TE Lvwg Erkenntnis 2021/10/23 LVwG-S-1536/001-2021

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Veröffentlicht am 23.10.2021
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Entscheidungsdatum

23.10.2021

Norm

KFG 1967 §45 Abs1
KFG 1967 §45 Abs4
KFG 1967 §134 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Grünstäudl als Einzelrichter über die Beschwerde des A in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 2. Juni 2021, Zl. ***, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

-    die Übertretungsnorm „§ 45 Abs. 4 zweiter Satz Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967, BGBl 267/1967 idF BGBl I 19/2019“ und

-    die Strafnorm „§ 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 – KFG 1967, BGBl 267/1967 idF BGBl I 19/2019“ zu lauten hat.

2.   Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 30 Euro zu leisten.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 50 und 52 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG

Zahlungshinweis:

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt 195 Euro und ist gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG binnen zwei Wochen einzuzahlen.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis vom 2. Juni 2021, Zl. ***, legte die Bezirkshauptmannschaft Mödling (in der Folge: belangte Behörde) dem Beschwerdeführer zur Last, er habe am 13. Juni 2020 um 16:15 Uhr im Gemeindegebiet ***, ***, ***, das Kraftfahrzeug, das mit dem Probefahrtkennzeichen *** versehen war, verwendet, obwohl Probefahrtkennzeichen nur bei Probefahrten im Sinne des § 45 Abs. 1 KFG verwendet werden dürfen. Im gegenständlichen Fall habe es sich um keine Probefahrt gehandelt. Dadurch habe er § 45 Abs. 4 zweiter Satz und § 134 Abs.1 KFG 1967 verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde in der Folge eine Geldstrafe in Höhe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in Höhe von 15 Euro auferlegt.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Angaben als Schutzbehauptung zu werten seien.

Der Beschwerdeführer hat im Schreiben vom 12. Februar 2021 zu seiner Rechtfertigung ausgeführt, er sei am 13. Juni 2020 gegen 16:00 Uhr auf einer „Testfahrt“ mit seiner Freundin B und deren Kind gewesen. Da das Kind dringend auf die Toilette hätte gehen müssen, sei er von der *** abgefahren. Er habe die Probefahrtbescheinigung sichtbar hinterlegt. Als er zum Auto zurückgekommen sei, sei die Probefahrtbescheinigung aufgrund der geöffneten Fenster und des gekippten Panoramadachs auf die Mittelkonsole geweht geworden. Zudem übermittelte der Beschwerdeführer mehrere Fotos, welche die Probefahrtbescheinigung im Auto zeigen (Verwaltungsakt, S. 21-24).

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht mit Schreiben vom 5. Juli 2021 gegen das Straferkenntnis das Rechtsmittel der Beschwerde. Die Beschwerde begründete er im Wesentlichen damit, dass er eine Bescheinigung im Auto gehabt hätte. Es stehe nirgends, dass die Probefahrtbescheinigung auf dem Armaturenbrett liegen müsse. Die Bescheinigung sei auf den Beifahrersitz geflogen. Zudem beantragte er ein Beweisfoto vom Anzeigeleger, um zu beweisen, dass auf dem Beifahrersitz keine Bescheinigung gelegen hätte.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 27. August 2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch und erhob Beweis durch Einsichtnahme in die Akten des Verfahrens zu den Zl. *** und LVwG-S-1536/001-2021 sowie durch Befragung des Beschwerdeführers und der Zeugin B (Freundin des Beschwerdeführers). Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung das Fahrtenbuch zum Probefahrtkennzeichen *** (Beilage ./1), eine Bescheinigung über die Probefahrt vom 13. Juni 2020 (Beilage ./2) und weitere Bescheinigungen über andere Probefahrten im Jahr 2020 (Beilage ./3) vor. Zudem forderte das Landesverwaltungsgericht die vom Anzeigeleger angefertigten Fotos an, nahm diese zu den Akten und erörterte diese in der mündlichen Verhandlung.

4.   Feststellungen:

4.1. Der Beschwerdeführer lenkte am 13. Juni 2020 einen weißen BMW X5, an welchem die Probefahrtkennzeichen *** montiert waren, von *** über die ***, die ***, die *** und fuhr dann bei der Ausfahrt *** von der Autobahn *** ab. Er fuhr dann über die *** auf den Parkplatz vor dem *** der ***, im Gemeindegebiet ***, ***. Die Freundin des Beschwerdeführers B und deren Kind waren ebenfalls im genannten Fahrzeug.

4.2. Die Abfahrt in *** erfolgte um 14:00 Uhr. Die Fahrtzeit für die angeführte Strecke beträgt nach Google-Maps ca. 30 Minuten.

4.3. Der weiße BMW X5 war am 13. Juni 2020 um 16:15 Uhr auf dem Parkplatz vor dem *** der ***, im Gemeindegebiet ***, ***, abgestellt. Das Fahrzeug wurde durch den Beschwerdeführer am genannten Parkplatz abgestellt. Zu diesem Zeitpunkt waren die amtlichen Probefahrtkennzeichen *** am Fahrzeug montiert.

4.4. Der Beschwerdeführer war nicht Kaufinteressent des Fahrzeugs. Die Fahrt erfolgte nicht als Beschäftigter und auch nicht im Auftrag und im Namen des Inhabers der Probefahrtbewilligung. Bei der Fahrt unter Pkt. 4.1 und 4.3 handelte es sich um keine Probefahrt, sondern um eine Privatfahrt in der Freizeit.

4.5. Der Beschwerdeführer bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 2.200 Euro und ist nicht sorgepflichtig. Er hat keine Schulden und kein Vermögen.

4.6. Der Beschwerdeführer hat sieben verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen, keine davon ist einschlägig.

5.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2021. In dieser Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Verlesung des Verwaltungsstrafakts der belangten Behörde, des Gerichtsaktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich sowie durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und der Zeugin B.

Die Feststellungen zu Pkt. 4.1. ergeben sich aus der schriftlichen Rechtfertigung des Beschwerdeführers vom 12. Februar 2021 und aus dessen Aussage bei der mündlichen Verhandlung. Diese sind unstrittig.

Die Feststellungen zu Pkt. 4.2. ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Bescheinigungen „über Ziel und Zweck sowie Beginn und Ende der Probefahrt“ (Beilage ./2 und Foto im Verwaltungsakt S. 24). In beiden Blättern ist der Fahrtbeginn am 13. Juni 2020 mit 14:00 Uhr eingetragen. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Zeugin konnten sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung an den genauen Zeitpunkt der Abfahrt nicht mehr erinnern, weshalb den Angaben auf den Bescheinigungen zu Folgen war. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer nachgeschobene Argumentation, er habe „eventuell“ das Auto im Rahmen der Probefahrt getankt oder in die Waschstraße geschickt, erscheinen nicht glaubhaft. Insbesondere weil auch die Zeugin dies nicht erwähnte.

Die Feststellungen zu Pkt. 4.3. sind unstrittig. Der Beschwerdeführer bestätigte diese Angaben aus der Anzeige der Polizeiinspektion *** in der mündlichen Verhandlung.

Das Landesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen hinsichtlich des Nichtvorliegens einer Probefahrt (Pkt. 4.4) auf folgende maßgebliche Faktoren: Die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er die Fahrt als Beschäftigter bzw. im Auftrag des KFZ-Handels seines Vaters durchgeführt habe, um die Gebrauchs- und Leistungsfähigkeit zu überprüfen, erscheint zunächst in Anbetracht der Tatsache, dass er die Fahrt gemeinsam mit seiner Freundin und deren Kleinkind durchgeführt hat, unglaubhaft. Vielmehr ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Fahrt in seiner Freizeit und damit losgelöst von einem beruflichen Konnex vorgenommen hat. Dies gesteht der Beschwerdeführer auch zu, als er im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführt: „Ich habe meine Freundin mitgehabt, weil ich zwei Tage das Auto zum Testen gehabt [habe] und das in meiner Freizeit gemacht habe und wir gerade am Weg nach Hause waren.“.

Weiters ist festzuhalten, dass die Zeugin aussagte, dass der Beschwerdeführer den Vordruck zur „Bescheinigung über Ziel und Zweck sowie Beginn und Ende der Probefahrt“ erst am Parkplatz ausgefüllt hat.

Zu dieser Bescheinigung ist zudem Folgendes auszuführen: Der Beschwerdeführer legte sowohl im verwaltungsbehördlichen als auch verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen ausgefüllten Vordruck zur „Bescheinigung über Ziel und Zweck sowie Beginn und Ende der Probefahrt“ über den 13. Juni 2020 vor. Es zeigt sich jedoch, dass im verwaltungsbehördlichen Verfahren ein anderer ausgefüllter Vordruck (Foto im Verwaltungsakt S. 24) vorgelegt wurde als wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (Beilage ./2). Die genannten Dokumente sind nicht identisch. Beim Dokument im Verwaltungsakt (Foto im Verwaltungsakt S. 24) ist das Feld betreffend Ende der Probefahrt nicht ausgefüllt, bei Beilage ./2 ist als Ende der Probefahrt der 14. Juni 2020, 9:00 Uhr, eingetragen. Bei Beilage ./2 ist die Fahrgestellnummer eingetragen, beim Dokument im Verwaltungsakt (Foto im Verwaltungsakt S. 24) fehlt diese. Beim Dokument im Verwaltungsakt (Foto im Verwaltungsakt S. 24) ist als Zweck der Probefahrt das Wort „Probefahrt“ handschriftlich vermerkt, bei Beilage ./2 ist dieses Wort bereits im Vordruck enthalten.

Die Glaubhaftigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorliegens einer Probefahrt wird auch dadurch massiv erschüttert, als er – obwohl rechtlich in diesem Verfahren gar nicht relevant – behauptet, dass die „Bescheinigung über Ziel und Zweck sowie Beginn und Ende der Probefahrt“ auf dem Armaturenbrett hinterlegt und durch die geöffneten Fenster des Autos vom Armaturenbrett weg auf die Mittelkonsole geweht worden sei. Auf den vom Anzeigeleger übermittelten Fotos ist jedoch zu erkennen, dass die vorderen Fenster des Fahrzeugs geschlossen waren. Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst hinsichtlich des Ortes, wo die Bescheinigung hingeflogen sein soll, abweichende Angaben macht. In seiner Beschwerde vom 5. Juli 2021 behauptet er erstmals, der Zettel sei auf den Beifahrersitz geflogen. In der mündlichen Verhandlung behauptete er jedoch, dass die Bescheinigung auf die Mittelkonsole geflogen sei.

Auch die zeitlichen Abläufe der angeblichen Probefahrt weisen erhebliche Lücken auf. In der Bescheinigung über die Probefahrt ist der Fahrtbeginn mit 14:00 Uhr vermerkt. Folgt man den Angaben des Beschwerdeführers und der Zeugin über die im Rahmen der Fahrt zurückgelegte Strecke, so kann diese Strecke (laut Google-Maps) in ca. 30 Minuten bewältigt werden. Die Polizei nahm das Fahrzeug jedoch erst um 16:15 Uhr vor dem *** der ***, ***, wahr. Wenn der Beschwerdeführer anführt, dass er das Auto „eventuell“ noch zum Tanken gebracht habe oder durch die Waschstraße geschickt habe und die Zeugin anführt, sie könne sich nicht mehr erinnern, wann die Abfahrt in *** tatsächlich erfolgte, so ist festzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um bloße (Schutz-) Behauptungen und Vermutungen handelt.

Zudem erscheint die Schilderung des Beschwerdeführers und der Zeugin betreffend des WC-Bedürfnisses des im Auto befindlichen Kleinkindes als lebensfremd: Die Zeugin gab an, dass ihre Tochter auf Höhe der Autobahnabfahrt *** mitteilte, dass sie dringend auf’s WC müsse. Wenn nun der Beschwerdeführer vorbringt, dass er deswegen die Probefahrt unterbrechen musste und das Auto auf dem Parkplatz der *** vor dem *** abstellte, so kann dies nicht schlüssig nachvollzogen werden. Denn direkt im Anschluss an die Abfahrt von der Autobahn *** befindet sich eine direkte Zufahrt zur ***. Wird diese Zufahrt gewählt, so gelangt man sofort zu den näher und schneller erreichbaren *** und *** der ***. Es erscheint deshalb widersprüchlich, wenn der Beschwerdeführer trotz des dringenden WC-Bedürfnisses des Kleinkindes zunächst das Gelände der *** entlangfährt, um dann zu den am weitesten von der Autobahnabfahrt entferntesten Toiletten bei *** zu gelangen. Dies, obwohl der Beschwerdeführer gute Ortskenntnis hat und die *** kennt.

Zusammengefasst sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er eine Probefahrt zum Testen der Motorkontrollleuchte durchgeführt habe, als reine Schutzbehauptungen zu werten. Eine Entlastung durch die vom Beschwerdeführer namhaft gemachte Zeugin, gelang nicht.

 

6.   Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) lauten auszugsweise:

§ 45. Probefahrten

(1) Probefahrten mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch

1. Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes sowie Fahrten um unbeladene Fahrzeuge der Klassen M2, M3, N2 oder N3 gewerbsmäßig im Auftrag von Nutzfahrzeugherstellern oder Nutzfahrzeughändlern zu überführen,

2. Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer,

3. Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt und

4. das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3 500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis zu maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.

(1a) Wird ein Fahrzeug mit Probekennzeichen im Zuge einer Probefahrtunterbrechung (Abs. 1 Z 4) auf Straßen mit öffentlichem Verkehr abgestellt, so muss der Lenker oder der Besitzer der Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten die Bescheinigung gemäß § 102 Abs. 5 lit. c so im Fahrzeug hinterlegen, dass diese bei mehrspurigen Kraftfahrzeugen hinter der Windschutzscheibe und durch diese gut erkennbar ist. Bei anderen Fahrzeugen ist diese Bescheinigung an einer sonst geeigneten Stelle gut wahrnehmbar anzubringen.

(4) Bei der Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist auch auszusprechen, welche Kennzeichen bei den Probefahrten zu führen sind. Diese Kennzeichen sind Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs. 3) und dürfen nur bei Probefahrten geführt werden. […]

§ 134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen […] zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten auszugsweise:

„§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. […]

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lauten auszugsweise:

Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

7.   Erwägungen:

Die Beschwerde ist dem Grunde nach nicht begründet.

Die Durchführung von Fahrten mit Probefahrtkennzeichen setzt nicht nur voraus, dass die Merkmale des zweiten oder dritten Satzes des § 45 Abs 1 KFG (Legaldefinition des Begriffes "Probefahrt") vorliegen, sondern darüber hinaus auch, dass es sich um eine zulässige Probefahrt handelt (VwGH 27.9.1989, 88/03/0158).

Gemäß § 45 Abs. 1 zweiter Satz KFG sind Probefahrten solche Fahrten, die zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände dienen oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Zwar kann sich „die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit [ergeben], mit einer Probefahrt einen Nebenzweck zu verbinden, ohne dass der Charakter der Probefahrt verloren ginge, wenn anlässlich einer Probefahrt […] die Probefahrt kurz unterbrochen wird, damit der Fahrzeuglenker etwa ein Poststück in einen Briefkasten einwerfen oder er eine Toilette aufsuchen kann. Ist ein solcher Zusammenhang nicht mehr gegeben, wird anzunehmen sein, dass der Hauptzweck ‚Probefahrt‘ mehr oder minder zu Gunsten des ‚Nebenzweckes‘ zurücktritt und daher die Fahrt nicht mehr als Probefahrt angesehen werden kann.“ (Grubmann, Kommentar zum KFG4, 648, mit Verweis auf VwGH 7.3.1977, 1631/76).

Jedenfalls liegt dann keine Probefahrt im Sinne des § 45 Abs. 1 KFG vor, wenn es sich um eine Privatfahrt handelt, die in der Freizeit vorgenommen wird. Eine solche Privatfahrt wird auch dann nicht zur Probefahrt, wenn diese Privatfahrt im Nebenzweck dazu dient, die Gebrauchs- oder Leistungsfähigkeit eines Fahrzeugs festzustellen. Eine solche Privatfahrt ist vorliegend gegeben, als der Beschwerdeführer anführte, dass er „das Auto zwei Tage zum Testen gehabt und das in [seiner] Freizeit gemacht habe“.

Werden Probefahrtkennzeichen bei Fahrten geführt, die keine Probefahrten iSd § 45 Abs 1 KFG sind, so stellt dies eine Übertretung nach § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG dar. Strafbar im Sinne des § 45 Abs. 4 zweiter Satz KFG ist auch das Abstellen eines Fahrzeugs mit Probefahrtkennzeichen, wenn es nicht zu einem in § 45 Abs. 1 genannten Zweck erfolgt (Grubmann, Kommentar zum KFG4, 644, mit Verweis auf VwGH 30.9.1981, 81/03/0085). Eine solche missbräuchliche Verwendung von Probefahrtkennzeichen ist für jedermann verboten (VwGH 19.01.1976, 1160/75).

Aufgrund des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens steht fest, dass der Beschwerdeführer die Probefahrtkennzeichen *** geführt hat, obwohl diese nur bei Probefahrten geführt werden dürfen und es sich zum Tatzeitpunkt um keine Probefahrt, sondern eine Privatfahrt, gehandelt hat. Im vorliegenden Fall ist das Tatbild des § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG somit objektiv erfüllt.

Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Verpflichtung zur Hinterlegung der Bescheinigung über die Probefahrt, aus der der Zeitpunkt des Beginnes und des Endes der Probefahrt ersichtlich sind, nur bei Probefahrten iSd § 45 Abs. 1 Z 4 KFG 1967 besteht (vgl. VwGH 2009/02/0269). Mangels Vorliegen einer Probefahrt ist das Hinterlegen einer Bescheinigung daher vorliegend unerheblich.

Vor dem Hintergrund, dass es sich um ein „Ungehorsamsdelikt“ handelt und der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, dass ihn kein Verschulden trifft, ist gemäß § 5 Abs. 1 VStG jedenfalls fahrlässiges Verhalten anzunehmen.

Die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit gemäß § 45 Abs 4 zweiter Satz KFG sind somit erfüllt.

Der Spruch war unter Anführung der korrekten Gesetzesstellen zu präzisieren (VwGH 06.08.2020, Ra 2020/09/0013).

8.   Zur Strafhöhe:

Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, sowie sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung der Geldstrafe zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von 2.200 Euro und ist nicht sorgepflichtig. Er hat kein Schulden und kein Vermögen.

Gemäß § 134 Abs. 1 KFG 1967 ist für die gegenständliche Verwaltungsübertretung die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe bis zu € 5.000, vorgesehen. Die belangte Behörde hat den Strafrahmen nur zu 3 % ausgeschöpft.

Der Beschwerdeführer weist sieben verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf. Er ist daher nicht unbescholten. Die Vormerkungen sind allerdings nicht einschlägig. Mildernde Umstände waren nicht vorhanden.

Unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse, der nicht vorhandenen Sorgepflichten, des Verschuldens des Beschwerdeführers und des Unrechtsgehaltes der Tat, ist die festgesetzte Strafe der Behörde jedenfalls als angemessen zu qualifizieren.

Gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde den Beschuldigten im Falle der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten. Da die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat nicht gering war und das tatbildmäßige Verhalten nicht hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben ist, kommt eine Einstellung des Verfahrens und die Erteilung einer Ermahnung nicht in Betracht.

Eine Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung gemäß § 20 VStG kommt nicht in Betracht, weil vorliegend keine gesetzliche Mindestgeldstrafe vorgesehen ist.

9.   Zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens

Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat; dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Geldstrafe, mindestens jedoch mit 10,- Euro zu bemessen, weshalb der im Spruch angeführte Beitrag (30 Euro) vorzuschreiben war.

Gemäß § 52 Abs. 6 VwGVG iVm § 54b Abs. 1 VStG hat der Beschwerdeführer den Strafbetrag sowie die Kostenbeiträge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses zu bezahlen.

10. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines

Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr waren die Rechtsfragen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu lösen.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verwaltungsstrafe; Probefahrtkennzeichen; Probefahrt; Bescheinigung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.S.1536.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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