TE Vwgh Erkenntnis 1996/10/24 95/20/0316

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Veröffentlicht am 24.10.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §20;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A in O, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1995, Zl. 4.345.745/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, der am 9. Jänner 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 11. Jänner 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. Jänner 1995 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 19. Jänner 1995 zu seinen Fluchtgründen angegeben, er habe bis 12. Jänner 1994 keinerlei Probleme gehabt. An diesem Tag habe er ein Lokal eröffnet, welches behördlich registriert gewesen sei. Vier Monate sei alles gut gegangen, da niemand gewußt habe, daß er Kurde sei. Nach vier Monaten habe die Polizei das Lokal durchsucht, ihm vorgeworfen, daß er Kurde und sein Lokal ein Treffpunkt für Kurden sei. Er solle zusperren. Er habe nicht zusperren wollen, weshalb mehrere Hausdurchsuchungen erfolgt seien. Am 20. Mai 1994 sei das Lokal von der Polizei geschlossen worden. Er habe durch Bestechung wieder aufsperren dürfen. Zwei bis drei Monate habe er kaum Probleme gehabt. Die Polizei habe kontrolliert, aber es habe keine Durchsuchungen gegeben. Dann habe ihn die Polizei plötzlich mit dem Umbringen bedroht; man würde eine Bombe ins Lokal werfen, wenn er nicht zusperre. Dies sei im August 1994 gewesen. Man habe ihn dann in seinem Lokal geprügelt. Einmal sei er festgenommen und auf der Wache geschlagen worden. Er habe zwei Angestellte gehabt, einer sei auch zusammengeschlagen und angeblich sogar an Strom angeschlossen worden.

Zur behaupteten Haft lautet der Inhalt der Niederschrift:

"Wie oft waren Sie insgesamt in Haft? Nur einmal. Wie lange waren Sie in Haft? Drei Tage.

Können Sie zur Verhaftung und zur Haft selbst detaillierte Angaben machen? Man warf mir vor, daß gerade bei mir viele Kurden verkehrten, man hielt mir Pkk-Unterstützung vor. Die Polizei kam zum Lokal. Es waren sechs oder sieben Personen, fünf in Uniform, zwei in Zivil. Ich wurde mitgenommen. Drei Tage hielt man mich fest. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was alles mit mir geschah, möglicherweise hat man mich auch an Strom angeschlossen, ich war wahrscheinlich bewußtlos.

Wann wurden Sie bewußtlos? Das war am 15.8.1994, am 18.8.1994 ließ man mich dann frei. Ich wurde zusammengeschlagen, als ich freigelassen wurde, war der 18.8.1994. Man hat mich auch die ganze Zeit beschimpft.

Wie konnten Sie Beschimpfungen hören, wenn sie bewußtlos waren? Das war vorher, bevor ich das Bewußtsein verlor.

Erlitten Sie Verletzungen? Nein. Mein Ohr hat jedoch gesungen.

Mir wird vorgehalten, daß diese Angaben einer dreitätigen völligen Bewußtlosigkeit unglaubwürdig sind. Dazu gebe ich an, vielleicht hat man mir was gegeben.

Können Sie das "was" näher erklären? Ich kann wohl nicht so schnell bewußtlos werden, ich bin ein kräftiger junger Mann.

Was hat man Ihnen gegeben? Wasser hatte ich bekommen. Mehr weiß ich nicht.

Wie erfolgte Ihre Freilassung? Es gab keine Beweise und ich durfte gehen. Es wurde auch kein Verfahren gegen mich eingeleitet."

Weiters gab der Beschwerdeführer an, wäre er in der Türkei geblieben, hätte ihn die Polizei ermordet. Auf den Vorhalt, daß er trotzdem das Lokal bis Jänner 1995 weitergeführt habe, gab er an, daß der Druck stärker geworden sei, zweimal im Monat sei die Polizei gekommen, habe das Lokal durchwühlt, ihn bedroht und geschlagen. Auf erneuten Vorhalt, daß er trotz der über Monate dauernden Mißhandlung das Lokal weitergeführt habe, gab der Beschwerdeführer an, daß er gehofft habe, irgendwann Ruhe zu haben. Ob nach ihm in der Türkei gefahndet werde, wisse er nicht. Ein Verfahren sei nicht eingeleitet. Über Vorhalt, er hätte den Problemen mit der lokalen Polizei entgehen können, indem er in einer anderen Stadt der Türkei gelebt und gearbeitet hätte, gab der Beschwerdeführer an, daß im Oktober sein Lokal durch eine Bombe zerstört worden sei. Er habe Angst, daß er getötet würde. Über Vorhalt, er habe das Lokal bis Jänner 1995 betrieben, stellte er richtig, daß nicht sein, sondern ein anderes Lokal zerstört worden sei. Auf neuerlichen Vorhalt, er hätte in einer anderen Stadt leben können, antwortete der Beschwerdeführer: "Weshalb sollte ich woanders leben?"

Der Beschwerdeführer gab auch an, daß er im März 1995 zum Militär eingezogen worden wäre. Er sei am 4. Juli 1994 gemustert und für tauglich befunden worden. Wann und wohin er einrücken solle, hätte ihm vermutlich im März 1995 mitgeteilt werden sollen.

Das Bundesasylamt sprach dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Fluchtgrundes und des Fluchtweges ab, wobei es Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers anführte. Darüber hinaus führte das Bundesasylamt aus, daß der Beschwerdeführer "in anderen Teilen" seines Heimatlandes "ohne Probleme" hätte leben können. Er habe auf diesbezügliche Vorhalte keinen Umstand anführen können, der darauf schließen ließe, daß er im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes einer Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Die Verfolgung (bzw. die Furcht davor) müsse jedoch an sich im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben. Zu den Angaben des Beschwerdeführers betreffend den ihm bevorstehenden Militärdienst begründete das Bundesasylamt, daß durch eine Wehrdienstverweigerung Asyl nicht begründet werden könne.

In seiner gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gerichteten Berufung legte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe in abgeänderter Weise (Weglassung der ersten Schließung des Lokales durch die Polizei und der Neueröffnung aufgrund Bestechung; als Ersatz für die diesbezüglichen niederschriftlichen Angaben behauptete er nunmehr, er habe sich nach der Polizeiintervention vom 20. Mai 1994 geweigert, sein Lokal zu schließen; des weiteren ließ der Beschwerdeführer den ersten Vorfall im August 1994 weg) und legte unter teilweise neuem Vorbringen (behauptete Mitgliedschaft zur Partei "DEP", Details betreffend die Haft vom 15. August bis 18. August 1994, Neuerungen betreffend des vermutlich drohenden Militärdienstes) dar.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. Februar 1995 übernahm die belangte Behörde die Sachverhaltsfeststellung sowie die "präzise und schlüssige Beweiswürdigung" des erstinstanzlichen Bescheides, zumal der Beschwerdeführer in seiner Berufung das Vorliegen keines der drei Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991, in denen eine Wiederholung oder Ergänzung des Ermittlungsverfahrens vorzunehmen wäre, auch nur behauptet hätte. In rechtlicher Sicht ergänzte die belangte Behörde zur drohenden Einberufung zur Militärdienstleistung, daß dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen seien, daß seine Einberufung etwa mit seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder seiner politischen Gesinnung in Zusammenhang gestanden sei und daß mit dieser eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre.

Die dagegen erhobene Beschwerde macht lediglich geltend:

"Der Beschwerdeführer hat in seinen Aussagen, insbesondere doch in seiner Berufung darauf verwiesen, daß er einer bestimmten Volksgruppe zugehörig ist, bzw. auch mit einer Verfolgung aufgrund seiner damit verbundenen politischen Gesinnung zu rechnen haben wird.

Die belangte Behörde hat sich zum einen mit diesen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in keiner Weise auseinandergesetzt, andererseits dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren kein Parteiengehör zugebilligt, es wäre zumindest erforderlich gewesen, den Ausführungen des Beschwerdeführers im Zuge des Berufungsverfahrens entsprechend auf den Grund zu gehen bzw. die von ihm andeutungsweise in der Berufung vorgebrachten asylrelevanten Verfolgungstatbestände entsprechend aufzuklären, zumal dem Bescheid der belangten Behörde zu entnehmen ist, daß der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe bzw. seiner politischen Gesinnung erblickt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer verkennt, daß - wie die belangte Behörde zu Recht ausführt - weder in der Berufung noch in der Beschwerde eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, insbesondere der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers, gerügt wurde. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, es liege keiner der drei Fälle des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vor, in denen eine Wiederholung oder Ergänzung des Ermittlungsverfahrens vorzunehmen wäre, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daher war es der belangten Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verwehrt, auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung einzugehen. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung zu Recht das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde. Damit ist aber auch der in der Beschwerde auf das BERUFUNGSVERFAHREN gestützten Verfahrensrüge der Boden entzogen.

Der Beschwerdeführer tritt der von der belangten Behörde übernommenen Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Bescheides nicht entgegen. Da sich die Ausführungen des Bundesasylamtes zumindest hinsichtlich der Ungereimtheiten und Widersprüche des Beschwerdeführers in bezug auf die Haft vom 15. August bis 18. August 1994 und der geänderten Verantwortung des Beschwerdeführers zu den Vorhalten, wieso er sein Lokal trotz Repressionen bis Jänner 1995 betrieben habe, ohne entgegenstehendes Vorbringen des Beschwerdeführers nicht von vornherein als unschlüssig erkennen lassen, liegt auch diesbezüglich eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Den Ausführungen der belangten Behörde zur drohenden Einberufung zum Militärdienst - welche mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang stehen (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377) - tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200316.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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