Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Musger und Dr. Nowotny, die Hofrätin Mag. Malesich und den Hofrat MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B* S*, vertreten durch Dr. Michael Böhme, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A* Zrt, *, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.649.592,42 EUR sA, Rente (810.168,12 EUR) und Feststellung (31.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2020, GZ 15 R 98/20x-366, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Mai 2020, GZ 28 Cg 36/10k-358, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I.1. Aus Anlass der außerordentlichen Revision der klagenden Partei werden die Urteile der Vorinstanzen und das ihnen vorangegangene Verfahren im Umfang der Entscheidung über das Feststellungsbegehren, wonach die beklagte Partei der klagenden Partei für jeden Nachteil hafte, der „aus nicht periodengerechter und rückständiger Zahlung entstehe, namentlich Mehrsteuern und Mehrsteuern von Mehrsteuern und so fort; das ohne die Beschränkung auf die Versicherungssumme“, als nichtig aufgehoben, soweit damit über andere Nachteile als Verzugszinsen und Prozesskosten abgesprochen wurde. Das Klagebegehren wird insoweit zurückgewiesen.
Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Verfahrenskosten aller drei Instanzen werden gegenseitig aufgehoben.
2. Im Übrigen wird der außerordentlichen Revision der klagenden Partei Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden, soweit sie über die Feststellung einer nicht mit der Versicherungssumme begrenzten Haftung für Verzugszinsen und Prozesskosten absprechen, aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
II. Der außerordentlichen Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Stattgebung des Leistungsbegehrens mit 831.020,75 EUR sA und monatlichen Renten von 20.263,03 EUR ab 1. Jänner 2020 sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die hierauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Am 13. 10. 2005 ereignete sich in Ungarn ein Verkehrsunfall, an dem der damals 31-jährige Kläger mit seinem in Österreich zugelassenen PKW und der Lenker eines bei der Beklagten, einer ungarischen Versicherungsgesellschaft, haftpflichtversicherten Sattelzugs beteiligt waren. Der Kläger wurde bei dem Unfall schwer verletzt. Den Lenker des Sattelzugs trifft das Alleinverschulden am Unfall; er wurde vom Stadtgericht Veszprém wegen fahrlässiger Verursachung eines Verkehrsunfalls für schuldig befunden.
[2] Der Kläger hatte nach seiner Matura an der Fachmittelschule für Musik in Györ, wo er sich schon auf das Instrument Posaune spezialisiert hatte, die Aufnahmeprüfung an der damaligen Musikhochschule (heute: Musikuniversität) Wien mit der höchsten Punkteanzahl abgelegt und 1993 mit dem Studium im Konzertfach Posaune begonnen. Er war ein äußerst talentierter Musiker und einer der besten seiner Klasse. Im Hochschulorchester hatte er stets die Stelle des ersten Posaunisten inne. Da er aufgrund seines herausragenden Könnens sehr gefragt war, wirkte er schon während seines Studiums immer wieder bei einzelnen Projekten namhafter Orchester mit, zB bei den Wiener Symphonikern, dem ORF-Orchester und den Wiener Philharmonikern. Außerdem spielte er regelmäßig in mehreren Ensembles und Kammerorchestern und schon im Jahr 2001 mit dem „Ensemble Wiener Collage“ ein Konzert gemeinsam mit einem Posaunenprofessor der Musikuniversität, der erster Soloposaunist bei den Wiener Philharmonikern war. Das war deshalb eine Besonderheit, weil dieser Professor nicht die Klasse des Klägers, sondern die Parallelklasse leitete und ein Professor üblicherweise einen eigenen Schüler für eine solche Veranstaltung auswählt. Der Kläger absolvierte beide Diplomprüfungen seines Musikstudiums mit Auszeichnung und beendete das Studium im Jahr 2003.
[3] Nach dem Studium spielte er weiterhin in den verschiedenen Ensembles und bei Orchesterprojekten, wobei er so viele Anfragen hatte, dass er sie sich aussuchen konnte. Er spielte beim „Blechhaufen“ und erhielt auch einen Einjahresvertrag beim Volksopernsymphonieorchester. Seit 2002 oder 2003 unterrichtete der Kläger mit einem freien Dienstvertrag einige Stunden an der Johann-Sebastian-Bach-Musikschule in Wien, wo ihm eine fixe Anstellung ab September 2006 sicher gewesen wäre. Seit September 2004 unterrichtete er an einer weiteren Musikschule und gab auch Privatstunden. Im Jahr 2005 verdiente der Kläger bis zu seinem Unfall mindestens 22.526 EUR brutto. Nähere Feststellungen zu seinem Verdienst vor dem Unfall konnten nicht getroffen werden.
[4] Der Kläger erlitt bei dem Unfall ein lebensgefährliches Polytrauma mit einem Schädel-Hirntrauma mit frontaler, offener Schädelbasisfraktur, beidseitige frontale und rechts temporale Contusionsblutungen, Subarachnoidalblutung, Hirnödem und Hirnnervläsionen; ein komplexes Gesichtsschädeltrauma mit Nasenbeinfraktur, Frakturen der Augenhöhlenwände beidseits, Jochbogen- und Oberkieferbrüchen beidseits und Bruch des seitlichen Anteiles der Kiefergelenkspfanne links; Serienrippenbrüche und Lungencontusionen beidseits sowie einen handgelenksnahen Flexionsbruch der rechten Speiche.
[5] Durch die Vernarbungen an Ober- und Unterlippe ist die Feinmotorik der Lippen erheblich gestört. Der Kläger leidet unfallbedingt an einer Innenohrschwerhörigkeit und an einem therapieresistenten Tinnitus. In seinem Beruf als Konzertposaunist und Posaunenlehrer ist der Kläger dauerhaft zu 100 % erwerbsunfähig. Die verbliebenen Dauerfolgen verhindern auch jede sonstige professionelle Beschäftigung mit Musik. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt beträgt die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Summe 75 %.
[6] Für den Kläger war es das selbstverständlich angestrebte Karriereziel gewesen, Mitglied der Wiener Philharmoniker zu werden. Bis zum Tag des Unfalls hatte er aber noch nicht an einem Probespiel für eine solche Stelle teilgenommen. Das Alterslimit für eine Bewerbung bei den Wiener Philharmonikern war damals 35 Jahre. In dem dem Kläger zur Verfügung stehenden Zeitfenster fand ein größerer Generationenwechsel statt und der Kläger wusste, dass in absehbarer Zeit einige Posaunistenstellen wegen Pensionierungen nachbesetzt werden mussten. Der Kläger hatte die besten Chancen und konnte sich mit all seinen Studienkollegen, die diese Position erreicht haben, messen. Außerdem war er den Orchesterverantwortlichen durch seine substitutionsweisen Mitwirkungen bereits bekannt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wäre der Kläger spätestens mit Vollendung seines 35. Lebensjahres im Juni 2009 Mitglied der Wiener Philharmoniker geworden. Neben der Tätigkeit im Staatsopernorchester und als Philharmoniker hätte der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch eine volle Lehrtätigkeit an einer Musikuniversität ausgeübt und einen vergleichbaren Karriereverlauf gehabt und auch dasselbe verdient, wie vier bestimmte Studienkollegen. Das waren im Jahr 2015 im Durchschnitt monatlich netto 3.140 EUR für Lehrtätigkeit, 3.967 EUR für Orchestertätigkeit und 4.208 EUR bei den Philharmonikern bzw für sonstige Engagements, zusammen durchschnittlich 11.315 EUR monatlich netto. Der Kläger hätte in den Jahren 2010 bis 2018 insgesamt 1.192.092 EUR netto und ab 1. 1. 2019 monatlich 12.240 EUR netto verdient.
[7] Der Kläger versuchte und versucht weiterhin eine berufliche Neuorientierung. Im Oktober 2006 begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften, das er wegen seiner unfallbedingten Verletzungen nicht in demselben Tempo betreiben konnte wie ein gesunder Mensch. Die Beeinträchtigung des rechten Handgelenks erschwerte es ihm, mehrstündige schriftliche Prüfungen zu absolvieren, und durch die eingeschränkte Gedächtnisleistung sind seine Merkfähigkeit und Konzentration reduziert. Er musste jede Prüfung mindestens zwei- bis dreimal machen und es gab solche, die er nie bestand. Im Februar 2019 hatte der Kläger etwas mehr als die Hälfte seines Studiums absolviert, betrieb es aber schon seit einiger Zeit nicht weiter. Allein in den letzten Jahren verschickte er mehr als 200 erfolglose Bewerbungen, wobei er sich ua als Hilfskraft bei McDonald's und für verschiedene Bürotätigkeiten bis hin zum juristischen Assistenten bewarb. Ab 17. 2. 2020 arbeitete der Kläger in einem auf ein Jahr befristeten, nicht verlängerbaren Ausbildungsverhältnis als Verwaltungspraktikant im Bundesministerium für Justiz ohne Rechtsanspruch auf eine Übernahme in ein Dienstverhältnis zur Republik Österreich. In den ersten Monaten verdiente er inklusive anteiliger Sonderzahlungen monatlich 1.179,09 EUR brutto, ab Juni 2020 waren es 2.358,18 EUR brutto.
[8] Von der AUVA wurde der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger erhält eine monatliche Versehrtenrente, und zwar im Zeitraum von Mai 2010 bis Ende 2019 insgesamt 55.140,16 EUR, seit 1. 1. 2020 beträgt sie 446,61 EUR netto. Von der PVA erhielt der Kläger von Mai 2010 bis Juni 2011 ein Übergangsgeld von insgesamt 18.050,20 EUR und von Juli 2011 bis Ende 2014 eine Berufsunfähigkeitspension von insgesamt 48.656,65 EUR. Vom 1. 1. 2015 bis zum Beginn seiner Praktikantentätigkeit am 17. 2. 2020 bezog er auch Notstandshilfe, die zunächst 268 EUR und zuletzt 530 EUR monatlich betrug.
[9] Abzüglich der Versehrtenrente, des Übergangsgeldes und der Berufsunfähigkeitspension, jedoch ohne Berücksichtigung der Notstandshilfe errechnet sich für die Jahre 2010 bis 2018 ein Verdienstentgang von 1.066.272 EUR netto, seit 1. 1. 2019 beläuft er sich auf 11.728 EUR netto monatlich. Die monatliche Bruttorente auf Basis dieses Nettoverdienstentgangs beträgt im Jahr 2018 20.947,55 EUR und ab dem Jahr 2019 21.435,55 EUR. Mit Stichtag 1. 1. 2020 betrug das statistisch zu erwartende Lebensalter des Klägers 79,62 Jahre.
[10] Mit Teilurteil vom 4. 4. 2016, abgeändert mit Berufungsurteil vom 19. 7. 2016, wurden dem Kläger bisher 86.064,38 EUR sA zuerkannt, darin 35.259,78 EUR für „sonstige Schäden“ und 50.804,60 EUR an immateriellem Schadenersatz. Ferner wurde die Haftung der Beklagten „für sämtliche Folgen“ aus dem Verkehrsunfall vom 13. 10. 2005 in Ungarn bis zur Höhe der dem Haftpflichtversicherungsvertrag über den ungarischen Sattelzug zugrunde liegenden Versicherungssumme festgestellt. Ein Leistungsmehrbegehren von 133.032,70 EUR sA, darin ua enthalten 32.997,30 EUR verjährter Verdienstentgang (bis April 2010), und das Feststellungsmehrbegehren, gerichtet auf Haftung ohne Beschränkung mit der Höhe der Versicherungssumme, wurden abgewiesen. Das Teilurteil ist rechtskräftig.
[11] Nach der sechsten Klagsänderung am 19. 2. 2020 begehrte der Kläger zuletzt die Zahlung von 1.649.592,42 EUR brutto (Verdienstentgang von Mai 2010 bis Dezember 2019 kapitalisiert) und ab 1. 1. 2020 von monatlich 22.504,67 EUR brutto als Verdienstentgangsrente jeweils samt Verzugszinsen. Dazu stellte er auch Eventualbegehren.
[12] Bereits in seiner Klage hatte der Kläger neben dem allgemeinen (durch das rechtskräftige Teilurteil erledigten) ein weiteres Feststellungsbegehren gestellt, das in seiner letzten Fassung lautete:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger die auf diese Beträge (Anm.: gemeint sind die monatlichen Nettobeträge) entfallende Einkommen-steuer und die auf Ersatzbeträge für diese Einkommensteuer entfallende Einkommensteuer (Steuer von der Steuer) so lange zu ersetzen habe, bis dem Kläger die Nettobeträge verbleiben.
[13] Am 15. 3. 2019 formulierte der Kläger folgendes weiteres Feststellungsbegehren:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger für jeden Nachteil hafte, der aus nicht periodengerechter und rückständiger Zahlung entstehe, namentlich Mehrsteuern und Mehrsteuern von Mehrsteuern und so fort; das ohne die Beschränkung auf die Versicherungssumme.
[14] Der Kläger brachte vor, er habe als klassischer Konzertposaunist hervorragende Karriereaussichten gehabt. Da er seinen Beruf nicht mehr ausüben könne, erleide er einen Verdienstentgang. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge wäre er ohne den Unfall Mitglied der Wiener Philharmoniker geworden und hätte an einer Musikuniversität eine bezahlte Lehrtätigkeit ausgeübt. Er hätte damit zumindest das gleiche Einkommen wie andere (namentlich genannte) Kollegen erzielt. Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht sei ihm nicht vorwerfbar. Die von ihm bezogenen Leistungen von Sozialversicherungsträgern habe er in seinem Klagebegehren bereits berücksichtigt. Anspruchszinsen, Prozesskosten und die durch die Zahlungsverschleppung auflaufende „Mehrsteuer“ seien in die Versicherungssumme nicht einzurechnen. Soweit die ungarische Regierungsverordnung Nr 190/2004 anderes vorsehe, verstoße sie gegen den inländischen ordre public. Ein Deckungskonkurs liege nicht vor, der Diskontierungszinssatz betrage zumindest 3 %.
[15] Die Beklagte wandte ein, der begehrte Verdienstentgang sei unrichtig berechnet und höchst spekulativ, der Kläger könne nur auf Basis seines vor dem Unfall erzielten Durchschnittseinkommens Schadenersatz verlangen. Der Kläger habe im Zeitpunkt des Unfalls weder einen Rechtsanspruch noch eine gesicherte Rechtsposition im Hinblick auf den behaupteten Verdienst gehabt. Die vier Kollegen, auf die er sich als Vergleichspersonen beziehe, seien nicht repräsentativ. Der Kläger habe seine Schadensminderungsobliegenheit verletzt. Es wäre ihm zumutbar gewesen, einer seiner unfallskausalen Minderung der Erwerbsfähigkeit, die bei richtiger Beurteilung nach ungarischem Recht nur 45 % betrage, entsprechenden Tätigkeit nachzugehen. Seine Bewerbungsschreiben hätten nicht den Anforderungen und Standards einer modernen Stellenbewerbung entsprochen. Außerdem müsse sich der Kläger sämtliche Leistungen der Sozialversicherungsträger anrechnen lassen, ebenso die Notstandshilfe und sein derzeitiges Arbeitseinkommen. Der Kläger hätte ohne den Unfall nicht über das gesetzliche Pensionsalter von 65 Jahren hinaus gearbeitet, das er im Jahr 2039 erreiche. Ab diesem Zeitpunkt sei nur mehr die ASVG-Pension anzusetzen. Das ungarische Recht kenne keine automatische Aufwertung der Rente, sondern nur einen festen, periodisch wiederkehrenden Rentenbetrag. Bei Änderung der tatsächlichen Verhältnisse könne jede Partei ein Änderungsbegehren stellen. Nach der ungarischen Regierungsverordnung Nr 190/2004 bestehe für Personenschäden ein Haftungshöchstbetrag von 1.250.000.000 HUF (am Unfallstag umgerechnet 4.974.332,44 EUR) und zwar für Kapital, Zinsen und Kosten. Daher seien auch die Anspruchszinsen und die Prozesskosten des Klägers zu schätzen und in die Berechnung des Deckungskonkurses mit einzubeziehen. Demnach stünden der Versicherungssumme die vom Kläger behaupteten Ansprüche und die (drohenden) Regressforderungen der Sozialversicherungsträger in einer Gesamthöhe von 10.682.049,57 EUR gegenüber. Der Kapitalisierungszinssatz ergebe sich aus dem einschlägigen Erlass des ungarischen Finanzministeriums mit 0 %, insoweit sei ein Gleichklang mit den Regelungen zur Bildung von Rentenreserven herzustellen. Daraus folge ein Kürzungsfaktor von 53,10 %. Dem Kläger fehle es infolge der bereits rechtskräftig festgestellten Haftung der Beklagten bis zur Höhe der Versicherungssumme am rechtlichen Interesse an den Feststellungsbegehren, jenes, das ohne Beschränkung auf die Versicherungssumme geltend gemacht werde, sei überdies verjährt.
[16] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, dem Kläger 836.020,75 EUR sA (1.) sowie monatliche Renten von jeweils 20.263,03 EUR ab 1. 1. 2020 (3.) zu bezahlen und gab dem (deutlicher gefassten) zweiten der beiden verbliebenen Feststellungsbegehren statt (6.). Dagegen wies es das Leistungsmehrbegehren von 813.571,67 EUR sA (2.), das Rentenmehrbegehren von monatlich 2.241,64 EUR (4.) und das erste verbliebene Feststellungsbegehren (5.) ab.
[17] Das Erstgericht führte aus, gemäß § 357 Abs 4 ungBGB seien bei der Ermittlung des Verdienstentgangs zukünftige Einkommensentwicklungen dann zu berücksichtigen, wenn mit deren Eintreffen zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits im Voraus „mit absoluter Sicherheit“ gerechnet werden könne, worunter nach ungarischem Recht „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu verstehen sei. Der Kläger hätte spätestens ab Juni 2009 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die gleiche Karriere wie seine Kollegen gemacht, sodass dieses fiktive Einkommen der Berechnung des Verdienstentgangs zugrunde zu legen sei. Das fiktive Einkommen vermindere sich zwar grundsätzlich entsprechend der verbliebenen Restarbeitsfähigkeit, dies seien beim Kläger 45 %. Diese sei jedoch im konkreten Fall nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger trotz all seiner Bemühungen den Lohnausfall nicht verhindern habe können, sodass ihn daran kein Verschulden treffe. Das nunmehr erzielte Einkommen als Verwaltungspraktikant sei nicht anzurechnen, weil es auf einer „außerordentlichen Anstrengung“ beruhe. Nicht anzurechnen sei auch die Notstandshilfe, die nicht aufgrund eines Versicherungsverhältnisses gewährt werde und keinen Bezug zum Unfall habe. Für die Berechnung des Verdienstentgangs sei daher zunächst von den Nettobeträgen abzüglich der Versehrtenrente, des Übergangsgeldes und der Berufsunfähigkeitspension auszugehen. Der Kläger habe bis Mai 2018 die Renten nur mit Nettobeträgen geltend gemacht, sodass ihm auch nur diese Beträge zuerkannt werden könnten, soweit sie nicht verjährt seien und den tatsächlichen Nettoverdienstentgang nicht überschreiten würden. Dies seien 401.362,92 EUR. Für den Zeitraum Juni 2018 bis Dezember 2019 stünden dem Kläger, vorbehaltlich der Rentenkürzung, Bruttorenten von insgesamt 805.222,37 EUR zu.
[18] In die mit dem Tag des Unfalls auf Euro umzurechnende, für die Berichtigung von Personenschäden zur Verfügung stehende Versicherungssumme (4.971.980 EUR) seien zwar gemäß § 2 Abs 2 der Regierungsverordnung Nr 190/2004 auch die Kosten der Geltendmachung und die Anspruchszinsen einzubeziehen. In diesem Punkt widerspreche die Regierungsverordnung jedoch dem österreichischen ordre public, würden doch die Kosten im Falle des Deckungskonkurses den Haftungsfonds für den Geschädigten schmälern, während der Haftpflichtversicherer ohne jedes Risiko seinen Standpunkt verfechten könne. Dies gelte auch für die Anspruchszinsen, die trotz unberechtigter Zahlungsverzögerung letztlich nur den Geschädigten belasten würden, sowie für die als weitere Verzugsfolge entstehenden „Mehrsteuern“. All das sei daher nicht von der Versicherungssumme in Abzug zu bringen.
[19] Maßgeblicher Stichtag für die Berechnung des Barwerts der Verdienstentgangsrente sei der 6. 12. 2010 als Tag der Klagsbehändigung. Die Beklagte habe erstmals zu diesem Zeitpunkt Veranlassung gehabt, eine Barwertberechnung iSd § 7 Abs 3 der Regierungsverordnung Nr 190/2004 vorzunehmen. Zum Stichtag habe der Barwert der Rente für den Zeitraum von Mai 2010 bis Dezember 2019 662.560,46 EUR betragen. Für den Zeitraum vom 1. 1. 2020 bis zum statistischen Lebensende des Klägers sei der Barwert mit 4.108.918 EUR anzusetzen, das ergebe insgesamt einen Barwert der Rente von 4.771.478,46 EUR. Dazu kämen aus dem rechtskräftigen Teilurteil 83.568,84 EUR (der Rest entfalle auf Sachschäden) sowie tatsächliche und potenzielle Leistungen der Sozialversicherungsträger von 381.927,99 EUR. Somit stünden der Versicherungssumme von 4.971.980 EUR Forderungen von 5.236.975,09 EUR gegenüber, sodass Deckungskonkurs vorliege. Unter Einbeziehung der verbliebenen Unklarheit, ob nach ungarischem Recht auch Kapitalforderungen zu kürzen seien, ergebe sich eine Kürzungsquote von 5,47 %. Die berechtigte Verdienstentgangsforderung des Klägers für den Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2019 betrage daher 761.170,25 EUR; ab 1. 1. 2020 stehe dem Kläger eine monatliche Rente von 20.263,03 EUR zu.
[20] Bei periodengerechter Zahlung der Rentenbeträge wäre Einkommensteuer von 415.409,14 EUR angefallen. Werde der Gesamtbetrag im Jahr 2020 entrichtet, betrage diese Steuer 490.259,64 EUR, woraus sich eine jedenfalls zu ersetzende „Mehrsteuer“ von 74.850,50 EUR ergebe. Daraus resultiere ein Anspruch des Klägers von insgesamt 836.020,75 EUR.
[21] Zu seinem stattgebenden Ausspruch über das zweite Feststellungsbegehren führte das Erstgericht aus, dass die Zahlungspflicht nur bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung habe berechnet werden können. Da nicht vorhersehbar sei, ob diese Zahlungspflicht noch im Jahr 2020 erfüllt werde, habe der Kläger auch ein Interesse an der Feststellung der Haftung infolge späterer Zahlung. Hingegen mangle es dem ersten Feststellungsbegehren am rechtlichen Interesse.
[22] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es den Zuspruch des kapitalisierten Zahlungsbegehrens auf 831.020,75 EUR sA verringerte. Weiters wies es auch das zweite Feststellungsbegehren ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
[23] Das Berufungsgericht verneinte die gerügten Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Es hielt die Kritik der Beklagten am Verständnis des Erstgerichts von der ungarischen Rechtslage für nicht überzeugend und verwies auf das aktenkundige Rechtsgutachten. Danach sei es keineswegs erforderlich, dass vor dem Schadensfall die Änderung des künftigen Verdienstes sowohl zeitlich als auch betraglich bereits exakt feststehen hätte müssen, um einen hypothetischen Verdienst zusprechen zu können. Auch der Vergleich mit den tatsächlichen Einkünften der vier Studienkollegen des Klägers sei nicht zu beanstanden. Eine Begrenzung der Rente mit dem vermutlichen Pensionsantritt komme nach der ungarischen Lehre und Rechtsprechung nicht in Betracht. Eine zugesprochene Rente stehe unter der clausula rebus sic stantibus, sodass relevante künftige Änderungen mit Klage geltend gemacht werden könnten.
[24] Was die Einrechnung der Prozesskosten und der Zinsen in die Versicherungssumme anlange, sei eine solche so lange nicht möglich, bevor nicht ein Prozesserfolg des Klägers feststehe. Ein solcher Anspruch sei bisher nicht entstanden. Die Beklagte gebe auch keine Hinweise, welche Beträge „näherungsweise“ in die Versicherungssumme einzurechnen wären.
[25] Der Barwert der Rente sei auch nach ungarischem Recht nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu errechnen, wobei auch die Höhe des gesetzlich nicht geregelten Abzinsungszinssatzes eine Frage der Versicherungsmathematik und somit eine Tatfrage sei. Die Beklagte habe keine verwertbaren Quellen des ungarischen Rechts genannt, aus denen sich entgegen dem Rechtsgutachten ein bestimmter Zinssatz ergeben würde.
[26] In den weiteren Fragen der Barwertberechnung, der allfälligen Verletzung einer Schadensminderungspflicht, der Nichtberücksichtigung des infolge „außerordentlicher Anstrengung“ als Verwaltungspraktikant erzielten Arbeitseinkommens des Klägers sowie auch der Notstandshilfe, teilte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts. Zur Notstandshilfe meinte es, das Zessionsgrundstatut verweise insofern auf österreichisches Recht, weshalb die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur sachlichen Inkongruenz derartiger Sozialleistungen anzuwenden sei. Da der Schädiger den Verdienstentgang brutto zu leisten habe, habe das Erstgericht auch zutreffend die „Mehrsteuer“ ermittelt, die bei einer Gesamtzahlung im Jahr 2020 nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten sei. Die Einwände der Beklagten gegen das Zahlungsbegehren seien nur insoweit berechtigt, als eine Akontozahlung von 5.000 EUR bisher nicht auf den Verdienstentgang angerechnet worden sei.
[27] Allerdings sei auch hinsichtlich des zweiten Feststellungsbegehrens ein rechtliches Interesse des Klägers nicht ersichtlich. Das Erstgericht habe die „Mehrsteuer“ wegen nicht periodengerechter Zahlung ohnehin in seinem Zuspruch berücksichtigt. Soweit eine darüber hinausgehende Abgabenleistung aufgrund eigenen vorwerfbaren Fehlverhaltens der Beklagten entstehen sollte, handle es sich dabei um ein zukünftiges, bisher von der Beklagten nicht angedrohtes Verhalten, das in der Zukunft mit eigener Leistungsklage geltend gemacht werden könne, ohne dass sich die Position des Klägers verschlechtere. Dem Kläger mangle es daher am Feststellungsinteresse.
[28] Gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, jene der Beklagten strebt eine gänzliche Klagsabweisung an; hilfsweise stellt die Beklagte einen Aufhebungsantrag.
[29] In den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen beantragt der Kläger, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben; die Beklagte beantragt, jene des Klägers zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[30] I. Aus Anlass der Revision des Klägers ist zunächst wahrzunehmen, dass den Entscheidungen der Vorinstanzen über das noch streitverfangene Feststellungsbegehren teilweise der Nichtigkeitsgrund der rechtskräftig entschiedenen Sache anhaftet. Im Übrigen ist die Revision zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht das für den nicht von der Nichtigkeit betroffenen Teil des Begehrens maßgebende ungarische Recht nicht ermittelt hat.
[31] I.1. Die prozessualen Voraussetzungen eines Feststellungsbegehrens sind als verfahrensrechtliche Fragen auch dann nach österreichischem Recht zu beurteilen, wenn sonst nach internationalem Privatrecht ausländisches Sachrecht anzuwenden ist (RS0039127).
[32] I.2. Mit dem rechtskräftigen Teilurteil vom 4. 4. 2016 wurde die Haftung der Beklagten für „sämtliche Folgen“ (gemeint waren wohl nur die „künftigen“ Folgen; vgl RS0038934) des Unfalls bis zur Höhe der Versicherungssumme festgestellt; das auf eine Haftung über die Versicherungssumme hinaus gerichtete Mehrbegehren wurde ebenso rechtskräftig abgewiesen. Dieser Entscheidung lag ein allgemeines schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren zugrunde, das nicht auf bestimmte Schadensfolgen eingeschränkt war. Dies war auch nicht erforderlich: Denn für die Bejahung des Feststellungsinteresses genügte es, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnten, ohne dass es konkreter Angaben über die Art der zu erwartenden Schäden bedurfte (vgl 2 Ob 150/08k; 2 Ob 277/08m).
[33] I.3. Dieses Teilurteil erfasst grundsätzlich alle Ersatzansprüche, die sich aus der verzögerten Zahlung von Schadenersatzbeträgen ergeben. Das betrifft insbesondere die Ersatzpflicht der Beklagten für die aus verspäteten Zahlungen resultierenden steuerlichen Nachteile des Klägers. Diese Ersatzpflicht soll gewährleisten, dass dem Kläger ungeachtet des Zeitpunkts der Schadenersatzleistung jedenfalls der ihm gebührende Nettobetrag des entgangenen Verdienstes verbleibt. Sollten daher die „Mehrsteuern“ (auch) nach ungarischem Recht zu ersetzen sein (dazu näher in Punkt II.8.), so sind sie erstattungspflichtiger Teil des vom Schädiger zu leistenden Schadenersatzes und zählen zu den dem Schädiger zuzurechnenden (künftigen) „Folgen aus dem Verkehrsunfall“, über die mit dem Teilurteil vom 4. 4. 2016 bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist.
[34] I.4. Das noch strittige Feststellungsbegehren erfasst darüber hinaus (aufgrund seines allgemein gehaltenen Obersatzes) auch die Frage, ob Zinsen und Kosten, die sich aus der verzögerten Erfüllung von Ansprüchen ergeben, mit der Höhe der Versicherungssumme gedeckelt sind. Insofern liegt noch keine rechtskräftige Entscheidung vor. Denn bei Zinsen und Kosten handelt es sich um typische Nebenforderungen, die nach österreichischem Recht in Bezug auf die Einrechnung in die Versicherungssumme nicht das Schicksal der Hauptforderung teilen (näher unten Punkt II.6.2.). Das oben genannte Teilurteil kann daher (mangels jeder Erwähnung der Problematik in seiner Begründung) nicht dahin verstanden werden, dass damit auch darüber abgesprochen werden sollte, ob solche Nebenforderungen von der Deckelung mit der Versicherungssumme erfasst sind oder nicht.
I.5. Auf dieser Grundlage ist in Bezug auf das noch strittige Feststellungsbegehren zu differenzieren:
[35] a) Soweit dieses Begehren darauf gerichtet ist, ganz allgemein die Haftung der Beklagten für alle „Nachteile“ aufgrund verspäteter Zahlungen ohne betragsmäßige Beschränkung festzustellen, liegt mit dem rechtskräftigen Teilurteil entschiedene Sache vor; anderes gilt nur für die Nebenforderungen (Verzugszinsen und Prozesskosten). Dies ist gemäß § 411 Abs 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Nichtbeachtung der Rechtskraft bewirkt nach ständiger Rechtsprechung Nichtigkeit, die auch aus Anlass eines außerordentlichen Rechtsmittels wahrzunehmen ist (RS0041896). Die Urteile der Vorinstanzen sind daher einschließlich des ihnen vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufzuheben, soweit sie nicht über die Haftung für Zinsen und Kosten entschieden haben. Die Klage ist in diesem Umfang zurückzuweisen.
[36] b) Soweit die Vorinstanzen mit den nicht zwischen einzelnen „Nachteilen“ differenzierenden Urteilen auch über die unbeschränkte Haftung für Zinsen und Kosten entschieden haben, ist die Sache nicht spruchreif. Zwar besteht kein Zweifel am rechtlichen Interesse des Klägers an der Klärung dieser Frage. Allerdings haben die Vorinstanzen das auch dafür maßgebende ungarische Recht nicht ermittelt (näher Punkt II.6.2.). Insofern sind die Urteile der Vorinstanzen daher aufzuheben, und die Rechtssache ist zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
[37] I.6. Die Entscheidung über die auf den nichtigen Teil entfallenden Kosten gründet sich auf § 51 Abs 2 ZPO. Die Beklagte hat während des gesamten Verfahrens auf den Nichtigkeitsgrund nicht hingewiesen. Im Übrigen gründet sich der Kostenvorbehalt auf § 52 Abs 3 ZPO.
[38] II. Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil dem Berufungsgericht korrekturbedürftige Fehlbeurteilungen unterlaufen sind; sie ist im Sinne eines Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[39] Die Beklagte macht geltend, das Berufungsgericht habe das ungarische Recht in mehrfacher Hinsicht unrichtig angewandt. Der Kläger habe schon vor seinem Unfall als Berufsmusiker ein repräsentatives Einkommen bezogen, das nach § 357 Abs 1 ungBGB als Grundlage für die Berechnung des Verdienstentgangs heranzuziehen gewesen wäre. Allenfalls wäre ein durchschnittlicher freischaffender Musiker und Lehrer an einer Musikschule als Vergleichsperson iSd § 357 Abs 3 ungBGB in Frage gekommen. Doch selbst wenn für die zukünftige Einkommensänderung iSv § 357 Abs 4 ungBGB eine „mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ ausreichen sollte, lägen nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung vor: Es fehle an der Feststellung genauer Zeitpunkte, wann der Kläger Mitglied des Staatsopernorchesters und der Wiener Philharmoniker geworden wäre und welche konkrete Posaunistenstelle er besetzt hätte. Auch sein hypothetischer Verdienst sei ungeklärt geblieben, weil die vier Studienkollegen unterschiedliche Karriereverläufe mit unterschiedlichen Einkommen aufzuweisen hätten. Die Vorinstanzen hätten bei der Ermittlung eines Durchschnittsbetrags zu Unrecht § 273 ZPO angewendet. Die Restarbeitsfähigkeit des Klägers sei unberücksichtigt geblieben. Auch habe er die Schadensminderungspflicht verletzt; aus den Feststellungen sei nicht abzuleiten, dass er alles ihm Zumutbare zur Erlangung einer Arbeitsstelle unternommen habe.
[40] Ob die Notstandshilfe anzurechnen sei, richte sich nicht nach österreichischem, sondern nach ungarischem Recht. Zinsen und Kosten seien gemäß § 2 Abs 2 der ungarischen Regierungsverordnung Nr 190/2004, deren Regelungen weitgehend jenen der §§ 155 f VersVG entsprächen, in die Versicherungssumme einzurechnen, ein Verstoß gegen den österreichischen ordre public liege nicht vor. Auch in österreichischen Versicherungsverträgen gebe es Pauschalversicherungssummen, so sähen etwa die AKHB eine Anrechnung von Zinsen und Kosten vor. Die Beklagte habe die Anspruchszinsen und die klägerischen Prozesskosten geschätzt, ein Kostenverzeichnis und Verteilungspläne vorgelegt. Bei Einrechnung der potenziellen Ansprüche des Geschädigten auf Zinsen und Kosten erhöhten sich die Gesamtforderungen um 306.874,88 EUR auf insgesamt 5.553.849,97 EUR und die Kürzungsquote auf 11,92 %. Bei einem Diskontierungszinssatz von 0 %, der sich aus der Verordnung des Finanzministers Nr 14/2005 für die Bildung von Rentenreserven in der Kraftfahrzeughaft-pflichtversicherung ergebe und der auch bei der Barwertberechnung anzuwenden sei, errechne sich der Barwert der Rente mit 9.584.366,37 EUR, sodass der Versicherungssumme einschließlich der übrigen Forderungen unter Berücksichtigung der nicht zu kürzenden Beträge ein Gesamtanspruch von 9.874.078,46 EUR gegenüberstehe. Daraus resultiere eine Kürzungsquote von 51,43 %.
[41] Ob ein Anspruch auf „Mehrsteuer“ überhaupt zustehe, richte sich nach ungarischem Recht. Danach seien sonstige Verzugsschäden nur bei einem Verzicht auf Verzugszinsen möglich, der hier jedoch nicht geschehen sei. Auch dieser Anspruch sei in die Versicherungssumme einzurechnen, woraus eine weitere Erhöhung der Kürzungsquote folge.
Hiezu wurde erwogen:
[42] II.1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[43] II.2. Die Vorinstanzen und die Parteien gehen zutreffend davon aus, dass die Ansprüche des Klägers nach dem HStVÜ (BGBl 1975/387) zu beurteilen sind. Nach Art 3 HStVÜ ist auf den Schadenersatzanspruch des Klägers ungarisches Recht als Recht des Unfallorts anzuwenden. Gemäß Art 8 HStVÜ richtet sich daher auch der Umfang der Haftung, das Bestehen und die Art der zu ersetzenden Schäden sowie die Art und der Umfang des Schadenersatzes nach ungarischem Recht.
[44] Ausländisches Recht ist nach § 3 IPRG wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden (RS0113594; RS0026536). Es kommt in erster Linie auf die im Ursprungsland durch die herrschende (höchstgerichtliche) Rechtsprechung geprägte Anwendungspraxis an. Wo diese keine eindeutige Antwort gibt, ist der herrschenden fremden Lehre zu folgen (RS0080958 [T2, T3]). Ist die Praxis im Ursprungsland nicht einhellig oder nicht einmal von einer Meinung deutlich dominiert, so sind subsidiär die herrschende (überwiegende) Lehrmeinung des betreffenden Staates und erst in letzter Linie der Gesetzeswortlaut im Lichte der Auslegungsregeln und allgemeinen Rechtsgrundsätze der betroffenen Rechtsordnung heranzuziehen; sich von vornherein nur auf den fremden Gesetzeswortlaut zu beschränken, ist deshalb unzulässig (RS0109415).
[45] II.3. § 357 ungBGB lautet in seiner deutschen Übersetzung:
„(1) Der Verdienstausfall (Einkommensausfall) der Person, die den Unfall erlitten hat, ist im Allgemeinen aufgrund des Monatsdurchschnitts des in einem Jahr vor dem Unfall erreichten regelmäßigen Verdienstes (Einkommens) zu bestimmen. Ist in der erwähnten Zeit beim Verdienst (Einkommen) eine Änderung mit Dauercharakter eingetreten, darf nur der Durchschnitt des Verdienstes (Einkommens) nach der Änderung berücksichtigt werden.
(2) Wenn der Arbeitslohn der Person, die den Unfall erlitten hat, zum Zeitpunkt des Unfalles einen regelmäßigen Charakter besaß und einen festen Betrag hatte, muss dieser bei der Bestimmung des Verdienstverlustes berücksichtigt werden.
(3) Kann der Verdienstverlust (Einkommensausfall) aufgrund der Absätze 1 und 2 nicht bestimmt werden, ist bei dessen Bestimmung das durchschnittliche Monatsgehalt der aufgrund eines Arbeitsverhältnisses (Mitgliedschaftsverhältnisses) einer gleichen oder ähnlichen Arbeit verrichtenden Person maßgebend.
(4) Bei der Bestimmung der Verdiensteinbußen (des Einkommensausfalls) ist auch die zukünftige Änderung zu berücksichtigen, mit deren Eintreffen zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits im Voraus mit absoluter Sicherheit gerechnet werden kann.“
[46] Das Erstgericht hat zu § 357 Abs 4 ungBGB ermittelt, dass die Gerichte in Ungarn die in dieser Bestimmung geforderte „absolute Sicherheit“ unterschiedlich nach Billigkeit im Einzelfall interpretieren und teleologisch im Sinne einer „an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ verstehen.
[47] Diesen Anforderungen genügen die Feststellungen des Erstgerichts zum Karriereverlauf des Klägers und seinem daraus resultierenden fiktiven Einkommen. Überdies hat sich das Erstgericht nicht allein auf die Anwendung des Abs 4 leg cit beschränkt, sondern durchaus, seinem Abs 3 entsprechend, auch auf die Einkommensentwicklung von in ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten vergleichbaren Kollegen des Klägers Bedacht genommen.
[48] Ein Abweichen von der Rechtsprechung ungarischer Gerichte ist daher insoweit nicht ersichtlich.
[49] II.4. Im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Anwendung des § 273 ZPO bei materiell ausländischem Recht übersieht die Revisionswerberin, dass auch § 359 ungBGB für den Fall, dass die Höhe eines Schadens nicht genau berechnet werden kann, das Gericht berechtigt, diesen zu schätzen und zwar, wie das Erstgericht erhoben hat, auch bei Schadensrenten. Dass das Erstgericht dabei auf § 273 ZPO Bezug nimmt, ist daher angesichts des Gleichklangs der Regelungen, den die Revision selbst zugesteht, unerheblich. Es kann daher offen bleiben, ob § 273 ZPO nicht ohnehin als Norm des Verfahrensrechts zu qualifizieren und daher unabhängig von der materiellen lex causae anzuwenden ist (vgl RS0076618).
[50] Die Bezugnahme auf vier Studienkollegen bei der Ermittlung des Verdienstentgangs mag „statistisch“ nicht ausreichend sein. Darauf kommt es aber nach § 357 Abs 3 ungBGB nicht an. Vielmehr ist danach auf das durchschnittliche Monatsgehalt „der […] eine gleiche oder ähnliche Arbeit verrichtenden Person“ abzustellen. Es reicht daher nach dem ungarischen Gesetz sogar eine einzige vergleichbare Person. Dass diese Bestimmung von den ungarischen Gerichten im Sinne eines statistisch relevanten Einkommens interpretiert würde, behauptet selbst die Revisionswerberin nicht.
[51] Soweit sie weiters für die Festsetzung des Verdienstentgangs das Einkommen eines durchschnittlichen Berufsmusikers heranziehen will, entfernt sie sich vom festgestellten, hypothetischen Karriereverlauf des Klägers. Diesen und den damit einhergehenden Verdienstentgang hat der Kläger nachgewiesen und daher seine Beweislast erfüllt; die Revision geht hier nicht von den Feststellungen bzw dem bereits erörterten Beweismaß dafür aus.
II.5. Anrechnung der Notstandshilfe:
[52] Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass die Frage, ob auf den Verdienstentgangsanspruch des Klägers die von ihm in Österreich bezogene Notstandshilfe anzurechnen ist, nach ungarischem Recht zu beurteilen ist:
[53] II.5.1. Die Notstandshilfe ist gemäß § 6 Abs 1 Z 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) eine Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung. Ihre Anweisung obliegt nach § 2 der AlVG-Auszahlungsverordnung, BGBl II 1999/470, der örtlich zuständigen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices. Das Arbeitsmarktservice ist seinerseits gemäß § 1 Arbeitsmarktservicegesetz (AMSG) ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Den die Notstandshilfe regelnden Bestimmungen der §§ 33 bis 38 AlVG ist keine hier einschlägige Legalzession von Forderungen des Notstandshilfebeziehers gegenüber einem Schädiger in Bezug auf die Leistung der Notstandshilfe zu entnehmen (vgl 8 Ob 186/78). Auf ein vom Berufungsgericht als Grundlage für die Anwendung österreichischen Rechts herangezogenes „Zessionsgrundstatut“ kommt es schon deshalb nicht an.
[54] II.5.2. Vielmehr stellt sich hier nur die Frage, ob unter den erörterten rechtlichen Prämissen die bezogene Notstandshilfe im Wege der Vorteilsanrechnung auf den vom Schädiger zu ersetzenden Verdienstentgang anzurechnen ist (vgl für das österreichische Recht RS0031478). Diese Frage ist eine solche des Umfangs des beim Geschädigten eingetretenen Schadens und somit des Rechts des Haftungsstatuts. Der Revisionswerberin ist daher darin zu folgen, dass insoweit ungarisches Recht anzuwenden ist.
[55] II.5.3. Da die diesbezügliche Rechtslage in Ungarn bisher nicht geklärt wurde, mangelt es in diesem Punkt an der nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen durchzuführenden Ermittlung des fremden Rechts durch die Vorinstanzen. Darin liegt ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und insoweit zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führen muss (RS0116580).
II.6. Zum Einwand des Deckungskonkurses:
[56] II.6.1. Die einschlägige ungarische Regierungsverordnung Nr 190/2004 (in der Folge: RVO 190/2004) lautete in der hier anzuwendenden Fassung auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen durch den Senat):
„[…]
§ 2. (1) Jeder Halter, der ein in Ungarn niedergelassenes Kraftfahrzeug hat, ist verpflichtet, zur Deckung der im Zuge des Kraftfahrzeugbetriebes verursachten Schäden (bis zu den in Abs [2] bestimmten Höchstbeträgen) mit einem Versicherer gemäß § 1 lit e) gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung und ihrer Anhänge einen Haftpflichtversicherungsvertrag abzuschließen und ihn durch fortlaufende Prämienzahlung in Kraft zu erhalten. Ein Kraftfahrzeug darf in der Republik Ungarn nur bei Bestehen dieser Bedingungen betrieben werden.
Auf den Vertrag ist ungarisches Recht anzuwenden, selbst in dem Fall, in dem Höchstbeträge vereinbart wurden, welche jene von Absatz (2) übersteigen.
(2) Der Versicherer beziehungsweise der Verwalter des Entschädigungskontos haftet, unabhängig von der Anzahl der Geschädigten, im Fall von Versicherungsereignissen bei Sachschäden mit bis zu 500 Millionen Forint je Schadensfall, bei Personenschäden mit höchstens 1.250 Millionen Forint je Schadensfall. Die obigen Beträge beinhalten alle Forderungen, die aufgrund des Schadensfalles aus Rechtstiteln gefordert werden können, die Rechtsdurchsetzungskosten sowie auch die Zinsen.
[…]
(5) Der Versicherer, das Entschädigungskonto, das Nationalbüro sowie die Entschädigungsorganisation müssen den durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges verursachten Schaden gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung ersetzen.
[…]
(7) Der Vertrag der Parteien kann weder zum Nachteil des Versicherten noch des Geschädigten von den Bestimmungen dieser Verordnung abweichen.
[…]
§ 7 (1) Der Versicherer, das Nationalbüro und der Verwalter des Entschädigungskontos sind verpflichtet, bis zu den in § 2 (2) bestimmten Versicherungswertgrenzen anstelle des Schädigers zu haften. […]
(2) Wenn in Zusammenhang mit einem Versicherungsereignis der begründete Schadenersatzanspruch mehrerer Berechtigter den Betrag übersteigt, dann erfolgt der Ersatz der Schadenersatzansprüche im Verhältnis aller Schadenersatzansprüche zu dem in § 2 (2) bestimmten Betrag.
(3) Wenn der Versicherer, das Nationalbüro und der Verwalter des Entschädigungskontos verpflichtet sind, als Schadenersatz eine Rente zu zahlen, ist bei der Aufteilung der Versicherungssumme der Rentenbarwert beachtlich. Wenn der in Zukunft erwartbare Rentenbarwert höher ist als der Betrag, der aus der vertraglich festgehaltenen Versicherungssumme zur Verfügung steht, stellt der Versicherer die Höhe der Rente nach aliquoter Reduktion des Rentenbarwerts fest.
[...]“
[57] Aus dieser Bestimmung ist abzuleiten, dass Rentenansprüche so zu kürzen sind, dass der Rentenbarwert in der (verbliebenen) Versicherungssumme Deckung findet. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob in die Versicherungssumme auch die voraussichtlichen Zinsen und Kosten einzuberechnen sind oder ob sie ohne solche Deckelung gebühren; nur im ersten Fall wären sie bei der Ermittlung des Kürzungsfaktors zu berücksichtigen (unten 6.2.). Die gleiche Frage stellt sich für die „Mehrsteuern“ (unten 6.3.). Zuletzt ist zu klären, auf welche Weise der Rentenbarwert zu ermitteln ist (unten 6.4.).
II.6.2. Zur Anrechnung der Zinsen und Kosten auf die Versicherungssumme:
[58] a) Wie bereits zu Punkt I. ausgeführt, erfasst das rechtskräftige Teilurteil über das (allgemeine) Feststellungsbegehren nicht die Frage, ob die Kosten und Zinsen auch dann gebühren, wenn sie zusammen mit den übrigen Ersatzansprüchen die Versicherungssumme übersteigen. Ob das zutrifft, ist keine Frage des Haftungsstatuts, sondern des auf den Versicherungsvertrag anzuwendenden Rechts (2 Ob 50/16s mwN). Das ist jedenfalls ungarisches Recht, wobei die insofern maßgebende Kollisionsnorm vom nicht festgestellten, aber jedenfalls vor dem Inkrafttreten der Rom I-VO liegenden Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abhängt:
[59] Wurde der Vertrag nach dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union am 1. April 2004 geschlossen, wäre das
– insofern auf der RL 88/357/EWG beruhende – Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl 1993/89, anzuwenden. Da es keinen Anhaltspunkt für eine Rechtswahl gibt, führte dies nach § 10 Abs 1 leg cit zur Anwendung des Rechts des Staates der „Risikobelegenheit“. Staat der Risikobelegenheit ist nach § 2 Z 2 lit a sublit bb leg cit „bei der Versicherung von Risiken mit Bezug auf zugelassene Fahrzeuge aller Art der Mitgliedstaat, in dem das Fahrzeug zugelassen ist“. Ab dem Beitritt verwies diese Bestimmung auf Ungarn als Mitgliedstaat der Zulassung.
[60] Bei Vertragsabschluss vor dem Beitritt wäre das Risiko demgegenüber nicht in einem Mitgliedstaat belegen gewesen. In diesem Fall wäre das anwendbare Recht nach dem Europäischen Schuldvertragsübereinkommen (EVÜ) zu beurteilen (Art 1 Abs 3 EVÜ e contrario; Schwimann, Internationales Privatrecht2 [1999] 72). Die Anwendung ungarischen Rechts folgte in diesem Fall aus Art 4 Abs 1 und Abs 2 EVÜ: Die in Ungarn ansässige Beklagte erbringt als Versicherer die charakteristische Leistung; daher wird nach den genannten Bestimmungen vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen zu Ungarn aufweist.
[61] b) Zum Unfalltag (13. 10. 2005) betrug nach dem maßgebenden ungarischen Recht (§ 2 Abs 2 RVO 190/2004) die gesetzliche Haftpflichtsumme bei Personenschäden je Schadensfall höchstens 1.250 Mio HUF (4.971.980 EUR) und zusätzlich 500 Mio HUF für Sachschäden. In diesen Beträgen sind nach dem Wortlaut der Bestimmung alle Ansprüche aus allen Titeln einschließlich der Kosten der Geltendmachung der Ansprüche sowie der Zinsen inbegriffen. Ob und unter welchen Umständen diese Regelung auch den Fall erfasst, dass die Versicherungssumme wegen Kosten und Zinsen überschritten wird, die der Haftpflichtversicherer durch verzögerte Zahlung und Prozessführung verursacht hat, blieb bisher ungeklärt.
[62] Diese Klärung ist im fortgesetzten Verfahren nachzuholen. Ist die Bestimmung (allenfalls unter bestimmten Voraussetzungen) unanwendbar, hätte die Beklagte die Kosten und Zinsen auch dann zu ersetzen, wenn sie zusammen mit den anderen Ansprüchen die Versicherungssumme übersteigen. In diesem Fall hätte das noch offene Feststellungsbegehren Erfolg (oben I.5.), und Zinsen und Kosten wären bei der Berechnung des Kürzungsfaktors nicht einzubeziehen.
[63] c) Sollte das ungarische Recht demgegenüber dahin auszulegen sein, dass auch Zinsen und Kosten mit der Versicherungssumme gedeckelt sind, stellt sich die Frage, ob dies gegen den österreichischen ordre public verstößt. Das trifft aus folgenden Gründen nicht zu:
[64] ca) Je nach Abschlusszeitpunkt ist die Frage des Ordre-public-Verstoßes nach § 1 Abs 1 BG über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum iVm § 6 IPRG oder nach Art 16 EVÜ zu beurteilen. Diese Bestimmungen sind dahin auszulegen, dass fremdes Recht dann nicht anzuwenden ist, wenn diese Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grun