TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/20 LVwG-M-31/001-2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2021
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.10.2021

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §38
SPG 1991 §38a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Ing. Mag. Andreas Ferschner als Einzelrichter über die Beschwerde des A, wohnhaft unbekannt, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Polizisten für die Bezirkshauptmannschaft Baden, betreffend des Betretungsverbotes nach der Anzeige am 01.05.2021, zu Recht erkannt.

I.       Gemäß § 28 Absatz 6 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen.

II.      Gemäß § 35 Absatz 1 und 3 VwGVG in Verbindung mit § 1 Ziffer 3, 4 und 5 VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517, hat der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Baden Aufwandersatz (Vorlage-, Schriftsatz, Verhandlung) in der Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstigen Zwang zu leisten.

III.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Gang des Verfahrens:

Mit Eingabe vom 04.05.2021 brachte der Beschwerdeführer eine Maßnahmenbeschwerde ein. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass seine Ex-Lebensgefährtin seit März 2020 mit allen Mitteln versuche ihn aus dem gemeinsamen Haushalt zu bekommen. Ein Räumungsvergleich sei abgeschlossen worden, jedoch nicht rechtswirksam. Deshalb habe er die Räumung verweigert. Am 1.5.2021 sei er gegen ihn wegen einer angeblich versuchten Nötigung am 29.4.2021 ein Betretungsverbot ausgesprochen worden. Er sei ein unbescholtener Staatsbürger und sei von ihm keine Gewalt ausgegangen.

Mit Schreiben vom 07.05.2021 ergänzte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, dass am 06.05.2021 in einem Verfahren vor dem Bezirksgericht ***, GZ: ***, verlesen worden sei, dass er nach Eintreffen der Polizei im Wohnsitz des Hauses verwiesen worden sei. Dies sei jedoch nicht möglich, da er zur Tatzeit einen Freund nach *** gebracht habe.

Die belangte Behörde legte den Akt, Zl. ***, betreffend des Betretungsverbotes vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 11.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt und Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugin B, sowie durch Verlesung des Verwaltungsaktes. Der Beschwerdeführer erschien nicht zur Verhandlung.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen wie folgt:

Schon vor der Trennung gab es seitens des Beschwerdeführers immer wieder verbale Entgleisungen gegenüber der Zeugin B. Als sie im Jahr 2019 beschloss sich zu trennen, wurden die Beschimpfungen stärken und begannen auch Drohungen seitens des Beschwerdeführers ausgesprochen zu werden. Schließlich sah sich die Zeugin B gezwungen Räumungsklage gegen den Beschwerdeführer einzubringen. Dieses Verfahren endete in einem Vergleich vom 2.12.2020, indem eine Räumung des Liegenschaft EZ *** KG ***, ***, vereinbart wurde. Die Streitereien und die Heftigkeit mit der diese geführt wurden nahmen bis zum Tag der verglichenen Räumung (01.05.2021) stets zu. Am 29.04.2021 kam es wieder zu einem Streit, da der Räumungstermin schon sehr nahe war und der Beschwerdeführer noch keine Sachen gepackt hat bzw. sich eine andere Unterkunft gesucht hatte. Im Zuge dieses Streites äußerte der Beschwerdeführer, dass er notfalls gewaltsam verhindern werde, dass die Zeugin B seine Sachen packe, bzw. werde er sie die Stiegen hinunterstoßen.

Der festgestellte Sachverhalt basiert auf folgender Beweiswürdigung:

Die Zeugin B konnte in der Verhandlung die Geschehnisse am 20.4.2021 glaubhaft darlegen. Sie beschrieb auch den Verlauf des Zusammenlebens seitdem sie die Trennung vom Beschwerdeführer ausgesprochen hatte, sehr detailreich und genau. Diesen Angaben wurde gefolgt und zeigt dies ein Bild, wonach die Heftigkeit der Auseinandersetzung mit dem Beschwerdeführer über die Jahre stets zugenommen hat. Es ist daher auch nachvollziehbar, dass die Zeugin B die Drohungen - je näher es an den Räumungstermin gekommen ist -, welche sich in der Intensität steigerten ernst nahm und Angst hatte, dass der Beschwerdeführer diese auch begeht. Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerde lediglich vor, dass er unbescholten sei und keine Gewalt von ihm ausgehe. Da er nicht zur Verhandlung erschienen ist, konnte sich das Gericht kein persönliches Bild von ihm machen. Jedoch deuten die in der Verhandlung erwähnten Anzeigen (welche seitens der belangten Behörde bestätigt wurden) und der Umstand, dass die Zeugin B bereits dreimal bei der Polizei wegen Gewalt bzw. Drohungen war darauf hin, dass die Schilderungen der Zeugin B zutreffend sind. Laut Dokumentation gemäß § 38a SPG der Polizei gab der Beschwerdeführer eine verbale Auseinandersetzung über den Räumungsvergleich an. Weiters ist in dieser Dokumentation der Beschwerdeführer als immer wieder aufbrausend und wenig einsichtig beschrieben.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 38 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, der durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, vom Ort der Störung wegzuweisen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts.

Besteht an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, jedermann aus dem Gefahrenbereich zu weisen, solange die Sicherheitsbehörde nicht selbst gemäß § 36 Abs. 2 einschreitet.

Gemäß § 38a Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen, von dem auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, dass er einen gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit begehen werde (Gefährder), das Betreten einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, samt einem Bereich im Umkreis von hundert Metern zu untersagen (Betretungsverbot). Mit dem Betretungsverbot verbunden ist das Verbot der Annäherung an den Gefährdeten im Umkreis von hundert Metern (Annäherungsverbot).

Gemäß § 35 Z. 3 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Wegweisung und Betretungsverbot sind gleichermaßen an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen (Vorfälle) anzunehmen ist, ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person stehe bevor. Welche Tatsachen als solche im Sinne des § 38a SPG in Frage kommen, sagt das Gesetz nicht (ausdrücklich). Diese Tatsachen müssen (auf Grund bekannter Vorfälle) die Annahme rechtfertigen, dass plausibel und nachvollziehbar bestimmte künftige Verhaltensweisen zu erwarten sein werden. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dabei (bei dieser Prognose) ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt des Einschreitens auszugehen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 8. September 2009, Zl. 2008/17/0061; vom 24. Februar 2004, Zl. 2002/01/0280; und vom 21. Dezember 2000, Zl. 2000/01/0003; sowie Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 4. Auflage 2011, Seite 383 f, Anm. 5). (Erkenntnis des VwGH vom 26.4.2016, Zl. Ra 2015/03/0079)

Wegweisung und Betretungsverbot sind nach § 38a Abs. 1 und 2 SPG 1991 an die Voraussetzung geknüpft, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevor. Es kommt also maßgeblich darauf an, ob ein gegen die genannten Rechtsgüter des Gefährdeten gerichteter gefährlicher Angriff seitens des von der Maßnahme Betroffenen zu erwarten ist. Diese Erwartung muss auf "bestimmte Tatsachen" gründen, wobei das Gesetz als solche insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt, der seinerseits jedoch nicht gegen Leben, Gesundheit oder Freiheit der gefährdeten Person gerichtet sein muss. Was außer einem gefährlichen Angriff als "bestimmte Tatsache" für die anzustellende "Gefährlichkeitsprognose" gelten kann, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich. Angesichts des sicherheitspolizeilichen Maßnahmen inhärenten Präventivcharakters kann allerdings kein Zweifel bestehen, dass nach den jeweiligen Umständen etwa auch Aggressionshandlungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige "Tatsachen" in Frage kommen können (in diesem Sinn Dearing in Dearing/Haller, Das österreichische Gewaltschutzgesetz, 109 f.), zumal dann, wenn mehrere dieser Faktoren zusammenkommen. Entscheidend ist stets, dass daraus gesamthaft betrachtet die Prognose ableitbar ist, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person bevorstehe; auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff im genannten Sinn durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Dass "bloße" Belästigungen drohen, reicht hingegen nicht aus (Hinweis: E 21.12.2000, Zl. 2000/01/0003). (Erkenntnis des VwGH vom 24.2.2004, Zl. 2002/01/0280)

Der Beschwerdeführer wurde von seiner Ex-Lebensgefährtin gegenüber der Polizei beschuldigt, diese bedroht zu haben und gab sie an, dass es in der Vergangenheit auch zu Übergriffen gekommen sei. Unstrittig war, dass es jedenfalls zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen ist. Aus der von der Zeugin B dargestellten Situation, nämlich die immer heftigeren Drohungen bis hin zu Übergriffen schlossen die Beamten, dass die Zeugin gefährdet sei. Dies deckt sich auch mit der Dokumentation gemäß § 38a SPG, wonach die Zeugin B als sehr ängstlich beschrieben wird. Insgesamt erscheint es daher für das Gericht naheliegend, dass die Polizisten davon ausgingen, dass es bei einem neuerlichen Zusammentreffen der beiden Beteiligten zu weiteren Streitereien und möglicherweise Verletzungen kommen könnte. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer bis 1.5.2021 das Haus hätte räumen müssen, er dies jedoch nicht einsah. Da die einschreitenden Beamten den Schilderungen der Ehefrau glauben schenkten erfolgte daher ein Betretungsverbot. Da ein gefährlicher Angriff von den Beamten gegen die Zeugin B vermutet wurde und die Polizisten davon ausgingen, dass die Situation weiter eskalieren könnte wurde das Betretungsverbot im Einklang mit der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur verhängt. Dieses Betretungsverbot ist durch die § 38 und § 38a SPG gedeckt gewesen, da die Polizei von einer negativen Prognose ausging.

Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerde abgewiesen. Daher war die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer unterliegende Partei. Aufwandsersatz ist nur auf Antrag der Partei zu leisten. Ein solcher Antrag wurde gestellt, dadurch bekommt die belangte Behörde auch Ersatz.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Wegweisung; Betretungsverbot; bestimmte Tatsachen; Gefährlichkeitsprognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.M.31.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten