TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/15 LVwG-M-25/001-2021

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Veröffentlicht am 15.10.2021
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Entscheidungsdatum

15.10.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
NAG 2005 §20 Abs4
FrPolG 2005 §41 Abs2 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch seinen Richter
HR Dr. Pichler über vorliegende Maßnahmenbeschwerde des A, geb. ***, iranischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA B in ***, ***, gerichtet gegen die Zurückweisung an der Grenze nach § 20 Abs 4 NAG, Einreiseverweigerung vom 26.03.2021, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 22.09.2021 am Sitz der BH Bruck an der Leitha gemäß § 28 VwGVG idgF erwogen wie folgt und somit zu Recht erkannt:

I.

Vorliegender Maßnahmenbeschwerde, gerichtet gegen die Zurückweisung an der Grenze und Einreiseverweigerung vom 26.03.2021 durch Grenzkontrollorgane des Stadtpolizeikommandos *** – Landespolizeidirektion Niederösterreich – wird keine Folge gegeben und diese Beschwerde als

unbegründet abgewiesen.

Die Einreiseverweigerung gemäß Art 14 SGK und die Zurückweisung gemäß
§ 41 Abs 2 Z 1 FPG erweist sich, da der Beschwerdeführer die Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 Schengener Grenzkodex nicht erfüllt und als Drittstaatsangehöriger für die Einreise ein gültiges Visum benötigte – in welchem Besitz der Beschwerdeführer nicht war – als

rechtskonform.

II

Der Beschwerdeführer A als unterlegene Partei des Verfahrens hat der obsiegenden Partei, der die Amtshandlung zuzurechnende Landespolizeidirektion Niederösterreich, gemäß § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung nach Z 3 leg.cit. den Betrag von 57,40 Euro als Ersatz des Vorlageaufwandes, nach Z 4 obzitierter Bestimmung den Betrag von 368,80 Euro als Ersatz des Schriftsatzaufwandes der belangten Behörde als obsiegende Partei und den Ersatz des Verhandlungsaufwandes von 461 Euro binnen der angemessenen Frist von
8 Wochen zu bezahlen.

III

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Der nunmehrige Beschwerdeführer A hat durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter die gegen ihn getroffenen Maßnahmen der Einreiseverweigerung nach Österreich und die Zurückweisung in den Iran sowie die Entziehung des Aufenthaltstitels durch Organe der belangten Behörde – LPD Niederösterreich, Stadtpolizeikommando ***, - datierend vom 26.03.2021 mittels Maßnahmenbeschwerde bekämpft und ausgeführt, dass die Zurückweisung und die Entziehung des Aufenthaltstitels durch die handelnden Beamten rechtswidrig gewesen wären und den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hätten, dem Beschwerdeführer ein korrektes Verwaltungsverfahren ermöglicht werden hätte müssen und wurde daher begehrt, nach Durchführung einer mündliche Verhandlung in Stattgebung der Maßnahmenbeschwerde den angefochtenen Verwaltungsakt vom 26.03.2021 für rechtswidrig zu erklären und ersatzlos aufzuheben.

Im Rahmen des erteilten Parteiengehörs hat die belangte Behörde die Rechtsausführungen vorliegender Maßnahmenbeschwerde der Richtigkeit nach bestritten und beantragt, unter Zuspruch der gesetzlich normierten Kosten die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Das LVwG NÖ hat sohin hinsichtlich des dezidiert gestellten Antrages auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 22.09.2021 am Sitz der BH Bruck an der Leitha eine solche durchgeführt, wurde Beweis aufgenommen durch Wertung und Würdigung des gesamten Akteninhaltes, sämtlicher im Zuge des Verfahrens und während der mündlichen Verhandlung beigebrachter, einen integrierenden Bestandteil des Verfahrens bildender schriftlicher Konvolute, der Aussage des Beschwerdeführers, sowie den weiteren rechtlichen Äußerungen des Rechtsvertreters des Antragstellers und der Vertreterin der belangten Behörde und wird folgender verfahrensrelevanter Sachverhalt als erwiesen festgestellt und der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer A, geb. ***, iranischer Staatsangehöriger, stellte sich am 26.03.2021, um 13:00 Uhr, mit Flug *** aus *** kommend, der Grenzkontrolle in *** und wies sich mit seinem gültigen iranischen Reisepass sowie seinem unbefristeten österreichischen Aufenthaltstitel „Daueraufenhalt-EU“ aus.

Im Zuge der Einreisekontrolle wurde seitens der amtshandelnden Beamten der fremden- und grenzpolizeilichen Abteilung der LPD Niederösterreich festgestellt, dass sich der nunmehrige Beschwerdeführer seit 08.12.2019 nicht mehr im
EWR-Gebiet aufgehalten hat.

Sohin hat sich der Beschwerdeführer länger als an 12 aufeinander folgenden Monaten außerhalb des EWR-Gebietes aufgehalten, ist auch seinerseits keine Verständigung der Behörde dahingehend erfolgt, um eine allfällige Ausweitung des 12-monatigen Zeitraumes auf den 24-monatigen Zeitraum aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erreichen.

Aus diesem Grund wurde diesem iranischen Staatsangehörigen, da er keinen gültigen Aufenthaltstitel besaß und als Drittstaatsangehöriger für die Einreise nach Österreich ein gültiges Visum benötigte, er die Einreisevoraussetzungen des
Art 6 Abs 1 SGK nicht erfüllte, die Einreise verweigert und er – gestützt auf die Bestimmung des § 41 Abs 2 Z 1 FPG – zurückgewiesen, darüber hinaus vom Journaldienst der LPD Niederösterreich angeordnet wurde, den erloschenen Aufenthaltstitel einzuziehen.

Seitens einer Beamtin wurde zeitnah zur Amtshandlung unter Bedachtnahme auf das höhere Alter des nunmehrigen Beschwerdeführers Kontakt mit dem Bundesministerium für Inneres hergestellt, um die Möglichkeit des Erlangens eines Einreisevisums in diesem Einzelfall zu erreichen, diesem Vorschlag seitens des BMI hinsichtlich der Erteilung eines Einreisevisums nicht entsprochen wurde, die kontaktaufnehmende Beamtin an die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Inneres gebunden ist und sie nicht befugt ist, selbständig ein Visum zu erteilen.

Der Beschwerdeführer, nachdem er in Kenntnis der Einreiseverweigerung und der Zurückweisung war, leistete dahingehend keinerlei Widerstand, Einspruch oder Widerrede, verwehrte er sich nicht, wieder nach *** zurückzufliegen.

Zweck der Einreise des Beschwerdeführers war primär der Besuch von in Österreich lebenden Familienangehörigen.

Seit Sommer 2020 bestehen regelmäßig durchgehende Flugverbindungen zwischen *** und ***.

Im Zuge dieser Amtshandlung hat A auch in keinster Weise zu erkennen gegeben, dass sein Gesundheitszustand allfällig herabgesetzt sei, gab es auch dahingehend keinen objektiv feststellbaren Umstand.

Der Zeitpunkt der Einbringung gegenständlicher Beschwerde erfolgte zu einem Zeitpunkt, als seitens der Rechtsvertretung noch davon ausgegangen wurde, dass der Aufenthaltstitel des Mandanten noch nicht erloschen gewesen wäre.

Zeitlich nachgelagert gegenständlicher Beschwerde wurde seitens des A bei der österreichischen Botschaft ein Neuantrag hinsichtlich der Einreise nach Österreich gestellt.

Die zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Einreise des Beschwerdeführers erfolgte aufgrund der im Postweg von Österreich an den iranischen Wohnsitz des Beschwerdeführers übermittelten „Rot-Weiß-Rot-Karte“.

Entgegen des Vermerks der zuständigen Magistratsabteilung 35 in ***, wonach der Beschwerdeführer dieses Dokument – Aufenthaltstitel betreffend – persönlich abgeholt hat, ist erwiesen, dass der in Österreich lebende Sohn des Beschwerdeführers unter Vorweis einer von seinem Vater erteilten Vollmacht persönlich bei der MA 35 diesen Aufenthaltstitel abgeholt hat, dies am 06.08.2021 um 14:00 Uhr in der Magistratsabteilung-35/Referat ***.

Diese Feststellungen sind deshalb als erwiesen anzusehen, da diese durch den Akteninhalt vorgelegte Dokumente und das äußerst sachlichen Agierens und Argumentierens der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Parteien und Vertreter unstrittig der rechtlichen Entscheidung zugrunde zu legen sind.

Rechtlich folgt daher:

Im Lichte obiger Feststellungen erweist sich vorliegende Maßnahmenbeschwerde somit als unbegründet.

Vorweg ist festzuhalten, dass es sich um keinen Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- oder Zwangsgewalt handelt, da es ihm an einer tauglichen, zur Anwendung zu bringenden, Gesetzesgrundlage fehlt.

Das Verhalten und Handeln der Organe der LPD Niederösterreich im Zuge der Grenzkontrolle war durchgehend rechtskonform, vorbildlich und gedeckt durch die zur Anwendung zu bringenden, eindeutigen gesetzlichen innerstaatlichen Bestimmungen, insbesondere auch in Zusammenschau mit dem dem Handeln zugrundeliegenden Schengener Grenzkodex und den damit in Verbindung zu sehenden zwingend anzuwendenden Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes.

Rechtlich ist weiters zu folgern:

Nach Art 132 Abs 2 B-VG kann Jedermann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

Sohin hat gegenständlich das zuständige LVwG NÖ die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aufgrund der Beschwerde und hinsichtlich des erklärten Umfanges der Anfechtung nach
§ 9 Abs 3 VwGVG iVm § 27 leg.cit. zu überprüfen und hat das Verwaltungsgericht die Rechtsache durch Erkenntnis zu erledigen.

Nach der ständigen Judikatur des VwGH – welcher sich das LVwG NÖ rückhaltlos anschließt – liegt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar – d.h., ohne vorangegangenen Bescheid – in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen.

Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht.

Die Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt setzt begriffsnotwendig ein positives Tun der die Zwangsgewalt gebrauchenden Behörde einer bestimmten Person gegenüber voraus und liegt nur vor, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen (vgl. VwGH 14.04.2011, 2007/21/0322 ua).

Es muss sohin ein Verhalten vorliegen, das als „Zwangsgewalt“, zumindest aber als – spezifisch verstandene – Ausübung von „Befehlsgewalt“ gedeutet werden kann.

Kennzeichnend für einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist, dass ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung gegenüber einen individuell bestimmten Adressaten physischen Zwang (Gewalt) also faktischen, physischen Krafteinsatz, ausübt oder einen Befehl mit unverzüglichem Befolgungsanspruch erteilt (VfSlg. 18212/2009 mwN).

Eine gegen eine Person gerichtete, dem Staat zurechenbare Maßnahme stellt nur dann eine Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehördlich Befehls- und Zwangsgewalt dar, wenn damit dem Betroffenen entweder im Sinne eines Befehls eine Verpflichtung auferlegt wird oder aber durch eine zwangsbewehrte, faktische Handlung in die Rechtsposition des Betroffenen eingegriffen wird.

Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine der Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird.

Liegt ein ausdrücklicher Befolgungsanspruch nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren Zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH 07.09.2020,

Ro 2020/01/0010 mwN).

Weil das Gesetz auf Befehle, also auf normative Anordnungen abstellt, sind behördliche Einladungen zu einem bestimmten Verhalten auch dann nicht tatbildlich, wenn der Einladung Folge geleistet wird und ändert die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht noch nichts am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken.

Darüber hinaus liegt bei bloßer Drohung mit einer Anzeige für den Fall der Zuwiderhandlung genausowenig Befehl- oder Zwangsgewalt vor (vgl. VfSlg. 7509/1975), wie auch bspw. mit dem Hinweis, zusätzliche Beamte zur Intervention beizuziehen.

Im Lichte obiger Feststellungen, Rechtsmeinungen, gestützt auf die ständige höchstgerichtliche, bspw. zitierte Judikatur liegt gegenständlich kein geeigneter Beschwerdegegenstand vor.

Ganz offensichtlich hat der an der Einreise gehinderte iranische Staatsbürger sich weder den Anordnungen der amtshandelnden Beamten gegenüber verwehrt, noch Widerstand geleistet, auch nicht in der geringsten Form der verbalen Gegenrede.

Allein schon der Umstand, dass es in keiner irgendwie gearteten Form zu einer physischen Handlung oder auch nur einer imperativen verbalen Aufforderung gekommen ist, ist das Amtshandeln der die Einreiseformalitäten überprüfenden Beamten als Erklärung zu sehen und als Hinweis auf die Gesetzeslage zu werten, keinesfalls kann gegenständlich von einer erteilten Anordnung oder einem strikten Befehl gesprochen werden.

Da gegenständlich entgegen den Ausführungen in vorliegender Maßnahmenbeschwerde die einzelnen als Ganzes zu wertenden Amtshandlungen weder eine Verletzung verfassungsgesetzlicher noch einfachgesetzlicher Rechte durch die in die Amtshandlung involvierten Beamten darstellen, fehlt es an jeglichem nachvollziehbaren Hinweis eines nicht gesetzeskonformen Handelns der Polizeibeamten gegenüber dem Beschwerdeführer, bezogen auf die gesetzlich gedeckten Umstände der Einreiseverweigerung und Zurückweisung.

Es war daher vorliegender Maßnahmenbeschwerde jeglicher inhaltliche Erfolg zu versagen, gründet sich der Kostenzuspruch auf die spruchgenannten, konkret angeführten, gesetzlichen Bestimmungen.

Zum Ausschluss der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäß
Art 133 Abs 4 B-VG iVm § 25a VwGG deshalb nicht zulässig, da vorliegendes Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wird auf die bspw. aktuelle zitierte, einheitliche Judikatur des Höchstgerichtes verwiesen.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Einreiseverweigerung; Aufenthaltstitel; Amtshandlung; Zurückweisung; Anfechtungsgegenstand;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.25.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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