TE Bvwg Erkenntnis 2021/10/27 W163 2241456-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2021
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Entscheidungsdatum

27.10.2021

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch


W163 2241456-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.03.2021, Zahl XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

III. Die Beschwerde wird hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

XXXX wird gemäß § 55 Abs. 1 Z 1 und Abs 2 und § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung " für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

V. Die Spruchpunkte V. und VII. des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

I.1. Verfahrensgang

1.       Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine serbische Staatsangehörige, reiste am 21.08.2020 legal in den Schengen-Raum ein und stellte am 08.01.2021 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.       Am selben Tag fand die Erstbefragung der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.

3.       Am 22.02.2021 wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

4.       Mit angefochtenem Bescheid des BFA vom 15.03.2021 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der BF wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie einen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weites gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 18 Abs 1 Z 1 u 4 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VII.).

5.       Gegen diesen am 16.03.2021 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob die BF fristgerecht Beschwerde, welche am 13.04.2021 beim BFA einlangte.

6.       Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 15.04.2021 vom BFA vorgelegt.

7.       Mit Beschluss des BVwG vom 19.04.2021 wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

8.       Mit Eingabe vom 22.04.2021 wurde eine ärztliche Bestätigung vorgelegt, welche die mangelnde Reisefähigkeit der BF bis zur Geburt des Kindes belegte.

9.       Am 23.04.2021 langte beim BVwG die Vollmachtsauflösung durch die bisherige Rechtsvertretung ein.

10.      Mit am 22.06.2021 beim BVwG eingelangten Schriftsatz wurden Unterlagen vorgelegt.

11.      Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 06.10.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die BF persönlich im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters teilnahm. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

a)       Zur Person und zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei

1.       Zur Person der Beschwerdeführerin

Die BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , in der Stadt XXXX in Serbien.

Die BF ist Staatsangehörige der Republik Serbien und gehört der Volksgruppe der Roma an. Die Muttersprache der BF ist Serbisch.

In Serbien besuchte die BF acht Jahre eine Pflichtschule in XXXX . Die BF hat im Herkunftsstaat keine Berufsausbildung absolviert, hat jedoch zumindest geringe Berufserfahrung gesammelt, indem sie bei der Weinlese mithalf, wofür sie ein Entgelt erhielt.

Die Eltern sowie die Geschwister der BF leben im Herkunftsstaat. Die BF hat regelmäßig Kontakt zu ihrer in Serbien aufhältigen Familie.

Die BF hat einen Lebensgefährten, der österreichischer Staatsbürger ist. Mit diesem hat sie eine gemeinsame Tochter, welche ebenfalls österreichische Staatsbürgerin ist.

Die BF ist minderjährig, gesund und arbeitsfähig.

2.       Zur Rückkehrmöglichkeit nach Serbien

Die BF ist in Serbien keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt. Gründe, die eine Verfolgung oder sonstige Gefährdung der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Serbien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen, wurden von der BF nicht glaubhaft gemacht.

Es besteht für die BF im Falle einer Rückkehr nach Serbien keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Diese liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die BF wird im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, ist nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen und wird nicht von der Todesstrafe bedroht. Eine Rückkehr der BF als Zivilperson bringt keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich.

Der BF ist es zumutbar und möglich, nach Serbien zurückzukehren, sich dort niederzulassen und mittelfristig dort eine Existenz aufzubauen. Sie hat bis zu ihrer Ausreise in Serbien gelebt und ist daher mit den kulturellen Gepflogenheiten ihres Herkunftsstaates und einer in Serbien gesprochenen Sprachen (Serbisch) vertraut und wuchs dort in einem serbischen Familienverband auf. Angesichts ihrer Schulbildung und zumindest geringen Arbeitserfahrung könnte sich die BF eine Existenz aufbauen und diese zumindest anfänglich mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Ihr wäre der Aufbau einer Existenzgrundlage in Serbien möglich. Sie ist in der Lage in Serbien eine einfache Unterkunft zu finden. Sie hat auch die Möglichkeit, (finanzielle) Unterstützung durch ihre in Serbien aufhältigen Familienangehörigen sowie Leistungen des serbischen Sozialsystems in Anspruch zu nehmen und sich an dort tätige Hilfsorganisationen zu wenden.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende COVID-19-Pandemie kein Rückkehrhindernis darstellt. In Serbien wurden mit Stand 07.10.2021 insgesamt 981329 Erkrankungen und 8531 Todesfälle registriert. Die BF ist gesund und gehört mit Blick auf ihr Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die BF bei einer Rückkehr nach Serbien eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

3.       Zur Situation der Beschwerdeführerin in Österreich

Die BF befindet sich seit August 2020 durchgehend im Bundesgebiet.

Abgesehen von ihrem Lebensgefährten und der gemeinsamen Tochter leben keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet.

Die BF hat keine Deutschkurse besucht und keine Sprachzertifikate erworben. Die BF ist zu einem Deutschsprachkurs, welcher Ende Oktober 2021 beginnt, angemeldet. Die Beschwerdeführerin war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig.

Die BF spricht kein Deutsch und es konnten auch sonst keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF in Österreich in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Die BF steht in Grundversorgung.

Im Zeitpunkt der Entscheidung ist die BF strafrechtlich unbescholten.

b)       Zur Lage im Herkunftsstaat

Serbien gilt als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 1 Z 6 HStV.

Auszug aus den Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Version 3 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):

COVID-19

Letzte Änderung: 30.07.2021

Seit 21.12.2020 müssen alle, die nach Serbien einreisen, einen Nachweis eines negativen PCR-Tests, nicht älter als 48 Stunden, mit sich führen. Serbische Staatsangehörige und Personen mit serbischem Aufenthaltstitel können ohne Test einreisen, müssen sich aber in eine 10-tägige Quarantäne begeben und müssen ihre Einreise innerhalb von 24 Stunden online registrieren oder bei der örtlich zuständigen COVID-19-Ambulanz melden. Die Homepage der serbischen Regierung bietet Informationen zu den Einreisebestimmungen und aktuellen Zahlen (BMEIA 4.6.2021).

Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).

Die Covid-19-Pandemie hat in allen Staaten der Westbalkan-Region, einschließlich Serbien, die bestehenden Probleme im Gesundheitssystem und die Probleme großer Teile der Bevölkerung beim Zugang zu Gesundheitsversorgung verschärft. Im Rahmen der „Zweiten Welle“ der Covid-19-Pandemie erreichten die Infektionszahlen in allen Ländern der Balkan-Region neue Höchststände. Dies stellt die Gesundheitssysteme dieser Länder vor massive Probleme und führt dazu, dass lebensnotwendige Gesundheitsversorgungsleistungen nicht oder nur gegen Bezahlung beträchtlicher Kosten erhältlich sind. Die tatsächliche Todeszahl während der „ersten Welle“ von März bis Juni 2020 war mehr als doppelt so hoch wie die offizielle Zahl. Auch bei der Anzahl der gemeldeten Infektionen wurden erhebliche Differenzen festgestellt. Bis zum 18. Januar 2021 sind mindestens 80 Beschäftigte im serbischen Gesundheitswesen an Covid-19 gestorben. Die Gewerkschaft des Gesundheitssektors weist darauf hin, dass die tatsächliche Zahl noch höher sein, weil diese Zahl nicht KrankenpflegerInnen und medizinische Fachangestellte umfasst (FBW 8.2.2021).

Von 15.3.2020 bis 7.5.2020 galt in Serbien aufgrund der Pandemie ein Ausnahmezustand mit Ausgangssperre. Dieser trug dazu bei, dass sich die Ansteckung verlangsamte und die Anzahl der Infizierten sank. Die Zahl erhöhte sich im Dezember 2020 auf bis zu 8.000 Infektionsfälle, was zur Gründung und Eröffnung eines neuen Covid-Krankenhauses in Batajnica, einem Vorort von Belgrad führte, dessen Kapazität 1.000 Patienten beträgt. Ab Januar 2021 begann eine Impfkampagne in Serbien, wobei schon im Februar mehr als 550.000 Menschen geimpft wurden. Folgende vier Impfstoffe wurden zugelassen: BionTech - Pfizer, AstraZeneca, Sputnik V und Sinopharm. Mit Stand 29.5.2021 wurden insgesamt 4.527.079 Impfdosen verabreicht, wovon die erste Dosis 2.507.302 und die zweite Dosis 2.019.777 Personen verabreicht bekamen. Diese erfolgreiche Immunisierung trug zur Senkung der Anzahl von Infizierten wesentlich bei, wodurch Serbien am 27.6.2021 nur 63 erkrankte Fälle (die Statistik der letzten 24 Stunden) verzeichnete. Insgesamt hatte Serbien mit Stand 17.6.2021 715.442 Erkrankungsfälle und 6.985 Todesfälle (VB 29.6.2021).

In den letzten Mai Wochen kam es zu einem erheblichen Rückgang der stationären Behandlungen um über 5.000 (!) Personen. Befanden sich am 23.4.2021 noch 5.897 Patienten in Krankenhausbehandlung, waren es am 10.5.2021 noch 3.827 und am 28.5.2021 nur noch 878 Personen. Mit Stand 31.5.2021 wurden 712.224 Erkrankungsfälle und damit verbunden 6.854 Todesfälle festgestellt. Ab dem 1.6.2021 können Personen, welche sich impfen lassen, eine Unterstützung in Höhe von RSD 3.000,00 (ca. EUR 25,00) beantragen (VB 29.6.2021).

Auf dem Portal www.covid19.rs werden täglich Informationen zur Ausbreitung des Coronavirus aktualisiert, Empfehlungen zum Umgang gegeben, sowie eine Hotline-Nummer veröffentlicht. Am 11.2.2021 hat die serbische Regierung das dritte Unterstützungspaket für die Wirtschaft im Wert von 249 Mrd. Serbischer Dinar [ein Dinar = 0,0085 EUR; Anm.] verabschiedet. Die neuen Maßnahmen umfassen eine direkte Unterstützung von Unternehmern, Kleinst-, Klein-, Mittel- und diesmal auch Großunternehmen, das Gastgewerbe, Hotels, Reisebüros, Personen- und Straßenverkehr (WKO 7.5.2021).

In Bezug auf COVID-19 bestehen seit 7.5.2020 keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23:00 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).

Serbien beginnt mit der Produktion des russischen Impfstoffs „Sputnik V“ gegen das Coronavirus. Die Produktion startete am 3.6.2021 im Torlak-Institut für Virologie. Binnen sechs Monaten sollen dort in russischer Lizenz vier Millionen Impfdosen hergestellt werden. Serbien ist damit nach Belarus das zweite europäische Land außerhalb Russlands, das „Sputnik“-Impfstoff herstellt. „Sputnik“ sowie der chinesische Impfstoff Sinopharm werden in Serbien bereits seit Monaten geimpft, ebenso wie die in der EU zugelassenen Vakzine von Biontech und Pfizer sowie AstraZeneca. Mehr als 30 % der etwa sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohner Serbiens haben bereits mindestens eine Impfdosis erhalten. Belgrad hat zudem den ärmeren ex-jugoslawischen Nachbarstaaten Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien, aber auch Tschechien Vakzine gespendet (ORF.at 4.6.2021).

Der serbische Präsident VUCIC erklärte am Abend des 11.3.2021, im Rahmen eines Treffens mit dem Kronprinzen von Abu Dhabi, Muhammad BIN ZAYED AL NAHAYN, dass sein Land mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate in die Produktion des chinesischen COVID?19 Impfstoffs Sinopharm einsteigen werde. Der Beginn der Produktion wurde mit 15. Oktober 2021 festgelegt (VB 29.6.2021).

Politische Lage

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die Volksvertretung der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna Skupština, 250 Abgeordnete). Der aktuelle Staatspräsident Aleksandar Vu?i? verfügt über eine sehr starke Stellung gegenüber Parlament und Regierung und hat de facto ein Präsidialsystem geschaffen. Strategisches Ziel Serbiens ist die Integration in europäische Strukturen, insbesondere Fortschritte im Beitrittsprozess zur EU. Gleichzeitig baut Serbien seine engen Beziehungen zu Russland und China weiter aus. 2007 hat sich Serbien durch Parlamentsbeschluss zur militärischen Neutralität verpflichtet. Serbien beteiligt sich am von der Bundesregierung 2014 initiierten Berliner Prozess, der die regionale Kooperation, ua. durch wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft. Haupthindernis bleibt die aus serbischer Sicht ungelöste Kosovo-Frage: Nachdem Serbien den sogenannten Ahtisaari-Plan im Rahmen einer internationalen Vermittlung abgelehnt hatte, erklärte die Republik Kosovo am 17. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit von Serbien. Serbien betrachtet „Kosovo und Metochien“ gemäß Verfassung von 2006 weiter als autonome serbische Provinz. Der EAD [Der Europäische Auswärtige Dienst; Anm.] vermittelt seit 2011/13 im sogenannten Normalisierungsdialog zwischen Belgrad und Pristina (AA 29.10.2020a).

Nicht einmal der frühere Präsident Slobodan Miloševi? hatte jemals soviel Macht wie Aleksandar Vu?i? (SNS). Die SNS erhielt bei den Wahlen am 21. Juni 2020 188 der 250 Sitze im serbischen Parlament. Die beiden anderen Parteien - jenseits der Minderheitenvertreter - die den Einzug schafften, sind der bisherige jahrelange Koalitionspartner, die Sozialistische Partei und die Serbische Patriotische Allianz (SPAS), die elf Abgeordnete stellt. Beide Parteien sind in der neuen Regierung vertreten (DS 20.10.2020).

Am 22.12.2009 stellte Serbien einen EU-Beitrittsantrag. Im März 2012 wurde Serbien offiziell der Status eines Beitrittskandidaten verliehen.Im Januar 2014 wurden EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufgenommen. Im Dezember 2015 bzw. Juli 2016 wurden die prioritären Kapitel zu Kosovo und Rechtstaatlichkeit eröffnet. Seit dem 29.6.2017 ist die Regierung unter Premierministerin Brnabi? im Amt, nach Neuwahlen am 21.6.2020 derzeit noch amtierend. Diese bekennt sich weiterhin zum EU-Kurs des Landes, betont aber auch ein gutes Verhältnis zu Russland und China. Führende Köpfe der aktuellen Regierungskoalition waren bereits zu Zeiten des Miloševi?-Regimes aktiv: Insbesondere war Staatspräsident Vu?i? Informationsminister unter Miloševi?. Die Transition zu einem System, in dem Institutionen, nicht Einzelpersonen, die Staatsgewalt obliegt, ist in Serbien noch nicht abgeschlossen (AA 19.11.2020).

Der Rat hat der Anwendung der überarbeiteten Verfahrensweise bei der Erweiterung auf die Beitrittsverhandlungen Serbiens zugestimmt, nachdem das Bewerberland seine Zustimmung bekundet hatte. Die Änderungen werden auf den nächsten Regierungskonferenzen in den bestehenden Verhandlungsrahmen mit Serbien berücksichtigt werden. Der Rat hat im März 2020 die Mitteilung der Kommission „Stärkung des Beitrittsprozesses - Eine glaubwürdige EU-Perspektive für den westlichen Balkan“ vom Februar 2020 gebilligt, die darauf abzielt, dem Beitrittsprozess neue Impulse zu geben, indem er berechenbarer, glaubwürdiger und dynamischer gestaltet und einer stärkeren politischen Steuerung unterworfen wird. Die Beitrittsverhandlungen mit Serbien haben im Januar 2014 begonnen, als der Verhandlungsrahmen auf der ersten Tagung der Beitrittskonferenz auf Ministerebene am 21. Januar 2014 vorgelegt wurde (ER 11.5.2021).

Die Watchdog-Organisation Freedom House stufte Serbien im Jahr 2020 nicht mehr als Demokratie ein und attestierte dem Land damit ähnliche Mängel wie Ungarn und Montenegro. Seit Vu?i? 2012 an die Macht kam, wurden die demokratischen Institutionen in Serbien zusehends geschwächt. Serbien ist mittlerweile ein hybrides System, formell zwar eine Demokratie, doch mit sehr starken autokratischen Zügen. Während sowohl die EU als auch Vu?i? weiterhin so tun, als ob Serbien an einer EU-Mitgliedschaft interessiert sei, meinen viele Beobachter nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen, dass man die Beitrittsgespräche analog zur Türkei auch einfrieren könnte. Vu?i? versucht recht erfolgreich Russland und China gegen den Westen auszuspielen und mit allen Seiten eine Art Schaukelpolitik zu betreiben. Der EU kommt dabei die Rolle zu, sich vor dem Einfluss Russlands und Chinas zu fürchten und Serbien weiterhin finanziell zu unterstützen (DS 20.10.2020).

In Serbien findet seit Monaten ein Machtkampf innerhalb der das Land dominierenden Regierungspartei SNS (Serbische Fortschrittspartei, Ausrichtung rechtskonservativ/nationalistisch; Anm.) statt. Den Kern bildet ein Machtkampf, derzeit noch geführt hinter den Kulissen, zwischen dem, auch die Tagespolitik bestimmenden, Staatspräsidenten und einem seiner langjährigen und bisher loyalen Weggefährten, dem ehemaligen Innenminister und jetzigen Verteidigungsminister STEFANOVIC. Von den Fernsehsendern und Zeitungen, die stets auf der Linie des Präsidenten liegen, wird STEFANOVIC als Verräter oder Verbrecher dargestellt, der die Mafia gefördert und den Sturz oder gar die Ermordung des Staatsoberhaupts geplant habe (VB 29.6.2021).

In der Diskussion über eine Lösung der festgefahrenen ethnischen Konflikte am Westbalkan zeigt sich Serbien offen für einvernehmliche Grenzveränderungen. Die Diskussion über neue Grenzen am Balkan hatte jüngst durch ein der slowenischen Regierung zugeschriebenes "Non Paper" neue Nahrung erhalten, in dem unter anderem über eine Teilung des Kosovo sowie die Angliederung der bosnischen Serbenrepublik an Serbien nachgedacht wird, um der stockenden EU-Annäherung der Region neuen Schub zu geben. Slowenien übernimmt im Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft (WZ 13.6.2021).

Der serbische Innenminister hat im Juli 2021 anlässlich des 13. Gründungstages seiner Sozialistischen Bewegung, eines kleinen Bündnispartners der regierenden Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS) von Aleksandar Vucic, für die "Errichtung einer serbischen Welt" plädiert. Bei manch einem Beobachter weckte diese Äußerung Erinnerungen an die Groß-Serbien-Idee des Regimes von Slobodan Milosevic. Sowohl in Serbien als auch in der gesamten Region löste diese Äußerung große Besorgnis aus (Die Presse 19.7.2021).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen (AA 1.6.2021b). Das Land kann als stabil bezeichnet werden. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Serbien nicht ausgeschlossen werden (EDA 1.6.2021).

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u. a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil. Die albanische Bevölkerung Südserbiens orientiert sich teils stark nach Kosovo. Mitunter wird über etwaige Grenzanpassungen spekuliert, die das Gebiet betreffen würden (AA 19.11.2020).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Bei der Umsetzung der Empfehlungen des letzten Jahres wurden einige Fortschritte erzielt, insbesondere bei der Annahme der Strategie und des Aktionsplans für die Kontrolle von leichten und kleinkalibrigen Waffen. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Auch die integrierte Grenzverwaltungsstrategie und der dazugehörige Aktionsplan wurden weiterhin wirksam umgesetzt (EK 6.10.2020).

Zwischen Serbien und dem Kosovo besteht seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung ein offener Grenzkonflikt. Zwischen Serbien und Kroatien gab es gleichfalls ungelöste Grenzfragen. Serbien beanspruchte zwei kleine Inseln in der Donau, während die kroatische Grenze teilweise durch serbische Dörfer verläuft. Nach kontinuierlicher Verbesserung der Beziehung zwischen den beiden Ländern konnte im Juni 2016 ein als historisch bezeichneter Pakt beschlossen werden, durch den die Grenzkonflikte beigelegt wurden und den jeweiligen Minderheiten in den Ländern mehr Rechte zugesprochen werden sollen. Die Beziehung gilt jedoch weiterhin als angespannt und die langfristige Anerkennung der Einigung als ungewiss. Bosnien-Herzegowina und Serbien streiten sich ebenfalls über ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang der Flüsse Drina und Lim. Nach vier Jahren Stillstand haben beide Staaten im Mai 2010 wieder diplomatische Verhandlungen aufgenommen. Serbien hat einen Landtausch vorgeschlagen, eine Einigung konnte aber noch nicht gefunden werden. Die Beziehungen Serbiens zu seinen Nachbarn sind nach wie vor angespannt. Im Zusammenhang mit den immensen Flüchtlingsströmen in Europa kam es vermehrt auch zu Spannungen zwischen Ungarn und Serbien. Im Juli 2016 trat in Ungarn ein Gesetz in Kraft, nach dem Personen ohne gültige Einreisedokumente innerhalb eines acht Kilometer breiten Streifens hinter der serbisch-ungarischen Grenze in Transitzonen zurückgebracht werden können. Somit wird die Verantwortung faktisch wieder auf Serbien übertragen. Serbien hält dieses Gesetz für völkerrechtswidrig (BICC 1.2021).

Kroatische Truppen im Kosovo sorgen für Irritation in Belgrad; der kroatische Präsident versicherte am 8.5.2021, dass die Verstärkung der kroatischen Truppen im Kosovo nicht gegen Serbien gerichtet, sondern ausschließlich der Tatsache der Reduktion der Truppen in Afghanistan und dem Bedarf im Kosovo geschuldet ist. Der serbische Präsident verurteilte zuvor diesen Schritt als weitere Demütigung Serbiens (VB xx.6.2021).

Religionsfreiheit

Letzte Änderung: 30.07.2021

Im Allgemeinen herrscht in Serbien Religionsfreiheit. Die serbische Verfassung und Gesetze erkennen allerdings nur sieben „traditionelle“ Konfessionen an, woraus eine gewisse Diskriminierung anderer religiöser Gruppen und ihrer Angehöriger resultiert, etwa bei der Registrierung von Religionsgruppen - ein Bereich, in dem es jüngst Fortschritte gegeben hat. Zugleich genießt die Serbisch-Orthodoxe Kirche eine klare Bevorzugung gegenüber anderen Konfessionen. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner Serbiens sind Christen. Etwa 6,3 Millionen (ca. 84%) der Einwohner bekennen sich zur serbisch-orthodoxen Kirche, ferner gibt es noch religiöse Minderheiten, insbesondere Katholiken (5%), Protestanten (1%), Atheisten (1,1%), nicht deklarierte oder unbekannte (4,5 %) und einige wenige neuapostolische Christen. Etwa 3% der Einwohner sind Muslime. Sie leben im südserbischen Sandschak, wo sie eine knappe Mehrheit bilden (GIZ 12.2020; vgl. CIA 7.6.2021).

Die Verfassung untersagt die Errichtung einer Staatsreligion, garantiert die Gleichheit aller religiösen Gruppen, einschließlich das Recht, die Religion zu wechseln, verbietet die Aufstachelung zum Religionshass und religiöse Diskriminierung. Kleinere nicht-traditionelle religiöse Gruppen erklären, dass die Umsetzung von Gesetzen durch die staatlichen Behörden diskriminierend ist. Mehrere protestantische Gruppen behaupten weiterhin, dass ihrer Ansicht nach die allgemeine Öffentlichkeit immer noch Misstrauen gegenüber dem Protestantismus hegt, ihn falsch versteht und einige protestantische Glaubensrichtungen als "Sekten" bezeichnet werden. Wegen Anstiftung zur Diskriminierung, zum Hass oder zur Gewalt gegen eine Person oder Gruppe aus religiösen Gründen sieht das Gesetz Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren vor (USDOS 12.5.2021).

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die 2006 erlassende Verfassung garantiert allen in der Republik Serbien lebenden Menschen (insbesondere Minderheiten) alle Rechte, im Einklang mit den internationalen Standards. Hierbei bestehen zusätzliche Rechte, die den Minderheiten ermöglichen, über einzelne Fragen bezüglich ihrer Kultur, Ausbildung und amtlichen Verwendung der Sprache und der Schrift im Einklang mit dem Gesetz zu entscheiden (VB 29.6.2021).

In Serbien gibt es 21 nationale und ethnische Minderheiten mit jeweils mehr als 2.000 Angehörigen. Aus der letzten Volkszählung 2011 ergibt sich, dass rund 1 Mio. Einwohner einer Minderheit angehören. Laut OSZE bezeichnen die meisten Minderheitenvertreter ihre eigene Situation als grundsätzlich zufriedenstellend. Serbien hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats ratifiziert. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalem Standard. Die serbische Regierung hat Anfang März 2016 einen Aktionsplan für Minderheiten (als Teil des Aktionsplans zum EU-Verhandlungskapitel) verabschiedet. Ein am 26.3.2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz stärkt u.a. auch die Rechte nationaler Minderheiten. Probleme ergeben sich aber immer wieder bei der Implementierung. Die Antidiskriminierungsstrategie der Regierung ist im Januar 2018 ausgelaufen, eine neue Strategie wurde bislang noch nicht verabschiedet. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, LGBTI) unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Menschen mit Behinderungen erfahren zudem faktische Benachteiligung und zählen zu den am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Serbien (AA 19.11.2020).

Die nationalen Minderheitenräte vertreten die ethnischen Minderheiten des Landes und verfügen über eine breite Kompetenz in den Bereichen Bildung, Medien, Kultur und Minderheitensprachen. Die neuen Ratsmitglieder wurden nach den Minderheitenratswahlen 2018 für eine Amtszeit von vier Jahren ernannt. Laut Gesetz haben ethnische Minderheiten das Recht, in ihrer Minderheitensprache unterrichtet zu werden, aber dieses Recht wurde nicht respektiert. Der albanische Nationale Minderheitenrat stellte mit finanzieller Unterstützung der Koordinationsstelle für Presevo, Bujanovac und Medvedja sowie der albanischen und kosovarischen Regierung kostenlose Schulbücher in albanischer Sprache für 4.000 albanische Schüler zur Verfügung. Nach Angaben des Direktors des Regierungsbüros für Menschen- und Minderheitenrechte haben mehr als 60.000 Schüler aus Minderheitengruppen eine muttersprachliche Ausbildung absolviert. Ethnische albanische Führer in den südlichen Gemeinden Presevo, Medvedja und Bujanovac sowie Bosniaken in der südwestlichen Region Sandzak beklagen, dass sie in staatlichen Institutionen auf lokaler Ebene unterrepräsentiert seien. Nach Angaben des Direktors des Regierungsbüros für Menschen- und Minderheitenrechte haben mehr als 60.000 Schüler aus Minderheitengruppen eine muttersprachliche Ausbildung absolviert (USDOS 30.3.2021).

Die Volkszählung von 2011 ergab folgende ethnische Struktur - 83,32% der Bevölkerung bezeichneten sich als Serben. Der überwiegende Teil des Rests bezeichnet sich als zu einer der Minderheiten zugehörig, die zahlenmäßig größten darunter sind: Ungarn - 3,53%, Bosniaken - 2,02% (v.a. in der Region Sandschak), Roma - 2,05%, Jugoslawen - 1,08%, Kroaten - 0,81%, Albaner (überwiegend: Südserbien) - 0,82% (letzte verfügbare Zahl aus 2002, da die Mehrzahl der Albaner die Volkszählung 2011 boykotiert hatten). In der Provinz Vojvodina gibt es die größte Anzahl ethnischer Minderheiten, über 25. Sie machen rund ein Drittel der Bevölkerung aus. Die größten Gruppen sind: Ungarn – 13%, Slowaken – 2,60%, Kroaten – 2,43%, Montenegriner – 1,15%, Jugoslawen – 0,63%. Der serbische Staat garantiert gewisse Minderheitenrechte hinsichtlich der offiziellen Verwendung von Minderheitensprachen, der Gründung von Minderheitenräten als nationale Vertretung sowie der Aufhebung der Sperrklausel für ethnische Minderheitenparteien im serbischen Parlament (GIZ 12.2020).

Roma

Letzte Änderung: 30.07.2021

Roma sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich. In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Staatsebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Roma im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien. Am 25. Februar 2021 wurde die Strategie zur „Beschäftigung in Serbien“ für den Zeitraum von 2021 bis 2026 angenommen. Die Strategie beinhaltet besondere Maßnahmen zur Förderung der Roma-Angehörigen am Arbeitsmarkt (VB 29.6.2021).

In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten, darunter auch Roma, unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Im März 2016 verabschiedete die Regierung eine neue Strategie für die Inklusion von Roma (2016-2025), im Juni 2017 den zugehörigen Aktionsplan. Dieser ist Teil der Verpflichtungen aus EU-Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte). Die Strategiedokumente gelten als gut ausgearbeitet, die Umsetzung (und Finanzierung) bleibt fraglich. Roma haben, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Allerdings stellt die Registrierung in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis beim Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar. Serbiens Regierung ist in den vorigen Jahren das Problem der „rechtlichen Unsichtbarkeit“ von Roma angegangen: Seit 2012 ist mit dem Gesetz über dauerhaften und temporären Wohnsitz die Registrierung in einem Sozialamt möglich. Dennoch gestalten sich Einzelfälle oft schwierig. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Situation der Roma verbessert. Staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-Gesundheitsmediatorinnen, Zugang zu „Gesundheitsbüchlein“ und damit zum Gesundheitssystem - auch für nicht registrierte Personen - sowie die Einstellung von Pädagogischen Assistenten an Schulen zeigen erste Erfolge. Roma-Kinder sind jedoch in Serbiens Schulen weiterhin unterrepräsentiert. Während 98% aller Kinder die Grundschule besuchen, sind es bei Kindern der Roma-Minderheit rund 84% (AA 19.11.2020).

Laut Recherchen des UNHCR sind die 20.000 vertriebenen Roma die am stärksten gefährdete und marginalisierte Bevölkerung des Landes. 98% der intern vertriebenen Roma leben unterhalb der Armutsgrenze. Bei den vertriebenen Roma zeichnet sich eine Arbeitslosenquote von 74% ab. Laut UNHCR leben fast 90% der vertriebenen Roma in minderwertigen Wohnungen und die überwiegende Mehrheit kann sich nicht integrieren oder nach Hause zurückkehren. Die Situation der Roma-Gemeinschaften verschlechterte sich während der COVID-19-Pandemie und des anschließenden Ausnahmezustands der Regierung. Ab Mitte März 2020 waren die Einkünfte gefährdeter Binnenvertriebener, insbesondere von Mitgliedern der Roma-Bevölkerung, aufgrund der eingeschränkten Bewegungsfreiheit während des Ausnahmezustands und des anschließenden Mangels an Arbeitsmöglichkeiten fast vollständig erschöpft. Nach Angaben des Gleichstellungsbeauftragten waren die Roma vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt. Unabhängige Beobachter und NGO erklärten, dass die systemische Segregation und Diskriminierung der Roma weiterhin besteht. Ungefähr 64% aller bei der Gleichstellungsbeauftragten eingereichten Beschwerden bezogen sich auf die Diskriminierung von Roma. Eine Reihe von Kindern, vor allem aus der Roma-Gemeinschaft, sind gezwungen, sich mit Betteln, Diebstahl, Hausarbeit, kommerzieller sexueller Ausbeutung und anderen Formen von Arbeit zu beschäftigen. Nach Angaben des SCRM [the Serbian Commissariat for Refugees and Migration; Anm.] hat die Regierung in den letzten 21 Jahren mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft Maßnahmen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung von Vertriebenen aus dem Kosovo durchgeführt, um angemessene Lebensbedingungen zu schaffen. Ihre jüngste Studie ergab, dass mehr als 5.759 Wohneinheiten, die im Allgemeinen als Wohnräume für eine Familie definiert sind, bereitgestellt wurden. Es ist nicht klar, wie viele dieser Einheiten den Roma-Vertriebenen zur Verfügung gestellt wurden, da diese sich oft nicht als Roma bezeichnen (USDOS 30.3.2021).

Diskriminierung von Roma tritt meist in informellen Kontakten, aber auch im Bildungs- und Gesundheitssystem sowie bei der Beschäftigung auf. Roma zeigen Diskriminierung selten an, weil sie diese schwer beweisen können und aus Angst vor Druck und Gewalt durch Täter während des Beweisverfahrens. Die Angst vor Diskriminierung wird verstärkt durch die Aktivitäten rechtsextremer Organisationen, deren Mitglieder zunehmend Roma angreifen, während die Behörden nicht oder nur milde auf solche Straftaten reagieren (MRG 3.2021).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen / Kinder

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die Verfassung garantiert in Art. 15 die rechtliche Gleichheit der Geschlechter. Das im März 2009 verabschiedete allgemeine Antidiskriminierungsgesetz konkretisiert diesen Grundsatz ebenso wie zahlreiche Einzelgesetze. Im Mai 2012 wurde erstmals eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt. Systematische geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite können nicht festgestellt werden, in führenden Ämtern in Politik und Wirtschaft sind Frauen - trotz Fortschritten in Einzelbereichen - jedoch immer noch unterrepräsentiert. Im Februar 2016 verabschiedete die Regierung daher eine neue „Nationale Strategie für Geschlechter-Gleichberechtigung“ für den Zeitraum 2016-2020. Ziel der Strategie: Kampf gegen Geschlechter-Klischees, besserer Zugang für Frauen im Wirtschafts- und im politischen Leben. Ebenfalls im Februar 2016 führte Serbien als - nach eigenen Angaben - erstes Nicht-EU-Land den „EU-Index für Geschlechter-Gleichheit“ ein. Auf der Skala von 0 (komplette Ungleichheit) bis 100 (absolute Gleichheit) liegt Serbien unter dem EU-Schnitt: 40,6 (EU-weit 52,9). Frauen sind von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Nach Berichten von NGOs bleibt häusliche Gewalt weit verbreitet. Seit November 2016 gibt es ein Gesetz zur Verhinderung häuslicher Gewalt, zugleich wurde die Strafgesetzgebung entsprechend geändert. Anwälte schätzen jedoch, dass aus Furcht oder Scham nur wenige Frauen Gewalt anzeigen und Polizeibeamte Anzeigen nicht immer angemessen bearbeiten. Eine neue Nationale Strategie sowie ein Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen stehen noch aus. Serbien ist traditionell Durchgangs- und in zunehmendem Umfang auch Herkunfts- bzw. Zielland des organisierten Frauenhandels (AA 19.11.2020).

Trotz gesetzlicher Gleichstellung besteht Diskriminierung gegen Frauen weiter. Auch Gewalt gegen Frauen ist nach wie vor ein Problem. 16 Frauen sind bis Mitte August 2020 an den Folgen von häuslicher Gewalt gestorben. Nach Angaben des Justizministeriums gab es bis Mitte August 2020 12.332 Opfer familiärer Gewalt, davon waren 8.924 Frauen. Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, wird mit bis zu 40 Jahren, sexuelle Belästigung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe sanktioniert. Häusliche Gewalt wird mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Während die Gesetzeslage es Frauen ermöglicht, eine einstweilige Verfügung gegen den Gewalttäter zu erwirken, setzt der Staat die Gesetze nicht wirksam durch. Frauenorganisationen behaupten, dass Fälle von sexueller Belästigung und unangemessener Berührung, die von der Polizei als Privatangelegenheit betrachtet werden, selten untersucht werden. Das Gesetz sieht für Frauen in allen Bereichen den gleichen Rechtsstatus und die gleichen Rechte vor wie für Männer, aber die Regierung setzt diese Gesetze nicht immer durch. In der Arbeitswelt erleben Frauen Diskriminierung bei der Einstellung, Unterrepräsentation im Management und eine geringere Bezahlung als ihre männlichen Kollegen (USDOS 30.3.2021).

In Serbien sei häusliche Gewalt nach wie vor weitverbreitet, zum Teil begünstigt durch Armut, Traumata aufgrund vergangener Kriegsgräuel und einer Kultur, in der Brutalität gegen Frauen traditionell vertuscht werde. Nach wie vor gebe es von staatlicher Seite nur verzögerte Reaktionen auf die Situation und die Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften erfolge nur mangelhaft, allerdings gebe es Anzeichen für eine zunehmende Bereitschaft der Frauen, Fälle häuslicher Gewalt zu melden. Die serbische Regierung veröffentlicht im März 2019 einen Bericht zur Übereinstimmung von nationalem Recht und Rechtspraxis mit der Europäischen Sozialcharta. Darin finden sich Informationen zur Verfügbarkeit von Notunterkünften für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Laut dem Bericht gebe es nach derzeit verfügbaren Daten in Serbien 14 Notunterkünfte („safe houses“) / Unterkünfte für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden seien. Davon würden zehn Häuser vom Zentrum für Sozialarbeit verwaltet, nämlich jene in Novi Sad, Zrenjanin, Jagodina, Sombor, Niš, Pan?evo, Leskovac, Šabac, Priboj und Smederevo. Weiters gebe es zwei Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt, die den Zentren für Entwicklung von Sozialschutzdiensten zugerechnet würden, nämlich jene in Kragujevac und Vranje. Eine Unterkunft für dringende Fälle mit einer Notrufnummer für Frauen, Kinder und Gewaltopfer befinde sich in Vlasotince und in Belgrad gebe es eine Beratungsstelle für häusliche Gewalt mit kostenloser Rufnummer. Die Mehrheit der Notrufnummern sei rund um die Uhr erreichbar (ACCORD 6.9.2019).

Serbien ist eine kinderfreundliche Gesellschaft. Familien mit Kindern werden daher überall bevorzugt behandelt. Serbien verfügt über ein ausgebautes Netz an staatlichen Kindergärten. Vor allem in der Hauptstadt Belgrad gibt es mittlerweile außerdem eine Vielzahl an privaten Einrichtungen der vorschulischen Erziehung. In verschiedenen serbischen Städten finden regelmäßig Kindertheaterfestivals statt, so etwa in Novi Sad, Subotica, Pan?evo, Jagodina u.a. (GIZ 12.2020).

Es gibt keine Hinweise auf speziell gegen Kinder gerichtete Handlungen wie z.B. Kinderzwangsarbeit. Allerdings sind Angaben von Menschenrechtsorganisationen zufolge oft Kinder - und Frauen Opfer innerfamiliärer Gewalt sowie - in geringerem Umfang - von Menschenhandel (AA 19.11.2020).

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 30.3.2021).

Während die Regierung im Frühjahr 2020 in halbwöchentlich geänderten Erlassen die Bestimmungen des Lockdowns regelte bzw. änderte, bestehen serbische Juristen darauf, dass die fast vollständige Ausgangssperre für ältere Menschen grundsätzlich verfassungswidrig sei, weil sie das Recht auf Bewegungsfreiheit nicht nur einschränke, sondern quasi vollständig abschaffe (GIZ 12.2020).

In Bezug auf Reiseverbindungen bestehen derzeit keine Einschränkungen (AA 1.6.2021).

Es gibt keine formalen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit. Die Menschen in Serbien können ihren Arbeits- und Ausbildungsort frei wechseln und haben das Recht zu reisen (FH 3.3.2021).

Seit 7.5.2020 bestehen keine Bewegungseinschränkungen mehr, weder am Tag noch in der Nacht. Ab dem 1.6.2021 wurden allen Gastgewerbebetrieben die Arbeitszeiten bis Mitternacht verlängert. Weiters wird der Kauf an den Kiosken (kleine Verkaufsstellen; Anm.) durchgehend (00:00 - 24:00 Uhr) wieder möglich und die letzte Filmvorführung in Kinos darf ab 23 Uhr starten. An wissenschaftlichen und beruflichen Kongressen in geschlossenen Räumen, dürfen sich höchstens 200 Personen versammeln (VB 29.6.2021).

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung: 30.07.2021

Die gute Entwicklung der serbischen Wirtschaft in den letzten Jahren wurde durch die Pandemie abrupt beendet. Mit einem Rückgang von 1,1% am Ende des Jahres kam Serbien jedoch besser durch die Krise als viele vergleichbare Länder. Die serbische Industrieproduktion entwickelt sich konstant aufwärts und profitiert vor allem durch die Exportwirtschaft. Durch das anhaltende Interesse ausländischer Investoren an der Gründung von Produktionsniederlassungen wächst die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen, die den Anforderungen westeuropäischer Industriestandards entsprechen. Bedingt durch die große Bedeutung, die die Landwirtschaft in Serbien einnimmt, hat sich eine vergleichsweise sehr starke einheimische Lebensmittelverarbeitungsindustrie entwickelt. Noch ist die Kaufkraft der Bevölkerung relativ schwach, sodass der Markt sehr preissensitiv ist. Ein Drittel der Bevölkerung kauft lieber billigere Handelsmarkenprodukte als namhafte Markenartikel (WKO 29.4.2021).

Die wirtschaftliche Lage in Serbien ist weiterhin schwierig, durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert sie sich weiter. Kaufkraft und Nettodurchschnittseinkommen (2019: 465 Euro) waren 2019 weiterhin vergleichsweise niedrig. Es gibt gravierende Unterschiede zwischen (Haupt-)Stadt und Land. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist jedoch uneingeschränkt gewährleistet. Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schwierig. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage Serbiens ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 7,2% der Bevölkerung Serbiens (rund 500.000 Personen) 2017 unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Der Trend hat sich in den letzten fünf Jahren auf rund 7,5% stabilisiert. Das deutet auf einen „festen“ Kern der Armen, auf den Armutsbekämpfungsmaßnahmen keine Wirkung zeigen. Flüchtlinge und Rückkehrer sowie Roma sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung (AA 19.11.2020).

Im Jahr 2020 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien geschätzt rund 7.636 US-Dollar. Für das Jahr 2021 wird das BIP pro Kopf Serbiens auf rund 8.748 US-Dollar prognostiziert (Statista 20.4.2021). Im Jahr 2020 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 13,3%. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13% prognostiziert (Statista 4.5.2021). Unter Jugendlichen ist die Arbeitslosenquote mit 27,5% (2019) aber weiterhin hoch (AA 19.11.2020).

Das für März 2021 berechnete Durchschnittsgehalt (Brutto) betrug 89.894 RSD (ca. EUR 764), während das Durchschnittsgehalt ohne Steuern und Beiträge (Netto) 65.289 RSD (ca. EUR 555) betrug (Republi?ki 25.5.2021).

Die durchschnittliche Pensionshöhe betrug im Mai 2021 29.391,00 RSD (ca. EUR 250,00) (PIO RS 24.6.2021).

Sozialbeihilfen

Letzte Änderung: 30.07.2021

Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Das Angebot der Sozialämter beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit körperlichen oder seelischen Beeinträchtigungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern sowie Familien mit drei oder mehr Kindern. Das Sozialsystem ist für jede serbische Staatsbürger zugänglich. Die betroffene Person muss ein gültiges Ausweisdokument besitzen und bei der nationalen Arbeitsagentur im jeweiligen Wohnort als arbeitslos registriert sein, bzw. lediglich auf Mindestlohn-Basis angestellt sein. Neben den Zentren für Soziale Arbeit leisten auch einige NGOs Hilfe (IOM CFS 13.3.2021).

Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürgerinnen und Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld. Sozialhilfeempfänger, die ausreisen und in der Folge vereinbarte Termine beim Arbeitsamt NES verpassen, verlieren für sechs Monate das Recht, sich arbeitslos zu melden und damit die Grundlage für Sozialhilfe und weitere Sozialleistungen (u. a. Krankenversicherung). Sozialwohnungen sind meist belegt, für Neubauten sind kaum Mittel vorhanden. Familiäre und nachbarschaftliche Solidaritätsnetzwerke sind in Serbien noch relativ funktionsfähig. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten (AA 19.11.2020).

Seit dem 1. April 2021 beträgt die Sozialhilfe für Einzelperson bzw. für den sogenannten Rechtsinhaber in der Familie 8.781 RSD (EUR 74,41). Für jede weitere erwachsene Person in der Familie beträgt diese Leistung 4.391 RSD (EUR 37,21). Das Kindergeld für das anspruchsberechtigte Kind beträgt 3.000 RSD (EUR 24,42). Dies erhöht sich weiter um 30% für alleinerziehende Eltern bzw. Erziehungsberechtigte und beträgt 3.900 RSD (EUR 33,05). Das Kindergeld für pflegebedürftige Kinder erhöht sich auf 4.500 bis 5.400 RSD (EUR 38,13/45,77) (VB 29.6.2021).

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung: 30.07.2021

Serbien wurde zwischen März 2020 und April 2021 stark von der Pandemie betroffen. Der Einsatz des medizinischen Personals wurde im Laufe der Pandemie wegen der hohen Anzahl der infizierten Personen verstärkt. Viele Krankenhäuser wurden zu Corona-Spitälern, was die medizinische Versorgung für Patienten mit anderen Krankheiten verschlechterte. Zahlreiche Operationen mussten wegen Platzmangels verschoben werden. Ein Mangel an medizinischem Personal war besonders in den medizinischen Versorgungszentren festzustellen, weil diese ständig als Covid-Zentren genutzt wurden. Allerdings verbessert sich die Situation mit April 2021 zusehends, zumal viele Krankenhäuser langsam aus dem Covid-System austraten. Seit Mai 2021 werden Patienten mit anderen Krankheiten wieder in den klinischen Zentren in „Zvezdara“ und „Dr Dragisa Misovic“ behandelt, da sich diese nicht mehr im Covid-System befinden (VB 29.6.2021).

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 1.6.2021; vgl. EDA).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat. Behandlungen und Medikamente sind gänzlich kostenlos für alle Bürger, die im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert sind. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Einfache medizinische Einrichtungen können in ganz Serbien in fast jedem Ort gefunden werden. Die größten Krankenhäuser in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Um kostenlos behandelt zu werden, muss der Patient im Besitz einer staatlichen Krankenversicherung sein. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Abhängig von der Art der Krankenversicherung sowie der Anspruchsberechtigung, kann die Behandlung entweder kostenlos oder nur teilweise gedeckt sein. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose Bürger besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der Familienmitglieder eine Krankenversicherung besitzen, sind Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM 13.3.2021).

Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Gut ausgebildetes medizinisches Personal ist trotz Personalengpässen grundsätzlich vorhanden. Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar, auch können z.B. in Belgrad Bypassoperationen vorgenommen werden. Einsatz, Kontrolle und Wartung von Herzschrittmachern ist in Belgrad grundsätzlich möglich (nicht jedes Modell). Herz- und sonstige Organtransplantationen (mit Ausnahme der relativ häufigen Nierentransplantationen) werden gelegentlich durchgeführt, sind aber noch keine Routineoperationen. Im Juli 2018 wurde in Serbien ein Transplantationsgesetz und ein Gesetz über eine Organspenderdatenbank, welche jedoch bis heute nicht funktionsfähig ist, verabschiedet. Mehr als 1.000 Patienten warten auf eine Organtransplantation, während die Zahl der potentiellen Spender sehr gering ist (AA 19.11.2020).

Behandelbar sind in Serbien (keine abschließende Aufzählung): Diabetes mellitus (die Versorgung mit allen Arten von gängigen Insulinpräparaten ist regelmäßig und sicher), orthopädische Erkrankungen (auch kranken-gymnastische u.ä. Therapien), psychische Erkrankungen, u.a. Depressionen, Traumata, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen (medikamentöse und psychologische Behandlung), Atemwegserkrankungen (u.a. Asthma bronchiale), Hepatitis B und C (abhängig von der Verfügbarkeit antiviraler Medikamente, die teilweise selbst gekauft werden müssen), Epilepsie, ein Großteil der Krebsformen, Nachsorge für Herzoperationen, Krebsoperationen, orthopädische Operationen etc. Dialyse wird bei Verfügbarkeit eines Platzes durchgeführt. Es gibt auch in Belgrad und Novi Sad private Zentren zur Dialyse. Diese beiden Kliniken haben Verträge mit der staatlichen Krankenversicherung abgeschlossen, wonach sie auch bei Bedarf auf Kosten der staatlichen Krankenversicherung Dialysen durchführen können (AA 19.11.2020).

Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Neben dem Therapiezentrum in der Wojwodina existieren mittlerweile weitere Therapiezentren in Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische, in Einzelfällen auch in Serbien hergestellte) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für den Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,00 RSD an. (ca. 0,43 EUR). Es gibt jedoch auch Medikamente, für die von Patienten eine Beteiligungsgebühr von 10 bis 90% des Anschaffungspreises gezahlt werden muss (AA 19.11.2020).

Rückkehr

Letzte Änderung: 30.07.2021

Durch das StarthilfePlus - Level D Programm, bietet IOM Serbien konkrete Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrenden an. Außerdem stellt das DIMAK Beratungszentrum (Deutsches Informationszentrum für Migration, Ausbildung und Karriere in Serbien) durch sein 'Build Your Future'-Programm immaterielle Unterstützung bei der Reintegration zur Verfügung. Das Programm klärt darüber auf, welche Möglichkeiten es für die Betroffenen in Serbien gibt (inklusive Weiterbildungsmöglichkeiten) und unterstützt bei der Jobbewerbung. Zusätzlich organisiert DIMAK in Zusammenarbeit mit Firmen, die neues Personal suchen, regelmäßig Berufsmessen in Serbien. Nach der Rückkehr sollte die rückkehrende Person sich bei relevanten Behörden und Stellen (wieder) anmelden; dazu ist unbedingt der Personalausweis erforderlich - dieser kann, falls nötig, bei einer lokalen Polizeistelle beantragt werden; sich für die (staatliche) Krankenversicherung/Rentenversicherung anmelden; Sozialhilfe beantragen; Stellen kontaktieren, die bei der Arbeits- und Wohnungssuche unterstützen; die Anmeldung bei Kinderbetreuung, Schule und weitere Bildungsinstitutionen in die Wege leiten (IOM 13.3.2021).

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u.ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u.a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält. Rückkehrende Personen können, wie alle anderen Bürger, frei über ihren Wohnort entscheiden und einen Wohnsitz anmelden. Der Verbleib von rückkehrenden Personen wird weder erfasst noch in sonstiger Weise kontrolliert. Erfahrungsgemäß kehren sie oftmals an ihren letzten Wohnsitz zurück. Das Meldegesetz, das seit Ende 2011 in Kraft ist, enthält eine Regelung, die Personen ohne Personalausweis die Anmeldung erleichtert. Es sind Einzelfälle bekannt, in denen Rückkehrern trotzdem die Anmeldung verweigert wurde (u. a. Bewohnern informeller Siedlungen, aus Kosovo stammende Rückkehrer). Serbische Behörden stellen kosovarischen Staatsangehörigen weiterhin serbische Reisedokumente aus, die dann für Rückführungen nach Serbien genutzt werden. In diesem Zusammenhang sollte bei Rückführungen darauf geachtet werden, dass kosovarische Staatsangehörige mit kosovarischen Reisedokumenten ins Kosovo rückgeführt werden. Informationen über die Rechte und Pflichten von Rückkehrern enthält eine online verfügbare mehrsprachige Broschüre des serbischen Flüchtlingskommissariats (http://www.kirs.gov.rs/wb-page.php?kat_id=222) (AA 19.11.2020).

Ein- und auch Durchreisebestimmungen können aufgrund von Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 derzeit abweichen. Die Ausbreitung von COVID-19 kann weiterhin zu Einschränkungen im internationalen Luft- und Reiseverkehr und Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens führen (AA 1.6.2021).

II. Beweiswürdigung

Der Beweiswürdigung liegen folgende Erwägungen zugrunde:

II.1. Zum Verfahrensgang

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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