TE Bvwg Erkenntnis 2021/9/2 L516 1245249-3

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Veröffentlicht am 02.09.2021
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Entscheidungsdatum

02.09.2021

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1 Z2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs2

Spruch


L516 1245249-3/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zahl GF: 13-351920805 VZ: 170722534-EAST Ost, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II Satz 1 des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II Satz 2 des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG stattgegeben, dieser behoben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 55 Abs 1 Z 1 und Z 2 AsylG wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

III. Spruchpunkt II Satz 3 und Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer stellte am 20.06.2017 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 17.10.2017 (I.) gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Das BFA erteilte unter einem (II.) keine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (III.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

Ausschließlich gegen die Spruchpunkte II und III dieses Bescheides wurde Beschwerde erhoben. Spruchpunkt I erwuchs somit in Rechtskraft.

Mit Beschluss vom 30.11.2017, L516 1245249-3/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 17 Abs 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Der Beschwerdeführer brachte mit Schriftsatz vom 16.11.2020 eine Stellungnahme sowie Unterlagen zur Bescheinigung seiner zwischenzeitlich erfolgten Integrationsschritte vor. (OZ 14)

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung bilden die Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheides.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA zum Folgeantrag; NS=Niederschrift; EB=Erstbefragung; VS=Verhandlungsschrift; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]

1.1 Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen und sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan. Seine Identität steht nicht fest. (Erkenntnis BVwG 31.10.2016, L508 1245249-2/7E S 11)

1.2 Der Beschwerdeführer reiste erstmals Anfang Mai 2002 in Österreich ein und hält sich seither – abgesehen von einem Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2003-2004 und einem in der Slowakei im Jahr 2007 ununterbrochen in Österreich auf. (Bescheid S 2; Beschwerde S 5; ZMR; IZR) Ununterbrochen hält er sich zumindest seit vierzehn Jahren in Österreich auf. Der gegenständlichen Entscheidung liegt der fünfte Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zu Grunde, wobei zu berücksichtigen ist, dass die pakistanischen Behörden dem Beschwerdeführer bisher nie ein Heimreisezertifikat ausgestellt haben (vgl Schreiben der pakistanischen Botschaft in Wien vom XXXX , wonach die Führerscheinkopie des Beschwerdeführer an die Behörden in Pakistan zur Prüfung weitergeleitet worden seien (ohne Seitenangabe im Akt enthalten); Schreiben pakistanischen Botschaft in Wien vom XXXX , wonach die Verifizierung der Nationalität des Beschwerdeführers noch abgewartet werden müsse (ohne Seitenangabe im Akt enthalten)), weshalb eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nie stattfinden konnte. Über den Beschwerdeführer wurde mehrmals die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Aus der letzten Schubhaft wurde der Beschwerdeführer noch am Tag der Inhaftierung wieder entlassen, da ein Heimreisezertifikat nicht ausgestellt worden war (Entlassungsschein AS 693 des Erstaktes der belangten Behörde).

1.3 Der Beschwerdeführer ist seit 12.01.2012 mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX nach islamischem Recht verheiratet. Die Eheschließung fand im Islamischen Zentrum XXXX statt. Der Beschwerdeführer wird von seiner Frau auch finanziell unterstützt. (Ehevertrag AS 307; Stellungnahme Beschwerdeführer 03.11.2020 OZ 14; Stellungnahme Frau 03.11.2020 OZ 14)

Der Beschwerdeführer hat am 11.09.2017 eine schriftliche und am 12.09.2017 eine mündliche zertifizierte Deutschprüfung für das Sprachniveau B1 bestanden. Das diesbezügliche Zertifikat „ÖSD Zertifikat Deutsch Österreich B1“ wurde am 05.10.2017 ausgestellt. (ÖSD Zertifikat OZ 14)

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig und verfügt über einen Vorvertrag hinsichtlich einer Vollzeitbeschäftigung in einem Imbisslokal mit einem Bruttoentgelt in der Höhe von EUR 2.000,--. Dieser Vertrag wurde mit der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung abgeschlossen. (Vorvertrag OZ 14) Er verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis, zu dem auch österreichische Staatsangehörige zählen und mit dem er in seiner Freizeit Cricket und Fußball spielt. (Unterstützungsschreiben OZ 14)

1.4 Der Beschwerdeführer ist in Österreich aktuell strafrechtlich unbescholten. (Strafregister der Republik Österreich (SA, SC))

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf die Verwaltungsverfahrensakten des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes der die vom Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16.11.2020 abgegebenen Stellungnahme und Bescheinigungsmittel enthält (OZ 14). Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Die Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus den vom Bundesverwaltungsgericht in dessen Erkenntnis vom 31.10.2016, L508 1245249-2/7E S 11, getroffenen Feststellungen.

2.2 Die Feststellungen zur erstmaligen Einreise nach Österreich ergeben sich aus der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz, die Aufenthalte in Österreich, Deutschland und der Slowakei ergeben sich aus dem ZMR, IZR, dem Bescheid des BFA und der Beschwerde. Die Feststellungen zu den Schubhaften und zur nicht erfolgten Ausstellung eines Heimreisezertifikates ergeben sich direkt aus den Verwaltungsverfahrensakten des BFA (AS 157ff, 215ff, 261ff, 5161ff, 599ff, 689, 693 des Erstaktes der belangten Behörde; Schreiben der Embassy of Pakistan vom XXXX AS 209, vom 19.10.2007 AS 295, vom XXXX AS 296, vom 04.03.2009 AS 398, vom 30.10.2009 AS 405, vom 16.12.2009 AS 482, vom 21.01.2010 AS 484, vom 19.03.2010 AS 487, vom 05.05.2011 AS 644, vom 25.04.2012 AS 739, vom XXXX AS 749, des Erstaktes der belangten Behörde; vom Beschwerdeführer ausgefüllte Formulare zur Beantragung eines pakistanischen Reisepasses AS 283 und AS 462 des Erstaktes der belangten Behörde; bzw. verfahrensgegenständlicher Akt ohne Seitenangabe).

2.3 Die Feststellungen zu seiner traditionell geschlossenen Ehe, seiner aktuellen Lebenssituation, seinen sozialen Kontakten und seiner zukünftigen Arbeitstätigkeit erwiesen sich als widerspruchsfrei, sie wurden durch die von ihm vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis seiner bereits gesetzten Integrationsschritte (AS 307; OZ 14) belegt und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern. Die Sprachkenntnisse und die Daten der bestandenen Prüfungen wurden aufgrund des vorgelegten Deutschzertifikates feststellt. Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem unverdächtigen Strafregisterauszug (OZ 17).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zu einem Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 57 AsylG; Spruchpunkt II Satz 1 des angefochtenen Bescheides)

3.1 Fallbezogen liegen nach dem festgestellten Sachverhalt die gesetzlichen Voraussetzungen des § 57 AsylG für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist weder seit einem Jahr geduldet noch ist eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen zu erteilen; schließlich hat der Beschwerdeführer auch nicht glaubhaft gemacht, Opfer von Gewalt geworden zu sein sowie, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

3.2 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II Satz 1 des angefochtenen Bescheides erweist sich daher als unberechtigt.

Spruchpunkt II

Zur Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer und Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 9 BFA-VG, § 55 AsylG; Spruchpunkt II Satz 2 des angefochtenen Bescheides)

3.3 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325). Es ist zwar auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (ebenso VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325).

Bei den Gesichtspunkten - unsicherer und ab rechtskräftiger Erledigung eines Asylantrages unrechtmäßiger Aufenthalt, Nichtbeachtung einer Ausreiseverpflichtung, Weigerung an der Erlangung eines Heimreisezertifikates mitzuwirken - handelt es sich um solche, die - in mehr oder weniger großem Ausmaß - typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrags auf internationalen Schutz insgesamt einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen; sie fallen somit - anders als in Fällen kürzerer Aufenthaltsdauer - nicht entscheidungswesentlich ins Gewicht. (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0243)

Zum gegenständlichen Fall

3.4 Der Beschwerdeführer reiste erstmals Anfang Mai 2002 in Österreich ein und hält sich seither – abgesehen von einem Aufenthalt in Deutschland im Jahr 2003-2004 und einem in der Slowakei im Jahr 2007 ununterbrochen in Österreich auf. (Bescheid S 2; Beschwerde S 5) Ununterbrochen hält er sich zumindest seit vierzehn Jahren in Österreich auf. Er kann damit nicht schlichtweg auf einen mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt verweisen, sondern auf einen solchen, der schon rund als das Eineinhalbfache dieses in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für maßgeblich erkannten Zeitraumes ausmacht. (vgl dazu VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0174)

Im Fall, dass – wie auch im gegenständlichen Fall des Beschwerdeführers – ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der Verwaltungsgerichtshof seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde. (vgl VwGH 17.03.2016, Ro 2015/22/0016) Auch die Nichtbefolgung der Ausreisebefehle tritt in einem solchen Fall angesichts der Aufenthaltsdauer in den Hintergrund (vgl dazu VwGH 04.03.2020, Ra 2020/21/0010 zu einem Fall in dem die 10-Jahres Judikatur einschlägig war).

Gegenständlich lag dem Verfahren zwar nicht der erste, sondern der fünfte Antrag auf internationalen Schutz zu Grunde, wobei jedoch demgegenüber zu berücksichtigen ist, dass dem Beschwerdeführer mangels Vorliegens eines Reisedokuments weder eine legale Ausreise aus Österreich noch eine Rückkehr in sein Herkunftsland möglich war.

Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und arbeitswillig und verfügt über einen Vorvertrag hinsichtlich einer Vollzeitbeschäftigung in einem Imbisslokal mit einem Bruttoentgelt in der Höhe von EUR 2.000,--. Dieser Vertrag wurde mit der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsberechtigung abgeschlossen. An der zukünftigen Selbsterhaltungsfähigkeit und Selbsterhaltungswilligkeit des Beschwerdeführers bestehen deshalb keine Zweifel. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht nur die gegenwärtige Selbsterhaltungsfähigkeit, sondern auch die Frage einer zukünftig erwartbaren Selbsterhaltungsfähigkeit durch eine erlaubte Beschäftigung einzubeziehen und dabei auf den hypothetischen Fall der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, der die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit grundsätzlich gestattet. (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282)

Er spricht Deutsch auf dem Sprachniveau B1.

Der Beschwerdeführer ist seit 12.01.2012 mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX nach islamischem Recht verheiratet. Die Eheschließung fand im Islamischen Zentrum XXXX statt. Der Beschwerdeführer wird von seiner Frau auch finanziell unterstützt. Er verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis, zu dem auch österreichische Staatsangehörige zählen und mit dem er in seiner Freizeit Cricket und Fußball spielt. Er hat damit seit 2002, davon zumindest seit 14 Jahren ununterbrochen in Österreich mittlerweile seinen Lebensmittelpunkt, seine Lebenspartnerschaft, seine Freunde, seine Bekannte und sein soziales Netz in Österreich.

Schließlich ist er strafrechtlich unbescholten.

3.5 Der Beschwerdeführer hat somit ein gewisses Maß an Integration erlangt und es kann unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, zu Personen die fast zehn Jahre oder darüber in Österreich aufhältig sind, nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer seine in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich zu integrieren.

3.6 Das Bundesverwaltungsgericht gelangt schließlich aufgrund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hinsichtlich der bereits erfolgten Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft und der positiven Zukunftsprognose zu dem Ergebnis, dass unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles das private Interesse des Beschwerdeführers an der Fortführung seines Privatlebens in Österreich das öffentliche Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegt. Es ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum öffentliche Interessen es zwingend erfordern würden, dass der Beschwerdeführer nach etwa 16 Jahren Aufenthalt in Österreich das Bundesgebiet verlassen müsste.

3.7 Es erweist sich daher die im angefochtenen Bescheid angeordnete aufenthaltsbeendende Maßnahme als unzulässig und eine Rückkehrentscheidung daher auf Dauer unzulässig.

3.8 Gemäß § 55 Abs 1 Z 2 AsylG ist dem Drittstaatstaatsangehörigen, der das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz, BGBl I Nr 68/2017, erfüllt hat, eine Aufenthaltsberechtigung plus zu erteilen.

Gemäß § 81 Abs 36 NAG gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I Nr 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Die §§ 7 bis 16 Integrationsgesetz, BGBl I Nr 68/2017, mit Ausnahme von § 13 Abs 2 traten mit 1. Oktober 2017 in Kraft.

Der Beschwerdeführer hat am 11.09.2017 eine schriftliche und am 12.09.2017 eine mündliche zertifizierte Deutschprüfung des Österreichischen Integrationsfonds für das Sprachniveau B1 bestanden und hat damit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 68/2017 erfüllt.

3.9 Es wird daher im Ergebnis der Beschwerde gegen Spruchpunkt II Satz 2 des angefochtenen Bescheides spruchgemäß stattgegeben, dieser ersatzlos behoben und festgestellt, dass gemäß § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, sowie dem Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs 1 AsylG der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

Spruchpunkt III

Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt II Satz 3 und Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (§ 46 FPG, § 55 Abs 1aFPG)

3.10 Nach dem zuvor dargestellten Ergebnis liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan gemäß § 46 FPG und die Festlegung keiner Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 1a FPG nicht mehr vor, weshalb gleichzeitig die betreffenden Aussprüche ersatzlos behoben werden.

Zu B)

Revision

3.11 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.12 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Arbeitsfähigkeit Arbeitswilligkeit Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Deutschkenntnisse ersatzlose Teilbehebung Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Privat- und Familienleben private Interessen Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:L516.1245249.3.00

Im RIS seit

21.12.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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