung von Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg unberührt bleibt, aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
K* und H* werden gemäß § 259 Z 3 StPO von den Vorwürfen freigesprochen, sie hätten im bewussten und gewollten Zusammenwirken von November 2007 bis Ende 2009, K* darüber hinaus auch von Jänner 2010 bis September 2013 in B* und andernorts gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz im angefochtenen Urteil namentlich genannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich das Versprechen, die übergebenen Geldbeträge gewinnbringend anzulegen und die Investments samt Zinsen und Gewinnanteil innerhalb von drei Jahren auszuzahlen, dazu verleitet, entsprechende Vereinbarungen zu unterfertigen und infolge über Aufforderung und teilweise massives Drängen sukzessive im Urteil aufgelistete Geldbeträge in einem 300.000 (K*) bzw 5.000 Euro (H*) übersteigenden Betrag von zumindest 480.604,40 bzw 167.340 Euro an H*, K* und an von K* beauftragte Personen zu übergeben.
Mit der Berufung wegen Strafe wird H* hierauf verwiesen, seine Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.
Der Privatbeteiligte Re* wird mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen – auch den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Mitangeklagten * K* wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 „Abs 2“ (s Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 147 Rz 61), Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und einen ebenso in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Nachgenannten von gleichartigen Vorwürfen (zu Unrecht auch von der rechtlichen Kategorie; vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1) enthaltenden – Urteil wurde * H* des Verbrechens des (richtig) gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
[2] Danach haben K* und H* „im bewussten und gewollten Zusammenwirken von November 2007 bis Ende 2009, K* darüber hinaus von Jänner 2010 bis September 2013 in B* und andernorts gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, nachstehend genannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich das Versprechen, das Geld in der Schweiz oder auf den Cayman Inseln gewinnbringend anzulegen und die Investments samt Zinsen und Gewinnanteil innerhalb von drei Jahren auszuzahlen, dazu verleitet, entsprechende Vereinbarungen zu unterfertigen und in Folge über Aufforderung und teilweise massives Drängen sukzessive Geldbeträge in einem 300.000 (K*) bzw 5.000 Euro (H*) übersteigenden Betrag von zumindest gesamt 480.604,40 Euro bzw 167.340 Euro an K*, H* und an von K* beauftragte Personen zu übergeben, und zwar
a./ betreffend K*
1. * E* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 6.370 Euro,
2. * Er* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 5.130 Euro,
3. * F* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 12.520 Euro,
4. E* Fr* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 5.000 Euro,
5. M* Fr* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 41.020 Euro,
6. * G* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 27.620 Euro,
7. * K* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 3.420 Euro,
8. * Ko* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 8.870 Euro,
9. * L* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 6.720 Euro,
10. * Li* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 2.920 Euro,
11. * Lo* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 8.370 Euro,
12. * M* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 16.520 Euro,
13. * N* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 8.370 Euro,
14. * No* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 18.520 Euro,
15. * O* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 57.520 Euro,
16. * P* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 51.720 Euro,
17. * R* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 5.700 Euro,
18. B* Re* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 10.510 Euro,
19. C* Re* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 95.094,40 Euro,
20. * S* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 15.120 Euro,
21. * Sch* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 12.720 Euro,
22. * Sc* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 4.800 Euro,
23. * St* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 14.570 Euro,
24. * V* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 9.220 Euro,
25. A* W* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 7.370 Euro,
26. M* W* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 8.870 Euro,
27. * Z* zur Übergabe eines Gesamtbetrags von 16.020 Euro;
b./ betreffend H*
1./ * Er* zur Übergabe von zumindest 1.000 Euro,
2./ * F* zur Übergabe von zumindest 2.720 Euro,
3./ * Fr* zur Übergabe von zumindest 7.000 Euro,
4./ * L* zur Übergabe von zumindest 7.020 Euro,
5./ * M* zur Übergabe von zumindest 9.800 Euro,
6./ * N* zur Übergabe von zumindest 11.000 Euro,
7./ * O* zur Übergabe von zumindest 53.520 Euro,
8./ * P* zur Übergabe von zumindest 15.000 Euro,
9./ * Re* zur Übergabe von zumindest 16.510 Euro,
10./ * S* zur Übergabe von zumindest 17.720 Euro,
11./ * St* zur Übergabe von zumindest 10.220 Euro,
12./ * V* zur Übergabe von zumindest 6.030 Euro und
13./ * Z* zur Übergabe von zumindest 9.800 Euro.“
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*.
[4] Die zusätzlich angemeldete Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil eine solche im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO).
[5] Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) macht zutreffend geltend, dass die – vom Schöffengericht durch den Schuldspruch implizit vorgenommene – rechtliche Beurteilung, die Strafbarkeit des in Rede stehenden Verhaltens sei nicht verjährt, auf Basis der Urteilskonstatierungen rechtsirrig (siehe in diesem Sinn auch US 18 in Ansehung dieses Angeklagten) erfolgte.
[6] Das Erstgericht ist zu Recht von der Anwendbarkeit des im Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts (§§ 146, 147 Abs 2, 148 StGB idF BGBl I 2015/112) ausgegangen (§ 61 zweiter Satz StGB; vgl US 17).
[7] Für die Berechnung der Verjährungsfrist ist von der zweiten in § 148 StGB genannten Strafdrohung (von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) auszugehen, womit die – mit Beendigung des deliktischen Verhaltens beginnende (§ 57 Abs 2 zweiter Satz StGB) – Verjährungsfrist fünf Jahre beträgt (§ 57 Abs 3 dritter Fall StGB) und demnach Ende 2014 abgelaufen war.
[8] Zudem hat das Schöffengericht konstatiert, dass – erst – am 5. Juli 2018 gegen H* Strafanzeige erstattet wurde, die Vernehmung des Beschwerdeführers am 25. März 2019 stattfand und „sonstige verjährungshemmende Umstände“ nicht eingetreten sind (US 10 f).
[9] Die Strafbarkeit der (noch) in Rede stehenden Taten des Beschwerdeführers ist daher jedenfalls verjährt und der diesen betreffende Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO nichtig.
[10] Dies trifft, weil die Anwendung des Zusammenrechnungsgrundsatzes nach § 29 StGB nichts daran ändert, dass Strafbarkeitsvoraussetzungen wie (hier) das Nichtvorliegen der Verjährung bei Tatmehrheit für jede Tat gesondert zu prüfen sind (RIS-Justiz RS0132829, RS0128998, Marek in WK2 StGB § 57 Rz 12), auch auf den Angeklagten K* zu, der die Nichtigkeitsbeschwerde nicht ergriffen hat. Auch bei diesem Angeklagten konstatierte das Erstgericht die Anzeigeerstattung am 5. Juli 2018, seine Vernehmung am 16. April 2019 und den Nicht-Eintritt verjährungshemmender Umstände, weswegen die Strafbarkeit der Taten des K* bei gleichfalls fünfjähriger Verjährungsfrist, die Ende 2018 ablief, ebenfalls verjährt ist. Für die zehnjährige Verjährungsfrist (§§ 147 Abs 3 iVm 57 Abs 3 2. Fall StGB) – von der das Erstgericht ausging (US 17) – hätte es einer Tat mit einem Schaden von mindestens 300.000 Euro maximal zehn Jahre vor dem 16. April 2019 bedurft. Das ist nach den tatrichterlichen Annahmen auszuschließen.
[11] Demgemäß war – teilweise in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H* sowie aus deren Anlass (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden (RIS-Justiz RS0118545). Die Verweisung des Privatbeteiligten Re* mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg ist Folge des Freispruchs (siehe dazu RIS-Justiz RS0124740).
Textnummer
E133306European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0110OS00113.21H.1102.000Im RIS seit
22.12.2021Zuletzt aktualisiert am
22.12.2021